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Drittes Kapitel

Reise nach Jackson. – Diana. – Der Pferdedieb. – Das Gewitter.– Williams Sturz.

Die noch immer warme Octobersonne warf ihre blendenden Strahlen auf die kleine Lichtung, als am zweiten Tag nach Jerry's einfacher Beerdigung William sein Roß bestieg und George die Hand reichend, Abschied von diesem nahm.

»Keine Worte mehr, George,« sprach Ersterer, »gern erweise ich Ihnen den kleinen Liebesdienst, Ihre Angelegenheiten in Jackson zu ordnen und ich bestehe darauf, daß Bob bei Ihnen bleibt!«

»Der Weg ist allerdings nicht zu verfehlen,« entgegnete George, »wenn Sie erst den Pearl-River erreicht, er läuft fortwährend mit diesem in gleicher Richtung. Reiten Sie von hier aus direct nach Norden und in spätestens drei Stunden haben Sie den Fluß vor sich; dennoch wäre es mir lieb gewesen, Sie hätten den Neger mitgenommen. Diese Gegend ist nicht die sicherste und Pferdefleisch ein ungemein beliebter Artikel, vorzüglich wenn die Bezahlung für dasselbe nur in einer aus sicherem Dickicht abgesandten Büchsenkugel bestehen kann. Nehmen Sie den Neger lieber mit, zwei Augen sehen nicht so viel als vier und vier Ohren hören mehr als zwei.«

»Nein, nein, George! Ich will einmal versuchen, ganz auf eigenen Füßen zu stehen. Morgen Abend habe ich Jackson erreicht, bedarf also nur eines Nachtlagers und da wird es wohl keine Gefahr haben; ich werde mich bemühen, Ihre guten Rachschlage bestens zu befolgen und es soll mich wenigstens keine Gefahr unvorbereitet finden. Doch Sie haben recht, vier Ohren hören mehr als zwei, darum bitte ich Sie, mir die Diana mitzugeben, es wird mir Vergnügen machen, mit dem jungen, munteren Thiere durch den Wald zu ziehen; geben Sie mir eine Leine und ich bringe sie wohlbehalten zurück.«

Gern erfüllte George Williams Wunsch, ein Pfiff und eiligst kam die Hündin angeflogen, sich schmeichelnd seinem Herrn zu Füßen legend. Obgleich erst ein Jahr alt, hatte das Thier schon eine erstaunliche Größe erreicht, war wachsam, treu, muthig und trug die sicheren Zeichen seiner jetzt so seltenen Race; gelb, mit schwarzer Schnauze und einem dunklen Streifen auf dem Rücken, glich das Thier mit seinen kräftigen Gliedern eher einer Löwin, als einer Hündin.

