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Sechstes Kapitel.
Der Seebär

Der Generalkonsul hatte morgens nach dem Aufstehen einen unerwarteten Besuch. Er war noch beim Ankleiden, als vor seinem Zimmer die Badekapelle aufrückte und einen schmetternden Tagesgruß begann.

»Das gilt dem General von Legat nebenan!« dachte der alte Herr und freute sich, seine Toilette unter den Klängen eines frischen Marsches beendigen zu können. Freilich konnte er sich nicht recht erklären, warum die Helgoländer Musik dem preußischen Offizier aus Metz diese Ovation brachte. Lange brauchte er indessen über diese Frage nicht nachzusinnen, denn Plötzlich hörte er schwere Tritte tapp, trapp, tapp, trapp die Haustreppe heraufmarschiren.

Nanu?

Die Schritte näherten sich der Thüre des Seebären. Dann klopfte es kräftig. Der Generalkonsul zog schnell seinen Rock an und rief: »Herein!«

Eine Gruppe Schiffer stampfte in das Zimmer, geführt von einigen Honoratioren der Insel. Die Musik auf der Straße schwieg. Erstaunt blickte der alte Herr auf seine frühen Besucher. Ein Redner trat vor und begann: »Hochverehrter Herr Generalkonsul! Wir fanden keinen, um uns anzumelden, und haben uns erlaubt, direct an Ihr Zimmer anzuklopfen …«

»Ja, meine Herren, ich bin kaum mit der Morgentoilette fertig. Sie überraschen mich in meinem Schlafzimmer.«

Der Sprecher räusperte sich und erwiderte: »Wir wollten Sie überraschen, Herr Generalkonsul. Das Morgenständchen wird Ihnen schon angedeutet haben …«

»Was, gilt die Musik mir?«

»Natürlich! ja! gewiß!« versetzte der Chorus.

Abermals begann der Sprecher: »Hochverehrter Herr Generalkonsul! Am heutigen Tage sind Sie 40 Jahre hindurch regelmäßiger Sommergast auf Helgoland. Das Morgenständchen wird Ihnen schon angedeutet haben, daß die Gemeinde dieses freudige Ereigniß nicht ohne Feier vorübergehen lassen will. Sie haben der Insel und deren Bewohnern so viele Beweise Ihrer Liebe und Ihres Interesses gegeben, daß mir alle Grund haben, uns über Ihr Jubiläum herzlich mitzufreuen. Noch in diesem Jahre haben Sie in Ihrer Güte für den neuen Kirchthurm, den Herr Commercienrath Rickmers aus Bremerhaven erbaut hat, die Uhr und die Glocken gestiftet. Heute Nachmittag soll nun zwar die Einweihung des Thurmes stattfinden; aber diese Feier geht mehr das Government an. Die Gemeinde selbst wollte Ihnen auch einen Beweis ihrer Dankbarkeit liefern und hat daher beschlossen. Ihnen, hochverehrter Herr Generalkonsul, das Ehrenbürgerrecht unserer Insel zu übertragen. Mögen Sie dasselbe und unsere Gesinnungen gütig annehmen und mögen Sie noch viele Jahre mit Ihrer Familie die Insel im Sommer besuchen, Ihre Gesundheit unter uns stärken und Ihre Kräfte erneuern!«

Der Redner brachte sodann ein dreimaliges Hoch aus, in welches die Anwesenden kräftig einstimmten. Während die Musik draußen wieder zu spielen begann, erschien auch die Familie des Jubilars im Zimmer, gerade so überrascht, wie dieser selbst. Die Deputation überreichte den Ehrenbürgerbrief: ein kunstvoll kalligraphisch ausgeführtes und mit Emblemen in Aquarellmalerei versehenes Document.

