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Erstes Kapitel

Ein erbaulicher Brief. – Rückblicke. – Abreise von New-Orleans. – Im Urwald. – Bob und der Hirsch.

Sehr geehrter Herr!

Mit dem tiefsten Schmerze muß ich Ihnen mittheilen, daß die Gläubiger Ihres verstorbenen Herrn Vaters durchaus nicht gesonnen sind, auf Ihren Vorschlag einzugehen. Sie meinen, vielleicht nicht ganz mit Unrecht, daß Sie, theurer William, doch noch zu jung und unerfahren seien, um solch' ein zerrüttetes Geschäft wieder in Schwung zu bringen. Jetzt bietet die Hinterlassenschaft Ihres seligen Vaters noch hinreichendes Material, die Gläubiger zu befriedigen und wenn ich mich daher auch freue, daß Ihr so geachteter Name mit keinem Makel behaftet bleibt, daß Ihres Vaters Grabesruhe in keiner Weise gestört wird, so bedaure ich doch innig, daß Sie, mein junger Freund, fast ganz leer ausgehen werden. – Fußend auf die mir von Ihnen ausgestellte Vollmacht, habe ich es für's Beste gehalten, in Güte mich mit den vielen Gläubigern zu einigen; ich habe ferner um so mehr mich veranlaßt gesehen, Alles und Alles zu Geld zu machen, als ich mir wohl denken konnte, daß Sie von diesem schätzbaren Artikel gerade keinen Ueberfluß auf Ihrem Streifzuge erworben haben. Sie mögen sich meine große Freude vorstellen, die ich empfand, als es meinen rastlosen Bestrebungen gelungen war, für Sie ca. Eintausendsechshundert Dollars zu retten, da ich die feste Ueberzeugung hegte, daß Ihnen auch nicht ein Cent übrig bleiben würde! Ja, ja, Eintausendsechshundert Dollars, und dabei sind schon meine Liquidationen und die Ihnen vorgeschossenen fünfhundert Dollars abgerechnet. Diese schönen Dollars sind nun Ihr von Niemand bestrittenes Eigenthum; aber noch mehr that ich für Sie. Mr. Wornwed, ein sehr respectabler Mann, will Sie – ohne Sie zu kennen – in das von ihm übernommene Geschäft Ihres Vaters als Comptoirist, mit einem Gehalte von Sechshundert Dollars aufnehmen, natürlich nur auf meine Verwendung.

Sie werden mir zugeben, junger Freund, daß Sie mir schon etwas zu danken haben. Eintausendsechshundert Dollars Vermögen, das Sie leicht auf Dreitausend erhöhen können, wenn Sie Ihre beiden Pferde, wenn Sie Bob, den Negerburschen, wenn Sie endlich Ihr vortreffliches Jagdzeug verkaufen. Mein Rath ist, daß Sie dies Alles an Ort und Stelle zu Geld machen und mit den Dreitausend Dollars in der Tasche hier Ihre Stelle antreten.

Mr. Wornwed hat eine hübsche junge Tochter, wer weiß? vielleicht sind Sie einst wieder Herr in dem Hause Ihrer Eltern.

Obgleich ich nicht im Geringsten im Zweifel bin, daß Sie meinen Rath befolgen und hieher zurückkehren werden, liebe ich doch die unverzögerte Abwickelung der Geschäfte. Sie wollen daher die Güte haben, sich mit diesen Zeilen an den Rechtsanwalt Laxton zu wenden, der in Jackson wohlbestellter Friedensrichter ist und leicht von Ihnen zu erfragen sein wird. Selber wird Ihnen nicht nur genaueste Abrechnung vorlegen, sondern auch die Ihnen gehörigen Eintausendsechshundert Dollars auf Wunsch auszahlen.

Ihnen Glück und Segen wünschend, erlaube ich mir noch zu bemerken, daß Sie bei Ihrer Rückkehr mir Ihren schätzbaren Besuch vergeblich machen würden, da eine längere Reise mich von New-Orleans entfernt halten wird.

Verzagen Sie nicht, Sie sind noch jung und haben Zeit genug auf das Glück zu warten!

Ihr wohlgeneigter
New-Orleans           James Screw.
18. Mai 1828           Rechtsanwalt.

An Mr. William Warren
der Zeit im Unions Hotel zu Jackson.