Nochmals schüttelten sich die Männer die Hände und dann zog William auf seinem Rappen in scharfem Paßgange dahin. Mit einem dünnen Lasso an den Sattel, geschnallt, trabte Diana nebenher und gab ihr Vergnügen durch allerlei Sprünge und Capriolen zu erkennen. In drei guten Stunden hatte William, der genau der angegebenen Richtung gefolgt war, den Pearl»River erreicht, ließ Moro und Diana ihren Durst löschen und zog dann unverdrossen weiter, bis er gegen Abend zu einer etwas erhöhten Stelle des Ufers gelangte. Hier machte der Strom einen Bogen und bildete so eine kleine Halbinsel, die sich William als Lagerplatz erkor. Er sprang vom Pferde, nahm ihm Sattel und Zaum ab und schlang nur den Lasso um des Hengstes Nacken, das andere Ende an einen Hickory befestigend. An denselben Stamm knüpfte er auch die Hündin, da er nicht sicher war, ob das an ihn nicht gewöhnte Thier bei ihm bleiben würde, dann nahm er die Büchse zur Hand, um etwas in den Büschen zu streifen, vielleicht, daß es ihm gelang, noch zum Schusse zu kommen. An die kleine bewaldete Halbinsel stieß eine Lichtung und an diese erst der eigentliche Wald, so daß William sich weiter entfernen mußte, als er eigentlich gewollt hatte, er beschloß daher zurückzukehren und sich mit seinem mitgebrachten Proviante zu begnügen, als neben ihm im Laube einer Eiche das Rollen wilder Truthühner erklang. Verschwunden war sein guter Vorsatz, vergessen George's Nachschlage, er hatte nur Ohren für das Balzen der Thiere; vorsichtig näherte er sich der Eiche, doch die ungemein scheuen Vögel flogen auf, zogen langsam, von Baum zu Baum flatternd fort und William hinterher. So mochten zehn bis fünfzehn Minuten verstrichen sein, als er endlich zum Schuß kam; ein junger, fetter Truthahn stürzte, doch blieb er im Falle an einem Aste hängen. Vergeblich bemühte sich William die dicke Eiche zu erklettern, dann warf er mit gleich schlechtem Erfolg nach dem Thier, bis er endlich die Büchse wieder lud und mit einem glücklichen Schusse den Zweig zerschmetterte, so daß der Truthahn herabfiel. Nach dem Feuern glaubte er das Bellen der Hündin gehört zu haben, doch achtete er nicht weiter darauf, da er der Meinung war, das jagdeifrige Thier habe nur in Folge seines Schusses angeschlagen. Vergnügt lud er seine Beute auf und wanderte rüstig seiner Lagerstelle zu; da ertönte wieder und wieder das laute Bellen des unverkennbar erzürnten Thieres und nun eilte William in flüchtigen Sätzen dahin, sich selbst die heftigsten Vorwürfe machend, daß er so leichtsinnig sein kostbares Pferd einer möglichen Gefahr preisgegeben habe. Schon schimmerte das Lagerfeuer durch die Büsche, als er deutlich hörte, daß in das Bellen des Hundes hier und da sich ein menschlicher Ruf mischte. Fort warf er nun den Truthahn und so rasch ihn die Füße tragen wollten, stürzte William dem Orte zu, wo er sein Pferd angebunden.

Er hatte die Büchse noch nicht wieder laden können, die Pistolen steckten in der Satteltasche, ihn blieb also für einen etwaigen Kampf nur das Messer und der Büchsenkolben, doch zögerte William keinen Augenblick, jetzt theilte er die letzten Büsche und nun bot sich seinen Augen ein überraschender Anblick dar.

Frei und fessellos stand Moro einem fremden, vollständig gesattelten Pferde schnaubend gegenüber, dessen Besitzer blutend unter der wüthenden Hündin lag. Letztere ebenfalls leicht verletzt, hatte die mit einem Messer bewaffnete Faust des Fremden gepackt und bei jeder noch so leisen Bewegung desselben, schlug sie ingrimmig ihre scharfen Zähne in das gefaßte Glied.

Schnell hatte William ein kleines Pistol der Satteltasche entnommen und eilte nun, den am Boden Liegenden aus seiner verzweifelten Situation zu befreien.

Mit kräftigem Griffe das Thier beim Halsband fassend, zwang er es sein Opfer los zu lassen; dann trat er einige Schritte zurück und sprach mit fester Stimme, während deutlich der Hahn seiner Waffe beim Spannen erklang:

»So Fremder, nun wollen wir etwas plaudern.«

»O, Sir« – stöhnte der am Boden Liegende, »helft mir auf! obgleich mir nicht viel geschehen, hat doch das verdammte Biest mich fast eine halbe Stunde über einer scharfen, emporspringenden Wurzel niedergehalten, so daß mein Rückgart wie gebrochen und ich nicht im Stande bin, mich zu bewegen.«

»Gut,« sagte William, »ich will Sie auf jenen Baumstumpf setzen, doch nur eine verdächtige Bewegung und ich schieße Ihnen die Kugel durch den Kopf, einen Schritt zur Flucht und Sie machen auf's Neue die intimste Bekanntschaft mit meinem Hunde.«

