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Eilftes Kapitel

Der einsame Reiter. – Die Höhle der Prairieräuber. – Das Dorf der Apachen. – Das Lager am Biberbache. – George und der Falke.

Ueber die öde Prairie, die noch rauchte von dem Brande, welcher alles Leben auf ihr vernichtet, ritt, mit spähendem Auge den Gesichtskreis prüfend, ein einsamer Reiter – Jean der Mulatte; die trostlose Gegend, die er durcheilte, wie harmonirte sie mit seinem düsteren Innern!

Der sonst so kühne Mann, welcher stets eine übermüthige Lebenslust gezeigt, war wie umgewandelt und saß in finsteres Brüten verloren, auf dem kräftig ausgreifenden Roß.

Ingrimm und Rachgier gegen den Comantschenhäuptling, der ihn in dem Augenblicke von Preston's Partei verjagt, wo des Mulatten gieriges Auge nach langen Jahren das Mädchen erblickte, dessen unschuldvoller Reiz die Flammen der wildesten Leidenschaft in seiner Brust geweckt, das Mädchen, für welches – wenn es auch die schuldlose Ursache zur gänzlichen Umgestaltung seines Lebens gewesen – auch heute noch sein Blut in schnellere Wallung gerieth.

»Ah! wie ist das Mädchen schön geworden!« murmelte seufzend der Verblendete, und vor dem geschlossenen Auge Jean's stand Marie in all ihrer Schönheit, mit dem prächtigen Haar, den lieben braunen Augen, dem süßen Mund und der üppigen Gestalt!

Wohl gestand sich der Mulatte, daß an Gewinnung der Gegenliebe Marie's nicht zu denken sei, was' sollte auch dem rohen Mann dies reine Gefühl frommen? Darnach strebte er nicht, nein, er wollte Marie besitzen, ihre Gestalt, ihre Reize, er wollte sich mit ihr in die Wildniß vergraben, unter die Indianer ziehen und müßte er zur Erreichung seines Zweckes Ströme von Blut vergießen. Gelang es aber all seinen Anstrengungen nicht, sein Ziel zu erkämpfen, konnte er die holde Mädchenblume nicht für sich brechen, dann, schwur der in seinem Liebeswahne wild Dahinstürmende mit fürchterlichen Eiden, dann wollte er lieber selbst den Dolch in Marie's Busen stoßen, ehe er sehen solle, daß ein anderer Mann das geträumte Glück erlange. –

In den Schluchten und Höhlen der Sierra de Texas, die sich theils an der Grenze des Comantschen-Gebietes hinzieht, theils einzelne Ausläufer weit in die Prairien vorschiebt, hausen jene Männer, die von den Gesetzen bedroht, von den Menschen geächtet und von Indianer und Weißen wie wilde Thiere gehetzt werden – die Prairieräuber.

Ihr Dasein ist ein steter Kampf auf Tod und Leben, untermischt mit Raub und Mord; der Schrecken der Kaufleute und Händler, die das Indianergebiet durchziehen, so wie der Grenzansiedlungen, verschmähen sie eben so wenig den einsamen Jäger, als den versprengten Indianer zu bedrohen, deren Waffen und geringe Halbseligkeiten ihnen willkommene Beute sind.

Wehe aber dem von ihnen, der in die Hände der Trapper oder Indianer fällt! ein qualvoller Tod ist ihm gewiß, denn hier hilft kein erkäuflicher Advocat zur Flucht, hier in der Wildniß kennt man nicht den Spruch: liebet Euere Feinde, thuet wohl denen, die Euch hassen, hier gilt nur ein Gesetz: Aug' um Auge – Blut um Blut!

Aus verstoßenen Indianern, Weißen aller Nationen und den verschiedensten, mit Negerblut vermischten Racen zusammengesetzt, bilden die Prairieräuber Banden von zehn bis fünfzig Mann, die unter dem Befehle selbstgewählter Hauptleute stehen.

Wie zum Hohn haben auch diese Unmenschen ihre Gesetze, deren Paragraphen Blut auf Blut verheißt. Dem droht der Tod, dem Feigheit nach gewiesen, der Tod dem, der von der Beute unterschlägt, der Tod dem, der zum Verräther wird!