 

Diesen sehr erbaulichen Brief las ein junger, bleicher Mann von etwa dreiundzwanzig Jahren mit leicht begreiflichem Interesse. Es war eine hohe, schlanke Gestalt mit edelem Kopfe, den langes, dunkeles Haar umlockte; dunkele Augen strahlten ernst unter einer hohen Stirn hervor, in jedem Zuge des männlich schönen Gesichts lag Herzensgüte und jede seiner Bewegungen zeigte jene Eleganz, welche die feine Bildung verräth. Thränen standen in seinen Augen, als er die Hiobspost wieder und wieder gelesen und danach sich von dem Sopha aufrichtend, an das Fenster trat.

Lange Zelt stand er dort, in die herrliche Frühlingslandschaft starrend und flüchtig sein vergangenes Leben übersinnend. Wie glücklich hatte er als Knabe in dem herrlichen Palast seines Vaters gespielt, wie war ihm damals durch die gütigen Eltern jeder seine Wünsche erfüllt worden, und als er heranwuchs zu einem frischen, vielversprechenden Jüngling, als der Vater seine Reiselust befriedigte und ihn, begleitet nur von seinem unzertrennlichen schwarzen Diener Bob, nach Europa zu seinem dort lebenden Bruder sandte, wie jubelte da William in fröhlicher Lust! Wohl hatte ihn der Abschied von seinen Eltern tief geschmerzt, doch mit der Elasticität der Jugend gab sich sein Gemüth bald anderen Eindrücken hin. Ein einziges kurzes Jahr war ihm ja nur vergönnt beim Onkel, einem Fabrikherrn am Rheine, zu verweilen, dann sollte er zurückkehren zu den Eltern, die er in bester Gesundheit verlassen. Aber schon zwei Monate nach seiner Ankunft in Europa traf ihn, dem Blitze aus heiteren Wolken gleich, die Schreckensnachricht, daß an dem in New-Orleans furchtbar grassirenden gelben Fieber Vater und Mutter gestorben. Mit gebrochenem Herzen eilte William zurück; dahin waren all' seine heiteren Träume, all' sein Hoffen, umsomehr, als er in dem Geschäfte seines Vaters eine solch bodenlose Unordnung und Verwirrung fand, daß er rath- und freundlos wie er dastand, die Erbschaft gar nicht antrat, sondern das ganze Vermögen den Gerichten zur Regulirung überließ. Der Rechtsanwalt Screw gab sich freilich die undenklichste Mühe, dem jungen Warren seine Freundschaft aufzudrängen, doch gelang ihm dies nicht, indeß erhielt er wenigstens die Vertretung der Interessen Williams, und der würdige Mann des Rechts war bescheiden genug, sich damit zu begnügen. Eifrig unterstützte er Williams Plan, das diesem verhaßt gewordene New-Orleans zu verlassen, um in den herrlichen Wäldern sein verzagtes Gemüth auszurichten und fern von den Menschen sein übervolles Herz auszuweinen.

Mit sehr geringen Geldmitteln versehen, bestieg William in Begleitung seines Negers, die ihm einst von seiner Mutter geschenkten Pferde und zog dahin, hoffend, daß ein gütliches Arrangement mit den Gläubigern seines Vaters, ihm wenigstens einen Theil seines Vermögens erhalten würde.

Hatte er auch von jeher wenig Lust gezeigt, sein Leben in der drückenden Stadtluft, in den staubigen Comptoiren zu verbringen, so trat jetzt doch die gebieterische Notwendigkeit so nahe an ihn heran, daß er beschloß, die wenige Zeit, die er sich vergönnt hatte durch die Wälder zu schweifen, bis aufs Aeußerste auszunützen.

In fröhlicher lustiger Jagd sollten ihm die Tage seiner Freiheit dahinschwinden, dann, seufzte er, dann will ich Sclave des Geschickes sein.

Wohl waren seine Gedanken trüber Natur, als er New-Orleans dem Rücken wandte, doch kaum hatten ihn die Wälder in ihrem heiligen Schatten aufgenommen, als er Sorge und Gram hinter sich lassend, in sausendem Galopp dahin sprengte. Neugierig hatte ihn Bob – ein kräftiger, schlanker Bursche mit nichtsnutzig verschmitztem Blicke schon lange betrachtet, sich aber wohl gehütet, die Träumereien seines Herrn zu stören; er wußte, daß dies für ihn von sehr unangenehmen Folgen sein konnte und seinen krausen Wollkopf schüttelnd, zog er hinter William brummend hin, sich mit wunderbaren Selbstgesprächen und freundlichen Neckereien, mit denen er seinen munteren Grauschimmel beglückte belustigend.