»Danke Sir, danke wirklich, verspüre merkwürdig wenig Lust dazu.«

» Well! Was brachte Sie in die angenehme Lage, aus der ich Sie befreite? doch seien Sie offen, damit wir schnell zum Ende kommen.«

»Offen? Dam-you! Glauben Sie, daß ich aus Furcht lüge? Nein – wahrlich nicht! Ich schlenderte auf meinem Gaul durch den Wald, bis selber die Ohren spitzte und ein fernes leises Wiehern beantwortete. Wo ein Pferd ist, dachte ich, pflegt auch ein Reiter zu sein und um zu sehen, wer es wäre, trabte ich hierher und sah jenes Pferd, das bedeutende Langeweile zu haben schien, weshalb ich ihm Gesellschaft in meinem Pferch geben wollte. Der verdammte Köter hatte inzwischen im hohen Grase von mir unbemerkt gelegen und spielte Opossum mit mir, ich schnitt den Lasso durch und wollte das Pferd eben am Gurte meines Gauls befestigen, als es Unrath merkend, aufbäumte und mich umriß, so daß ich mir ein Fenster in den Hirnschädel schlug, im selben Augenblick saß mir der gelbe Teufel an der Gurgel und hielt mich fest. Ich hatte noch das Messer in der Hand, mit dem ich den Rappen losgeschnitten und stieß es dem Hunde daher in die Rippen, da packte er mich aber so desperat an der Hand, daß ich wohl oder übel still liegen mußte. So habt Ihr mich Fremder, bringt mich nun zum Sheriff, laßt mich baumeln und seid verdammt.«

»Danke für den freundlichen Wunsch,« lachte William, »doch will ich die Welt solch' eines kostbaren Geschöpfes nicht berauben. Zeigt mir Eure Wunden, ich will sie verbinden, so gut ich kann, dann mögt Ihr gehen, Ihr seid frei! doch laßt es Euch eine Lehre sein, in Zukunft fremde Pferde in Ruhe zu lassen.«

Mit diesen Worten ließ er den Hund von seiner Hand los, ihn sogleich zurückscheuchend, da dieser nicht übel Lust zu haben schien, den Kampf ohne Weiteres auf's Neue zu beginnen, dann legte William das Pistol in's Gras und trat waffenlos vor seinen Gefangenen. Es war dies eine wilde, musculöse Gestalt mit wirrem Haupt- und Barthaar. Seine dunkeln, blitzenden Augen richteten sich in namenloser Verwunderung auf den Heranschreitenden und wortlos ließ er seine Wunden untersuchen. Er hatte ein Loch im Kopfe, am Halse einen leichten Biß, die Hand aber war schwerer verletzt. William holte Wasser in seinem Hute herbei, wusch die Wunden und legte Heftpflaster darauf, das er aus seiner Jagdtasche genommen, dann riß er von dem wollenen Jagdhemde des Fremden einen schmalen Streifen und wand ihn um die verletzte Hand.

»So mein Freund,« sagte er dann freundlich, »nun geht Eures Weges.«

Schweigend stand der Pferdedieb auf und ging mit gesenkter Stirn zu seinem Pferde, legte die Hand auf dessen Rücken und war wie der Blitz im Sattel. Langsam, ohne sich umzuwenden, ritt er durch die Büsche, dann hielt er plötzlich sein Pferd an, sprang herab und stand bald darauf wieder neben William.