Eine der gefürchtetsten Banden war die des Spaniers Emanuel, welche, wenn auch nur dreißig Mann stark, doch eine wahre Geißel der Wildniß geworden; unzählige Morde und Raubanfälle waren durch sie schon ausgeführt, Ströme von Blut schon vergossen und dennoch, obgleich der Schlupfwinkel der Bande ziemlich bekannt, obgleich schon verschiedene Male Regierungs-Truppen versucht hatten, die Räuber auszuheben, dennoch bestand die Bande noch. Der große Reichthum aber, den sie erbeutet, die vielen vergeblichen Versuche sie zu vernichten, hatte der wilden Schaar ein trotziges Sicherheitsgefühl und ihrem tapferen, schlauen Hauptmanne Emanuel, einen gefürchteten Namen – der Tödter – gegeben.

Und wahrlich, niemals entsprach die Bedeutung eines Namens mehr, als bei diesem Tiger in Menschengestalt, der mit allen Gaben des Geistes und des Körpers überreich ausgestattet, mit ungewöhnlichen Kenntnissen begabt, Treffliches hätte leisten können, wäre er nicht von dem dunkelen Walten des Geschickes auf die Bahn des Verbrechens geschleudert worden; aber auch hier noch strebte er nach dem traurigen Ruhm: unter Schlechten der Schlechteste, unter den wilden Genossen der Tollkühnste und Grausamste zu sein.

In einer großen Höhle, deren viele Nebengänge durch massive Bohlen geschlossen waren, und die in einem Beige gelegen, welcher die ganze Umgegend beherrschte, hausten die Räuber.

Der schmale Pfad, der sich zu ihrem Schlupfwinkel wand, war leicht zu vertheidigen, krystallhelles, kühles Wasser sprudelte aus einer Spalte, durcheilte in munterem Lauf das Innere des ganzen Berges und stürzte an dessen Rückseite als mächtiger Wasserfall tosend in's Thal.

Der obere, abgeflachte Bergrücken bot hinreichendes Futter für die Pferde, welche, in einem Felsenkessel versteckt, in Gemeinschaft einiger Kühe weideten; Waffen und Beute aller Art bargen die geschlossenen Höhlengänge und Nichts fehlte den Ausgestoßenen der Menschheit. Selbst einige Weiber theilten ihren Aufenthalt, wenn man den Megären den edelen Namen geben darf, die der Sittlichkeit und jedem weiblichen Gefühle Hohn sprechend, die wilden Gelage der Männer theilten.

Hierher, nach dieser Hölle auf Erden, lenkte der Mulatte Jean sein müdes Roß, und als der Tag sich neigte, stand er vor der ersten Wache der Räuber, die den Wohlgekannten ruhig Passiren ließ. Am zweiten Abhänge des stufenweis aufstrebenden Weges, welcher von hier an auch für Pferde ungangbar wurde, stand wieder ein Posten, hier ließ Jean das Pferd zurück und stieg zum Lager der Räuber empor.

Die weite, mächtige Grotte war durch zwei riesige Feuer erhellt, an denen verschiedene Fleischstücke schmorten. Von dem rothen Schein phantastisch beleuchtet, lagen in malerischen Gruppen die Räuber, eine wahre Musterkarte des Auswurfs aller Racen, um die Feuer, dort im eifrigen Geplauder mit den Frauen, hier unter Schelten und Fluchen Monte spielend.

Abseits an einem kleinen, roh aus einer Kiste hergerichteten Tische, auf dem eine Flasche Alicante und auf schwerem silbernen Leuchter eine Wachskerze stand, saß Emanuel, an seine Brust geschmiegt ruhte, in buntem Costüme, eine Apachin und lauschte bald den feurigen Worten des Hauptmanns, bald nippten ihre Lippen den spanischen Wein, der ihre Pulse rascher schlagen machte.

In der That, die verschiedenen Gruppen bildeten ein eigenthümliches Bild und Jean blieb unwillkürlich am Eingange der Grotte stehen, bis ihn einer der Lagernden bemerkte und mit lautem Gruße bewillkommnete.

Augenblicklich erhoben sich Alle, den gern gesehenen Mulatten zu begrüßen, welcher schon so manche Karavane in ihre Hände geliefert, so manches Mal schon verborgene Schätze verrathen hatte. Fragen und rohe Scherze flogen hin und her, doch der sonst so lustige Jean schien schlecht gelaunt, er begnügte sich ein riesiges Maaß Brandy mit einer leichten Neigung des Kopfes zu leeren und schritt dann schweigend auf den Hauptmann zu.

