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Vierzehntes Kapitel.

Eine Verschwörung, die für alle Theile befriedigend ausfällt. – Das Kapern wird aufgegeben. – Kapitän Levee und Philipp dienen dem König.


Ich verbrachte die Nacht in Versuchen, Miß Trevannions wahre Gefühle wie auch die meinigen gegen sie zu zergliedern; aber nun ich mich von ihr trennen sollte, entdeckte ich erst, was ich mir früher nie eingebildet hatte, – daß ich sie nemlich allen Ernstes liebte und mein künftiges Glück durch diese Empfindung sehr gefährdet wurde.

»Doch was nützt es mich jetzt,« dachte ich, »diese Entdeckung zu machen? Es führt zu nichts weiter, als zu der Ueberzeugung, die auch Miß Trevannion ausgedrückt hatte, es sei besser, daß ich fort sei.«

Natürlich stellte ich auch Betrachtungen über die Bemerkung an, die sie in Betreff meiner unbekannten Herkunft und Familie hatte fallen lassen, und da dies ihr Haupt-Einwurf war, so weilte ich mit Vergnügen dabei, denn ich konnte ihn dreist beseitigen, weil meine Abstammung ausgezeichneter war als die ihrige. Sollte ich das Geheimniß meiner Geburt aufklären? Aber wie konnte ich dies, da wir uns wahrscheinlich nie wieder sahen? All dies und noch viel mehr ging mir in jener Nacht durch den Kopf, zugleich aber auch eine andere Frage von mich näher angehender Bedeutsamkeit – was sollte ich anfangen, wohin sollte ich gehen? Ueber den letztern Punkt konnte ich nicht ins Reine kommen; indeß beschloß ich vor der Hand einige Tage zu Liverpool zu bleiben und mein Quartier in der alten Wohnung aufzuschlagen, die ich mit Kapitän Levee getheilt hatte.

Mit dem Grauen des Tages stand ich auf, nahm meinen Wanderbündel auf die Schulter, ging leise die Treppe hinunter, öffnete die Hausthüre, schloß sie sorgfältig wieder und eilte so schnell ich konnte die Straße hinab. Niemand begegnete mir, denn es war noch früh, und als ich vor meiner früheren Wohnung anlangte, hatte ich Mühe, mir Eingang zu verschaffen. Endlich öffnete mir die alte Frau in tiefem Negligee die Thüre.

»Ist's möglich, Kapitän Elrington!« rief sie. »Ei was gibts denn?«

»Nichts Madame,« versetzte ich, »als daß ich mich wieder auf einige Tage bei Euch einquartieren möchte.«

»Recht schön – Ihr seyd willkommen, Sir,« entgegnete sie. »Spaziert nur die Treppe hinauf, bis ich mich vor den Leuten kann sehen lassen. Ich lag zu Bett und habe, als Ihr klopfet, fest geschlafen. Ich glaube wahrhaftig, daß ich von meinem guten Freund Kapitän Levee träumte.«

Ich ging hinauf, warf mich auf das alte Kanapee, das mir so bekannt war, und einige Minuten später lag ich wieder in gesundem Schlaf. Wie lange dieser angedauert haben würde, kann ich nicht sagen, aber weniger als eine Stunde später wurde ich durch lautes Reden und Gelächter geweckt, und unmittelbar darauf sah ich mich von meinem Bruder Philipp und Kapitän Levee umarmt. Der Pfeil hatte mit Tagesanbruch Anker geworfen, und sie waren eben erst ans Land gekommen. Ich fühlte mich entzückt, sie wieder zu sehen, wie es wohl Jedem zu gehen pflegt, wenn er in der Bedrängniß Freunde findet. Ich setzte Ihnen kürzlich auseinander, wie es komme, daß sie mich so träfen, und beim Frühstück ging ich mehr auf die Einzelnheiten ein, ohne jedoch Miß Trevannions Erscheinen in meinem Zimmer zu berühren, da ich dieses Geheimniß für zu heilig hielt, als daß es gegen sonst Jemand verlauten durfte.

»Ihr wißt, mein theurer Elrington,« sagte Kapitän Levee, »daß ich in Betreff des Kapers Eure Bedenken nicht theile; indeß weiß ich die Gewissensfragen Anderer zu achten. Mr. Trevannion kann sein Benehmen nicht entschuldigen, und ich muß wohl glauben, daß der Sache etwas Anderes zu Grunde liegt. Ihr habt doch seiner Tochter nicht den Hof gemacht – oder was aufs Nämliche herauskommt, hat sie vielleicht sich Euch zu nähern gesucht?«

»Das Erstere wagte ich nicht, Levee, und Ihr kennt sie nicht, wenn Ihr sie des Letzteren für fähig haltet.«

»Na, wenn's auch geschehen wäre, was hätte es geschadet?« erwiederte er; »doch ich will nichts mehr darüber sagen, da Ihr ein so ernstes Gesicht dazu macht. Philipp und ich wollen jetzt Mr. Trevannion besuchen, und während ich mit dem alten Gentleman anbinde, soll Philipp neben dem Mädchen beilegen; auf diese Weise kriegen wir unseren Strich und die Distanzen, erfahren also wie das Land liegt – und ich will Euch noch weiter sagen, Elrington: obschon ich nichts gegen das Kommando eines Kapers einzuwenden habe, halte ich doch den Oberbefehl über ein königliches Schiff für weit achtbarer. Wenn ich es daher einleiten könnte, daß der Pfeil für den königlichen Dienst gemiethet würde (ich bliebe dann immerhin Kapitän) so würde ich dies bei Weitem vorziehen. Jedenfalls will ich mit Euch Partie nehmen, und dies wird den alten Gentleman todt an einen Legerwall treiben. Kommt mit, Philipp – wir werden in zwei Stunden wieder hier seyn, Elrington.«

Mit diesen Worten verließ Kapitän Levee, von meinem Bruder begleitet, das Zimmer.