»Sir,« rief er barsch, »mein Leben war in Eurer Hand, denn dem Pferdedieb gebührt in diesem gesegneten Lande der Halfterstrick; Ihr schenktet mir die Freiheit, das war schön von Euch, aber, verzeiht mir, es war dumm. Danket Gott, daß ich noch nicht ganz so schlecht, wie die Meisten meines Schlages, Euere Gutmüthigkeit hätten von zehn, neun mit einer Kugel belohnt. Es war Euere Pflicht, wenn Ihr mich doch laufen lassen wolltet, mein Pulver zu verschütten und mein Messer zu zerbrechen, das war in der Ordnung; aus Verwunderung über Eueren Leichtsinn, blieb mir das Wort im Schnabel stecken. Well, zufällig ist Bill nicht der schlimmste Schurke, doch Fremder, gewöhnt Euch daran, Jedem, der Euch begegnet, zu mißtrauen. Im Rauschen der Blätter, im Brechen der dürren Aeste, müßt Ihr den Feind vermuthen, schlaft trotz Eures Hundes mit offenen Augen und wachem Ohre, sonst Fremder ist es besser, daß Ihr nach einer großen Stadt eilt, so rasch Euer Hengst Euch trägt.«

»Doch heut' könnt Ihr ruhig schlafen, ich habe Euch bewiesen, daß ich ohne Falsch bin und will nun für Euch wachen. Ich komme morgen Abend noch früh' genug nach Jackson.«

»Nach Jackson wollt Ihr?« sprach William, eigenthümlich berührt von Bills sonderbarem Wesen, »nun da ich auch dahin will, so seid mir als Gast in meinem Lager willkommen, wir wollen dann in Gottes Namen die kleine Reise gemeinschaftlich machen. Habt Ihr schon gegessen?

»H'm! Wie man's nimmt. Heut früh' gab mir mein Weib einige Bissen mit, die Hab ich freilich gegessen, aber 's war verdammt wenig.«

»Nun, so unterhaltet das Feuer und schneidet ein paar Gabelhölzer zu einem Braten, den ich sogleich aus meiner Vorrathskammer holen werde.« Mit diesen Worten eilte William in das Dickicht und kehrte in Kurzem mit dem Truthahn zurück. Unter Bill's geschickten Händen flogen die Federn aus Schwanz und Flügeln, dann hielt er den Vogel über das Feuer und ließ die kleinen Federn absengen, welche er dann vollends durch eifriges Schaben mit seinem Messer beseitigte. Damit fertig, stieß er einen Stab durch des Thieres Leib und legte selbes auf zwei gabelförmige, in die Erde getriebene Schößlinge über das Feuer und fing nun an lustig den Braten zu drehen.

»Den Teufel, Herr,« – rief er nach einiger Zeit, als die beiden Hungrigen eifrig beschäftigt waren, Bill's Kochkunst alle Ehre zu erweisen, »jetzt erst fühle ich recht, wie sehr zum Dank ich Euch verpflichtet bin. Wohl jeder Andere, dem ich so wie Euch in die Klauen gerathen wäre, hätte mich mit einer Kugel auf dieser Stelle niedergestreckt, oder ich wäre auf dem Wege zum Gefängniß und hätte die erfreuliche Aussicht, mir im Kurzen von einem hohen Ast herab die Erde betrachten zu können.«

»Laßt es gut sein, mein Freund,« entgegnete William, »vielleicht wirkt diese Lehre wohlthätig auf Euch, und es sollte mich herzlich freuen, Euerem Lebenswandel eine andere Richtung gegeben zuhaben.«

»Oho Herr, Sie halten mich wohl für einen Pferdedieb von Profession? da irren Sie sich. Es ist das erste Mal, daß ich die Pfoten nach verbotenen Früchten ausstreckte, doch ich habe genug daran, sie sind tüchtig verbrannt. Ein Glück, daß Ihr Hund noch so jung ist, wäre der Bursche erwachsen, er hätte mich kalt gemacht, ehe ich Prosit sagen konnte. Wahrlich, mit Ihrem Pferde und Hunde möchte ich durch die Prairien streifen, das müßte eine Wonne sein, vorzüglich –«