»Hollah!« rief dieser, dem Nähertretenden die Hand schüttelnd. »Läufst Du auch noch auf dieser schönen Erde herum? Demonio, ich dachte schon, Du hingest irgendwo als warnendes Beispiel an einem schattigen Baume!«

»Noch nicht, Don Manuel,« grinste ziemlich frech der Mulatte, »ich spare die angenehme Reise auf, bis ich sie in Euerer Gesellschaft antreten kann. Doch laßt die gewöhnlichen Späße, heut führt mich Wichtiges zu Euch. – Habt Ihr über die nächsten Wochen schon verfügt?«

»Hoho! Ihr holt ja gewaltig aus,« sprach der Spanier. »Doch – wir sind frei, die Regenzeit, die Zeit unserer Ruhe beginnt, welche wir aber gern unterbrechen, wenn es sich lohnt.«

»Es wird sich lohnen. Schon vielmals habt Ihr versucht mich zu bewegen, Euch die Karavane der Santa Fée Kaufleute zu verrathen, die ich alljährlich führe!«

»Aha! seit Ihr endlich vernünftig geworden?« frug Don Manuel. »Doch was soll es jetzt damit, vor Ende der Regenzeit soll doch die Reise nicht beginnen?«

»Nein,« sprach der Mulatte, »ich habe ein Privatgeschäft, zu dem ich Euere Hilfe bedarf. Steht Ihr mir bei, so werde ich endlich Eueren Wunsch erfüllen, die Santa-Fée Kaufleute verrathen und einer der Eueren werden.«

»Buene, und was gilt es, daß Du solch ansehnliche Angebote machst?«

»Ein Mädchen, das im Geleite ihres Onkels und einiger Trapper, von zehn Comantschen beschützt, deren Gebiet durchzieht. – dieses Mädchen muß ich haben.«

»Santa Maria!« höhnte der Räuber, »Du bist verliebt? Meiner Treu, das ist lustig!«

»Mag sein!« knirschte ingrimmig Jean, »lacht, so viel es Euch gefällt, doch sprecht: wollt Ihr mir beistehen? – Ja oder Nein?«

»Gemach, gemach! mit Verliebten muß man vorsichtig sein. Wie mir scheint, verlangst Du unsere Hilfe sogleich, was bürgt mir dafür, daß Du Deinen Vertrag hältst?«

»Mein Wort!« sprach ernst der Mulatte, »Ihr wißt, ich habe Euch nie belogen, und damit Ihr seht, daß ich es ehrlich meine, verspreche ich Euch, wenn Ihr gleich mit der ganzen Bande mir folgt, noch etwa eintausend Dollars und entsage meines Antheils an der Beute.«

»Alle Wetter!« rief der Spanier erstaunt, »das muß ja eine Perle von Mädchen sein. Doch, woher nimmst Du die eintausend Dollars, – bist Du so reich?«

»Ich? Nicht im Geringsten, aber der Onkel des Mädchens trägt auf seiner Brust eine lederne Tasche, die noch mehr als die geforderte Summe enthält.«

»Der Onkel? Bei San Jago, der wird doch nicht etwa die Summe Dir noch schenken sollen, damit Du das Mädel entführst?«

»Schwerlich!« war des Mulatten gleichgültige Antwort, »doch ist das Mädchen in meiner Hand, mag der Onkel zum Teufel fahren, sein Geld sei Euer!«

»Ah! Du vervollkommnest Dich, Freund Jean! das ist nicht übel; Du ermordest den Beschützer, um mit seinem Geld das Mädel entführen zu lassen. – Eine köstliche Idee!« und das Lachen des Räubers dröhnte durch die Felsengrotte.

