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Sechstes Kapitel.

Ich falle als Sklave an Whyna, das Lieblingsweib des alten Königs – helfe meiner jungen Gebieterin die Toilette machen – unterhalte mich viel mit ihr und werde ihr sehr zugethan. – Mein Haß und meine Furcht vor dem alten König nehmen zu. – Er erschießt einen Menschen mit Vogelpfeilen.


Eines Morgens, nachdem wir uns ungefähr drei Wochen in unserm behaglichen Quartier aufgehalten hatten, wurde ich von meinen Kameraden weg und vor den König berufen. Ehe man mich ihm vorstellte, legte man mir um den linken Knöchel und um das linke Handgelenk kleine Fesseln, die durch eine leichte Kette mit einander in Verbindung standen. Auf den Kopf wurde mir ein Kranz von Federn gesetzt und um meine Lenden ein loses Tuch gebunden. Dann führte man mich vor, und ich näherte mich dem König mit über der Brust gekreuzten Händen und gesenktem Haupte. Seinem Befehle zufolge mußte ich jetzt hinter die jüngste der vier Frauen, die mir meine Handgelenke gerieben hatte, treten, und man gab mir sofort zu verstehen, daß ich ihr Sklave sei und sie zu bedienen habe – eine Bestimmung, in die ich mich, wie ich gestehen muß, herzlich gerne fügte, obgleich ich mir damals meine Freude nicht anmerken ließ. Ich blieb mit gekreuzten Armen und gesenktem Kopfe stehen, bis das Mittagessen hereingebracht wurde; jetzt gab man mir eine Kalabasche voll Kuschkusch in die Hand, damit ich sie dem König und seinen Weibern vorsetze. Mein erster Dienstversuch lief nicht sehr glücklich ab, denn in der Hast, meiner Obliegenheit nachzukommen, strauchelte ich über das Ende der Matte, welche als Tisch dienen mußte, und stürzte köpflings vorwärts, so daß der Inhalt der Kalabasche, die ich in der Hand hielt, über die Beine des alten Königs ausgegossen wurde. Er sprang auf und brüllte vor Zorn; ich aber half mir in meiner Angst augenblicklich wieder auf die Beine und flüchtete mich nach der Wand hin, eines augenblicklichen Todes gewärtig. Zum Glück werden in diesem Lande die Speisen stets kalt aufgetragen, und es wurde meiner Gebieterin leicht, Verzeihung für mich zu erwirken. Sie lachte herzlich über den Vorgang und über meine Angst.

Nach beendigtem Mahl wurde mir befohlen, meiner Gebieterin zu folgen, die sich jetzt, dem herrschenden Brauch gemäß, nach einer anderen Hütte zurückzog, um die heißeste Zeit des Tags mit Schlafen zu vollbringen. Ich mußte an ihrer Thüre Wache halten und jeder Störung vorbeugen. Meine einzige Pflicht bestand nun in Bedienung meiner jungen Gebieterin. Sie war das Lieblingsweib des Königs, und da sie sich stets freundlich und wohlwollend gegen mich benahm, so hätte ich wohl den Verlust meiner Freiheit verschmerzen können, wenn ich nicht in steter Angst vor der alten Majestät befangen gewesen wäre. Ich wußte, daß meine Erhaltung blos von der Gunst meiner Gebieterin abhing, und gab mir daher alle erdenkliche Mühe, mir durch meinen Eifer ihre Geneigtheit zu sichern. Sie war jung und edlen Sinnes, so daß sie durch meinen Gehorsam und meine sorgfältige Dienstleistung leicht zufrieden gestellt werden konnte. Ich glaube nicht, daß sie mehr als siebzehn Jahre zählte, aber in diesem Lande tritt das Alter der weiblichen Reife schon im vierzehnten und sogar noch früher ein. Von Farbe zwar eine Negerin, fehlte ihr doch Einiges von dem eigentlichen Charakter dieser Race, denn ihr zwar kurzes Haar war nicht wollig, sondern gelockt, und ihre Nase gerade. Ihr kleiner Mund barg die schönsten Zähne, und mit dem vollkommenen Leibe standen die Gliedmaßen im zierlichsten Einklang. Wenn sie sich Morgens von ihrem Lager erhob, begleitete ich sie nach einer Anhöhe außerhalb der Palisaden, wo sie in brünstiger, obschon mißverstandener Andacht die aufgehende Sonne anbetete – wenigstens deutete ich mir so ihr Benehmen. Dann ging sie nach dem Fluß hinunter, um sich zu baden und ihr Haar, sobald es trocken war, zu ordnen. Einige Zeit nachher übertrug sie diesen Dienst mir, und ich wurde sehr geschickt darin: ich mußte ihr das Haar mit süßem Oel einreiben, es vermittelst eines Federkiels in ihre natürlichen Locken rollen und es so ordnen, daß ihre Gestalt sich am vortheilhaftesten ausnahm.

