Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zehntes Kapitel.

Kapitän Levee und ich binden mit dem französischen Kaper an – siegreicher Ausgang. – Meine Rache an der französischen Dame. – Wir nehmen unsere Prise nach Liverpool.


Der Wind war leicht und wir gewannen die Mündung des Stromes nicht vor Sonnenuntergang, um welche Zeit uns der Lothse verließ. Sobald wir eine Seemeile hohe See hatten, holte ich Angesichts des französischen Kapers, der uns scharf nachfolgte, die Strommündung aber noch nicht hinter sich gebracht hatte, die Waffenstillstandsflagge herunter. Zu Vermeidung allen Irrthums hatte ich mit Kapitän Levee verabredet, wenn ich nach Einbruch der Nacht herauskomme, wolle ich an dem Piek ein Licht führen, und dieses hißte ich jetzt auf. Hiedurch kam der französische Kaper in die Lage, mir mit aller Bequemlichkeit zu folgen, und das aufgesteckte Licht schien nur ein weiteres Zeichen meiner Verachtung gegen ihn zu seyn. Ich steuerte in die Richtung, wo ich den Kapitän Levee zu finden hoffte, und bemerkte dabei wohl, daß mir der Franzose folgte und allmählig näher kam. Da es jetzt immer dunkler wurde, so setzte ich mehr Segel auf, um meinen Feind in größere Entfernung zu bringen, bis sich der Pfeil mir angeschlossen hätte; aber das Licht an meinem Piek deutete ihm an, wo ich war. Alles dies schien meinen Offizieren und Matrosen ein Geheimniß zu seyn, bis ich sie endlich, nachdem ich ungefähr vier Seemeilen hinausgelaufen war, aufforderte, sie sollten scharf nach dem Pfeil auslugen.

Gegen halb neun Uhr sahen wir ihn beiliegen; er hatte, wie gewöhnlich, nach Einbruch der Dunkelheit seine Segel beschlagen. Das Licht, welches ich führte, verkündigte, wer ich sey; ich lief dicht an das Fahrzeug hin, breiete den Kapitän an und forderte ihn auf, sich zum Kampf bereit zu halten; auch erklärte ich ihm, daß ich ihn an Bord seines Schiffes zu sprechen wünsche. Dies veranlaßte natürlich große Thätigkeit, und ich eilte an Bord des Pfeils, um die Leute zu verwarnen, daß sie keine Lichter zeigen möchten. Dann theilte ich Kapitän Levee das Vorgefallene mit und sagte ihm, daß der Franzose nicht viel mehr als zwei Seemeilen von uns abstehe. Wir trafen die Abrede, daß ich das Licht ausgesteckt lassen und ein wenig abhalten sollte, um den Franzosen leewärts vom Backbord und zugleich leewärts vom Pfeil zu locken; letzterer aber sollte die Segel wieder niederlassen, so daß er nicht bemerkt würde, bis der Franzose an ihm vorbeigekommen sey. Dann fiel mir die Obliegenheit zu, das Gefecht unter Segel zu beginnen und fortzukämpfen, bis mir der Pfeil zu Hülfe käme. Nachdem diese Uebereinkunft getroffen war, eilte ich an Bord meines Schooners zurück, hielt um vier Striche ab und erwartete die Ankunft meines Gegners. Nach einer halben Stunde sahen wir ihn in einer Entfernung von nicht mehr als dritthalbhundert Ruthen unter allen Segeln durch die Dunkelheit kommen; er steuerte stätig auf das Licht zu, das wir an unserem Piek führten.