So vollständig war die Ueberraschung gelungen, daß der alte Herr nur unter großer Bewegung seinen Dank aussprechen konnte, und nachdem er jedem Einzelnen freundlich die Hand geschüttelt und der Insel ein Regattafest versprochen hatte, zog die Deputation wieder ab. Die Musik spielte dem neuen Ehrenbürger und seinen Angehörigen noch zum Frühstück auf. Der Kaffee, den der alte Herr im Garten hinter dem Hause einnahm, wurde aber bereits durch weitere Besuche unterbrochen. Director Göhring, Graf Zichy, Herr Rübendorff, Legationsrath von Pechtler, der Badearzt Dr. Lindemann, der Town-Clerk und ein ganzes Defilé von Freunden und Bekannten erschienen und lösten einander auf den wackeligen Gartenstühlen ab. Heiter und ungenirt empfing sie der Jubilar ohne viele Ceremonien. Die Damen der Bekanntschaft schickten duftende Bouquets. Sogar Frau Moos, die Floristin, welcher der Generalkonsul seit Jahren täglich eine schöne Theerose abkaufte, sandte einen prächtigen Aufsatz mit Schleifen in den Helgoländer Farben.

»Aber meine Herren,« rief schließlich der Gefeierte, »woher haben Sie denn die Geschichte eigentlich erfahren? Ich bat den Gouverneur doch, nichts verlauten zu lassen.«

»Da kommt der Mann, der alle Wissenschaft besitzt,« antwortete der Director Göhring, indem er auf die Thür zeigte, in welcher gerade Dr. von Sechow sichtbar wurde.

»Natürlich, das Lexikon!« hieß es jetzt.

»Der weiß alles.«

»Herzlichen Glückwunsch, lieber Konsul! Mögen Sie noch viele Jahre auf die Makrelenjagd gehen! Und damit Sie sich in diesem Sport immer mehr vervollkommnen, erlaube ich mir, Ihnen ein Kästchen mit von mir erfundenen Patentangelhaken nebst Schnüren zu überreichen.«

Das war das Morgendebut des Doctors. Es dauerte nicht lange, so kam Professor Bohrmann draußen am Gartenzaun vorbei. Der wußte selbstverständlich nichts von dem Feste.

» Nomenclator colossivus!« donnerte das Lexikon ihn an, »verlegen Sie mal die Richtung Ihrer spiralförmig fortschreitenden Bewegung alias Morgenpromenade in dieses Revier.«

»Ah … guten Morgen, Herr Doctor. Riefen Sie mir etwas zu?«

»Ich meine mich zu erinnern. Kommen Sie mal 'rein und gratuliren Sie. Der Seebär erwartet Sie schon lange.«

Es dauerte eine Weile, bis der Gelehrte den Eingang fand. Als er drinnen war, glaubte er zuerst, man wolle ihn mit dem Feste bloß aufziehen. Schließlich gratulirte er aber, und zwar mit herzlicher Freude. Fünf Minuten darauf debattirte er freilich schon mit dem Badearzt über den Verdauungsproceß der Seequalle.

Um 8 Uhr hielt es den Seebären nicht mehr am Lande: er mußte eine Segelpartie haben. Seine gestrige Einladung zum Dünenfrühstück wiederholend, brach er auf, holte Oelzeug und begab sich zur Brücke, wo die »Sagitta« bereits bereit lag.

Im Boot gab er dem Schiffer Jakob Oelrichs sofort die nöthigen Instructionen: »Wir laufen um die Nordspitze bis an das Revier, wo wir gestern die vier großen Makrelen und das Petermännchen fingen. Dort kreuzen wir, solange wir etwas bekommen. Der Dr. Sechow hat mir da Patentangeln mitgegeben … das Zeug wird aber wohl nichts taugen. Wenn es mit dem Wasser paßt, segeln wir ganz um die Insel. Punkt ein halb zwölf müssen wir an der Düne landen, Jakob.«

»Jawull, Herr Kunsel, un ich gratelir Ihnen auch.«

»Danke, Jakob. Jetzt bin ich auch ein Hollunder.«

Das Boot, heute mit zwei Flaggen geziert, stieß dann von der Brücke ab. Der Director stand oben und winkte mit der Rechten: »Auf Wiedersehen drüben, Herr Generalkonsul!«

»Bringen Sie Ihre Frau Schwiegertochter, Ihre Söhne und den kleinen Enkel mit zur Düne!«