Es stund fast drei Stunden an, bis sie wieder zurückkehrten, und dann erhielt ich folgenden Bericht, der von Kapitän Levee mit den Worten begonnen wurde:

»Wir wollen zuerst hören, was Ihr zu melden habt, Philipp.«

»Dies ist bald geschehen,« versetzte Philipp. »Ich hatte mir schon im Hinwege vorgenommen, wie ich handeln wollte, ohne Kapitän Levee mitzutheilen, was ich zu thun beabsichtigte. Als wir Mr. Trevannion in dem Zimmer hinter dem Comptoir trafen, schien er sehr verlegen zu seyn. Er drückte Kapitän Levee die Hand und bot sie dann auch mir an, ich aber wies sie mit den Worten zurück: »Mr. Trevannion, ich habe so eben meinen Bruder gesprochen und brauche kaum zu sagen, daß mich nichts bewegen wird, in Eurem Dienste zu bleiben. Wenn Ihr mir daher gelegentlich meinen Lohn bezahlen wollt, so werde ich es Euch Dank wissen.«

»Ei der Tausend, junger Mensch,« rief er, »Ihr werft Euch ja gewaltig in die Brust. Gut, Sir, Ihr sollt Eure Entlassung haben, denn ich kann wohl ohne solch hergelaufenes Volk ausreichen.«

»Hergelaufenes Volk, Mr. Trevannion?« versetzte ich. »Wenn Ihr mir so kommt, so muß ich Euch sagen, daß wir von besserer Herkunft sind und besser erzogen wurden, als Ihr oder irgend Jemand von Eurer Sippschaft. Ihr mußtet's Euch zur Ehre rechnen, daß wir Euch dienten.«

»Du hast dies gesagt, Philipp? daran thatest Du sehr Unrecht.«

»Ich habe nur die Wahrheit gesprochen.«

»Gleichwohl hättest Du darüber schweigen sollen. Wir traten in seinen Dienst und deshalb –«

»Wir sind kein hergelaufenes Volk,« unterbrach mich Philipp, »und nur sein Schimpfen hat mich zu dieser Erwiderung veranlaßt.«

»Ihr müßt zugeben, daß er gereizt wurde, Elrington,« sagte Kapitän Levee.

»Gut; fahre fort, Philipp.«

»Ja wohl da,« rief Mr. Trevannion in großem Zorne. »Na, es ist gut – so will ich mich meiner Verpflichtung entledigen. Kommt diesen Nachmittag, Junker Philipp, und Ihr sollt Eure Löhnung erhalten. Ihr könnt jetzt das Zimmer verlassen.«

»Ich ließ mir dies nicht zweimal sagen, setzte aber meinen Hut schräg auf den Kopf, um ihn zu ärgern.«

»So weit ist seine Erzählung vollkommen richtig,« sagte Kapitän Levee. Fahrt fort.«

»Statt aus dem Hause zu gehen,« nahm Philipp wieder auf, »wählte ich meinen Strich einwärts und begab mich nach dem Zimmer der jungen Dame. Ich öffnete leise die Thüre und fand sie mit auf die Hand gestütztem Kopfe; sie sah sehr gedrückt und wehmüthig aus. »Master Philipp,« sagte sie. »Wie Ihr mich erschreckt habt. Es freut mich übrigens. Euch zu sehen. Wann seyd Ihr angekommen?«

»Diesen Morgen, Miß Trevannion.«

»Gut, nehmt Platz und leistet mir ein Weilchen Gesellschaft. Habt Ihr Euren Bruder gesehen?«

»Ja, Miß Trevannion,« versetzte ich, ohne von ihrer Einladung Gebrauch zu machen; »auch bin ich eben erst bei Eurem Vater gewesen und komme jetzt, um Euch Lebewohl zu sagen. Ich habe den Kaper verlassen und werde nie wieder auf denselben zurückkehren. Vielleicht sehe ich auch Euch nicht mehr, und glaubt mir, dies ist's allein, was mir wahrhaft leid thut.«

»Sie bedeckte die Augen mit der Hand und beugte sich gegen den Tisch vor; ich sah eine Thräne niederrinnen, als sie mir erwiederte:

»Es ist eine traurige Geschichte, und sie hat mir sehr viel Kummer bereitet. Hoffentlich glaubt Euer Bruder nicht von mir, daß ich ihm einen Vorwurf mache. Sagt ihm, daß dies nicht im mindesten der Fall sey und daß er das Benehmen vergessen möge, mit welchem ich mich von ihm verabschiedete. Ich habe ihm Unrecht gethan und bitte ihn um Verzeihung. Theilt ihm dies mit, Philipp.«

»Waren dies wirklich ihre Worte, Philipp?«

»Ja, Sylbe, für Sylbe; und sie sah dabei wie ein Engel aus. Ich erwiederte, daß ich ihren Auftrag aufs gewissenhafteste besorgen werde; indeß dürfe ich nicht länger bleiben und mich bei ihr betreffen lassen, da mich Mr. Trevannion aus dem Hause gewiesen habe.«

»Wirklich?« entgegnete sie. »Was kann wohl mit meinem armen Vater vorgegangen seyn?«

»Je nun, Miß Trevannion,« entgegnete ich, »er war sehr zornig und hatte auch Grund dazu, denn ich will die Wahrheit nicht bergen, daß ich mich sehr derb gegen ihn benahm.«

»Und was habt Ihr zu ihm gesagt, Philipp?«

»Oh ich weiß es kaum mehr,« versetzte ich; »jedenfalls mehr als ich hätte thun sollen – denn ich war sehr aufgebracht über meines Bruders Entlassung. Gott besohlen, Miß Trevannion.«

»Bei meinen letzten Worten nahm Miß Trevannion einen Ring von ihrem Finger, und ich meinte, sie wolle mir denselben zum Andenken schenken; nach einigem Zögern aber steckte sie denselben wieder an, reichte mir die Hand und sagte:

»Gott befohlen, Master Philipp; jedenfalls wollen wir nicht, im Grolle scheiden.«

»Ich nahm ihre Hand, verbeugte mich und wandte mich der Thüre zu. Dort angelangt, sah ich mich noch einmal um; sie saß da, das Gesicht mit den Händen verhüllt, und es kam mir vor, als ob sie weine. Dann ging ich auf die Straße hinaus, wartete auf Kapitän Levee, und damit hat meine Geschichte ein Ende.«

»Gut, die Reihe kommt jetzt an mich, Elrington. Sobald Philipp das Zimmer verlassen hatte, sagte Mr. Trevannion:

»Das ist ein höchst unverschämter Junge, und ich bin froh, daß er fort ist. Ihr wißt natürlich, daß sein Bruder mich verlassen hat, und seyd wahrscheinlich auch von dem Grund unserer Entzweiung unterrichtet?«

»Ja, Sir,« versetzte ich trocken; »ich habe den ganzen Hergang vernommen.«

»Habt Ihr je solche lächerliche Bedenklichkeiten gehört?« sagte er.