»Großer Golly«, brummte Freund Bob, »was sein Massa Willy heut stumm. Dies Kind nun schon reitet drei lange Stunden und Massa immer noch stumm. Ah, und Bob möchte sein lustig, und Wis'hla wollen laufen, aber Massa reiten ein'n Schritt und warten ein Bissel und reiten wieder ein'n Schritt und warten wieder ein Bissel.« Dabei zwickte und schlug er Wis'hla, sein Pferd, sehr belustigt, wenn selbes erst mit dem kleinen Kopfe schüttelte und dann ohne vorhergegangene Warnung plötzlich urkräftig hintenausschlug, mit dem freundlichen Wunsche, seinen Quäler auf den Rasen zu setzen. Aber Bob fiel nicht, obgleich ohne Bügel und Sattel, nur auf einem Bärenfelle reitend, saß die Canaille unmenschlich fest.

Endlich schüttelte, wie schon erwähnt, William seinen Trübsinn ab, ein lustiges, gellendes Huhpih – und fort stob der junge Mann auf seinem edlen Rappen und hinter drein, jauchzend und Possen treibend Bob.

So zogen die beiden Reiter mehrere Tage dahin, bis die letzte Ansiedelung schwand und der Urwald sie von allen Seiten umfing.

Die Sonne stieg höher und höher und verbreitete in dem herrlichen Wald ein so zauberisches Licht, wie man es eben nur in dem reizenden Missisippi zur Zeit des Herbstes findet. Denn Herbst war es; in balsamischen Strömen floß die reine Luft und duftend, in mannigfacher Schattirung breitete sich rings in unabsehbaren Strecken der Urwald, noch wenig entweiht von der Alles zerstörenden Civilisation. Wo jetzt weite, große Städte prangen, stand vor vierzig, ja vor dreißig Jahren, höchstens die Farm eines einzelnen kühnen Ansiedlers, und wer es wagte, hier dem Walde ein kleines Stück Feld abzutrotzen, mußte wahrlich ein kühner Mann sein, gleich bedacht, die Waldriesen mit der scharfen Axt zu fällen, wie das schlichte Blockhaus gegen die Indianer zu vertheidigen und Meister Pätz von dem gar zu häufigen Besuchen der Maisfelder abzuhalten. Ja, festen Herzens und eines selbstvertrauenden Muthes bedurfte der Farmer in dieser Wildniß, wo der nächste Nachbar gute zwanzig englische Meilen entfernt wohnte. So war auch William mit Bob heute schon wenigstens fünf Stunden im Sattel und noch hatte nirgends sich dem spähenden Auge der Rauch einer einsamen Farm gezeigt. Schimpfend, aber behutsam darauf achtend, daß seine Gefühlswallung nicht etwa Massa Willy gewahre, folgte Bob dem rastlos Dahinsprengenden, der an Nichts dachte, Nichts wünschte, als einen immer größeren Raum zwischen sich und New-Orleans zu legen.

Doch endlich forderte die Natur ihre Rechte und William hielt sein schweißtriefendes Roß an; augenblicklich war Bob auf der Erde, warf seinem Ponny den Zaum auf den Rücken und ließ es sorglos stehen, überzeugt, daß es nach dem scharfen Ritte keine besondere Lust zu eigenmächtigem Jagen hegen würde. Wis'hla rechtfertigte auch das in ihn großmüthig gesetzte Vertrauen und begann augenblicklich die saftigen Kräuter einer sehr genauen Untersuchung zu unterwerfen. Bob trat indeß zu seinem Herrn, der, aus dem Sattel springend, die Zügel über den Arm hing und dem Neger lachend zurief:

»Bob, zum Teufel, was machst Du für ein grimmiges Gesicht, als wollest Du mich eines großen Verbrechens anklagen!«

»O, Massa haben diesen schwarzen Gentleman sehr schlecht behandelt heut, haben nicht geplaudert mit ihm, nicht gefragt, ob dies Kind Hunger.«

»Haha mein Bursche, Du zürnst mir? Das ist schnurrig; doch dächt ich. Du hättest heut Morgen in der letzten Farm tüchtig gefrühstückt, und da ich nicht verschmachtet, wird wohl auch Dein kostbares Leben noch nicht in Gefahr sein. Du hast aber nicht ganz Unrecht, auch ich wäre über etwas Genießbares durchaus nicht böse. Ich hatte Dir den Auftrag gegeben, etwas Proviant mitzunehmen, bring ihn herbei, wir wollen rasch ein Paar Bissen genießen und dann weiter in den Wald reiten!« Mit diesen Worten warf sich William an den Rand eines Baches nieder, mit durstigen Zügen das klare Wasser schlürfend, dann wandte er sich ungeduldig nach Bob, der durchaus keine Anstalt machte, dem Befehl seines Herrn nachzukommen, sondern mit wunderbarer Einfalt in das dichte Laub der Sykomore starrte, unter der William lag.