»Fangen Sie brav Makrelen!«

»Jägern und Fischern soll man kein Glück wünschen.«

»Na, dann fangen Sie Seepferde für den Professor!«

»Läßt sich eher hören. Sorgen Sie, daß der auch zur Düne kommt! Das Lexikon hat mir versprochen, nach dem Frühstück den Meergreis aufzuführen.«

Der Director wandte sich ab und schaute auf die Uhr. Auch er erwartete sein Boot. Im Makrelenfang hatte er weit weniger Glück als der Seebär, aber auch weniger Geduld. Länger denn anderthalb Stunden mochte er nicht aus dem Wasser sein. Er brachte es nicht fertig, wie der Generalkonsul im Boot zu rauchen, zu frühstücken und zu schlafen. Sein »Mittelboot« war mehr ein Luxus, eine Concession an die Mode und die einzige Möglichkeit, bei Fahrten zur Düne oder um die Insel die allgemeinen Fahrboote zu vermeiden. Der Bruder des Senators Dr. Göhring und Schwiegervater des Grafen Stormarn wollte eben nicht mit »Krethi und Plethi im Omnibusboot« sitzen. An diesen Schwiegersohn dachte der Bankdirector übrigens heute Morgen auch. Beim Frühstück war nämlich ein Telegramm eingetroffen: »Director Göhring, Helgoland. Kommen mit ›Freya‹ auf einige Tage nach dort. Vielleicht Tante Chanoinesse ebenfalls. Beste Grüße. Mathilde und Waldemar.«

Diese Depesche bedeutete für den Bankdirector etwas ähnliches wie einen Aderlaß, denn der Herr Schwiegersohn, trotz seiner 35 Jahre noch ein – sagen wir mal – »recht lebenslustiger« Husarenrittmeister, hatte schon drei Briefe an den guten Papa nach Helgoland geschrieben, welche der vorsichtige Finanzmann indessen mit ebensovielen, aber bestimmten »Nein, dieses Jahr keinen Pfennig mehr!« beantwortete. Selbst ein Sturm der Gräfin Mathilde, geborenen Göhring, auf die reichen Herzenseigenschaften des Vaters war zurückgeschlagen worden. Der angekündigte Besuch erschien dem Director daher als ein Aufgebot aller Reserven, zumal die Tante, die alte Itzehoer Stiftsdame, auch mit in die Front gestellt schien. Nur wenig konnte den Bankier seines Schwiegersohnes die Ehre trösten, daß er binnen zwölf Stunden eine gräfliche Tochter in den Kreis der Helgoländer Bekannten einführen durfte. Die Directorin freilich schwelgte schon eher im Vorgefühle dieser Befriedigung. Carlos hatte Gründe, der Ankunft seines Schwagers mit ähnlichen Gefühlen wie der Papa entgegenzusehen. Dolores war neugierig; denn sie kannte weder ihre Schwägerin noch den Grafen. Theodor hatte sich nie gut mit Waldemar Stormarn vertragen können und beschloß, sich nicht viel um ihn zu kümmern. Seiner einzigen Schwester Mathilde hatte er es in den drei Jahren ihrer Ehe noch nicht ganz verzeihen können, daß sie wegen eines Grafen, der seinen ritterlichen holsteinischen Standesgenossen ebensowenig Ehre machte wie seiner Familie, den Antrag ihres Vetters Octavio, des Senatorsohnes, abgewiesen hatte. Octavio, meinte Theo, habe Mathilde wirklich geliebt.

Eine ganze Weile hing der arme reiche Schwiegerpapa seinen Defensivplänen nach, bis die Directorin mit Carlos, Dolores, dem Kleinen und der Negerin erschien.

»Endlich!« rief der Director. »Mein Boot wartet schon und euer Papa auch. Aber wo ist denn Theo?«

»Er ist bei Professor Bohrmann, der ihm ein pelagisches Netz, oder wie das Ding heißt, erklären will. Nachher wollen sie miteinander hinausrudern und an der Südspitze Seerosen fangen. Merkwürdig, der Junge ist mit einemmal ganz Feuer und Flamme für die Zoologie!«

»Mir ganz recht,« brummte Göhring; »dann läuft er wenigstens nicht mit dem ungebildeten Schifferbengel herum.«