»Vorzüglich,« fiel William ein, als der Andere verlegen schwieg, »wenn der Eigentümer dieser edelen Thiere etwas mehr Vorsicht besäße, das wollten Sie sagen, nicht wahr? Nun, seid unbesorgt,« fuhr er fort, als der Andere bejahend mit dem Kopfe nickte, »ich werde mich bemühen, diesen Fehler mit jedem Tage mehr und mehr abzulegen. Doch dachte ich, wir legten uns nun unter unsere Decken und brächen morgen früh lieber zeitig auf.«

Ohne Weiteres ging Bill zu den Pferden, untersuchte ob ihre Fesseln noch in Ordnung, nahm dann seine Decke und wollte sich neben William niederstrecken, doch erhob sich Diana, die dicht an dessen Seite lag, mit so drohendem Knurren, daß er eiligst sich an die andere Seite des Feuers begab und dort niederlegte. Noch lange hörte William des Erzürnten Schelten, bis endlich dasselbe in ein sanftes Schnarchen überging, das Bill auch mit wunderbarer Energie fortsetzte, bis William, der in Folge der Aufregung des verflossenen Abends wenig geschlafen, ihn beim Grauen des neuen Tages weckte. Rasch wurden die Pferde gesattelt, nach einem tüchtigen kalten Frühstücke sprangen die beiden Männer in die Sättel und fort ging es in scharfem Trabe dem Pearl-River stromauf. Diana folgte frei, da nicht zu erwarten stand, daß sie jetzt ihrem neuen Herrn noch untreu werden würde. Unter fröhlichem Geplauder zogen die Reiter dahin, machten Mittags eine kurze Rast und ritten dann eilig weiter, um noch vor Abend das Städtchen Jackson zu erreichen.

Begreiflicher Weise gab der Vorfall des gestrigen Abends William Veranlassung, sich nach Bill's Verhältnissen zu erkundigen. Letzterer hatte den jungen, offenen Mann, der ihn so milde behandelt, lieb gewonnen und gab ihm genauere Auskunft über sein Leben und Treiben, als er es sonst wohl gewohnt war.

»Vor drei Jahren,« erzählte Bill, »kam ich mit meiner Frau und einem kleinen Bengel von vier Jahren hierher. Wir wohnten erst weiter nach dem Mississippi; doch war es zu ungesund in jenen Sümpfen, deshalb beschloß ich von dort weg zu ziehen. Leidlich verkauften wir unsere kleine Farm und bald erklangen die Schläge meiner Axt in diesem Districte. Wir hatten nur zwei Kühe, diesen Gaul und einige Schweine mitgebracht, alles Andere aber zu Gelde gemacht, um uns hier möglichst zweckmäßig einzurichten. Ich arbeitete mit meiner Bethsy rechtschaffen und in Kurzem stand eine kleine Hütte da, doch leider war die Jagd um unsere Niederlassung zu gut, ich wurde in kurzer Zeit der vollkommenste Tagedieb, hing des Morgens die Beine über den Rücken meines Pferdes und strolchte im Wald herum. Alles niederschießend, was mir vor die Büchse kam. Leider war ich bei meinen Streifzügen einmal nach Ranger's Station gekommen!«

»Auch ich wollte vor einigen Tagen dort übernachten,« unterbrach William den Erzählenden.