Ich hatte bereits bemerkt, daß mein kleiner Schooner schneller segelte, als das Fahrzeug meines Gegners, weshalb ich dasselbe auf etwa dreihundert Ellen herankommen ließ. Jetzt erst vierte ich und forderte meine Leute auf, gut nach dem Tackelwerk zu zielen, um dem Feinde weitere Bewegungen zu erschweren. Nachdem eine volle Kartätschenlage abgefeuert war, stellte ich das Feuer ein, nahm meinen Kurs wieder auf und setzte noch mehr Segel, so daß meine Entfernung vergrößert wurde. Dieses Manöver führte ich dreimal mit gutem Erfolge aus und gewann dabei die Befriedigung, sehen zu können, daß die Fockstenge des französischen Kapers abgeschossen war; als ich jedoch zum viertenmal rundete, that er das Gleiche und wir wechselten Breitseiten. Die Wirkung seiner überlegenen Artillerie war augenfällig, denn mein Tackel- und Segelwerk litt großen Schaden, obschon nicht in einem Grade, daß dadurch unsere Geschwindigkeit gemindert worden wäre. Ich drehte daher wieder vor die Brise und gewann, ehe ich abermals umrundete, wie früher neuen Raum; denn da das Wasser sehr glatt war, so sah ich voraus, wenn mein Schiff verkrüppelt werde, müsse ich im Nu geentert seyn; mein Gegner konnte mich dann nehmen und hängen lassen, noch ehe der Pfeil im Stande war, mir zu Hülfe zu kommen. Aus diesem Grunde setzte ich das laufende Gefecht aus einer Entfernung fort, welche mich dem gegnerischen Geschütz am wenigsten bloßstellte.

Allerdings wurden hiedurch auch meine Kugeln ziemlich unwirksam; indeß wollte ich vorderhand den Franzosen nur weiter vom Land ablocken und den Pfeil zwischen ihn und seinen Hafen bringen, so daß er nicht mehr zurückkehren konnte. So trieb ich's ungefähr eine Stunde, in welcher Zeit der Franzose eine neue Fockstenge gesetzt und das Segel daran angeschlagen hatte. Er begann jetzt sein Buggeschütz zu benützen und fuhr fort, mich ausschließlich mit diesem zu bearbeiten, indem er durch Umrunden und Darbieten seiner Breitseite keine Zeit verlieren mochte. Da jedoch all sein Tuch ausgebreitet war, so drehte ich mich gelegentlich, um es zu zerfetzen, während ich stets die frühere Entfernung beizubehalten suchte. Endlich schlug eine Kugel seines Buggeschützes die Spitze meines Hauptmastes ab und die Gaffel kam herunter.

Dies war von Belang. Wir beeilten uns, das große Segel zu reffen und es wieder an dem Rest des Mastes aufzuhissen; da wir jedoch kein Gaffelmarssegel hatten, so war unsere Geschwindigkeit nothwendigermaßen sehr vermindert, und der Feind kam uns augenscheinlich immer näher. Ich lugte nach dem Pfeil aus, konnte aber keine Spur von ihm entdecken, da es überhaupt zu dunkel war, um weiter, als auf einen Umkreis von hundertunddreißig Ruthen sehen zu können. Als ich fand, daß ich auf meinem Segelstriche keine Aussicht hatte, so beschloß ich, den Kurs zu ändern, und brachte den Schooner recht in den Wind, damit ich das viereckige Hauptsegel setzen und so dem Pfeil Zeit zur Ankunft lassen könne. Ich sah jetzt meinem Sekundanten mit großer Beklommenheit entgegen. Mochte es übrigens gehen, wie es wollte – ich hatte mir vorgenommen, mich nicht lebendig in die Hände meines Feindes zu geben und mein Leben so theuer als möglich zu verkaufen.

Als der Feind bemerkte, daß wir vor den Wind geholt hatten, that er das Gleiche. Wir standen jetzt ungefähr hundert und dreißig Ruthen von einander und fuhren fort, im Rennen Breitseiten zu wechseln; der Franzose kam uns jedoch allmählig näher, so daß seine schwere Artillerie wirksamer wurde. Dieser Theil des Kampfes dauerte eine Stunde, während welcher mein kleiner Schooner viele Beschädigungen erlitt, so daß wir unablässig mit Ausbesserungen zu thun hatten. Endlich begann zu meiner großen Freude der Tag zu grauen, und ich gewahrte nun, daß der Pfeil etwa eine halbe Seemeile von uns sternwärts unter vollem Segeldruck lief.

