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Neuntes Kapitel.

Ich erhalte das Commando des Sperbers – werde beauftragt, im Geheim vier jakobitische Gentlemen an Bord zu nehmen – bringe sie nach Bordeaux – setze sie wohlbehalten ans Land – speise mit dem Gouverneur – treffe mit der Wittwe des französischen Gentlemen zusammen, den ich unglücklicherweise tödtete – werde von ihrem zweiten Gatten beschimpft – mache mich anheischig mit ihm zu kämpfen – segle den Strom hinab und bereite mich zum Gefecht vor«


Sobald Kapitän Levee und ich den Reisestaub abgeschüttelt hatten, besuchten wir den Rheder, welcher uns mittheilte, daß die Veränderung in Kapitän Levees Schiff – eines großen Luggers mit vierzehn Kanonen und hundertundzwanzig Mann – vorgenommen seien, desgleichen daß mein Schiff bereit liege und schon seine Bemannung eingenommen habe; ich werde daher gut thun, an Bord zu gehen und nachzusehen, ob nicht noch etwas fehle, um sodann die wünschenswerthen Abänderungen vorzuschlagen. Ich begab mich sofort unverweilt mit Kapitän Levee nach der Werfte hinunter, um das dort liegende neu ausgerüstete Kriegsschiff zu untersuchen.

Es war ein spanischer Handelsschooner gewesen und von Kapitän Levee gekapert worden, der es unter einer Batterie von seinem Anker weggeholt hatte. Es kam bei jener Gelegenheit eben von einer Reise nach Südamerika zurück und war mit Kupfer und Cochenille geladen, also eine sehr werthvolle Prise, und da es erstaunlich schnell segelte, so hatte der Rheder sich vorgenommen, es zu einem Kaper auszustatten.

Das Schiff war nicht groß, da es nur ungefähr hundertundsechszig Tonnen führte, aber sehr schön gebaut. Die Bewaffnung bestand jetzt aus acht Messingkanonen, welche Sechspfünder schossen, vier Haubitzen im Hinterschiff und zwei Feldschlangen auf dem Hackebord.

»Ihr habt da ein recht nettes Schifflein, Elrington,« sagte Kapitän Levee, nachdem wir es durchstört und sowohl oben als unten durchsucht hatten. »Ich denke, es wird besser segeln, als früher, denn damals hatte es eine reichliche Ladung, und jetzt ist der Windfang fast nichts. Hat Euch der Rheder gesagt, wie stark es bemannt ist?«

»Ich glaube, unsere volle Zahl soll vierundfünfzig betragen,« versetzte ich, »und dies scheint mir vollkommen genug zu sein.«

»Ja, wenn's tüchtige treue Leute sind. Ihr könnt mit diesem Fahrzeuge viel ausrichten, denn Ihr seht, es hat so wenig Wassertracht, daß ihr einlaufen könnt, wo ich es nicht wagen darf. Kommt, wir wollen jetzt nach unserem Quartiere zurückkehren, unsere Siebensachen einpacken und dann an Bord unserer Schiffe gehen. Wir haben genug Kurzweil gehabt, und jetzt gilts, wieder in gutem Ernst sich an die Arbeit zu machen.«

»Ich wollte Euch eben das Gleiche vorschlagen,« erwiederte ich, »denn bei einem neuen Schiff, dessen Offiziere und Mannschaft man nicht kennt, thut man am Besten, wenn man je eher je lieber an Bord geht. Es wird einige Zeit brauchen, bis Alles und Jeder an seinem Platz ist.«

»Wie ein Mann gesprochen, der sich auf sein Geschäft versteht,« entgegnete Kapitän Levee. »Ich bin neugierig, ob man uns miteinander aussenden wird.«

»Ich kann nur sagen, daß ich dieses hoffe,« erwiederte ich; »ich bin dann in der Lage, von Eurer Erfahrung Vortheil zu ziehen, und denke, im Nothfall werde ich keinen übeln Sekundanten abgeben.«

Mit diesen Worten langten wir an dem Hause an, wo wir uns einquartirt hatten.

Kapitän Levee war ein Mann, der, wenn er einmal einen Entschluß gefaßt hatte, mit Blitzesschnelle zur Ausführung schritt. Er schickte nach einem Roßkamm, hatte in fünf Minuten seinen Handel mit ihm abgeschlossen, zahlte seine Hausmiethe und Alles, was man an ihn zu fordern hatte, und noch vor Mittag befanden wir beide uns an Bord unserer Schiffe. Bevor übrigens die Matrosen kamen, um unsere Koffer abzuholen, bemerkte ich gegen ihn:

»Es wäre mir lieb, Levee, wenn Ihr mich so ungefähr wissen ließet, welche Summe ich Euch schulde. Es ist möglich, daß ich Glück habe, und in diesem Falle ist es nur billig, daß ich Euch das Geld zurückzahle, obschon sich Eure Güte nicht so leicht erwidern läßt.«

»Ich will Euch genau sagen, wie wirs halten können,« versetzte Levee. »Mache ich auf diesem Kreuzzug keine Prisen und Ihr verdient Euch Geld, – je nun, so suchen wir nach unserer Rückkehr irgendwo wieder eine Kurzweil, und Ihr sollt die Zeche zahlen. Habe ich also Unglück, so läßt sich Alles in dieser Weise ausgleichen; andernfalls aber hat mich Eure angenehme Gesellschaft für den kleinen Aufwand, den Ihr mir machtet, mehr als entschädigt.«

»Ihr seid sehr gütig,« erwiederte ich; »ich hoffe übrigens, ihr werdet glücklich sein und Euch nicht auf mich verlassen dürfen.«

»Das hoffe ich gleichfalls,« sagte er lachend. »Kommen wir gesund und wohlbehalten zurück, so machen wir einen Abstecher nach Bath – ich möchte wohl auch diesen Platz einmal sehen.«

Ich erwähne dieses Gesprächs, Madame, um Euch mit dem Charakter des Kapitän Levee bekannt zu machen und Euch den Beweis zu liefern, welch einen wackeren Kameraden ich in ihm gefunden hatte.

Es bedurfte noch zehn Tage Zeit, bis mein kleiner Schooner mit dem Erforderlichen ausgestattet war, und der Rheder ging mir dabei mit der erfreulichsten Höflichkeit an die Hand. Wir waren übrigens eben erst mit unserer Einrichtung zu Stande gekommen, als dieser mich mit aller Hast rufen ließ. Bei ihm angelangt, nahm er mich in ein Hinterzimmer neben dem Komptoir, schloß die Thüre ab und sagte:

»Kapitän Elrington, es ist mir eine große Summe angeboten worden, wenn ich einigen unglücklichen Personen einen Dienst leiste. Die Sache ist übrigens von der Art, daß dabei um unserer selbst willen die größte Verschwiegenheit beobachtet werden muß. Ihr wagt dabei sogar mehr als ich; aber gleichwohl hoffe ich, Ihr werdet Euch nicht weigern, den Dienst zu übernehmen, da mir sonst ein bedeutender Vortheil aus der Hand geht. Wollt Ihr Euch der Sache unterziehen, so werde ich nicht undankbar sein.«

Ich entgegnete ihm, er habe mich durch so viele Beweise von Wohlwollen an sich gefesselt, daß er mit Zuversicht auf meine Dankbarkeit rechnen könne.