»Ja wohl, Sir; und auch Ihr habt sie gehört, als er das Kommando des Kapers aufgab. Ich habe sie respectirt, weil ich wußte, daß es Mr. Elrington aufrichtig meinte, und es ist nicht zu läugnen, daß seine Ansichten in dieser Hinsicht viel Wahres enthalten. Auch auf mich haben sie großen Eindruck geübt, in einem Grade sogar, daß ich sobald wie möglich in königl. Dienste zu treten gedenke.

»Ich wollte, Ihr hättet Mr. Trevannions Blick gesehen, als ich dies sagte – er war völlig betäubt. Daß ich, Kapitän Levee, der seine Schiffe so lang befehligt hatte – ich, sein Ideal von einem Kaperschiffer, ein rücksichtsloser, dem Teufel Trotz bietender Bursche, sich gleichfalls unterfangen sollte, Bedenken zu haben – dies war ihm zu viel.

» Et, tu Brute,« hatte er wohl rufen mögen; er thats aber nicht, sondern stierte mich eine Weile ohne zu sprechen, groß an. Endlich sagte er:

»Ist das goldene Zeitalter gekommen, oder hat man sich gegen mich verschworen?«

»Keines von beiden, Sir, versetzte ich. Ich gebe mich mit dem Kapern ab, weil ich nichts Besseres thun kann; so bald sich mir aber günstigere Aussichten bieten, gehe ich davon ab.

»Vielleicht wünscht auch Ihr, jetzt schon das Kommando abzugeben, sagte Mr. Trevannion. In diesem Falle bitte ich, nur keine Umstände zu machen.

»Ich wollte Euch nur nicht in Ungelegenheit versetzen, Mr. Trevannion, erwiederte ich; aber da Ihr mich so freundlich ersucht, mich aller Umstände zu entschlagen, so mache ich von Eurem Erbieten Gebrauch und verzichte von heute an auf das Kommando des Pfeils.«

»Nein Levee, Ihr könnt unmöglich so gehandelt haben!«

»Doch, doch,« erwiederte Kapitän Levee, »ich habe so gehandelt, erstlich aus Freundschaft gegen Euch, und zweitens, weil ich in königliche Dienste zu kommen wünsche. Um Letzteres zu erreichen, konnte ich mich nicht anders benehmen, als wie es geschehen ist.«

»Aber wie soll dies zur Erreichung Eures Zweckes dienen?«

»Weil die Matrosen so lange mit mir gesegelt sind, daß sie unter keinem andern Kommando dienen werden, wenn ich sie nicht dazu auffordere. Mr. Trevannion wird hierdurch in große Verlegenheit kommen, und ich denke, wir können ihn zwingen, sein Schiff an die Regierung zu vermiethen, die ein Fahrzeug, wie der Pfeil ist, mit Freuden annehmen wird.«

»Dies glaube ich – schon um seines Rufes willen,« versetzte ich. »Ich danke Euch von Herzen für diesen Beweis Eurer aufrichtigen Freundschaft, Levee. Der Knoten verdichtet sich und einige Tage werden die Frage zur Entscheidung bringen.«

Ganz richtig, doch laßt mich meine Geschichte vollenden.

»Ich fürchte,« sagte Mr. Trevannion in sehr spöttischem Tone, daß ich in diesem moralischen Zeitalter nicht im Stande seyn werde, einen Befehlshaber aufzufinden, Kapitän Levee; indeß will ichs doch versuchen.

»Sir, entgegnete ich, ich will Euch die Antwort auf Euren Hohn nicht schuldig bleiben. Es gibt wohl einige Entschuldigungsgründe für unwissende Matrosen vor dem Mast, welche auf Kaperschiffen Dienste nehmen, denn sie machen sich nichts aus Blut und Gemetzel, weil ihre Gefühle abgestumpft sind; ja sogar herabgekommene Gentlemen, wie ich, Mr. Trevannion (denn ich bin als Gentleman geboren), können ein Mäntelchen vornehmen, denn um ohne Arbeit ihr Auskommen zu finden, setzen sie ihr Leben ein und vergießen ihr Blut. Aber in keiner Weise entschuldbar sind diejenigen, welche bereits so viel Reichthum, ja noch mehr, als sie verbrauchen können, besitzen und gleichwohl derartige Schiffe um des eiteln Gewinns willen mit Zerstörungsmitteln ausstatten. Ihr habt da eine Predigt von einem Kaper-Kapitän, Sir, und damit wünsche ich Euch guten Morgen.