Ich machte meine Offiziere und Matrosen auf ihn aufmerksam, und der Anblick beseelte sie mit neuem Muth. Auch der Feind wurde seiner ansichtig, schien aber entschlossen zu seyn, den Kampf zu Ende zu bringen, ehe er uns zu Hülfe kommen konnte, und ich fürchtete schon, ich würde auf alle Fälle an der Nocke baumeln müssen, mochte der Ausgang des Kampfes seyn, welcher er wollte. Der Franzose kam auf einen Kurs näher, der mich abschneiden mußte, und ich fuhr fort, meine Breitseiten spielen zu lassen, um ihn möglichst zu verkrüppeln; denn er feuerte jetzt nicht mehr, sondern lief stätig auf mich zu, so daß mir wohl in hohem Grade bangen durfte.

In der ängstlichen Erwartung, der Pfeil möchte sich so bald als möglich anschließen, holte ich mein viereckiges Hauptsegel herunter, um nicht weiter abzukommen, und schickte mich für den Fall des Enterns zu einem hartnäckigen Widerstand an. Endlich war mir der Franzose auf Kabelslänge nahe gekommen, und in diesem bedenklichen Augenblicke stand der Pfeil noch ungefähr dritthalbhundert Ruthen im Winde. Wir lösten unsere letzte Breitseite und beeilten uns eben, nach den Picken und Stutzsäbeln zu greifen, um die Enterer abzutreiben, als ich zu meiner großen Freude die Entdeckung machte, daß eine unserer Kugeln dem Feind die Gaffel entzweigeschossen hatte. Ich rundete augenblicklich gegen den Wind, und da mein Gegner nur noch auf Pistolenschußweite entfernt stand, während alle seine Leute sich zum Sprung an unsern Bord gefaßt hielten, drückte ich mein Steuer nieder, drehte in Stagen und fuhr quer windwärts so nahe an ihm hin, daß man ihm hätte einen Zwieback an Bord werfen können.

Dieses Manöver hinderte sein Entern und rettete mir, wie ich wohl sagen darf, das Leben; denn der Feind konnte bei seiner zerschossenen Gaffel nicht in Stagen winden, um mir zu folgen, sondern war genöthigt, hinter mir herum zu vieren, wodurch mindestens die Entfernung einer Kabellänge im Lee gewonnen wurde. Eine wüthende volle Lage jedoch, die er gegen mich löste, verkrüppelte mein Fahrzeug ganz und gar. Alles Tackelwerk kam nun auf die Decken herunter und der Sperber war jetzt ein völliges Wrack; indeß stand ich windwärts von ihm und obschon er mich in Grund zu schießen im Stande war, konnte er doch nicht entern oder mein Schiff nehmen, bis er sein Hintersegel ausgebessert hatte.

Aber jetzt war seine Zeit gekommen. Ein neuer Gegner mit gleichem Metallgewicht stand ihm auf der Ferse, und der Franzose mußte sich jetzt entscheiden, ob er kämpfen oder Reißaus nehmen wollte. Vielleicht hielt er letzteres für nutzlos – möglich aber auch, daß er entschlossen war, uns beide zu nehmen; so viel ist gewiß, daß er sein Schiff nicht vor den Wind brachte, sondern mit Entschlossenheit die Ankunft des Pfeils erwartete. Kapitän Levee fuhr unter den Stern des Franzosen vorbei und begrüßte ihn mit einer vollen Lage, die ihn fast ganz abtackelte; dann griff er ihn im Lee an, so daß ihn alle Aussicht auf Flucht abgeschnitten wurde.