»Wohlan denn,« entgegnete er, seine Stimme dämpfend, »die Sache verhält sich so: vier Jakobiten, hinter denen man scharf her ist und auf deren Köpfe die Regierung einen großen Preis gesetzt hat, sind glücklich bis in unsern Hafen gelangt und halten sich hier bei ihren Freunden verborgen, die mich darum angegangen haben, sie in irgend einem französischen Hafen ans Land setzen zu lassen.«

»Ich begreife,« erwiderte ich. »Schon gut, ich erfülle den Auftrag mit Vergnügen.«

»Ich erwartete keine andere Antwort von Euch, Kapitän Elrington; nehmt meinen Dank dafür. Aus vielen Gründen mag ich sie nicht an Bord von Kapitän Levees Schiff bringen; gleichwohl aber ist er unterrichtet, daß er morgen ausfahren soll. Er wird auf Euch warten und Euch Gesellschaft leisten, bis Ihr die Flüchtlinge gelandet habt. Dann besprecht Eure Maßregeln mit ihm und verständigt Euch, ob ihr gemeinschaftlich oder gesondert kreuzen wollt.«

»Kapitän Levee darf natürlich wissen, was für Leute ich an Bord habe?«

»Allerdings. Ich gebe sie Euch an Bord, nicht weil ich sie vor ihm, sondern vor Andern, die sich auf seinem Schiff befinden, verbergen will. Zu gleicher Zeit muß ich Euch gestehen, daß ich noch außerdem Privatgründe habe, die ich nicht gerne bekannt machen möchte. Ihr könnt morgen aussegeln?«

»Schon heute Nacht, wenn Ihr es wünscht,« erwiederte ich.

»Nein, Morgen Abend ist die Zeit, welche ich festgesetzt habe.«

»Und wann werden sie an Bord kommen?«

»Ich kann Euch dies erst morgen mittheilen. Die Sache verhält sich nemlich so, daß das Regierungsvolk ihnen stark auf der Spur ist, und wie ich höre, kreuzt ein Kriegsschiff in hoher See, um Alles zu untersuchen, was herauskommt. Kapitän Levee lichtet morgen früh die Anker und wird wahrscheinlich von dem Regierungsschiff, welches dem Vernehmen nach ein sehr schneller Segler ist, durchsucht werden.«

»Wird er sich das gefallen lassen?«

»Ja, er muß. Ich habe ihm entschiedene Weisung ertheilt, daß er nicht den mindesten Versuch mache, der Visitation auszuweichen. Er läuft dann nach Holy-head und legt dort bei, bis Ihr ihm nachkommt, um gemeinschaftlich mit ihm nach dem Hafen zu fahren, welchen Euch Eure Passagiere anweisen werden; denn dies ist ein Theil der Uebereinkunft, die sie mit mir getroffen haben.«

»Dann muß natürlich ich dem königlichen Schiff ausweichen.«

»Allerdings, und ich zweifle nicht, daß es Euch gelingen wird. Euer Schiff ist so schnell, daß es keine Schwierigkeit haben wird, und Ihr müßt jedenfalls Euer Bestes thun. Merkt Euch übrigens, obschon Ihr Allem aufbieten müßt, zu entwischen, so dürft Ihr ja keinen Widerstand versuchen – es wäre überhaupt nutzlos gegen ein so starkes Schiff. Kommt Ihr in eine Lage, welche das Regierungsfahrzeug in Stand setzt, Euch zu entern, so müßt Ihr für Eure Passagiere einen sicheren Versteck ausfindig machen, denn ich brauche Euch kaum zu sagen, daß das Schiff, wenn sie an Bord getroffen werden, der Konfiskation unterliegt und noch obendrein Euer Leben in Gefahr kommt. Vor der Hand habe ich Euch nichts weiter zu sagen, als daß Ihr ausstreuen könnt, Kapitän Levee segle morgen ab, und Ihr werdet ihm in zehn Tagen folgen. Euer Pulver ist an Bord?«

»Ja; ich nahm es ein, nachdem wir den Schooner in den Strom hinausgeholt hatten.«

»Gut so. Kommt morgen gegen eilf Uhr wieder zu mir, früher nicht. Na, es ist zwar kaum nöthig, aber ich wiederhole es noch einmal – Verschwiegenheit – so lieb Euch Euer Leben ist!«

Nachdem ich den Rheder verlassen, begab ich mich nach dem Werfte hinunter, trat in das Boot und ließ mich nach Kapitän Levees Schiff hinfahren, welches den Namen Pfeil führte. Ich fand den Befehlshaber an Bord und in voller Thätigkeit, sich zur Ausfahrt anzuschicken.

»Morgen geht's also ins Weite, Levee?« sagte ich zu ihm vor allen Leuten auf dem Deck.

»Ja,« versetzte er.

»Ich wollte, bei mir wäre die Sache gleichfalls so vorangeschritten; aber wie ich höre, muß ich noch zehn Tage länger warten.«

»Ich lebte der Hoffnung, daß wir gemeinschaftlich kreuzen sollten,« versetzte Kapitän Levee; »indessen müssen wir uns in die Wünsche unsres Schiffseigenthümers fügen. Was hält Euch ab? Ich meinte, Ihr wäret fertig.«

»Ich glaubte es selbst auch,« entgegnete ich; »nun aber finden wir, daß der obere Theil des Hauptmasts gesprungen ist und wir einen neuen haben müssen. Ich komme eben von dem Rheder und muß unverweilt Vorbereitungen zum Wechsel des Masts treffen. Lebt also wohl, wenn ich Euch vor Eurer Ausfahrt nicht noch einmal sehe.«

»Ich besuche heute Abend den Rheder noch einmal,« versetzte Levee. »Wollen wir uns dann nicht zusammen finden und ein Glas zum Abschied leeren?«

»Ich fürchte, es wird nicht gehen; indeß komme ich, wenn sichs einleiten läßt,« entgegnete ich. »Wo nicht, so gut Glück dem Pfeil!«

»Und gut Glück dem Sperber!« erwiederte Levee. »Gott sei Euer Geleitsmann, mein guter Freund.«