»Nun Bob,« rief Letzterer endlich, »allons, wo ist der Proviant?«

Mit einer unnachahmlichem Geberde wies Bob auf seinen Schlund, zugleich mit riesigem Satze aus dem Bereiche der Peitsche seines Herrn flüchtend, welcher dieser so eben drohend erhob.

Zu jeder anderen Zeit würden die Grimassen des Negers Willy's Aerger verscheucht haben, heut jedoch, wirklich erzürnt, rief ein nicht mißzuverstehender Wink den Neger herbei, und ihn tüchtig bei den Ohren schüttelnd, sprach sein Herr unmuthig:

»Ich hätte wahrlich gedacht, daß Du endlich anfingest, vernünftig zu werden. Im Vertrauen auf die pünktliche Vollziehung meines Befehls und getrieben von dem Wunsche, möglichst heute noch Ranger's Station zu erreichen, habe ich meine Büchse den ganzen Morgen ruhen lassen und nun sitze ich da, ringsum tiefe Stille, kein menschliches Wesen erblickend und dazu von dem wüthendsten Hunger geplagt. Zum Teufel mit Deinen dummen Streichen, ich hätte gar große Lust – doch halt, nieder mit Dir, ah, Du kommst wie gerufen!« Die leichte Büchse im Arm flog William hinter einen Busch und Bob, mit dem dümmsten Gesichte der Welt; kauerte regungslos hinter dem dicken Stamm der ehrwürdigen Sykomore, neugierig hervorschauend, was seines Herren Aufmerksamkeit so plötzlich erregt habe. »Golly, Golly,« flüsterte er leise, als er einen prächtigen Spießer auf die kleine Lichtung lenken und dem Bache zuschreiten sah. Vorsichtig windete das junge, feiste Thier, wohl die Nähe seines unersättlichsten Feindes ahnend, doch der Wind stand gegen ihn, es schüttelte den Kopf und trat entschlossen in den Bach, mit langen Zügen seinen Durst stillend. Näher und näher kroch indeß William, da das hohe Ufer das Wild seinen Blicken entzog. Befürchtend, der Spießer könne in dem Bache fortschreiten und ihn dadurch um das heißersehnte Mahl bringen, beeilte sich der sonst so erfahrene Jäger mehr, als gut war. Ein dürrer Zweig krachte unter seinem Fuße und augenblicklich flog auch der Hirsch die Böschung hinan, doch zu spät, – der Schuß donnerte durch den stillen Wald. Zwar hatte die Kugel das Thier niedergeworfen, doch sprang es wieder empor und versuchte in flüchtigen Sätzen das schützende Dickicht des Waldes zu erreichen, da stürzte Bob hinter dem Baume hervor, vor seinen angsterfüllten Augen dämmerte die entsetzliche Ahnung, der gehoffte Braten könne doch noch entfliehen; er warf sich daher mit einem Sprunge, der einem Panther Ehre gemacht hätte, dem erschrockenen Thier an den Hals und im nächsten Augenblick kollerte auch der Spießer, von dem Neger krampfhaft umschlungen, den hohen Uferrand wieder hinab. Wohlbehalten unten angelangt, glückte es Letzterem, seinen Nickfänger zu ziehen und bald darauf war das edle Wild aufgebrochen.

William hatte dieser ihm noch neuen Art zu Jagen mit wirklichem Erstaunen zugesehen und näherte sich nun mit schallendem Gelächter. In kurzer Zeit prasselte ein lustiges Feuer; über denselben briet an Bob's eisernem Ladestocke ein tüchtiges Hirschsteak, und gemächlich lagerten sich die beiden einsamen Jäger am Feuer, um dem Jägermahle, gewürzt, durch feurigen Whisky, alle Ehre zu erweisen. Plötzlich hob William sein Haupt lauschend empor, griff instinktmäßig nach seiner Büchse, die er als echter Waidmann sogleich wieder geladen, und auch Bob hielt seufzend mit Kauen inne, nahm die Büchse zur Hand und prophezeihete dem garstigen Störenfried einen warmen Empfang mit so grimmen Worten, daß William ihm ein drohendes »Schweig, Schlingel,« zurief.