Der Franzose erwiederte das Feuer mit Muth, und ich nahm jetzt meine Leute von den Kanonen, um einige Segel auf dem Schooner zu setzen; denn nachdem der Pfeil sein Feuer begonnen hatte, wurde von uns keine weitere Notiz genommen. Nach einem halbstündigen, wohl unterhaltenen Kampfe stürzte der Hauptmast des Franzosen auf den Bord, und dieß bereinigte die Frage so ziemlich; er konnte sein Schiff nicht mehr in den Wind halten, mußte daher abfallen und erhielt nun von dem Pfeil eine scharfe Lage in den Rumpf. Endlich stand sein Bugspriet zwischen dem Haupt- und dem Focktackelwerk des Pfeils, so daß seine Decken tüchtig bestrichen werden konnten. Mittlerweile hatte ich auf dem Vorderschiff einige Segel gesetzt und beeilte mich, an dem Ende des Kampfes Theil zu nehmen. Wie ich bemerkte, versuchte der Franzose, den Lugger zu entern, denn alle seine Matrosen strömten nach der Back; deßhalb fuhr ich nach ihm hinunter, um mit meinen Leuten an der Windvierung zu entern, da der Feind auf diese Weise zwischen zwei Feuer kam. Der Kampf war in seiner Höhe, und die Mannschaft des Pfeils eben im Begriff, die heranstürmenden Franzosen zurückzuschlagen, als ich an der Vierung meinen Schooner anlegte und mit meinen noch übrigen paar Leuten an Bord sprang. Die Franzosen wandten sich, um meinen Angriff abzuweisen, und so wurde der Haufen, welchen sie der Mannschaft des Pfeils entgegenstellten, geschwächt. Die Folge davon war, daß sie zuerst zurückgeschlagen und dann von Kapitän Levee mit seinen Leuten geentert wurden.

Sobald ich auf dem Deck des französischen Schiffs angelangt war, dachte ich an nichts mehr, als an den französischen Kapitän, den ich anfänglich nicht sehen konnte; aber wie seine Mannschaft vor Kapitän Levee und dessen Leuten zurückwich, bemerkte ich ihn: er war blaß und erschöpft, suchte aber noch immer die Seinigen zu ermuthigen. Da es in meinem Plane lag, ihn lebendig zu greifen, so stürzte ich auf ihn zu, rang mit ihm und warf ihn rücklings aufs Deck. Hier hielt ich ihn fest, während die Streiter, kämpfend und zurückweichend, Einer nach dem Anderen über uns stolperten und uns mit ihrem Gewicht schwer zerbeulten. Endlich waren die Franzosen hinuntergeschlagen, und ich hatte wieder Zeit, zu Athem zu kommen. Ich rief zwei meiner Leute herbei und forderte sie auf, den französischen Kapitän in ihre Hut zu nehmen, indem ich ihnen zugleich, so lieb ihnen ihr Leben sey, einschärfte, ihn nicht entwischen oder sich selbst entleiben zu lassen; sie sollten ihn in unser Schiff nehmen und sorgfältig in meiner Cajüte bewachen. Nachdem dies geschehen war, begab ich mich zu Kapitän Levee, der mich mit einer Umarmung begrüßte.

»Ihr seid nicht eine Minute zu früh gekommen,« sagte ich, indem ich das Blut aus meinem Gesichte wischte.

»Wahrhaftig nicht, und ohne Euer geschicktes Manöver wäre es um Euch geschehen gewesen. Euer Fahrzeug ist eine bloße Nußschaale im Vergleich mit diesem, und Ihr habt Euch wacker, mehr als wacker gehalten, daß Ihr den Kampf so lang fortsetztet. Ist Euer Verlust an Mannschaft groß?«

»Wir hatten, ehe wir enterten, zehn hinuntergeschafft; was seitdem geschehen ist, weiß ich nicht. Der französische Kapitän befindet sich wohlbehalten in meiner Kajüte.«

»Ich sah, wie die Männer ihn über Bord schafften. Doch bessert jetzt Eure Beschädigungen aus, und dann will ich Euch sagen, was Ihr thun müßt. Ich schicke Euch Leute, die Euch helfen sollen; der Pfeil hat nicht sonderlich gelitten und ich kann wohl Hände entbehren. Sobald wir die Decken ein wenig aufgeräumt haben, wollen wir zusammen frühstücken und die Sache besprechen.«

Es dauerte wohl zwei Stunden, ehe wir mit Säuberung unserer Schiffsdecken zu Stande kamen, denn wir hatten uns getrennt, und die Prise stand unter der Obhut des Pfeils. Ehe ich das Boot nahm, um mich an Bord des Letzteren zu begeben, ging ich in meine Kajüte hinunter, in welcher der französische Kapitän, von zwei Mann bewacht, gebunden da lag.