»Sie? Na, Sir – wenn über Ihnen nicht ein besonders guter Geist wacht, will ich ein Maulwurf sein. Ranger's Station ist die verdammteste Spielhölle, die es giebt. Achthundert schöne Dollars, der Erlös meiner alten Farm, habe ich dort begraben. Die Verzweiflung, die mich erfaßte, den Gram meiner Frau werden Sie sich wohl denken können! Vorgestern Abend saß ich in dumpfem Brüten vor meiner Hütte, mein Junge spielte neben mir, mit Steinchen, alten Messingknöpfen und ähnlichen Herrlichkeiten, da kommt der Bengel plötzlich gelaufen und zeigt mir jubelnd seinen besten Knopf, wie er sagt. Mechanisch ergreife ich das kleine Pfötchen und werfe einen gleichgültigen Blick auf dessen Inhalt. Doch sogleich sprang ich auf, es war ein Goldstück; wie der Junge dazu gekommen, weiß ich nicht, item es war da. Ich schickte mich an, es meinem Weib zu geben, da fing der Bengel zu brüllen an: »ich will meinen schönen Knopf,« greinte er, »ich will viele so schöne Knöpfe haben.« Im Nu fuhren diese Worte durch mein Hirn, ich sprang auf meinen Gaul und jagte nach Ranger's Station. Eine ungewöhnlich zahlreiche Versammlung saß bereits um den Tisch, fluchend und Branntwein saufend. Ich, Fremder! ich trank gegen meine Gewohnheit nicht, ich fluchte auch nicht. So was wie ein Gebet murmelnd, legte ich mein Goldstück auf die erste beste Karte, ich weiß nicht, welche es war, ich ahnte, daß ich Glück haben würde; ich gewann, gewann wieder und wieder, und jedesmal ein Goldstück von meinem Einsatz nehmend, steckte ich selbes für den Fall, daß mir das Glück untreu würde, in die Tasche. Jetzt hatte ich das achte Mal ein Fünfdollarstück weggenommen, hatte also neun Mal den Satz stehen lassend gewonnen; so sehr es mich auch reizte, weiter zu spielen, traten mir mein Weib und Kind doch so mahnend vor die Augen, daß ich den vor mir liegenden Haufen Goldstücke eiligst in meinen Hut raffte, unter den Flüchen und Drohungen der Mitspielenden auf mein Pferd sprang und nach Hause jagte.«

»Ach, mein Gott!« fuhr Bill nach tiefem Athemzuge fort, »wie soll ich die Freude über das Glück beschreiben, das bei meiner Heimkehr in unsere Hütte zog. Glücklich wie noch nie, warf ich mich auf das harte Lager und erwachte fröhlichen Herzens.«

»Gern und leicht folgte ich Bethsy's Rathe nach Jackson zu reiten und mich nach einer kleinen zu verkaufenden Farm umzusehen, denn baare 685 Dollars brachte ich an dem verhängnißvollen Abend nach Haus. Gestern früh trat ich den Ritt an, wie der Teufel dazu kam, mich mit Ihrem Gaul zu versuchen, ist mir nicht klar. Noch nie habe ich meine Hände nach fremdem Gute ausgestreckt, es ist mir unbegreiflich, daß ich es gestern gethan, wo mich doch keine Sorge mehr drückte!«

Nachdem er geendet, ritt Bill in tiefem Sinnen weiter. William mußte all' seine Beredsamkeit aufbieten, um den wirklich Zerknirschten aus seinem Trübsinne zu reißen. Erst als er anfing, von Bill's künftigem Leben zu sprechen, als er ihm das Bild einer netten, freundlichen Farm, tief versteckt im grünen Walde ausmalte, fingen Bill's Augen zu leuchten an und lustig trabten nun die Beiden den Weg weiter.

Die Schatten der riesigen Bäume wurden länger und länger, schon nahte der Abend und noch waren bis Jackson, wie Bill versicherte, drei Stunden zu reiten; auf seinem Rath wurden daher die Pferde schärfer angetrieben um so mehr, als ein schweres Gewitter im Anzuge war. Bald prasselte auch der Regen nieder, die Reisenden in wenigen Augenblicken durchnässend und auf dem wilden Wege große Wasserlachen bildend. Grauenhaft beleuchteten die niederzüngelnden grellen Blitze den Urwald, gespensterhafte Schatten und Lichtreflexe erzeugend. Jetzt brach auch der Sturm heulend los, von den Bäumen flogen krachend dürre Aeste herab und die beiden vortrefflichen Reiter waren kaum im Stande, ihre entsetzten Thiere im Zaume zu halten.