Ich drückte ihm die Hand und stieg über die Seite des Luggers in mein Boot, welches sofort nach meinem eigenen Schiffe hinruderte. Sobald ich an Bord war, berief ich Offiziere und Mannschaft und sagte zu ihnen:

»Wir müssen unsern Hauptmast, gegen einen, der drei Fuß länger ist, umtauschen. Es handelt sich um scharfe Arbeit, damit wir in die Lage kommen, so bald als möglich auszufahren. Keiner von Euch darf ans Ufer, bis die Arbeit beendigt ist. Seyd Ihr fertig, so erhaltet Ihr Urlaub, bis es ans Aussegeln geht.«

Denselben Nachmittag ließ ich die Marssegelraa und die Stenge abnehmen, das große Segel, das große Marssegel und die Gaffel losmachen, die Stenge und das laufende Tackelwerk auf dem Deck auflegen, die Talljereepen der unteren Tackelung ablösen und überhaupt den großen Mast ganz abtackeln, so daß es den Anschein gewann, als wollten wir gegen die Werfte umholen und ihn herausnehmen. Die Matrosen blieben insgesammt an Bord, in der Erwartung, daß wir am nächsten Tag unser Berth verlegen würden.

Am folgenden Morgen legte ich ein Bugfirtau gegen die Werfte aus, als wolle ich einwärts holen, und begab mich um die anberaumte Zeit ans Land zu dem Rheder, dem ich mittheilte, was ich gethan hatte.

»Aber es ist mir mitgetheilt worden,« versetzte er, »daß Ihr diesen Abend mit Einbruch der Dunkelheit ausfahren müßt. Wie wollt Ihr fertig werden?«

Ich versetzte, gegen Abend wolle ich augenblicklich Alles wieder an Ort und Stelle schaffen lassen; in einer Stunde sei ich seefertig.

»Wenn dies der Fall ist, so habt Ihr wohlgethan, Mr. Elrington, und ich danke Euch für den Eifer, den Ihr um meinetwillen an den Tag legt. Ich werde es Euch gedenken. Alles ist verabredet, und Ihr müßt mit einigen Eurer Matrosen hieher kommen, sobald Ihr zur Abfahrt bereit seid. Eure Leute oder vielmehr vier derselben haben hier im Hause zu bleiben. Die vier Gentlemen, die Ihr eingeschifft, kleiden sich in Matrosentracht und tragen Ihre Koffer, als ob sie zu Eurer Mannschaft gehörten und Euer Eigenthum an Bord brächten. Ihr bleibt dann, etwas von der Werfte entfernt, in dem Boot, bis Eure Leute hinunterkommen, und wenn nichts gewittert wird, nehmt Ihr sie an Bord. Sind aber die Polizeibeamten auf der Lauer und halten Eure Leute an, so stoßt Ihr mit den Passagieren ab, laßt im Nothfall das Kabel los und segelt so hurtig als möglich nach Holy-head, wo Ihr mit dem Pfeil zusammentreffen werdet, der Euch dort erwartet. Ist der Lugger noch in Sicht?«

»Nein,« versetzte ich; »wir haben ihn schon mehr als eine Stunde aus dem Auge verloren. Auch konnten wir von der Mastspitze aus die Bramsegel des Kriegsschiffes entdecken, das nordnordwestlich stand.«

»Haltet scharfen Lugaus nach ihm und gebt Acht, welche Stellung es gegen Einbruch der Nacht gewählt hat,« erwiederte der Rheder. »Ihr müßt Allem aufbieten, um nicht mit ihm zusammenzutreffen. Es wird übrigens jetzt gut sein, wenn Ihr an Bord zurückkehrt, damit Ihr Eure Leute ruhig erhalten könnt.«

An Bord des Schooners angelangt, bedeutete ich meinen Offizieren, ich glaube nicht, daß es nöthig sein werde, den Mast zu wechseln; sie sollten daher Alles bereit halten, um ihn wieder in seefertigen Stand zu setzen. Auf weiter mochte ich mich nicht einlassen, sondern fügte nur noch bei, ich wolle Abends ans Land gehen, um mit dem Rheder eine Pfeife zu rauchen; dann werde ich mit Bestimmtheit erfahren, wie wirs zu halten hätten. Im Laufe des ganzen Tags beschäftigte ich die Leute mit denjenigen Vorbereitungen, welche sich treffen ließen, ohne Argwohn zu erregen; sobald es aber zu dunkeln begann, berief ich die Mannschaft nach dem Hinterschiff und theilte ihr mit, weil der Pfeil sich nicht blicken lasse, dürfte es wohl möglich sein, daß wir ihm unverweilt nachgeschickt würden. Ich drückte sodann meinen Wunsch aus, daß der Hauptmast aufgetackelt und Alles zu einem schnellen Aufbruch fertig gehalten werde, indem ich ihnen zugleich für den Fall, daß sie wacker gearbeitet hätten, Branntwein versprach. Dies reichte zu: in wenig mehr als einer Stunde stand der Mast fest, das Tackelwerk war wieder hergestellt, und die Segel brauchten nur angeschlagen zu werden. Dann ließ ich das Boot bemannen und bedeutete den Offizieren, sie sollten die Segel befestigen und bis zu meiner Rückkehr an Bord Alles zum Ankerlichten bereit halten; ich werde etwa in einer Stunde wieder eintreffen. Sofort ruderte ich ans Land, und begab mich mit vier meiner Leute nach der Wohnung des Rheders, während drei andere im Boot zurückblieben. Diesen ertheilte ich die Weisung, unter keinen Umständen von dem Boot zu weichen, sondern zu warten, bis die Uebrigen mit meinem Koffer und Effekten kämen.

Im Hause des Rheders angelangt, theilte ich diesem mit, was ich gethan hatte, und er lobte meine Maßregeln. Im Hinterzimmer fand ich vier als Matrosen verkleidete Gentlemen an, und da keine Zeit zu verlieren war, nahmen sie augenblicklich die Koffer und Felleisen auf ihre Schultern. Ich bedeutete nun meinen Leuten, sie sollten im Hause bleiben, da vielleicht der Rheder noch Einiges an Bord zu schicken habe, und ließ sie im Komptoir zurück. Die Gentlemen folgten mir mit ihrer Last nach dem Boote hinunter, und als ich daselbst anlangte, erzählten mir meine Leute, es seien Personen da gewesen, welche gefragt hätten, wem das Boot gehöre und auf wen sie hier warteten; sie hatten darauf erwiedert, der Kapitän habe vier Mann mit sich genommen, um seine Effekten holen zu lassen, und sie erwarteten jetzt dessen Rückkehr. Es war also ein glücklicher Umstand, daß ich die Matrosen von meinem angeblichen Vorhaben unterrichtet hatte.