»Seid Ihr darauf gefaßt, Monsieur, die verabredete Strafe zu erleiden?« fragte ich.

»Ja, Sir,« lautete seine Antwort. »Ich begreife jetzt, was Ihr mit den Worten meintet, ich werde meinen Meister finden; indeß habe ich Niemand, als mir selbst Vorwürfe zu machen. Ich drängte Euch, die Bedingungen anzunehmen, und versprach mir von meinem überlegenen Schiff eine leichte sichere Eroberung. Dies verstrickte mich in mein eigenes Netz und damit hat die Sache ein Ende. 's ist stets so – wenn die Dinge schlimm gehen, so darf man darauf zählen, daß ein Weib dahinter steckt.«

»Ich wußte es wohl, Sir,« versetzte ich, »daß Ihr durch Euer Weib gespornt wurdet, so zu handeln, da Ihr Euch anderweitig nimmermehr auf diese Weise hättet benehmen können. Indem sie versuchte, den Tod des einen Gatten zu rächen, hat sie auch den zweiten verloren.«

» C'est vrai,« versetzte der Franzose mit Fassung, und ich verließ sodann die Kajüte, um mich an Bord des Pfeils zu begeben.

»Nun, Elrington,« sagte Kapitän Levee; »was habt Ihr mit dem französischen Kapitän im Sinne – soll er die verwirkte Buße zahlen und an der Nocke baumeln?«

»Es behagt mir gar nicht, mit kaltem Blut einen Menschen, namentlich einen tapferen Mann hängen zu lassen,« versetzte ich. »An der ganzen Geschichte war sein Weib schuldig, und er hat es selbst zugestanden.«

»Aber er würde Euch zuverlässig Wort gehalten haben,« entgegnete Levee.

»Ich glaube dies selbst auch; indeß wäre es nur deshalb geschehen, damit er zu Hause ein ruhiges Leben gewänne, durchaus nicht aus Groll gegen mich. Was mich betrifft, so spornt mich kein derartiges Gefühl.«

»Was wollt Ihr dann thun?«

»Jedenfalls ihn nicht hängen lassen. Gleichwohl aber möchte ich sie züchtigen.«

»Sie verdient es,« entgegnete Kapitän Levee. »Wohlan, Elrington, werdet Ihr einem Vorschlag, den ich Euch machen möchte, Beachtung schenken?«

»Laßt ihn hören.«

»Er besteht einfach darin: an der Küste weiß man nicht, daß ich Euch beim Wegnehmen des Kapers Beistand leistete, denn man denkt dort nicht entfernt daran, daß ich hier sein könnte. Sobald wir die Prise und Euer Schiff wieder in ordentlichen Stand gebracht haben, lauft Ihr, während ich hier bleibe, mit fliegenden Farben in die Mündung der Garonne ein, an Bord der Prise die englische Flagge über der französischen. Dies wird auf den Glauben bringen, Ihr hättet den Kaper ohne Beistand gewonnen. Just außer Schußweite legt Ihr bei, feuert eine Kanone ab und laßt einen Strohmann an der Nocke aufhängen, damit man am Lande meine, der französische Kapitän habe dieses Schicksal erlitten. Sobald es dunkelt, breitet Ihr die Segel aus und schließt Euch mir wieder an. Auf diese Weise züchtigt Ihr das Weibsbild und ärgert die Franzosen.«

»Euer Rath ist trefflich und ich will ihm Folge geben. Es wird lange anstehen, bis Madame die Wahrheit erfährt?«

Wir benützten den ganzen Tag zu Ausbesserung unserer Schiffe, und Abends steuerte ich mit dem französischen Schooner, der von Kapitän Levee's Leute bemannt war, dem Ufer zu. Mit dem Anbruch des folgenden Tages lief ich ein und näherte mich ohne aufgezogene Farben dem Hafen. Jetzt aber kam mir der Gedanke, ihr Verdruß dürfte um so größer werden, wenn ich sie zuerst glauben ließe, daß ihr Landsmann gesiegt habe. In einer Entfernung von mehr als zwei Seemeilen hißte ich demgemäß an dem französischen Schooner französische Farben und an Bord meines Schiffes die französische Flagge über der englischen auf.