»Tod und Teufel! Herr, reitet zu, ob der Gaul auch zusammenbricht,« brüllte Bill mit aller Kraft seiner mächtigen Lungen, »reitet zu, es gilt das Leben!«

Das Herabstürzen der Aeste wurde immer häufiger, der ganze Weg war bereits mit dürrem Holz bedeckt, über welches die schweißtriefenden Rosse in rasender Carriere setzten, von ihren schweigenden Reitern zu immer größerer Eile angetrieben.

»Dort wird es licht,« überschrie Bill aufs Neue den Sturm, »gebe Gott, daß wir das Ende des Waldes glücklich erreichen!«

Unter Sporen und Peitsche schnaubten die wild gewordenen Pferde dahin, ihr Instinct sagte ihnen, daß in wenig Secunden die Gefahr beseitigt sei.

»Hurrah!« jubelte Bill, »dort sind Lichter, das ist Jackson!«

»Hurrah, Hurrah!« fiel William ein! da flammte solch ein blendender Blitz vom Himmel herab, daß die Pferde sich mit aller Macht auf die Seite warfen, ihre Reiter mit einem Ruck aus dem Sattel schleudernd. Ein Krach folgte, als ob die Erde bersten sollte, dann lagerte unheimliche Todtenstille auf dem Platze, welcher noch so eben Zeuge des Kampfes der entfesselten Elemente gewesen. Der fürchterliche Schlag schien der Schlußaccord des grausen Naturconcertes gewesen zu sein, der Donner rollte nur noch in weiter Ferne, hier und da krachte noch ein losgerissener Ast und bald hörte man nichts mehr, als das gleichmäßige Rauschen des Regens. – – –

Kaum graute der Tag, als Bill mit blutigem Gesichte und zerrissener, von Schmutz besudelter Kleidung in der Nähe des Platzes erschien, wo er glaubte vom Pferde gestürzt zu sein. An einer Leine hatte er die Bluthündin gefesselt, die ihm am verflossenen Tag so arg zugesetzt, jetzt aber geduldig folgte.

»Such', such' mein Hund!« sprach Bill schmeichelnd, »such Deinen Herrn! Der Teufel soll mich holen, wenn ich ruhe, ehe ich ihn gefunden. Ein so braves, edles Herz wird doch nicht auf solch miserabele Weise enden? da müßte ja keine Gerechtigkeit im Himmel sein. Such' Diana, such',« ermunterte er dann das eifrig umherschnuppernde Thier.

Schritt vor Schritt wurde nun Busch für Busch sorgfältig durchsucht; plötzlich hielt die Hündin an, mit der größten Aufmerksamkeit den Boden beriechend. Schnell schlug ihre mächtige Ruthe herüber und hinüber und dann trabte sie mit unverkennbarer Sicherheit auf eine große, im Sturm zusammengebrochene Eiche zu. Hastig folgte Bill, doch entsetzt hemmte er seine Schritte, als das Thier vor dem riesigen Trümmerhaufen stehen blieb, sich auf das Hintertheil niederließ und die Luft mit kläglichem Geheul erfüllte.

»Liegt William hier drunter« flüsterte der endlich näher getretene Bill, »dann wird wohl nichts Anderes übrig bleiben, als für den armen Burschen ein Vater Unser zu beten.«

Vergeblich versuchte Bill die schweren Aeste fortzuschleppen, er war es nicht im Stande.

» Well!« sagte er traurig, »ich sehe nur zu deutlich, wie die Sachen stehen. Hoffnung ist keine mehr, und kann ich Dir Freund dort unten keine Hilfe mehr bringen, so sollst Du doch ein ehrliches Begräbnis; haben. Das sollst Du – so wahr ich Bill heiße.« Dann wanderte er raschen Schrittes nach dem nahen Jackson und achtete nicht darauf, daß Diana, das treue Thier, zurückblieb, um die Stätte zu bewachen.


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