Nach dieser Kunde eilten wir, die Koffer ins Boot zu schaffen und selbst auch einzusteigen; dann stieß ich von der Werfte ab und blieb in Steinwurfsweite liegen, um auf meine übrigen Leute zu warten. Endlich hörten wir sie herabkommen, und bald nachher bemerkten wir, daß sie von Andern angehalten wurden und mit denselben in Wortwechsel geriethen. Ich entnahm daraus, daß die Polizei auf den Beinen war und die List entdeckt würde, weshalb ich meine Matrosen und die Gentlemen, von denen Jeder ein bereit liegendes Ruder ergriffen hatte, aufforderte, auf den Schooner abzuhalten. Während wir noch im Rudern begriffen waren, kamen die königlichen Beamten, welche meine vier Mann angehalten hatten, an die Werfte herunter und befahlen uns, zurückzukehren, aber wir gaben keine Antwort. Neben Bord angelangt, hißten wir die Koffer aus dem Boot, vierten letzteres durch ein Schleppseil sternwärts, ließen die Kabel los und breiteten die Segel aus. Zum Glück war es sehr dunkel, und unsere Bewegungen gingen hurtig von Statten. Wie wir aus dem Fluß segelten, konnten wir Lichter an der Werfte bemerken, und es war klar, daß wir nur mit knapper Noth entwischten; indeß fühlte ich wegen des Rheders keine Besorgniß, weil ich wußte, daß man ihm, wie sehr man ihn auch beargwöhnen mochte, nichts beweisen konnte. Nachdem wir etwa eine Seemeile weit gesegelt waren, hißten wir das Boot herein und bildeten uns unsern Kurs.

Ich hatte nun hauptsächlich ein Zusammentreffen mit dem Kriegsschiff in hoher See zu befürchten und ließ daher nach allen Richtungen hin scharfen Lugaus halten, indem ich zugleich meinen Offizieren die Nothwendigkeit andeutete, der Belästigung durch das Polizeifahrzeug aus dem Wege zu gehen. Als wir es ungefähr eine Stunde vor Einbruch der Dunkelheit zum letztenmale gesehen, hatte es wohl windwärts, gestanden, und da der Wind aus Norden blies, so segelte es wahrscheinlich schneller, als wir im Stande waren, da ein Schooner frei nicht so gut segelt, als an einem Wind.

Wir mochten etwa vier Stunden ausgelaufen sein und steuerten Holy-head zu, als wir das Kriegsschiff plötzlich ganz nahe in unsrem Lee bemerkten. Es hatte das große Segel an den Mast gelegt, war aber augenscheinlich unsrer ansichtig geworden, denn es setzte jetzt sein Bramsegel aus.

Ich holte augenblicklich meinen Wind, während der Spürhund, sobald er Steuergang hatte, lavirte und uns nachsetzte; er mochte damals etliche hundert Klafter in unserem Stern stehen. Es war sehr dunkel, und ich wußte wohl, daß er uns, nachdem unsere Segel gesetzt waren, und wir von ihm wegfuhren, nicht gut in Sicht behalten könne, weil wir ihm so zu sagen nur den Saum unserer Segel darboten. Ich steuerte deshalb unter allen Segeln weiter, und wie ich fand, daß der Schooner uns umluvte, hielt ich ein wenig ab, um in denselben Strich zu gelangen und schneller von ihm abzukommen.

In einer Stunde hatten wir das Schiff aus dem Gesicht verloren und konnten daher überzeugt sein, daß es auch uns nicht mehr bemerken konnte; da ich es nun ganz von mir abbringen und sobald wie möglich Holy-head erreichen wollte, ließ ich alle Segel nieder und stellte mein Steuer auf, um eine Kreuzrichtung zu gewinnen; ich lief dann unter kahlen Stangen leewärts, während unser Verfolger die Jagd windwärts fortsetzte. Diese List entsprach, und wir sahen nichts mehr von ihm. Zwei Stunden nachher trafen wir mit dem Pfeil zusammen, breiten ihn an und segelten dann gemeinschaftlich, so schnell wir konnten, nach dem Bristol-Canal hinunter. Bei Tagesanbruch hatten wir kein Schiff mehr in Sicht und deßhalb nichts weiter von dem Liverpooler Kreuzer zu fürchten.

Da wir jetzt mit dem Wind auf unserer Vierung gemeinschaftlich rasch dahin segelten, so hielt ich es für hohe Zeit, nach meinen Passagieren zu sehen, die seit ihrer Ankunft an Bord in tiefem Schweigen auf dem Deck geblieben waren. Ich ging daher zu ihnen hinauf und entschuldigte mich gegen sie, daß ich ihnen noch nicht die Aufmerksamkeit bewiesen habe, die ich ihnen unter andern Umständen zu schenken gewünscht haben würde.

»Kapitän,« entgegnete der Aelteste davon, mit einer höflichen Begrüßung, »Ihr habt uns alle Aufmerksamkeit zu Theil werden lassen und seid ungemein thätig gewesen, uns das Leben zu retten. Nehmt daher unsern aufrichtigsten Dank.«

»Ja, in der That,« fügte ein junger, schöner Mann bei, der ihm zunächst stand. »Mr. Elrington hat uns den Krallen unsrer Feinde entrissen. Aber nun wir von dieser Seite her nichts mehr zu fürchten haben, muß ich ihm bemerken, daß in vierundzwanzig Stunden kaum ein Bissen über unsere Lippen gekommen ist; wenn er daher uns zum zweitenmal das Leben zu retten wünscht, so wird er ein gutes Frühstück für uns anfertigen lassen.«

»Campbell spricht die Wahrheit, mein theurer Sir,« sagte der, welcher zuerst das Wort ergriffen. »Wir haben in letzter Zeit erfahren müssen, was es um den Hunger und um den Durst ist, weshalb wir uns insgesammt dem Gesuch unseres Freundes anschließen.«

»Ihr sollt nicht lange zu warten haben,« entgegnete ich. »In ein paar Augenblicken bin ich wieder bei Euch.«

Ich begab mich in die Kajüte hinunter und ertheilte meinem Diener die Weisung, ein großes Stück eingesalzten Hamburger Ochsenfleisches, eine kalte Fleisch- und Geflügelpastete, etwas Brod und Käse sammt einigen Flaschen Branntwein und Usquebaugh aufzutragen; dann verfügte ich mich wieder auf's Deck und ersuchte meine Passagiere hinunter zu gehen. Hungrig waren sie gewiß – dies ließ sich nicht in Abrede ziehen, denn sie hieben ganz unglaublich auf ihr Mahl ein. Es kam mir wahrhaftig vor, als hätten sie eine Woche lang gefastet, und ich machte mir Gedanken darüber, wenn sie in dieser Weise fortführen, so könne mein Vorrath unmöglich ausreichen; es seie daher nur um so besser, je eher ich sie an's Land bringe. Nachdem sie endlich zu essen aufgehört und zwei Flaschen Usquebaugh versorgt hatten, sagte ich zu ihnen:

»Gentlemen, mein Auftrag lautet, euch in dem französischen Hafen, den ihr nahmhaft machen würdet, zu landen. Seid ihr in Betreff des Ortes bereits zu einem Entschluß gekommen? denn es wird nothwendig sein, daß wir hienach unsern Kurs bilden.«

»Mr. Elrington, in Betreff dieses Punktes möchten wir mit Euch zu Rathe gehen. Ich brauche Euch kaum zu sagen, daß es uns eben um's Entkommen zu thun ist und daß es uns höchst unangenehm wäre, wenn wir mit einem der vielen Kriegsschiffe, welche auf uns und andere unglückliche Anhänger des Hauses Stuart lauern, zusammenträfen und von demselben zur Haft gebracht würden, da es in diesem Falle sicherlich um unsere Köpfe geschehen wäre. Welchen Hafen könnten wir Eurer Ansicht nach wahrscheinlicherweise mit dem geringsten Gefährde einer Unterbrechung erreichen?«

»Da Ihr mir das Compliment erweist, mich um meine Ansicht zu befragen,« versetzte ich, »so bin ich der Meinung, es dürfte am besten sein, wenn ich nach der Bai von Biscaja hinunterliefe und auf den Hafen von Bordeaux oder irgend einen andern abhielte, wo ihr mit Sicherheit gelandet werden könntet. Mein Grund dafür besteht in dem Umstand, daß der Kanal von Kreuzern wimmelt, welche auf die flüchtigen Anhänger Eurer Sache lauern, und es ist deshalb zu besorgen, daß mein Schiff gejagt und durchsucht wird. Möglich zwar, daß der Sperber schneller segelt, als irgend ein Schiff im Kanal; indeß ist es doch recht gut denkbar, daß wir, während wir vor dem einen ausreißen, in den Rachen eines andern laufen. Zudem sind wir zwei Kaper, und es wird keinen Argwohn erregen, wenn wir in der Höhe von Bordeaux kreuzen, da dies ein sehr beliebter Grund ist und, im Falle wir geentert würden, wenig Gefahr einer Entdeckung zu besorgen steht. Natürlich aber soll mir kein Visitator an Bord kommen, so lang ich es durch die Geschwindigkeit meines Kiels möglicherweise verhindern kann. Meinem Vorschlag läßt sich nur entgegenhalten, daß Ihr durch denselben länger in meinem Schiff eingesperrt bleibt, als Euch vielleicht lieb ist, oder als der Fall sein würde, wenn wir einen näheren Hafen zu gewinnen suchten.«

»Ich bin mit dem Schiffs-Kapitän einverstanden,« sagte ein ernst aussehender Mann, der noch nicht gesprochen hatte und in dem ich später einen katholischen Priester entdeckte. »Der treueste Anhänger der Sache hätte keinen besseren Rath ertheilen können, und ich möchte ihn zur Nachachtung empfehlen.«

Die Uebrigen waren der gleichen Ansicht und in Folge davon segelte ich nach dem Pfeil hinunter, um Kapitän Levee anzubreien und ihm mitzutheilen, daß wir nach Bordeaux laufen würden. Ich rüstete meinen Passagieren Schlafstätten zu, so gut es eben gehen wollte, und entschuldigte mich deßhalb; sie aber lachten und erzählten mir Geschichten von Gefahren, die sie auf ihrer Flucht ausgestanden, so daß es mich nicht mehr wunderte, wenn sie es nicht sonderlich genau nahmen. Aus ihrem Gespräch entnahm ich, daß sie Campbell, M'Intyre, Ferguson und M'Donald hießen – es waren lauter sehr gebildete Männer, mit denen man sich trefflich unterhalten konnte. Ihrer Heiterkeit sah man die Flüchtlinge nicht an, denn sie lachten über ihre erstandenen Leiden, sangen jakobitische Lieder, wie sie's nannten, und schonten jedenfalls meinen Weinschrank ganz und gar nicht. Der Wind blieb günstig und wir erlitten keine Störung. Am vierten Abend thaten wir die Mündung der Garonne an und legten dann mit seewärts gekehrten Schnäbeln für die Nacht bei. Kapitän Levee kam an Bord und ich stellte ihm meine Passagiere vor. Zu meiner Ueberraschung sagte er nach einigem Gespräch:

»Ich habe nun nach der erhaltenen Weisung Kapitän Elrington geleitet und werde so bald als möglich nach Liverpool zurückkehren; wenn daher einer von den Herren Briefe an seine Freunde mitzugeben hat, um denselben das glückliche Entkommen anzuzeigen, so werde ich mich glücklich schätzen, sie in jeder mir als räthlich angedeuteten Weise zu besorgen.«

Daß Kapitän Levee nicht ohne Grund so sprach, konnte ich mir wohl denken, weßhalb ich mich jeder Bemerkung darüber enthielt. Die Passagiere dankten ihm für seinen Vorschlag, ließen sich Schreibmaterial reichen und schrieben insgesammt an ihre Freunde, worauf sie die Briefe Kapitän Levee's Händen übergaben. Dieser verabschiedete sich von ihnen und begab sich mit mir auf's Deck.

»Natürlich war es Euch nicht Ernst mit dem, was Ihr sagtet, Kapitän Levee?« fragte ich, als wir nach dem Vorderschiffe giengen.

»Nein,« versetzte er; »aber ich hielt es für klug, sie auf diesen Glauben zu bringen. Obschon Engländer, sind sie doch Feinde unseres Landes, sofern sie Feinde unserer Regierung sind, und wünschen natürlich den Franzosen, von welchen sie mit so viel Wärme unterstützt wurden, nichts Schlimmes. Wenn sie nun wüßten, daß ich hier bleibe und Eure Rückkehr aus dem Fluß erwarte, so würden sie dies aussprengen, und ich könnte die Aussicht auf eine gute Prise verlieren, da natürlich kein Fahrzeug aussegelt, wenn es weiß, daß die Küste nicht klar ist. Nach einer Stunde trennen wir uns und ich stelle mich an, als segle ich nach England zurück; morgen Abend aber stehe ich unfehlbar mit beschlagenen Segeln etwa fünf Seemeilen von dem Hafen. Bleibt deshalb so lang im Fluß, als man Euch dort duldet, denn während Ihr mit der Waffenstillstandsflagge im Hafen liegt, werden wohl Schiffe ausfahren.«

»Ich begreife Euch und will Allem aufbieten, um Eure Absichten zu unterstützen, Kapitän Levee. Laßt uns nun wieder hinuntergehen. Ich gebe Euch einen Empfangschein für einen Ring Tau, den Ihr mir in Eurem Boote schickt, und schreibe einen Brief an den Rheder, worauf Ihr mir Adieu sagt und absegelt.«

»Ganz recht,« entgegnete Kapitän Levee, welcher sofort sein Boot absandte, um einen Ring dreizölligen Taus zu mir an Bord bringen zu lassen.