Ich fuhr vorwärts, bis ich nur noch eine Seemeile von den Batterien stand und die Franzosen in Schaaren herabkommen sah, um Zeuge eines vermeintlichen triumphirenden Einlaufens ihres Kapers zu sein; dann aber holte ich plötzlich meinen Wind, legte bei, geiete meine Segel auf, wechselte die Farben und löste höhnend eine Kanone. Nachdem sie sich ungefähr eine halbe Stunde über diesen unerwarteten Vorgang Gedanken gemacht hatten, feuerte ich abermals ein Geschütz ab und ließ an der Nocke die Gestalt eines Mannes in die Höhe ziehen, die aus mit Heu ausgestopften Kleidern bestand und den französischen Kapitän vorstellte. Nachdem dies geschehen, blieb ich den ganzen Vormittag mit aufgegeieten Segeln liegen, damit man die hängende Figur gut sehen konnte. Endlich bemerkten wir ein großes Boot, das mit einer Waffenstillstandsflagge stromaufwärts ruderte. Ich blieb, wo ich war, und ließ es herankommen. Es enthielt den französischen Offizier, welcher sich verpflichtet hatte, die Kampfbedingungen der Dame zu überbringen, und neben ihm saß die Gattin des französischen Kapitäns, welche den Kopf auf die Kniee gesenkt hatte und das Gesicht mit ihrem Taschentuche verhüllte.

Ich begrüßte den Offizier, als er auf das Deck kam, und er erwiederte meine Verbeugung; dann aber sagte er:

»Sir, das Kriegsglück hat sich zu Euren Gunsten entschieden, und ich bemerke, daß Ihr an den Bedingungen, welche an den Ausgang des Kampfes geknüpft waren, fest hieltet. Hiegegen habe ich kein Wort zu sagen, da mein Freund eben so fest darauf beharrt haben würde. Aber Sir, gegen Todte führt man keinen Krieg, und ich bin auf das Ersuchen seiner unglücklichen Gattin hieher gekommen, um Euch zu bitten, daß Ihr, nun Eure Rache befriedigt ist, die Leiche des Unglücklichen an sie ausfolgen möget. Als ein wackerer Mann werdet Ihr diese kleine Gunst einer Frau nicht verweigern, die Ihr zweimal ihres Gatten beraubt habt, und die dem Hingeschiedenen den letzten Dienst der Kirche nebst einem christlichen Begräbniß zu sichern wünscht.«

»Sir,« versetzte ich, »ich will diesem Gesuche willfahren, aber unter keiner andern Bedingung, als wenn die Dame selbst an Bord kommt und ihr Anliegen vorbringt.«

»Dies wird für sie eine höchst peinliche Aufgabe sein, und es wäre wohl besser gewesen, Ihr hättet ihren Gefühlen die Heimsuchung, Euer Gesicht wieder sehen und die Bitte in Person vorbringen zu müssen, erspart; wenn Ihr aber darauf besteht, so will ich ihr Eure Bedingungen bekannt machen.«

Während er in sein Boot stieg, eilte ich in die Kajüte hinunter und forderte meine Leute auf, den französischen Kapitän loszulassen; gegen ihn selbst aber fügte ich bei:

»Sir, Eure Gattin ist hier, um sich Eure Leiche auszubitten, von welcher sie glaubt, daß sie an der Nocke baumle; denn ich habe diesen Kunstgriff in Ausführung gebracht, um sie zu züchtigen. Es kam mir nie zu Sinne, Euch das Leben zu nehmen, und ich will sogar jetzt noch mehr thun – ich schenke Euch nicht nur das Leben, sondern auch die Freiheit; dies soll meine Rache sein.«