»Ich stand sodann auf, machte dem Rheder eine tiefe Verbeugung. verließ das Zimmer, noch ehe er mir eine Antwort geben konnte, und hier bin ich. Wir haben jetzt weiter nichts zu thun, als ruhig abzuwarten und zu sehen, was folgen wird; zuvörderst aber will ich an Bord des Pfeils gehen und meinen Leuten sagen, daß ich mit Mr. Trevannion mich entzweit habe. Die Matrosen sind ohnehin unzufrieden, weil die paar letzten Fahrten nicht von dem erwünschten Erfolg begleitet waren, und es wird nicht viel kosten, den Funken des Mißvergnügens zur hellen Flamme der Meuterei anzublasen. Kommt, Philipp, Ihr müßt mir beistehen. Beim Mittagessen seht Ihr uns wieder Elrington.«

Als ich wieder allein war, hatte ich Zeit, über das Vorgefallene Betrachtungen anzustellen. Hauptsächlich verweilte ich bei dem Gespräch zwischen Philipp und Miß Trevannion – bei dem Auftrag, den sie ihm ertheilt hatte – bei dem Zögern – und bei dem Behalten des Rings. Ich konnte mich der Vermuthung nicht erwehren, daß unsere Gefühle wechselseitig seien, und dieser Gedanke, der mich überglücklich machte, war mir ein reichlicher Ersatz für alles Vergangene. Ferner mußte die voreilige Erklärung meines Bruders gegen ihren Vater, daß wir von besserer Geburt und Erziehung seien, als er, zuverlässig auch ihr zu Ohren kommen und Eindruck machen. Was konnte möglicherweise Mr. Trevannion thun – war wohl zu erwarten, daß er der einstimmigen Opposition gegen ihn nachgab? Ich fürchtete das Gegentheil; wenigstens ging es gewiß nicht ohne einen abermaligen Kampf. Alle diese Fragen beschäftigten meine Gedanken, bis Kapitän Levee und Philipp von dem Kaper zurückkehrten. Sie hatten ihre Sache gut eingeleitet. Die Mannschaft des Pfeils war zu dem einmüthigen Entschluß gekommen, unter keinem andern Kapitän zu segeln, und wenn Levee das Kommando des Schiffs abgäbe, wollte Mann für Mann, sobald die Löhnung ausbezahlt und das Prisengeld vertheilt wäre, seinen Abschied nehmen und in königliche Dienste treten.

Am selbigen Nachmittag beschied Mr. Trevannion den zweiten Offizier im Kommando zu sich, um ihm den Oberbefehl über den Pfeil zuzutheilen. Die Matrosen konnten sich wohl denken, welchen Zweck diese Beschickung hatte, weßhalb sie ihm, als er in sein Boot stieg, erklärten, sie würden nur unter Kapitän Levee dienen, und er möge dem Rheder diesen ihren Entschluß kund thun. Dies war der ärgste Schlag für Mr. Trevannion. Als er diese Mittheilung erhielt, gerieth er ganz außer sich vor Wuth, weil ihm so Alles zuwider lief. Wie ich nachher erfuhr, begab er sich sogar zu seiner Tochter, setzte sie von dem Vorgefallenen in Kenntniß, machte seiner Entrüstung Luft und beschuldigte sie, daß sie bei der Verschwörung betheiligt sei. Doch dies sollte seine letzte Anstrengung sein. Die Aufregung war zu groß gewesen, und nach der Mittagsmahlzeit fühlte er sich so unwohl, daß er sich zu Bett legte. Am andern Morgen war er von einem heftigen Fieber befallen, in welchem er zuweilen delirirte. Die Krankheit war so heftig, daß die Aerzte alle Mühe hatten, sie zu bannen, und zehn Tage lang schwebte Mr. Trevannion in großer Gefahr. Endlich ging es wieder zum Bessern; aber der Kranke war in hohem Grade erschöpft, und seine Wiedergenesung nahm einen sehr langsamen Verlauf. Der Pförtner Humphrey hatte uns diese Kunde mitgetheilt. Es war jetzt Niemand vorhanden, um die Geschäfte des Hauses zu besorgen, und da der arme Bursche nicht wußte, was er thun sollte, so forderte ich ihn auf, bei Miß Trevannion Weisungen einzuholen. Zugleich bedeutete ich ihm, obschon ich das Haus nicht betreten würde, wolle ich doch, wenn sie es wünsche, Sorge dafür tragen, daß die wichtigeren Angelegenheiten nicht verabsäumt würden. Sie befand sich eben am Krankenbette ihres Vaters und ließ mir zurücksagen, sie erbitte sich's als eine Gunst, daß ich ihr in dieser Bedrängniß Beihülfe leiste, so viel in meinen Kräften stehe. Demgemäß ließ ich mir die Bücher bringen, ertheilte die nöthigen Weisungen und besorgte Alles, wie ich es stets gethan hatte, ehe ich von Mr. Trevannion entlassen worden war.

Es währte fast fünf Wochen, bis sich Mr. Trevannion soweit erholt hatte, um sich nach dem Stande seines Geschäfts erkundigen zu können, und nun erfuhr er von seiner Tochter, daß ich während seiner Krankheit Alles geleitet habe und die Angelegenheiten so gut besorgt seien, als wenn es durch ihn selbst geschehen wäre. Miß Trevannion hatte zwar nicht den Wunsch verlauten lassen, daß ich im Hause einen Besuch machen möchte, indeß ließ sie doch durch den Pförtner meinen Bruder Philipp zu sich rufen und durch ihn uns von dem gefährlichen Zustand ihres Vaters unterrichten. Philipp kam auch alle Tage in's Haus und besorgte Alles, was an mich auszurichten war. Wie ihr Vater sich wieder erholte, sagte sie zu Philipp, er habe sich bereits bittere Vorwürfe über sein Benehmen gegen mich gemacht und das Zugeständniß gethan, daß ich in meinem Bedenken Recht gehabt habe; er müsse sich in der That wundern, daß ihm das Kaperwesen nicht schon früher in demselben Lichte vorgekommen sei, wie mir. Er sei mir sehr dankbar für mein rücksichtsvolles und wohlwollendes Benehmen in Leitung seines Geschäftes, und sobald er sich wohl genug fühle, wolle er mich besuchen, um mich wegen des Vergangenen um Verzeihung zu bitten. Miß Trevannion theilte ihm auch mit, ihr Vater habe gesagt, er betrachte seine Krankheit als eine gerechte Strafe, als eine Warnung, welche ihm die Augen öffnen sollte, fürderhin die Grundsätze der Moral nicht mehr dem Ringen nach Gewinn zum Opfer zu dringen; er nehme sie deßhalb mit demüthigem Dank an und sei Willens, seine Kaperschiffe der Regierung anzubieten – wolle das Gouvernement dieselben nicht miethen, so solle anderweitig über sie verfügt werden. Dies war mir eine sehr angenehme Kunde und gab reichlichen Anlaß zum Gespräch zwischen mir und Kapitän Levee.