»Wenn Ihr mit Euerer Lustigkeit zu Ende seid,« begann mürrisch der Mulatte, »dann sprecht endlich, ob Ihr einschlagt?«

»Und wenn ich nun nein sagte, mein Goldherzchen,« scherzte noch immer Don Manuel – »was dann?«

»Dann geht zum Teufel, ich werde andere Bundesgenossen zu finden wissen!«

»Brr – nur nicht so bissig, Freund Jean! Doch Scherz bei Seite, ich schlage ein. Aber,« sprach plötzlich ernst wendend der Hauptmann, indem er sich zu seiner ganzen Größe aufrichtete und seine blitzenden Augen fest auf den Mulatten heftete – »aber ehrlich Spiel! Du kennst mich!«

»Ganz genau!«

»Und weißt, daß man auf mein Wort zählen kann!«

»Ich weiß es!«

»Wohlan, ich schwöre Dir auf das Kreuz dieser Machette, den Vertrag getreu zu halten! von Dir verlange ich den Schwur nicht. Du bist Halbblut. Er würde Dich, nicht belästigen. Doch höre, was ich Dir noch zu sagen habe.«

»Sprecht!«

»Weißt Du, wie mich die Rothhäute nennen?«

»Waktehno – der Tödter!«

»Buene, und nicht umsonst trage ich diesen Ehrennamen. Vergiß das ja nicht,« sprach mit drohender Stimme und eisigem Blick der Spanier, »denn im Fall Du mich betrügst, würde es keinen Ort geben, Dich vor meiner Rache zu schützen, ich würde Dich überall finden und dann Jean, dann wäre es besser, Du wärest nie geboren!«

»Ihr könnt ruhig sein,« antwortete unwillkürlich schaudernd der Mulatte, »ich täusche Euch nicht, mein eigenes Interesse ist ja im Spiel!«

Bis spät in die Nacht beriethen die beiden Männer den abscheulichen Handel und lauter Jubel erscholl am anderen Morgen, als Don Manuel den Räubern die bevorstehende Expedition verkündete. Das rege Leben, daß sich nun entwickelte, bewies nur zu gut, wie wenig Gefallen die thatendurstigen Männer an dem müßigen Herumschlendern fanden.

Waffen wurden gereinigt, Säbel und Dolche, Machettes und Aexte geschliffen, die Pferde versorgt und selbst die Frauen nahmen an dem geschäftigen Treiben Theil, indem sie Proviant und Munition in Blasen verpackten und das letzte gemeinschaftliche Mahl bereiteten. Endlich war Alles zum Aufbruche bereit, der letzte Becher wurde auf das Gelingen des Unternehmens geleert, bald saßen die Räuber auf den am Fuße des Berges harrenden Pferden und nur drei von ihnen und die Frauen blieben in der Höhle zurück.

Erst auf dem Marsche kam der Hauptmann zur Geltung, denn das freie ungebundene Wesen im Lager hatte einer eisernen Disciplin Platz gemacht; desto größer war Jean's Erstaunen, als er die Apachin auf einem wilden Indianerpferde neben Don Manuel dahinsprengen sah, doch erst am nächsten Lagerplatze fand er Gelegenheit in des Hauptmanns Nähe zu kommen und ihn zu fragen, was die indianische Schöne bei der Expedition solle.

»Das will ich Dir sagen, mein kurzsichtiger Bursche,« sprach der Spanier. »Es ist leicht möglich, daß wir gezwungen sind die Comantschen tief in ihrem Lande aufzusuchen und dazu sind wir zu schwach; doch kenne ich einige gemüthliche Leute, die sich ein Vergnügen daraus machen werden, uns die Sache zu erleichtern!«

»Die Apachen?«

»Du hast's getroffen, Goldsohn, sie will ich aufsuchen und mein Liebchen dort soll Mir als Dolmetscher dienen und dann: Du weißt, schöne Frauen sind einmal meine schwache Seite.

Du, Jean, übernimmst unterdessen die Führung, leite die Bande in die Nähe des Biberbaches, dort werde ich in einigen Tagen wieder zu Euch treffen!«

Nach kurzer Rast ließ der unermüdliche Spanier sein und der Apachin Roß satteln, verließ mit dieser allein mitten in der Nacht das Lager seiner Spießgesellen und eilte in geradester Richtung nach dem Rio Grande, den er am Morgen des dritten Tages überschritt. Noch am selben Abend stieg er im Dorfe des Apachenhäuptlings – die Schlange – von dem erschöpften Pferde.