»Hast du ihn heute zur Rede gestellt?«

»Jawohl.«

»Und was sagte er?«

»Kein Wort.«

»Siehst du, Theo ist doch vernünftig. Sonst – Waldemar würde ihn, glaube ich, auf bessere Bahnen leiten können.«

Der junge Göhring lächelte über diese Ansicht der Mutter. Er wußte ganz genau, in welchen Hamburger Localen der Rittmeister zu verkehren pflegte. Stormarns Entdeckungsreisen durch die Vorstädte Hamburgs waren solcher Natur, daß viele seiner Kameraden, meistens vornehm gesinnte Mitglieder des holsteinischen und mecklenburgischen Adels, sich gänzlich von ihm zurückzogen. Carlito war bereits die Treppe hinuntergeklettert und untersuchte das Boot. Endlich hatte sich die Familie Göhring eingeschifft, und man stieß von der Brücke ab. Kaum war man zweihundert Schritt vom Ufer, da wurde Babuna, die Negerin, schon seekrank, und man mußte wieder umkehren, um sie abzusetzen. Besonders ärgerte sich die Directorin, weil Babuna in ihrer Angst wegen der Fahrt in einem so kleinen Schiffe sich mehrmals bekreuzigt hatte.

»Aber gran madre,« meinte dazu Carlito, »Babuna hat ganz recht. Wenn das Boot umfällt …«

»Kentert, sagt man,« verbesserte der Großpapa.

»Wenn das Boot klettert …«

»Ken-terrt, dummer Junge!!!«

» Si, si, gran padre, kenterret, dann kann Babuna todtgehen, und dann ist es gut, wenn sie das heilige Kreuzzeichen vorher gemacht hat.«

»Dummes Zeug, Kind …«

»Nein, gran madre, Don Jaime sagt …«

»Wer ist Don Jaime?« fragte die strenge Großmutter.

»Unser Cura in Guatemala. Er sagt, das heilige Kreuzzeichen …«

»Halt jetzt deinen Mund, Carlito!« befahl die Directorin und gab dem Kleinen einen gehörigen Klaps. Darüber fing Dolores an zu weinen, und ihr Gatte schaute seine Mutter recht böse an. Zum Ueberfluß hatten die Schiffer des Directors die Angeln vergessen. Jetzt konnte man dem Seebären wieder nicht mit Makrelen imponiren!

So fuhr die Familie Göhring in ihrem höchst privaten Mittelboot, aber auch in sehr nervöser Stimmung davon. Was hätte der Director erst gedacht und gesagt, würde er geahnt haben, daß nach zehn Minuten an der nämlichen Treppe ein kleines Boot lag, in welches Professor Bohrmann nebst Schleppnetz, der Schiffer Lührs mit Glashäfen und leeren Cigarrenkistchen, sowie Theodor und Hans Payens einstiegen!

Bohrmann hatte zwar nach seiner gestrigen Fahrt mit Lührs gemeint, er könne mit diesem auch in Zukunft allein fertig werden; doch wußte Theodor den Gelehrten zu überzeugen, daß zwei Schiffer die Segel schneller bedienen würden. Seitdem Theo sich für Tentakeln, Schwanzflossen und Schwimmkurven interessirt zeigte, hatte er bei Bohrmann einen Stein im Brett.

Der Himmel war nicht mehr blau wie gestern, aber noch hoch und ziemlich klar. Sturm schien noch nicht zu kommen; nur eine steife Brise wehte. Theodor und der Professor saßen auf der Rückseite des Bootes, hinter ihnen Hans am Steuer, so nahe, daß er dem Freunde von Zeit zu Zeit eine Handvoll Seewasser in den Nacken spritzen konnte. Lührs hockte vorn im Steven und blinzelte Theo von Zeit zu Zeit an, als ob er sagen wollte: »Ich weiß schon, warum ihr zwei so fidel seid.«

Alle Hollunderjungen hatten Theo gern, und Lührs nahm sich vor, ihn an einem der nächsten Abende in das »Grüne Wasser«, ein Tanzlocal der Insulaner, einzuladen. Dann mußte Theo eine Runde Bier geben, und die jungen Burschen wollten ihm ihre Lieder vorsingen.