Etwa vierzehn Tage nachher schickte mir Mr. Trevannion, der sich noch immer sehr schwach fühlte, ein Billet, in welchem er mir schrieb, er fürchte, sein Verlangen, mich zu sehen und es doch nicht zu können, da er immer noch das Zimmer hüten müsse, verzögere seine Wiedergenesung; er erbitte sich's daher als Gunst, daß ich mich mit seiner schriftlichen Anerkennung begnüge und ihn mit einem Besuch beehre. Demgemäß begab ich mich nach seinem Hause. Er saß im Schlafrock auf seinem Zimmer und hatte von seiner Krankheit augenscheinlich viel gelitten.

»Mr. Elrington,« sagte er, »ich versehe mich's zu Eurem trefflichen Charakter, daß Ihr mir die ungerechte Behandlung, die Euch durch mich zu Theil geworden ist, vergebt. Ich schäme mich vor mir selbst – weiter kann ich nicht sagen.«

»Ich bitte, Mr. Trevannion, sprecht nicht mehr davon,« entgegnete ich. »Die Wiederkehr Eurer Freundschaft erfüllt mich mit Freude, und ich bedaure von Herzen, daß Ihr so krank gewesen seid.«

»Ich nicht,« versetzte er, »denn es ist gut, daß wir bisweilen gezüchtigt werden. Meine Krankheit hat mir die Augen geöffnet und mich hoffentlich zu einem besseren Menschen gemacht. Darf ich mir von Euch eine Gunst erbitten?«

»Gewiß, Sir,« erwiederte ich.

»Ich wünsche, daß Ihr einen Auftrag für mich besorgt. Geht in meinem Namen nach London zu der Admiralität und bietet Ihr den Pfeil als ein Miethschiff an. Ihr kennt seine Eigenschaften so gut und habt so lange Rechnung über ihn geführt, daß Ihr wohl im Stande sein werdet, alle nöthige Auskunft darüber zu ertheilen. Es wäre mir lieb, wenn Kapitän Levee Euch begleitete; ist es thunlich, so knüpft die Bedingung daran, daß er in königlichen Dienst genommen und zum Kapitän des Luggers ernannt werde.«

»Ich erfülle diese Sendung mit Vergnügen,« versetzte ich.

»Auch noch einen weiteren Gefallen habe ich mir zu erbitten, Mr. Elrington. Als ich mich so thörichterweise mit Euch entzweite, habt Ihr einen Beutel mit Geld, an den Ihr durch Eure guten Dienstleistungen ein volles Anrecht hattet, auf dem Tisch des innern Zimmers liegen lassen. Ich hoffe, Ihr werdet mich jetzt nicht länger mit einer Zurückweisung desselben kränken, da ich sonst glauben müßte, Ihr habet mir nicht wirklich vergeben.«

Ich verbeugte mich zustimmend.

»Ich danke Euch, Mr. Elrington – danke Euch herzlich. Nun wird es bald gut mit mir gehen. Ihr habt vielleicht die Güte, mich morgen wieder zu besuchen. Vor der Hand fühle ich mich etwas angegriffen. Meinen freundlichen Gruß an Philipp. Für heute Gott befohlen,« fügte Mr. Trevannion bei, indem er mir seine abgezehrte Hand entgegenhielt. »Gott segne Euch.«

Ich nahm seine Hand, verließ das Zimmer und drückte die Thüre leise hinter mir zu. Mr. Trevannion war bei Gelegenheit dieses Besuchs allein gewesen, und der Pförtner Humphrey hatte mich nach seinem Zimmer geleitet.

So sehr ich mich auch sehnte, Miß Trevannion wieder zu sehen, wagte ich es doch nicht, ihr Zimmer zu betreten, sondern ging an der Thüre vorbei und die Treppe hinunter. Als ich eben das Haus verlassen wollte, kam mir Humphrey nach und sagte, daß Miß Trevannion mich zu sprechen wünsche. Mit klopfendem Herzen, mit einem Gefühle, wie ich's nie zuvor empfunden, wenn ich ihr entgegentreten sollte, kehrte ich wieder um. Sie stand an dem Tische.

»Mr. Elrington,« begann sie, als ich mich beim Eintreten gegen sie verbeugte, »ich hoffte nicht, Ihr würdet Eure Empfindlichkeit gegen mich so weit treiben, daß Ihr das Haus verlassen könntet, ohne den Wunsch, mich zu sehen. Doch wenn es auch bei Euch so steht, ist's doch meine Pflicht, zu bekennen, daß ich Euch, wenn auch nur für einen Augenblick, zu sprechen wünschte, um Euch wegen des Benehmens, das ich bei unserer letzten Begegnung gegen Euch beobachtete, um Verzeihung zu bitten. Ich habe seitdem viel gelitten, Mr. Elrington; macht mir meinen Kummer durch Fortsetzung Eures Grolls nicht noch schwerer. Erinnert Euch, daß ich nur ein schwaches Mädchen bin und nicht so streng beurtheilt werden darf, wie euer Geschlecht.«

»Ich habe meines Wissens nichts zu verzeihen, Miß Trevannion,« versetzte ich, »und wollte Euch nur deßhalb nicht lästig werden, weil ich nicht länger ein Insasse des Hauses bin. Ich würde einen Besuch meinerseits für eine Anmaßung gehalten haben, da ich nicht in vollkommener Freundschaft von Euch scheiden durfte.«

»Ihr seid sehr edelmüthig, Mr. Elrington,« entgegnete sie. »Nehmt jetzt meine Hand, und ich verspreche Euch, mich nie wieder so zu übereilen.«

Ich nahm die dargebotene Hand und erhob sie achtungsvoll zu meinen Lippen; früher hatte ich dies nie gethan. Aber Miß Trevannion zeigte keine Unzufriedenheit und versuchte auch nicht, sie zurückzuziehen.