Wir stiegen sodann in die Kajüte hinunter, wo ich einen Brief an den Rheder und zugleich einen Empfangschein für das Tau schrieb, um beides Kapitän Levee einhändigen zu können. Das Boot kam bald von dem Lugger wieder zurück. Das Tau wurde an Bord genommen, und dann wünschte mir Kapitän Levee Lebewohl, indem er sich zugleich höflich von den Gentlemen verabschiedete, welche ihm auf das Deck folgten und daselbst warteten, bis er sein Boot wieder aufgehißt und die Segel ausgebreitet hatte.

»Wie lange wird der Lugger bei solchem Wind zur Fahrt nach Liverpool brauchen?« fragte Mr. Campbell.

»Da er voraussichtlich Tag und Nacht sein Tuch führt,« versetzte ich, »so kann er bei seiner Segelgeschwindigkeit in fünf oder sechs Tagen den Ort seiner Bestimmung erreichen.«

»Gott sei Dank, daß wir Gelegenheit gefunden haben, unsern Freunden in England auf so schnellem und sicherm Wege Kunde zugehen zu lassen; andernfalls hätten wir vielleicht zwei Monate warten müssen.«

»Sehr wahr,« bemerkte der Priester; »aber der Himmel hat unsern sehnsüchtigen Wünschen Beistand geleistet. Laßt uns ihm für Alles dankbar sein.«

Meine Passagiere sahen dem Lugger nach, bis sie ihn fast aus dem Gesicht verloren hatten. Ohne Zweifel machten sie sich Gedanken darüber, daß die an Bord nach dem Lande ihrer Geburt gingen, aus dem sie selbst vielleicht für immer verbannt waren; sie sprachen übrigens keine Sylbe, sondern gingen in den Raum hinunter und begaben sich zu Bette. Am andern Morgen mit Tagesanbruch ließ ich den Schooner einlaufen. In der Entfernung von etwa einer Seemeile hißte ich die weiße Waffenstillstandsflagge auf und steuerte auf die Mündung der Garonne los. Wie ich bemerkte waren die Batterien bemannt; es wurde jedoch keine Kugel abgefeuert, und wir liefen in den Strom ein.

Sobald wir eine Strecke weit aufwärts gefahren waren, hielten uns französische Beamten an, und meine Passagiere, die sich jetzt wieder in ihre gewöhnliche Kleidung gehüllt hatten, theilten dem im Boote befindlichen Offiziere mit, wer sie seien. Der Letztere benahm sich hierauf mit großer Höflichkeit, rief einen Lothsen herbei, der den Schooner in seine Obhut nahm, und bald nachher ankerten wir, da Wind und Fluth uns günstig waren, neben zwei großen Kauffahrern und einem französischen Kaper von 16 Kanonen, in welchem ich augenblicklich unsere alten Gegner auf der Höhe von Hispaniola erkannte denselben in dem Gefechte, welches Kapitän Weatherall das Leben kostete, die Rache gekapert hatte. Ich behielt jedoch diese Entdeckung für mich, da der französische Offizier und die jakobitischen Gentlemen anwesend waren. Sobald wir Anker geworfen hatten, wurden die Passagiere ersucht, in's Boot zu steigen; auch sollten die französischen Offiziere und ich sie begleiten, damit ich mich dem Gouverneur melden könne. So fuhren wir denn nach der Stadt, während eines meiner Boote mit dem Reisegepäck nachfolgte.

Als wir landeten, war eine große Masse Volks versammelt, welche mich scharf in's Aug faßte, da ich in meinen Tressenrock gekleidet war und den aufgeschlagenen Hut mit der breiten Goldborte auf hatte. Der Gouverneur empfing uns mit großer Leutseligkeit; auch nahm man an, weil ich die jakobitischen Gentlemen in meinem Schooner mitgebracht hatte, müsse ich ein Freund ihrer Sache sein, weßhalb ich mich einer besonders höflichen Behandlung erfreuen durfte. Der Gouverneur lud uns insgesammt ein, an demselben Tag bei ihm zu speisen. Zwar entschuldigte ich mich mit meinem Verlangen, wieder nach Liverpool zurückzukehren, um mich für eine Fahrt nach der afrikanischen Küste auszurüsten, weil ich eigentlich von meinen Rhedern mit diesem Dienst beauftragt sei, aber die Passagiere bestanden darauf, daß ich einen oder zwei Tage bleiben sollte, und der Gouverneur unterstützte ihre Bitte mit seiner eigenen.

Ich nahm daher die Einladung an, nicht so fast weil ich gern die Gelegenheit benützte, eine so berühmte Stadt zu sehen, sondern weil ich dadurch die Absichten meines Freundes Levee befördern konnte. Wir verabschiedeten uns von dem Gouverneur und begaben uns nach einem Hotel, wohin ich mir durch mein Boot einiges Nöthige bringen ließ; auch miethete ich mir im Gasthaus ein schönes Zimmer. Ich war noch keine halbe Stunde da gewesen, als der Priester zu mir kam und sagte:

»Kapitän, Ihr kennt den Rang und die Bedeutsamkeit der drei Gentlemen nicht, welche Ihr so glücklich nach diesem Platz der Sicherheit geleitet habt. Ich bin von denselben aufgefordert, Euch für Euer Wohlwollen und für Euer gewandtes Benehmen bei dieser Gelegenheit eine schöne Belohnung zu überreichen.«

»Sir,« versetzte ich, »dies darf nicht geschehen. Ich schätze mich in hohem Grade glücklich, unglücklichen Männern zum Entkommen behülflich gewesen zu sein; aber alle Freude daran würde mir verdorben, wenn ich Euer Erbieten annehmen wollte. Gebt Euch nicht die fruchtlose Mühe, es zu wiederholen, und wenn Ihr's dennoch thut, so werde ich's als Beleidigung betrachten und mich unverzüglich an Bord meines Schiffes zurückbegeben. Dankt daher den Herren in meinem Namen so warm, als ob ich ihre Gabe hätte annehmen können, und überbringt ihnen zugleich meine besten Wünsche für ihre künftige Wohlfahrt.«

»Nach solchen Aeußerungen, Kapitän Elrington, darf ich es natürlich nicht wagen, mein Anerbieten zu erneuern. Ich will meinen Reisegefährten mittheilen, was Ihr gesagt habt, und bin überzeugt, sie werden Euer hohes Ehrgefühl eben so sehr zu schätzen wissen, wie ich.«