Nach Beendigung ihrer Toilette fütterte sie ihr Geflügel und einige Antilopen nebst anderen Thieren, worauf sie sich bis gegen 10 Uhr mit Bogen, Pfeil und Wurfspieß an einer Zielscheibe übte; dann begab sie sich nach der Hütte des Königs, wo die gemeinschaftliche Mahlzeit eingenommen wurde. Diese währte ziemlich lange, und dann zog sie sich, wenn sie nicht bei dem König blieb, nach ihrer eigenen Hütte zurück, wo sie gewöhnlich bis gegen vier Uhr schlief. Um diese Zeit begab sie sich wieder zum König oder durchstreifte die Wälder, wenn nicht etwa eine anderweitige Vergnügung sie für den Rest des Abends in Anspruch nahm. Ich muß dem alten Wilden nachsagen, daß er seine Weiber nicht einsperrte, und wohin immer auch meine Gebieterin ging, war ich in ihrem Gefolge. Die Anhänglichkeit, die ich ihr nicht blos zeigte, sondern auch wirklich fühlte, sicherte mir ihr Vertrauen, und sie behandelte mich stets in freundlicher wohlwollender Weise. Die Sprache der Neger hat in Vergleichung mit der unsrigen nur wenige Worte, und unter Beihülfe von Zeichen lernten wir uns in kurzer Zeit leidlich verstehen. Sie war augenscheinlich von einer glühenden Neugierde befangen, und hätte gerne erfahren mögen, wer wir wären und woher wir kamen; denn so oft wir allein bei einander waren, stellte sie mir hieher bezügliche Fragen, und ich gab mir Mühe, mir den Sinn derselben zu deuten und sie zu beantworten. Allerdings ging dies anfänglich sehr schwer, aber allmählig kam ich doch so ziemlich damit zu Stande. Sie war in ihrer mißverstandenen Religion sehr eifrig, und als ich ihr eines Morgens nach dem Berge folgte, wo sie ihre Andacht zu begehen pflegte, fragte sie mich, wo mein Gott sei. Ich deutete aufwärts, und sie entgegnete mir dann mit großer Freude und Unschuld, der ihrige sei auch da und müsse demnach entweder der nämliche Gott, oder ein guter Freund von dem meinigen sein. Da sie von der Wahrheit ihrer Religion überzeugt war, so nöthigte sie mich, in ihrer Weise anzubeten, indem sie mein Haupt nieder in den Sand beugte und mich dieselben Formen durchmachen ließ; zwar verstand ich begreiflicherweise die Bedeutung derselben nicht, aber da ich dabei zu meinem Gott betete, so erhob ich keinen Einwurf, weil ihr durch meine Fügsamkeit ein Gefallen geschah. Die scheinbare Gleichförmigkeit der Religion empfahl mich bei ihr noch mehr, und wir wurden immer vertrauter, wie ich denn überhaupt durch jedes Band der Dankbarkeit an sie gefesselt war. Ich fühlte mich eigentlich glücklich in ihrer Freundschaft und in dem Wohlwollen, das sie mir bewies, obschon mir dabei der stolze alte König als ewiger Popanz vorschwebte und die Erinnerung an ihn mich oft bewog, an mich zu halten und plötzlich ein abgemesseneres respektvolleres Verhalten ihr gegenüber anzunehmen. Bald hatte ich die Entdeckung gemacht, daß sie den Wilden eben so sehr fürchtete, wie ich, und ihn sogar noch bitterer haßte. Sie behandelte mich daher in seiner Gegenwart sehr streng und spielte die nachsichtslose Gebieterin; wenn wir aber allein waren und uns nicht vor Beobachtung zu fürchten hatten, wurde sie sehr vertraulich und legte sogar bisweilen ihren Arm in den meinigen. Sie pflegte dann wohl lachend auf den Unterschied unserer Farben hinzudeuten und freute sich in der Heiterkeit ihres jungen Herzens, daß wir allein waren und ungestört mit einander plaudern konnten. Da sie sehr einsichtsvoll war, so bemerkte sie bald, daß ich viele Kenntnisse besaß, die ihr abgingen, und daß sie gar Manches nicht verstand, was ich sie lehren wollte. Dies bewog sie, mir außer ihrem Wohlwollen auch ihre Achtung zu schenken.