»Findet Ihr nicht, daß mein Vater sehr übel aussieht, Mr. Elrington?« fuhr sie fort.

»Dem Aussehen nach sollte man glauben, daß er sehr viel gelitten haben muß.«

»Ich bin Euch sehr dankbar dafür, daß Ihr ihn besucht habt, Mr. Elrington, Ihr habt keinen Begriff davon, wie schwer es ihm um's Herz war, und wie sehr er darnach verlangte, sich mit Euch zu versöhnen. Ich hoffe, er hat seinen Frieden mit Euch geschlossen?«

»Ich achtete Euern Vater stets zu sehr, und war ihm zu sehr zu Dank für seine Liebe gegen mich verpflichtet, als daß diese Aufgabe schwer hätte werden sollen.«

»Wie sehr bin ich erfreut darüber – Ihr macht mich ungemein glücklich, Mr. Elrington,« entgegnete Miß Trevannion und Thränen träufelten ihr aus den Augen. »Ihr müßt mich entschuldigen,« fügte sie bei, »die Krankheit meines Vaters hat auch mich sehr angegriffen – ich habe viel bei ihm wachen müssen, aber es ist jetzt vorbei.«

»Ich bemerke, daß Ihr viel gelitten habt, Miß Trevannion. Ihr seyd viel blässer und schmächtiger geworden.«

»Hat mein Vater –? Doch ich habe kein Recht, solche Fragen zu stellen.«

»Ihr wolltet wohl fragen, Miß Trevannion, ob etwas in Betreff künftiger Verfügungen zur Sprache kam?«

Miß Trevannion machte ein Zeichen der Bejahung.

»Ich habe ihm versprochen, einen Auftrag für ihn zu besorgen, und bin im Begriff, mit Kapitän Levee nach London zu gehen.«

»Um diese unseligen Kaper loszuwerden – ist's nicht so?«

»Ja; ich soll morgen wiederkommen, um das Weitere mit Eurem Vater zu verhandeln. Doch ich vermuthe, Ihr wünscht nach dem Krankengemach zurückzukehren, und so will ich mich denn jetzt verabschieden.«

»Ihr seyd rücksichtsvoll, Mr. Elrington; ich will allerdings hinauf, aber zuvor habe ich noch etwas, was Euch gehört, in Eure Hände zu geben.«

Ich verbeugte mich und dachte, sie spiele damit auf den Ring an, den ich an ihrem Finger bemerkte; auch war ich ärgerlich, daß es ihr so eilig darum zu thun war, ihn zurückzugeben. Doch im Gegentheil – sie ging nach der Commode und brachte den Beutel mit goldenen Jakobusen heraus, den sie auf den Tisch legte.

»Ihr seyd sehr stolz, Mr. Elrington, daß Ihr nicht annehmen wollt, was mit Recht Euch gehört,« sagte Miß Trevannion lächelnd.

»Es ist weit mehr, als ich je verdient habe,« versetzte ich; »aber Euer Vater hat mir das Versprechen abgenommen, es nicht zum zweitenmal abzuweisen, und so muß ich es jetzt nehmen.«

Mein Herz war sehr erleichtert, als ich fand, daß sich's hier nur um Gold, nicht um den Ring handle.

»Und jetzt Gott befohlen, Mr. Elrington; morgen sehe ich Euch natürlich wieder.«

Miß Trevannion verließ sodann das Zimmer und eilte zu ihrem Vater die Treppe hinauf; ich aber begab mich nach meiner Wohnung, wo ich im Wesentlichen Kapitän Levee und Philipp mittheilte, was zwischen mir und Mr. Trevannion vorgefallen war desgleichen, daß ich bei Miß Trevannion eine freundliche Aufnahme gefunden hatte.

»Gut; das Vergleichen und Versöhnen habe ich immer gerne,« sagte Kapitän Levee; »und da Ihr einen so schweren Beutel mit Gold habt, ich aber auf der ganzen Gotteswelt keine fünfzig Guineen besitze, so sollt Ihr mich in London freihalten, Elrington.«

»Mit Freuden, denn ich zahle damit nur eine alte Schuld, Levee. Philipp soll uns begleiten.«

»Aber meint Ihr nicht,« versetzte Kapitän Levee, »man werde daselbst den Staatsgefangenen wieder erkennen und sich vor dem Jakobiten in Acht nehmen.«

»Vielleicht erinnert man sich des Namens, aber ich selbst bin nur von Wenigen gesehen worden,« entgegnete ich. »Indeß ist's vielleicht doch räthlich, einen andern anzunehmen, da sich's bei der Sache um Unterzeichnung von Papieren handelt.«

»Dies dächte ich auch,« erwiederte Kapitän Levee. »Wie sollen wir Euch nennen?«

»Laßt sehen – es muß ein guter Name seyn. Ich hatte einen Verwandten, der Musgrave hieß; ich denke, ich will diese Benennung borgen. Was meinst Du Philipp – willst Du künftighin Philipp Musgrave seyn?«

»Von Herzen gern, Bruder. Der Name scheint mir passender zu seyn, als der Elrington.«

So nahm ich also meinen wahren Namen wieder an, Madame, ohne daß von Seiten des Kapitän Levee irgend ein Argwohn gefaßt worden wäre. Ohnehin hätte ich Regierungspapiere nicht gut mit einem angenommenen unterzeichnen können.