Der Priester drückte mir hierauf die Hand und verließ mein Zimmer. Von den übrigen Passagieren sah ich keinen bis um die Stunde, welche uns zu dem Diner des Gouverneurs rief. Nun aber umarmten sie mich herzlich, und Einer davon, welcher sich Campbell nannte, sagte zu mir:

»Solltet Ihr je als Gefangener oder in was immer für eine Bedrängniß nach Frankreich kommen, so erinnert Euch, daß Ihr einen Freund besitzt, welcher bereit ist, Euch zu dienen. Hier habt Ihr die Adresse einer Dame, an die Ihr nur zu schreiben braucht. Theilt ihr mit, Ihr wünschtet den Beistand des Passagiers, den Ihr nach Bordeaux gebracht – dies wird zureichen. Indeß wünsche ich, daß Ihr nie in die Lage kommen mögt, einen derartigen Schritt thun zu müssen.«

Das Mahl des Gouverneurs war sehr heiter, und unter den uns zu Ehren Geladenen bemerkte ich auch den französischen Kaperkapitän. Ich erkannte ihn augenblicklich, er aber mich nicht. Wir unterhielten uns mit einander, und er kam auf seinen Kreuzzug in Westindien zu sprechen, bei welcher Gelegenheit er mich fragte, ob ich den Kapitän Weatherall kenne. Ich entgegnete ihm, es habe einen Kapitän Weatherall gegeben, der den Kaper »die Rache« kommandirte und gefallen sey, als sein Schiff genommen wurde.

»Ganz recht,« versetzte der Kapitän; »er war ein wackerer Mann und hat tapfer gefochten. Das gleiche Zeugniß muß ich übrigens allen seinen Leuten geben, denn sie kämpften wie eingefleischte Teufel.«

»Ja,« versetzte ich, »sie fochten so lange, als sie konnten; aber Kapitän Weatherall hatte nur sehr wenig Mannschaft, da sich beim Beginn des Kampfes bloß fünfundfünfzig Leute an Bord befanden.«

»Oh, es müssen gewiß mehr gewesen seyn,« erwiederte der französische Kapitän.

»Nein, kann ich Euch versichern,« entgegnete ich. »Er hatte so und so viele in einem Küstengefecht verloren und so und so viele waren auf den Prisen abwesend.«

Unser Gespräch hatte die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, und ein Offizier der französischen Armee bemerkte:

»Monsieur spricht mit einer so großen Bestimmtheit, daß man glauben sollte, er sey selbst an Bord gewesen.«

»Dies war ich auch, Sir,« versetzte ich, »und habe von dieser Gelegenheit her meine Wunden aufzuweisen. Ich erkannte diesen Offizier augenblicklich, sobald ich ihn sah, denn ich stand neben Kapitän Weatherall, als dieser vor dem Gefecht von seinem tapfern Gegner zur Ergebung ermahnt wurde. Auch kreuzte ich im Laufe des Kampfes mein Schwert mit ihm.«

»Ihr habt mich überzeugt, daß Ihr an Bord waret,« entgegnete der Kaperkapitän, »da Ihr der Aufforderung Erwähnung thut, welche vor dem Kampfe Statt fand. Ich schätze mich glücklich, einem so tapfern Feinde wieder zu begegnen; denn jeder an Bord seines Schiffs war ein Held.«

Das Gespräch wurde nun allgemein, und ich hatte über viele Einzelnheiten Auskunft zu geben; auch muß ich dem französischen Kapitän die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er in seinen Angaben vollkommen der Wahrheit getreu blieb und nie auf unsere Kosten mit seinem Siege prahlte.

Endlich brach die Gesellschaft auf, um das Theater zu besuchen, und nachher kehrten wir in unser Gasthaus zurück. Ich blieb noch zwei weitere Tage in Bordeaux. Am letzten derselben sollte ich bei dem französischen Kaperkapitän soupiren, der mich besucht und sich überhaupt sehr höflich gegen mich benommen hatte. Am andern Nachmittag gedachte ich mit günstiger Fluth auszufahren. Demgemäß begab ich mich nach dem Theater in das Haus des französischen Kapitäns, der mich mit zwei oder drei andern begleitete. Das Mahl stand bei meiner Ankunft bereits auf dem Tisch und wir verfügten uns in das Speisezimmer, wo wir die Gattin unseres Wirths erwarteten, die nicht im Theater gewesen war und der man mich noch nicht vorgestellt hatte. Einige Minuten nachher trat sie ein, und ich war in hohem Grade betroffen über ihre große Schönheit, obschon sie bereits die Mittagslinie des Lebens zurückgelegt hatte. Es däuchte mich, ich müsse ihr Gesicht schon sonst wo gesehen haben; aber als sie mit ihrem Gatten näher kam, durchzuckte es mich mit einemmale – sie war die Wittwe des französischen Gentlemans, der so tapfer für sein Schiff gefochten hatte und von meiner Hand gefallen war, die Dame, welche im königlichen Hospital zu Jamaika ihren Sohn pflegte und eine so tiefe Feindschaft gegen mich hegte. Unsere Augen begegneten sich und ihre Wangen glühten. Sie erkannte mich und ich erröthete tief, während ich mich gegen sie verbeugte. Sie war einer Ohnmacht nahe und es war ein Glück, daß ihr Gatte an ihrer Seite stund, um sie mit seinen Armen auffangen zu können.

»Was wandelt Euch an, meine Theure?« fragte er.

»Nichts – nur ein Schwindel,« versetzte sie. »Es wird schnell vorüber seyn. Entschuldigt mich gegen die Gesellschaft – ich muß mich für einige Minuten zurückziehen.«

Ihr Gatte begleitete sie und kehrte nach einigen Minuten wieder mit dem Bemerken zurück, Madame fühle sich nicht wohl genug, um im Speisesaal erscheinen zu können; sie lasse sich daher entschuldigen und bitte, daß man ohne sie zum Mahl niedersitze. Ob sie ihm mitgetheilt hatte, wer ich war, weiß ich nicht; indeß benahm er sich während der Tafel mit der größten Höflichkeit gegen mich. Der Umstand, daß die Hausfrau unwohl war, gab Anlaß, daß wir nicht sehr lange blieben.

Auf dem Wege nach meinem Gasthof erfuhr ich von einem andern französischen Offizier, daß der Kaperkapitän die französische Dame auf ihrer Rückkehr von Jamaika, wo ihr Sohn im Hospital gestorben war, getroffen und sie geheirathet hatte – ferner, daß er sie, ungleich den meisten französischen Ehemännern, aufs glühendste liebte.