Don Manuel schien hier ein häufiger und gern gesehener Gast zu sein, denn von Hütte zu Hütte tönten ihm freundliche Grüße entgegen. Seiner Beredtsamkeit, sowie den ansehnlichen Versprechungen, die er machte, gelang es ohne Schwierigkeit die Apachen zu einem Kriegszuge gegen die gehaßten Comantschen zu bereden, doch sollte das Unternehmen mit aller Aussicht auf Erfolg begonnen werden, das heißt, eine solch bedeutende Anzahl Apachen sollten sich an dem Zuge betheiligen, daß an eine Niederlage nicht zu denken sei. Die Ausrüstung einer so großen Anzahl von Kriegern, so wie die Herbeirufung solcher aus Nachbardörfern, forderte nun wenigstens acht Tage und Alles, was der ungeduldige Don Manuel erreichen konnte war, daß »die Schlange« sechs seiner wilden Reiter nach dem Biberbache schickte, um Jean die Botschaft zu überbringen: ein gutgewähltes Lager so lange zu beziehen, bis die Hilfstruppe mit dem Räuberhauptmann zu ihm stoßen würde, welcher sich genöthigt sah, solange bei den Apachen zu verweilen, wollte er seine Bundesgenossen nicht gröblich beleidigen.

Der Mulatte hatte unterdessen die ihm anvertraute Schaar in starken Eilmärschen nach dem von dem Spanier bezeichneten Versammlungsplatze geführt und hier war ihm Preston auf seiner Flucht geradenwegs in die Arme gelaufen. Die Freude Jean's über diesen glücklichen Zufall kannte keine Grenzen, und schon ging er mit dem Plane um, den Mormonen und die beiden Trapper über die Klinge springen zu lassen und mit seiner kostbaren Beute den Rückzug anzutreten, als die Botschaft der Apachen anlangte, und das Bündniß ihrer Brüder mit den Räubern zu einem Kriegszuge in das Comantschengebiet verkündete. Voller Ingrimm sah sich nun der Mulatte eine Zeit lang gebunden, und gern ließ er jetzt Preston und die beiden Trapper am Leben, um für Marie eine Schutzwache gegen die rohen Späße der Bande zu bilden, wenn seine Pflicht als Führer der Schaar ihm von dem Gegenstand seiner Leidenschaft fern hielt.

Was das arme Mädchen litt, ist schwer zu beschreiben und nur die feste Zuversicht, daß Gottes Huld sie nicht verlassen würde, hielt ihren Muth aufrecht. Mit wahrem Dankgefühle, daß sie nicht nur von Feinden umgeben sei, schmiegte sie sich an Diana, welche am Tage nach der Flucht sie eingeholt und nicht wieder verlassen hatte. Das edele Thier verstand gar wohl die Liebkosungen Marie's und folgte ihr unablässig auf Schritt und Tritt.

In der langweiligsten Gleichförmigkeit verflossen die Tage im Lager; da erregte die Ermordung der Schildwache die größte Bestürzung, die sich in sinnlose Wuth verwandelte, als die erfahrenen Jäger fanden, daß es nur ein einzelner Mann gewagt hatte, bis in ihre Mitte zu schleichen und einen der Tapfersten der Schaar zu tödten. Augenblicklich saßen drei der am besten Berittenen auf und folgten in tollstem Carriere der Fährte der Antilope.

Eher aber hätten sie den Vogel in der Luft einholen können, als die flüchtige Antilope, und es blieb den Verfolgern endlich Nichts übrig, als mit den total erschöpften Pferden umzukehren. Die Antilope aber verließ bekanntlich den Falken und setzte ihren Weg mit möglichster Eile fort.

Zwei Tage nach diesem Vorfalle rückten unter Leitung »der Schlange« gegen hundertundfünfzig Apachen in das Lager, in deren Begleitung sich selbstverständlich Don Manuel befand. Die Bewegung, die dadurch entstand, ließ die Verbündeten nicht gewahren, daß George mit den achtzehn Comantschen in das Tannenwäldchen einrückte, in welchem der »Falke« sich verborgen. Mit Schrecken sah dieser, welche bedeutende Macht ihnen gegenüber stand und wohl wissend, daß, der Comantschen-Häuptling nur mit geringer Zahl von Kriegern im Anzuge sei, befürchtete er deren Untergang; nach kurzer Berathung wurde daher beschlossen, daß die Comantschen sofort wieder umkehren sollten, um die Pantherkatze zu warnen und größere Hilfstruppen aus den heimathlichen Dörfern herbeizuziehen. Selbst die Pferde George's und des Falken sollten die Comantschen mitnehmen, auch Trust sollte ihnen an einem Lasso folgen, da die beiden kühnen Männer auf alle Fälle in dem Wäldchen auszuharren beschlossen hatten, bis das feindliche Lager abgebrochen sein würde.