Am folgenden Tage besuchte ich Mr. Trevannion, der mich mit großer Liebe aufnahm. Es wurde nun beschlossen, daß ich nach drei Tagen aufbrechen und die Zwischenzeit zu den nöthigen Vorbereitungen und Einkäufen verwenden sollte. Als Reisegeld gab mir Mr. Trevannion einen zweiten Sack mit Jakobusen, eben so schwer, als der vorige, mit, indem er zugleich erklärte, er wünsche, daß wir bei unserer Ankunft in London ehrenhaft auftreten möchten – in Betreff der Kosten verlange er keine Abrechnung, als etwa die, daß ihm gestattet sey, noch mehr beizuschaffen, wenn die Summe allenfalls nicht ausreichen sollte. Dies war weiter nichts, als ein Vorwand von seiner Seite, der seine Freigebigkeit bemänteln sollte, da schon der vierte Theil des Geldes jeden nöthigen Aufwand hätte bestreiten können. Ich theilte ihm mit, daß ich den Namen, Musgrave angenommen habe, weil mein bisheriger den Vorschlag an die Regierung beeinträchtigen könnte, und er billigte diese Vorsicht. Als ich diesen Gegenstand zur Sprache brachte, war Miß Trevannion im Zimmer erschienen, aber bald darauf wieder fortgegangen. Nachdem ich mich von Mr. Trevannion verabschiedet hatte, ging ich nach dem Familienzimmer hinauf, wo die Tochter mich erwartete. Wir hatten uns eine Weile aufs Freundschaftlichste unterhalten, als sie mit einemmal anhub:

»Ich hörte Euch sagen, Ihr hättet für Eure beabsichtigte Reise den Namen Musgrave angenommen. Gedenkt Ihr denselben nach Euer Rückkehr beizubehalten?«

»Warum sollte ich dies?« versetzte ich.

»Weil er vielleicht Euer wahrer ist,« entgegnete sie. »Entschuldigt die Neugierde eines Frauenzimmers, aber ist dies nicht wirklich der Fall?«

»Miß Trevannion,« erwiederte ich, »mein wirklicher Name muß vorderhand ein Geheimniß bleiben.«

»Das soll heißen, er ist nicht länger ein Geheimniß, wenn er mir vertraut ist? Ich danke Euch für das Compliment.«

»An etwas der Art dachte ich nicht. Miß Trevannion, denn ich glaube zuversichtlich, daß Ihr ein Geheimniß bewahren könnt.«

»Wenn Euer Glaube so zuversichtlich ist, so könnt Ihr meine Frage wohl beantworten, um so mehr, da ich Euch das feierliche Versprechen gebe, Euer Geheimniß aufs Treueste zu bewahren.«

»Wohlan denn, Miß Trevannion, mein wahrer Name ist Musgrave,« erwiederte ich.

»Ich danke Euch für Euer Vertrauen, Mr. Musgrave, und Ihr sollt es nicht am unrechten Orte verwendet haben. Ich könnte nun weiter fortfahren und fragen, warum Ihr Euern Namen ändertet, nebst vielem Anderen; doch dafür bin ich zu rücksichtsvoll – es wird eine Zeit kommen, wann ich Alles erfahren werde. Vorderhand begnüge ich mich mit diesem Beweis Eures Vertrauens und danke Euch dafür.«

Miß Trevannion war früher nie so lebhaft und redselig gegen mich gewesen, wie an diesem Morgen. Sie entfaltete eine Freundschaftlichkeit, ohne irgend etwas von ihrer gewöhnlichen Zurückhaltung, und ich verließ sie mit glühenderen Gefühlen, als nur je.

Im Laufe von drei Tagen waren unsere Vorbereitungen getroffen, und ich verabschiedete mich von Miß Trevannion und ihrem Vater, der sich schon so weit erholt hatte, daß er Gesellschaft in seinem Zimmer empfangen konnte. Wir traten unsere Reise wie früher zu Pferde an und nahmen dieselben zwei Matrosen vom Pfeil mit, welche uns bei unserem früheren Ausfluge nach London bedient hatten. Die Reise verlies ohne irgend ein erzählenswerthes Abenteuer, weshalb ich hier nur sagen will, daß wir gesund und heiter in London anlangten, wo wir nicht in einem Wirthshause, sondern in unserem früheren Privatwohnung Quartier nahmen. Die Hausfrau, deren Zimmer fast ganz leer standen, bewillkommnete uns freundlich. Am andern Tag stellte ich Erkundigungen an, in deren Folge ich mich nach dem Flotten-Bureau begab und mich dem Obersecretär vorstellte, welchen ich von dem Grund meiner Reise nach London unterrichtete. Er benahm sich sehr höflich und erwiederte mir, da die Regierung an Schiffen Mangel habe, so zweifle er nicht, das Anerbieten werde ihr sehr willkommen seyn, weil der Pfeil als ein tüchtiger Kaper wohl bekannt sey. Ich fragte ihn sodann, ob er nicht glaube, daß Kapitän Levee in den Dienst kommen könne, indem ich zugleich die treffliche Mannschaft des Pfeils rühmte und ihm andeutete, daß dieselbe nicht bleiben würde, wenn sie nicht diesen Kapitän zum Befehlshaber erhalte, da derselbe ihr ganzes Vertrauen besitze.

Der Secretär entgegnete, daß sich die Sache allerdings machen lasse – »aber,« fügte er bei – »Ihr könnt nicht erwarten, Sir, daß derartige Dienste ohne Belohnung geleistet werden.«

Ich verstand ihn vollkommen und versetzte, daß ich mir dies wohl denken könne; aber ich sey in Betreff der einzuschlagenden Schritte so ganz und gar unwissend, daß ich ihn um seinen Rath bitten müsse, für den ich mich gewiß sehr dankbar erweisen werde.

»Ah, schon gut, Ihr versteht mich, Mr. Musgrave, und dies ist zureichend. Ich will offen gegen Euch seyn. Es wird hundert Guineen kosten, um Euern Wunsch in Betreff des Kapitän Levee durchzusetzen, und von diesem Geld fällt mir kein Deut zu.«

»Wenn ich meinen Wunsch erreiche, Sir, so zahle ich mit Freuden diese Summe und noch fünfzig dazu; auch werde ich mich obendrein sehr gegen Euch zu Dank verpflichtet fühlen. Und weil ich nun eben daran bin, so kann ich wohl andeuten, daß ich einen Bruder habe, der mit Kapitän Levee segelt und gar gerne als sein Lieutenant bei ihm bleiben möchte.«

»Das wird weitere fünfzig Guineen kosten, Mr. Musgrave.«

»Von Herzen gerne zugestanden,« versetzte ich.