Ich hatte am andern Morgen bereits gefrühstückt, dem Gouverneur meinen Abschiedsbesuch gemacht und war eben im Begriff, meine Kleider einzupacken, ehe ich an Bord ginge, als der französische Kaperkapitän, von drei oder vier Offizieren der französischen Armee begleitet, zu mir ins Zimmer trat. Ich bemerkte sogleich, daß er etwas aufgeregt war, begrüßte ihn aber mit Herzlichkeit. Er begann sodann ein Gespräch über sein Gefecht mit Kapitän Weatherall; aber statt wie früher gerecht gegen uns zu seyn, brauchte er jetzt Ausdrücke, die ich als Beleidigung ansehen mußte, weshalb ich ihm einfach die Bemerkung hinwarf, ich stehe jetzt unter der Waffenstillstandsflagge, und es sey mir unmöglich, von seinen Worten Notiz zu nehmen.

»Wohl wahr,« versetzte er; »aber ich wünschte, wir wären wieder einmal auf hoher See an einander, denn ich habe Euch eine kleine Schuld der Dankbarkeit abzutragen.«

»Gut,« versetzte ich; »Euer Wunsch kann Euch willfahrt werden. An mir wenigstens soll es nicht liegen, Euch, wo immer möglich, Gelegenheit dazu zu geben.«

»Darf ich fragen, ob Ihr als Kartellschiff nach Haus zu gehen gedenkt und als solches die Waffenstillstandsflagge bis Liverpool führen werdet?«

»Nein, Sir,« lautete meine Antwort. »Ich werde die Waffenstillstandsflagge herunternehmen, sobald ich aus der Schußweite Eurer Batterieen bin. Ich begreife vollkommen, was Ihr meint, Sir. Es ist allerdings wahr, daß Euer Schiff fast noch einmal so viel Mann und Kanonen führt, als das meinige; aber wenn ich sage, ich werde die Flagge herabnehmen, so dürft Ihr Euch sicher darauf verlassen, daß es geschieht.«

»Vermuthlich aber nicht, wenn ich Euch den Strom hinab folge?« versetzte er in höhnischer Weise.

»Folgt mir, wenn Ihr den Muth habt,« rief ich. »Verlaßt Euch darauf, Ihr werdet Euren Meister finden!«

» Sacré!« entgegnete er aufgebracht. »Ich blase Euch aus dem Wasser hinaus, und erwische ich Euch, so sollt Ihr mir gleich einem Seeräuber baumeln.«

»Dies wird sicherlich nicht der Fall seyn,« versetzte ich kaltblütig.

»Ihr sollt Euch überzeugen, Sir,« rief er, die Faust auf der Fläche seiner andern Hand schließend. »Wenn ich Euch greife, so lasse ich Euch hängen, und im Falle Ihr mich besiegt, mögt Ihr nur mich in der gleichen Weise behandeln. Gilt es, oder seyd Ihr eine Memme?«

»Gentlemen,« bemerkte ich gegen die anwesenden Offiziere, »Ihr müßt fühlen, daß sich Euer Landsmann nicht würdig benimmt. Er hat mich gröblich beschimpft. Indeß will ich unter einer Bedingung auf seinen Antrag eingehen – er muß nämlich gestatten, daß Einer von Euch unmittelbar nach seiner Abfahrt den Kampfvertrag seiner Gattin kund thue, und dieser Sendling hat mir sein Ehrenwort darauf zu geben, daß er dieser Verpflichtung gewissenhaft nachkommen wolle.«

»Sagt ja – übernehmt Ihr die Verbindlichkeit, Xavier,« rief der französische Kapitän einem der Offiziere zu.

»Wenn Ihr es wünscht, zuverlässig,« versetzte er.

»Ihr verpflichtet Euch, unmittelbar nach unserer Ausfahrt die Bedingungen Madame mitzutheilen?«

»Ja, und ich gebe mein Wort als Offizier und Ehrenmann darauf,« entgegnete er, »wie schmerzlich mir auch der Auftrag fallen mag.«

»Wohlan denn, Kapitän,« erwiederte ich; »Euer Vorschlag ist angenommen. Einer oder der Andere von uns Beiden soll baumeln.«

Ihr werdet denken, Madame, ich müsse mich in einem Zustande großer Aufregung befunden haben, daß ich in solche Bedingungen willigen konnte. Dies war wirklich der Fall, denn ich konnte einen solchen Schimpf in der Anwesenheit der französischen Offiziere nicht verschmerzen. Außerdem werdet Ihr bemerken, daß ich mir in dem Wortwechsel nicht die mindeste Blöße gegeben hatte. In der ganzen Sache lag für mich nichts Unehrenhaftes, denn ich sagte ihm, ich werde meine Waffenstillstandsflagge herunternehmen, bemerkte ihm aber auch zugleich, er werde seinen Meister finden, und dies war richtig genug, da er außer mir auch mit dem Pfeil, der unter Kapitän Levee's Commando stand, zusammentreffen mußte. Allerdings meinte er, er habe blos mit meinem viel schwächeren Schiff zu kämpfen, und weil er seiner Eroberung sicher zu seyn glaubte, beschimpfte er mich absichtlich, um mir Bedingungen aufzuzwingen, durch die er die Rache seines Weibes befriedigen konnte, denn augenscheinlich hatte ihn diese gespornt, in solcher Weise zu handeln. So ging ich denn auf seinen Antrag ein, der getrosten Hoffnung lebend, das Schicksal, mit welchem er mich bedrohte, werde ihn treffen, wenn Kapitän Levee sich mir anschloß; andernfalls aber hatte ich mir fest vorgenommen, mich nicht lebendig ergreifen zu lassen.

Nach Abschluß dieses Vertrags verabschiedeten sich die Offiziere in sehr förmlicher Weise, während ich sie mit höhnischer Unterwürfigkeit hinauscomplimentirte. Dann sagte ich meinen Passagieren, welche im gleichen Gasthause wohnten, Lebewohl, ging nach meinem Boot hinunter und ruderte an Bord. Mit dem Eintritt einer günstigen Fluth kam der Lothse auf unser Schiff und wir lichteten Anker. Um den französischen Kaper her wurde es nun sehr regsam, indem Boote ab- und zufuhren, und wir waren noch keine halbe Seemeile stromabwärts gefahren, als ich schon die Entdeckung machte, daß die Matrosen auf den Masten waren und die Segel niederließen. Ich theilte meinen Offizieren mit, ich habe von dem französischen Kaper eine Ausforderung erhalten, die von mir angenommen worden sey; wir müßten daher Alles für ein Gefecht bereit halten. Sie waren hierüber sehr erstaunt, da die Streitkräfte in so großem Mißverhältniß standen; indeß gingen sie wohlgemuth ans Werk, und die Matrosen, unter denen die Kunde sich bald verbreitet hatte, folgten ihrem Beispiel.


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