Leicht konnte es aber möglich sein, daß eine feindliche Abtheilung hier herüberstreifte und dann wäre selbst der Hund hinderlich gewesen, während die beiden Zurückbleibenden sich in den dichten Bäumen zu verbergen gedachten.

Die Regenzeit, die in jenen Gegenden den Winter vertritt, hatte begonnen und tagtäglich gab es starke Gewitter und heftige Regengüsse, die für die beiden Späher um so empfindliches waren, da sie nur die wollenen Decken als Schutz hatten und aus Furcht sich zu verrathen, weder ein Feuer zur Erwärmung der erstarrten Glieder, noch um sich warme Speise zu bereiten, anzuzünden wagten. Gedörrtes Büffelfleisch und gestampfte Maiskörner waren ihre Speisen, der aufgeweichte Boden ihr Bett; aber unermüdlich waren die abgehärteten Männer bedacht, die Bewegungen ihrer Feinde nicht aus den Augen zu verlieren, die beständig kleine Abtheilungen in die Prairie sandten, um Büffel und Hirsche zu erlegen, deren getrocknetes Fleisch der Schaar als Nahrung dienen sollte, wenn die stets zunehmende Regenzeit alles Wild verscheuchen würde. –

Der ungeduldige Don Manuel trieb vergebens zum Aufbruch; der Apachenhäuptling blieb ungerührt: »Erst Fleisch für viele Tage – dann wandern,« war die stete Antwort, und halb aus langer Weile beschloß der Räuber die gefangene Marie näher kennen zu lernen.

Marie's ungewöhnliche Schönheit, ihr Liebreiz, mit dem sie dem Manne entgegentrat, der ihren Onkel von seinen Banden erlöst, machte auf den übermüthigen Spanier einen mächtigen Eindruck. Obgleich selbst keiner edelen Regung fähig, war er doch wohl im Stande, bei Frauen Seelenadel zu würdigen und die Sanftmuth und Milde, mit der sich das schöne Mädchen des unnatürlichen Onkels annahm, der all' ihr Leid verschuldet und den ihr reines Herz doch nicht zu hassen vermochte, erschien dem an Verbrechen gewöhnten, von den rohesten Menschen umgebenen Räuber wie Glorienschein.

Mit wildem Ingrimme gedachte er des Eides, den er dem Mulatten geleistet, den er aber trotz seiner Verworfenheit nicht zu brechen wagte und stundenlang sann er, auf welche Weise er den Eid umgehen könne. Doch vergebens, er mußte dem Mulatten das verpfändete Wort halten, ihn schützen und sein Interesse wahren – doch wenn Jean stürbe? »Ha! Dann,« jubelte der Sophist, »dann kann ich ihn ja beerben.«

Wie indeß dies für ihn glückliche Ereigniß eintreten könnte, wußte Don Manuel noch nicht, er war aber entschlossen, wenn Jean aus all den bevorstehenden Kämpfen unversehrt hervorgehen sollte, selbst etwas in das Rad des Geschickes einzugreifen.

Die Vorbereitungen der Apachen waren unterdeß beendet – eine hinreichende Quantität gedörrtes Fleisch auf jedem Sattel geborgen und nichts mehr hielt die ungeduldige Schaar auf, als die Sorge um die Gefangenen. Sie auf den Zug mitzuführen, war mißlich, ebensowenig fand Jean's Vorschlag, an Ort und Stelle einige der Krieger mit den Gefangenen zu lassen, Beifall, und schließlich wurde durch Stimmenmehrheit entschieden, daß dieselben nach dem Dorfe der »großen Schlange« gebracht werden sollten. Zur Begleitung wurden acht Apachen, so wie zwei der Räuber durch das Loos erwählt und Glück oder Verhängniß bestimmte den Mulatten zum Anführer dieser Expedition.

Preston und die zwei gefangenen Jäger mußten nun ihre Pferde, natürlich waffenlos besteigen, nachdem ihnen klar und bündig auseinandergesetzt worden, daß der geringste Fluchtversuch augenblicklichen Tod zur Folge haben würde. Hingegen wurde deren Begleitung zur Pflicht gemacht, sich nur im höchsten Nothfalle an dem Leben der Gefangenen zu vergreifen, um nicht dem ganzen Indianerstamme das kostbare Fest, drei Weiße zu Martern, zu verkümmern.