Die drei Jünglinge wurden so lustig, daß selbst der trockene Zoologe vorschlug: »Können wir nicht … ich meine, könntet ihr nicht etwas zum besten geben?«

»Was? ein Lied? eine Geschichte? einen Ulk?«

»Können wir … ich meine, etwas singen wäre nett.«

»Aber was?« fragte Lührs.

Hans erklärte schnell: »Theo muß ein Lied dichten!«

»Theo?« erkundigte sich Bohrmann, »wer ist Theo?«

»Theo Göhring, Herr Professor, der neben Ihnen sitzt.«

»Aber Jungens, ihr dürft doch den Herrn nicht Theo nennen!«

»Payens darf es,« behauptete Lührs listig.

»Ja, er darf es, Herr Professor,« nickte Theo; »er ist mein Bruder.«

»Wie? was? Herr Göhring …«

»Ja, Hans ist mein Bruder.«

»Dummes Zeug, seit wann?« Bohrmann wurde etwas ärgerlich.

»Seit gestern,« sagte Theodor gelassen.

Die beiden andern platzten heraus. Bohrmann wurde verlegen und wandte sich an seinen Gast: »Herr Göhring, Sie geben sich dazu her, mich mit diesen jungen Kerls zum besten zu halten?«

»Ich versichere Sie, Herr Professor, das ist nicht der Fall. Ich erkläre Ihnen das später. Sie werden ganz befriedigt sein. Glauben Sie mir nur und seien Sie nicht böse …«

»Na, ihr jungen Leute seid alle Halunken …«

»Herr Professor, ich weiß ein Lied. Wollen Sie, daß ich's singe?«

»Na, man los! Wird wohl wieder 'ne andere … ich meine, andere Dummheit sein. Lührs, was ich fragen wollte: hast du Spiritus gekauft?«

»Jawohl, Herr Professor.«

»Heute Abend müssen wir die Haifischeier conserviren.«

»Schön, Herr Professor. Ich komm' auf Ihr Zimmer.«

Bohrmann war wieder befriedigt. Das Boot flog schnell durch die verankerten Hummerkisten und Schaluppen dem offenen Wasser zu.

Da begann Theodor:

»Fischlein in der grünen Fluth,
Heute sei auf deiner Hut
Vor der Menschen Tücke.
Bliebst du doch zu Hause fein,
Im Palast von Felsgestein,
Wär's zu deinem Glücke.
Bist so schnell und doch so dumm –
Kann sich das vertragen?
Bist so still und bist so stumm,
Kannst nicht einmal klagen.

»Fischlein mit dem klaren Blick,
Siehst du nicht dein Mißgeschick?
Laß den Köder locken!
Kommst du an die Oberwelt,
Ist dein Urtheil bald gefällt:
Stirbst an ihrem Brocken.
Bist so schnell und doch so dumm –
Kann sich das vertragen?
Bist so still und bist so stumm,
Kannst nicht einmal klagen.

»Lacht und glänzt das Sonnenlicht,
Traue du dem Golde nicht,
Bleib bei deiner Weise!
Denn die Welt trotz aller Pracht –
Ach, hat vielen Leid gebracht:
Tod ist ihre Speise.
Bist so schnell und doch so dumm –
Muß dich drum beklagen.
Schaust du nach dem Köder um,
Geht dir's an den Kragen.«

Die Zuhörer klatschten in die Hände, als Theo geendet hatte.

Hans äußerte sich aber doch leise zu dem Sänger: »Bei deinen Liedern weiß ich oft nicht, ob ich traurig sein oder lachen soll.«

»Und wenn ich mir die Welt anschaue und sie mir ein Lied singen lasse, weiß ich das auch nicht, Hans.«

»Geht's dir auch heute so?«

»Auch heute.«

»Bist du nicht zufrieden und glücklich?«

»Doch, Hans. Aber weiß ich, ob es dauern wird?«

Hans wurde durch einen Windstoß von der Antwort, die er geben wollte, abgelenkt.

Er rief Lührs zu: »Nimm das Focksegel lieber ein – es wird böiges Wetter.«

»Fock einnehmen,« sagte Lührs; »auch reffen?«

»So schlimm wird's kaum. Nicht doch, laß stehen.«



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