Der französische Kapitän war sehr betroffen und machte große Augen, gab aber keine Antwort. Ich verfügte mich sodann auf Deck, wo ich die Dame bereits über Bord gelüpft antraf. Man führte sie mir vor und sie fiel auf ihre Kniee nieder; aber die Anstrengung war zu überwältigend, und sie wurde ohnmächtig. Ich ertheilte nun Befehl, sie in die Kajüte hinunter zu bringen und forderte, ohne weitere Aufklärung zu geben, den französischen Offizier auf, sie zu begleiten. Da ich bei einem so unerwarteten Wiedersehen nicht anwesend zu sein wünschte, so blieb ich auf dem Deck und ertheilte Befehl, den Strohmann herunter zu lassen. Meine Leute entsprachen der Aufforderung und lachten über die französischen Matrosen im Boot, welche jetzt, da sie früher nicht aufwärts geschaut hatten, zum erstenmal bemerkten, daß der Gehenkte nur ein Lumpenkapitän war. Ich rief ihnen über Bord zu, daß der Kapitän noch am Leben und gesund und wohl sei; sie würden ihn bald im Boote sehen. Ueber diese Kunde äußerten sie große Freude. Mittlerweile fand die Aufklärung in der Kajüte Statt, und nach einigen Minuten kam der französische Offizier herauf, um mir seine Zufriedenheit über meine Handlungsweise auszudrücken.

»Ihr habt hier eine Lehre gegeben, Sir, ohne Euch einer Grausamkeit schuldig zu machen. Euer Benehmen ist edel gewesen.«

Bald darauf folgte ihm der französische Kapitän mit seiner Gattin, die nun lauter Dankbarkeit war und mir die Hände geküßt haben würde, wenn ich's geduldet hätte. Ich bedeutete ihr:

»Madame, jetzt habt Ihr wenigstens keinen Grund mehr, mich zu hassen, und wenn ich auch so unglücklich war, in einem Augenblicke der Nothwehr Euern ersten Gatten zu tödten, so habe ich Euch dafür Euern zweiten wieder zurückgegeben. Laßt uns also ohne Groll scheiden.«

Der französische Kapitän drückte mir die Hand, ohne zu sprechen. Ich bot den Dreien nun einige Erfrischung an, aber sie sehnten sich zurückzukehren, um ihre Freunde beruhigen zu können, weßhalb sie um die Erlaubniß baten, in das Boot steigen zu dürfen. Ich hatte natürlich nichts dagegen, und während das Boot wegruderte, rief uns die Mannschaft ein dreimaliges Hurrah als Compliment zu. Nachdem sie etwa dreihundert Ruthen uferwärts gekommen waren, holte ich die Farben beider Schiffe herunter und breitete die Segel aus, um mich Kapitän Levee anzuschließen, mit welchem ich am Abend wieder zusammentraf.

Ich theilte ihm alles Vorgefallene mit und er war über den Ausgang der Sache sehr erfreut. Sodann beriethen wir uns und kamen zu dem Schlusse, daß es räthlich sein dürfte, mit der Prise nach Liverpool zurückzukehren, denn sie brauchte zu ihrer Bemannung so viele Leute, daß unsere eigenen Fahrzeuge sehr dadurch geschwächt wurden. Ich habe nämlich zu bemerken vergessen, daß der Pfeil, während ich mich in der Garonne befand, zwei gute Prisen genommen, die er gleichfalls bemannt und nach Liverpool geschickt hatte. Wir segelten daher nordwärts und trafen nach einer Woche mit unserer Prise wieder im Hafen ein. Hier fanden, wir, daß die anderen genommenen Schiffe gleichfalls wohlbehalten angekommen waren, und der Rheder äußerte große Freude über das Ergebniß dieses kurzen ereignißvollen Kreuzzugs.


 << zurück weiter >>