»Gut, so müssen wir das Fahrzeug zuerst als Miethschiff in den Dienst bringen. Ihr habt ein Verzeichniß über Tonnengehalt und Ausrüstung?«

»Ich bin mit allem Erforderlichen vorgesehen – außerdem sind die sämmtlichen Kreuzzüge, die der Pfeil machte, die Gefechte, die ihm vorgekommen, die Prisen, die er unter dem Kommando des Kapitän Levee eingebracht, und die Namen der jetzt an Bord befindlichen Matrosen aufgezeichnet.«

»Verseht mich mit allen diesen Dokumenten, Mr. Musgrave, und überlaßt die Sache mir. Ich darf doch annehmen, daß Ihr mit den vorgeschlagenen Bedingungen vollkommen einverstanden seyd?«

»Vollkommen, Sir, und wenn's Euch genehm ist, will ich ein Memorandum darüber unterzeichnen.«

»Nein, nein,« entgegnete er; »wir bringen dergleichen Dinge nie zu Papier, 's ist eine Ehrensache, eine Sache des Vertrauens. Ihr sagt, das Geld liege bereit?«

»Steht jeden Augenblick zur Verfügung.«

»Dies reicht zu, Mr. Musgrave. Ich wünsche Euch jetzt guten Morgen. Sendet mir die Dokumente.«

»Ich habe sie bereits in der Tasche, Sir.«

»Um so besser; dann läßt sich die Angelegenheit schon diesen Vormittag bereinigen, und Ihr könnt morgen Nachmittag gegen zwei Uhr vorsprechen. Bringt dann nur das Geld gleich mit, denn Ihr könnt's ja wieder fortnehmen, wenn nicht Alles zu Eurer Zufriedenheit ausgefallen ist.«

Hocherfreut über die Aussicht auf einen so glücklichen Ausgang meiner Sendung kehrte ich nach meinem Quartier zurück und traf in guter Zeit beim Mittagessen ein.

Kapitän Levee oder Philipp sagte ich nicht, was vorgefallen war, sondern deutete ihnen blos an, ich habe die beste Aussicht auf einen guten Ausgang und sey auf den folgenden Tag wieder vorgeladen. Abends gingen wir ins Theater und sahen daselbst die Darstellung eines Stücks, das von Shakespeare in den Zeiten Elisabeths geschrieben wurde und den Titel: »Die lustigen Weiber von Windsor« führte. Die Rolle Fallstaffs, eines fetten, sehr humoristischen Ritters, machte uns viel Vergnügen. Am andern Tag um die anberaumte Zeit machte ich dem Obersecretär meinen Besuch und erhielt von ihm die Kunde, daß Alles ganz nach meinen Wünschen eingeleitet worden sey. Der Miethpreis für das Schiff richte sich nach dem Tonnengehalt, und er meine, die Regierung habe dafür eine recht annehmbare Summe geboten. Auch ich war dieser Ansicht und ging augenblicklich darauf ein. Er holte sodann aus seinem Pult den Vertrag zwischen dem Gouvernement und dem Schiffseigenthümer hervor und überreichte mir zu gleicher Zeit die Kommandeurs- und Lieutenants-Bestallung für Kapitän Levee und Philipp.

»Ihr habt jetzt nur noch dieses erste Papier hier zu unterzeichnen, Mr. Musgrave, und den andern Theil unserer Uebereinkunft zu erfüllen.«

Ich zog augenblicklich den Geldsack heraus, den ich mitgebracht hatte; der Secretär zählte den Inhalt, reichte mir eine Feder zur Unterzeichnung des Dokuments und überantwortete mir die Bestallungsbriefe für Philipp und Kapitän Levee.

»Ihr habt Euch in dieser Angelegenheit als einen freigebigen Mann erwiesen, Mr. Musgrave,« sagte der Gentleman, als er den Geldbeutel in seinem Pulte einschloß. »Wenn ich Euch zu irgend einer Zeit dienstlich seyn kann, so dürft Ihr stets über mich gebieten.«

»Ich danke, Sir,« versetzte ich. »Gelegentlich könnte es wohl der Fall seyn, daß ich mir die Verwendung Eurers Einflusses zu Gunsten meines Bruders erbitte, der wohl seiner Zeit auch ein königliches Schiff kommandiren möchte. Wenn Ihr mir dazu verhelfen könnt, werde ich sehr dankbar seyn.«

»Verlaßt Euch darauf,« entgegnete er. »Es soll geschehen. Wenn es einmal so weit ist, braucht Ihr keine Umstände zu machen.«

Er reichte mir sodann die Hand, und ich ging nach meiner Wohnung. Als ich daselbst anlangte, war das Mittagsmahl bereits vorüber; die Hauswirthin hatte mir jedoch Einiges aufgehoben, und während ich aß, erzählte ich, wie es mir ergangen, indem ich zugleich Kapitän Levee und meinem Bruder ihre Bestallungen einhändigte. Sie konnten mir kaum glauben, selbst als sie die Dokumente in ihren Händen hatten, weshalb ich ihnen unter Verpflichtung der Geheimhaltung mittheilte, durch welche Mittel ich mir einen so guten Erfolg gesichert hatte. Sie dankten mir, und wir machten uns sodann auf den Weg, um die für ihren Rang passenden Uniformen einzukaufen. Dieses Geschäft nahm uns bis gegen Abend in Anspruch, und dann machten wir aus, den Hahnenkampfplatz zu besuchen, da Philipp eine besondere Freude an derartigen Schauscenen hatte. In London hielt uns jetzt nichts mehr zurück, und da es nöthig war, den Pfeil ohne Zögerung nach dem Nore zu bringen, so nahmen wir uns vor, da die Uniformen bereits am andern Abend fertig werden sollten, den Tag darauf nach Liverpool zurückzukehren.


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