Auch Marie wurde jetzt auf ein Pferd gesetzt, die Apachen und Räuber nahmen dann die Gefangenen in ihre Mitte und brachen auf.

Zu gleicher Zeit bestieg die Hauptmacht die Pferde und zog im Walde am Biberbache hin, weiter in das Comantschengebiet.

George und der Falke sahen nun wohl die Bewegungen ihrer Feinde, doch wußten sie nicht recht, was die kleine Schaar des Mulatten zu bedeuten habe, welche direct auf das Wäldchen zukam, in dem sie sich befanden; bald aber erkannten ihre scharfen Augen die Gefangenen und sehnlichst wünschten sie jetzt ein paar der fortgesandten Comantschen zurück. Doch selbst allein wollten die beiden tapferen Männer einen Versuch wagen, wenigstens Marie zu befreien und sie gaben sich das Wort, sollte einer von ihnen fallen oder gefangen werden, daß dann der andere Alles aufbieten solle, das eigene Leben zu schonen und der Pantherkatze Nachricht zu bringen, was aus den Gefangenen geworden sei.

Lange zwar mußte George reden, ehe er den Falken überzeugte, daß allein die dringendste Nothwendigkeit das scheinbar feige Verlassen des Cameraden bedinge.

Unterdessen war der kleine Trupp bis an den Rand des Wäldchens gelangt, in dem Jean Pinienzapfen auflesen lassen wollte. Während einige Apachen zu diesem Zweck das Dickicht durchstreiften, schlich sich der Falke und George in die Nähe der Lagernden, aus deren Gespräch sie entnahmen, daß gerade dasjenige Apachendorf das Ziel der Wanderung sei, in welchem George früher gelebt, in welchen er seine Mutter und Tojolah – die schöne Indianerin – verlassen hatte.

Tausend Gedanken kreuzten Georges Hirn, bis endlich sein Entschluß gefaßt war.

»Mein Bruder!« wandte er sich an den alten Comantschenkrieger, »ich muß Dich verlassen!«

Ein leises »Hugh« war des Falken einzige Antwort, und George fuhr fort:

»Die Zeit ist zu kurz, um Dir zu erklären, warum ich wünsche, gefangen zu werden, doch – es muß sein!

»Wenn es sein muß,« sprach ruhig der Falke, »so ist nichts dagegen zu sagen, doch ist es nothwendig, daß Du ein Pferd hast, sonst bist Du den Hunden zur Last und sie werden Dich tödten!«

»Ja Teufel, wo soll ich ein Pferd hernehmen?«

»Dort weiden genug, Du mußt einen der Krieger erschießen – so ist ein Pferd für Dich frei,« entgegnete kaltblütig der Falke.

»Damit ich scalpirt werde?«

»Möglich, doch nicht jetzt! Sie werden Dich aufsparen zu einem großen Feste!«

»Nun denn,« flüsterte George, »so mag der Mulatte zum Teufel fahren,« und hob schon die sichere Büchse, als des Falken Hand dieselbe mit den Worten niederbog:

»Halt! der Weg zu meinem Dorfe ist weit, auch ich will reiten. Der Falke wird im Grase zu dem Apachen schleichen, der dort auf dem Pferde zu schlafen scheint; mein Dolch soll ihn wecken, wenn ich dann verfolgt werde, so laß Deine Kugel den niederwerfen, der mir am schnellsten nachjagt, sein Pferd wird dann Dich tragen und der große Geist mag Dich schützen! doch auch ich werde dir mit tapferen Kriegern folgen, und wenn Du kannst, so gieb mir Zeichen auf Deinem Wege.«

»Ich werde es,« sprach George »die Feder des blauen Hetzers sei mein Totem! Nun lebe wohl!«