Eines Tags ließ ich absichtlich ihren Bogen in der Hütte zurück, welche meinen Kameraden angewiesen war, und als sie mich danach fragte, entgegnete ich ihr, wo er sei; indeß wolle ich meine Gefährten veranlassen, ihn zu schicken, ohne daß ich zurückgehe. Sodann riß ich ein Stück Rinde von einem Baum, schrieb mit der Spitze eines Pfeils an einen der Weißen und forderte ihn auf, den Bogen durch den Ueberbringer zu senden. Zu letzterem erlas ich einen jungen Negerknaben, dem ich im Beisein meiner Beschützerin bedeutete, er solle dieses Stück Rinde dem weißen Mann geben und dann wieder zu der Königin zurückkommen. Whyna, denn so hieß meine hohe Gönnerin, sah in gespannter Erwartung dem Ergebniß entgegen, und nach einigen Minuten kehrte der Knabe mit dem Bogen zurück. Hierüber erstaunt, ließ sie mich der Reihe nach ihre Pfeile, ihre Lanze und viele andere Dinge schriftlich beschicken, und als sie aus dem stets entsprechenden Erfolge die Ueberzeugung gewann, daß wir ein Mittel besäßen, auch auf Entfernungen mit einander zu verkehren, so drang sie angelegentlich in mich, sie diese wunderbare Kunst zu lehren. Zu diesem Ende entfernte sie sich von mir mit dem Befehle, ich solle sie anreden, wenn sie außer Hörweite sei; als sie jedoch fand, daß ich dies nicht konnte oder, wie sie zu glauben schien, nicht wollte, wurde sie unzufrieden und mißlaunisch. Die Art, wie der Verkehr mit meinen Gefährten vor sich ging, blieb ihr unbegreiflich; indeß erklärte ich ihr, sobald ich ihre Sprache vollkommen erlernt habe, werde ich wohl im Stande sein, ihr den erforderlichen Unterricht zu ertheilen. Mit dieser Zusage gab sie sich zufrieden; aber ich mußte ihr versprechen, die Kunst Niemand anders zu lehren.

Vermittelst der Canoes im Flusse konnte ich ihr leicht begreiflich machen, daß wir in einem großen Boote aus einem fernen Lande her und über eine weite Wasserfläche gekommen seien – desgleichen, wie es zugegangen, daß wir in die Gewalt der Neger fielen. Sie theilte mir sodann mit, die Neger hätten ausgesagt, wir seien in ihr Land eingefallen, um Sklaven zu machen, und von ihnen in der Schlacht besiegt worden – daher auch ihre Triumphlieder, als sie uns dem König brachten. Abends machte ich sie auf die Himmelskörper aufmerksam und versuchte, ob ich ihr nicht Einiges von der Natur und der Bewegung derselben begreiflich machen könne, aber vergeblich, obschon ich dadurch so viel erzielte, daß sie mit um so größerer Achtung zu mir aufblickte; denn sie hoffte, eines Tages, wenn ich mich deutlich auszudrücken verstehe, werde ich sie alle diese Wunder lehren können. Bei solchen Gefühlen gegen mich, wozu noch mein emsiges Bemühen kam, ihr zu gefallen und sogar ihre kleinsten Wünsche zu erfüllen war es nicht zu verwundern, daß sie mich nicht wie einen Sklaven, sondern wie einen Freund behandelte und mir jeden unschuldigen Beweis ihrer Zuneigung zu Theil werden ließ. Mehr wünschte ich nicht und hatte sogar Furcht davor, daß unsere Vertraulichkeit zu weit führen könnte; denn wenn ich mich auch in ihrer alleinigen Gegenwart vollkommen glücklich fühlte, mußte ich wider Willen stets an den alten König denken, dessen Nähe und Anblick mir jederzeit ein Grausen einflöste.

Die maßlose Grausamkeit dieses Ungeheuers lag wie ein ewiger Bann auf meiner Seele. Von Kindheit auf an Blutvergießen gewöhnt, schien er für alle menschlichen Gefühle unempfänglich zu sein; ja er verhöhnte sogar die Todesangst der Unglücklichen, welche täglich unter seinen Händen fielen. Eines Tages unterhielt er sich damit, daß er einen Menschen vor seinem Zelte an einen Pfosten binden ließ, an welchem er seine Opfer zu züchtigen pflegte, und mit kleinen Vogelpfeilen auf ihn schoß. So trieb er es stundenlang; der Körper des Unglücklichen war von Pfeilen übersät, und er verspottete nur das Schmerzgeschrei des Armen. Endlich wurde dieser gegen die Absicht seines Peinigers von einem Pfeil in die Kehle getroffen, so daß sein Kopf niedersank. Wie nun der alte Wilde bemerkte, daß es mit seinem Opfer an's Sterben ging, zog er einen weitern Pfeil heraus und schoß das arme Geschöpf durch's Herz, sehr ärgerlich darüber, daß er die Qualen desselben nicht noch mehr hatte verlängern können. Mit stummem Entsetzen war ich Zeuge dieser und noch vieler anderer ähnlicher Scenen. Ich brauche kaum zu sagen, daß ich mir recht wohl denken konnte, welche Züchtigung mir bevorstand, wenn durch irgend einen Vorfall die Eifersucht dieses Ungeheuers geweckt wurde; auch war mir vollkommen klar, daß selbst ohne wirklichen Anlaß ein augenblicklicher Verdacht schon hinreichen konnte, sowohl mich als meine Gebieterin zu seinem Opfer zu machen.


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