Herzlich schüttelten die beiden Männer sich die Hände, und geschmeidig, wie eine Schlange, wand sich der Falke nach der zu Pferde haltenden Wache. Jeden Busch, jede Bodenvertiefung benutzend, erreichte der kühne Mann glücklich, von keinem Auge gesehen, den sorglosen Apachen, einen Jüngling von kaum achtzehn Jahren und all seine Kräfte zu einem Sprunge aufbietend, schnellte er sich auf den Rücken dessen Rosses, im selben Augenblicke dem Überraschten mit eiserner Faust die Kehle umspannend. Das erschreckte Roß, nur von den Knieen des Comantschen gelenkt, schoß davon und hatte schon einige mächtige Sätze gethan, ehe die Lagernden zu ihren Waffen greifen konnten, welche sie nicht einmal anwenden durften, da der Falke den seiner Kraft nicht gewachsenen Jüngling vom Sattel gezerrt hatte und sich mit dessen Körper wie mit einem Schild deckte. Nur der Mulatte wagte nach dem Mustang zu schießen, doch streifte er nur leicht dessen Rücken und verdoppelte dadurch die Schnelligkeit des wilden Pferdes. Ein Apache aber, klüger als die anderen, hatte seinen bewährten Renner bestiegen und jagte dem Flüchtlinge mit rasender Schnelligkeit nach. Schon hob er den Lasso zum sicheren Wurfe, als George, der mit kaltem Blute den letzten Moment erwartet hatte, Feuer gab und seine nie fehlende Kugel dem nachsetzenden Apachen das Rückgrat zerschmetterte. Im selben Augenblicke stieß der Falke dem Jüngling das Messer in die Brust und dem Unglücklichen den Scalp vom Haupte reißend, ließ er dessen Körper ins Gras gleiten – dann sprengte er mit wildem Siegesgeheul davon. Niemand dachte daran ihn zu verfolgen, denn George's plötzlich abgefeuerter Schuß hatte die entsetzlichste Verwirrung hervorgerufen. Jean und die Apachen glaubten erst, den Gefangenen sei es gelungen, sich einer Büchse zu bemächtigen, doch Diana hatte kaum den früheren Herrn gewittert, als sie, wie unsinnig vor Freude heulend, an demselben in die Höhe sprang, und so die Augen der Apachen auf George lenkte, welcher unbeweglich auf die noch rauchende Büchse gestützt, ohne den geringsten Widerstand sich fesseln ließ. Eifrig durchstöberten nun die Apachen, das kleine Tannenwäldchen, da sie glaubten, die beiden kühnen Männer müßten noch Bundesgenossen haben. Als sie sich aber überzeugt, daß wirklich nur die Zwei ihrer Uebermacht getrotzt, konnten die, den Muth über Alles stellenden wilden Krieger sich nicht enthalten, des Falken Gewandtheit zu preisen und George's Kaltblütigkeit zu rühmen, mit der er nach ihrer Ansicht, das eigene Leben eingesetzt, um das des Gefährten zu retten. Ein alter, mit der entstellendsten Malerei bedeckter, wirklich grimmig aussehender Apache gab ihm auch die erfreuliche Zusicherung, daß er ein großer Krieger sei und deßhalb, eines so tapferen Mannes würdig, nur unter den ausgesuchtesten Martern sterben solle.

George aber that, als wenn er kein Wort der Apachensprache verstünde und flüsterte der erstaunten Marie nur einige freundliche Worte zu, die thränenden Auges dem treuen Freunde ihres Geliebten die Hand reichte.

Der Mulatte jedoch, der sich George's wohl entsann, versuchte die Apachen zu bestimmen, mit jenem ein schnelles Ende zu machen; aber gerade weil er besonders betonte, das George eine Genosse der Comantschen sei, hob er dessen Muth in noch größeres Licht und der alte Apache blieb dabei, daß der kühne Mann nur im Angesicht des ganzen Stammes sterben dürfe, um den jungen Kriegern zu zeigen, wie ein Tapferer die ärgsten Qualen ertrage.

Wie der Falke vorausgesagt, wurde das eingefangene Pferd des von George erschossenen Apachen für Letzteren bestimmt, man hatte ihm zwar die Waffen abgenommen, doch seine Arme von den Fesseln befreit, als die Pferde bestiegen wurden; auch die Kleidung des Gefangenen blieb undurchsucht und so war George nicht allein sein Geld geblieben, sondern auch die in der Brusttasche verborgene Doppelpistole, sowie ein kleiner Dolch den Augen des Apachen entgangen. So zog denn der unverzagte, wackere Jäger, mit den besten Hoffnungen und in der freudigsten Stimmung seiner dunkeln Zukunft entgegen, wenn er auch Indianer genug war, um ein mürrisches, verdrießliches Wesen zur Schau zu tragen.


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