»Aber Massa! ich Nichts sehen und hören,« flüsterte der Eingeschüchterte, »warum das schöne Mahl nicht erst beenden?«

»Schweig, ich hörte deutlich das Anschlagen eines Hundes, und wahrlich, ein tüchtiger Bursche ist es, sieh, dort kommt er über die Lichtung und ist wahrscheinlich unsrem Hirsche auf der Spur.«

Kaum hatte William geendet, als ein großer, herrlicher Bluthund am gegenüber liegenden Bachufer erschien und knurrend die beiden Männer anstarrte, ja er schien nicht übel Lust zu haben, den Hirsch als seine Jagdbeute in Anspruch zu nehmen und schickte sich eben an, zu derselben in das Wasser hinabzusteigen, als ihn ein kräftiges »Trust! zurück!« abrief. Das gut dressirte Thier wandte sich augenblicklich und sprang einem jungen Mann entgegen, der das Gewehr im Arme aus den Büschen trat und erstaunt auf William und Bob blickte. Sein klares, blaues Auge streifte prüfend über dieselben hin, dann warf er die Büchse über die Schulter, faßte seinen Hund beim Halsbande und schritt mit freundlichem Lächeln auf William zu. Unbefangen reichte er Letzterem, nachdem er über den Bach gesprungen war und seinen Hund an einen Baum gefesselt hatte, die Hand.

»Sie verzehren bereits ein gutes Stück Feist dieses Spießers, den ich schon seit heut früh vergeblich verfolge,« sagte er mit einem Accent, der die deutsche Abkunft nicht verkennen ließ. »Obgleich ich nun freilich zur Erlegung desselben zu spät komme, werde ich doch wohl kaum vergeblich um die Erlaubniß bitten, Ihre Mahlzeit theilen zu dürfen. Ich bin hungrig und das Wild fängt an selten in dieser Gegend zu werden.«

Freundlich lud ihn William ein, Platz zu nehmen und sein einfaches help your self war von erstaunlicher Wirkung. Der Fremde hatte nicht gelogen, als er behauptete, daß er hungrig sei, er lieferte ein so bedeutendes Stück Arbeit im Essen, daß er sich dadurch Bob's volle Achtung erwarb.

Unterdessen betrachtete William seinen Gast mit sichtbarem Wohlgefallen. Es war derselbe ein schlanker, kräftiger Geselle von Williams Alter, blond, mit sonnenverbranntem und von Wind und Wetter durchstürmtem Gesicht, das – durchaus nicht schön – dennoch durch die Treuherzigkeit ansprach, die in jedem seiner Züge ausgeprägt, auch aus seinen treuen, dunkelblauen Augen wiederstrahlte. Seine grobknochige Gestalt verrieth eine herkulische Kraft und maß volle sechs Fuß in seinen Moccassins, denn solche trug er, von starken halbgegerbten Fellen, wie auch seine ganze übrige Kleidung, aus allerdings viel weicherem Leder bestand. Von Leder war die eigenthümliche kleine Mütze, von Leder das kurze, befranzte Jagdhemde und die weiten Kniehosen. – Endlich hatte der Fremde seinen Hunger gestillt, schnitt noch ein tüchtiges Stück rohes Fleisch ab, das er seinem Hunde zuwarf, dann wischte er sein Messer an dem Aermel seines Jagdhemdes ab, und wandte sich nun freundlich lächelnd an William.

»Meinen Dank, Sir. Ein Stück Hirschfleisch ist doch in dieser Zeit ein wahrer Leckerbissen. Aber sagen Sie Sir, wie kommen Sie in diese Gegend? Ein Farmer sind Sie nicht! Sie scheinen im Walde fremd zu sein. Ihrer Kleidung nach zu urtheilen, würde ich Sie für einen Jäger halten, doch ist dazu Alles noch zu neu und reinlich an Ihnen,« dabei warf er einen fröhlichen Blick auf sein eigenes, ziemlich defektes Costüm. »Doch Verzeihung Sir, ich frage unbescheiden, da ich mich noch nicht einmal vorgestellt. Mein Name ist George Alten und die Farm meines Pflegevaters,« fuhr er nach kurzer Pause mit schwermüthiger Miene fort, »ist in zwei guten Stunden zu erreichen. Haben Sie noch kein Unterkommen gefunden, so kehren Sie bei uns ein, die Missisippi-Nebel sind nicht ungefährlich in dieser Jahreszeit. Ist unsere Farm auch bescheiden, so kann ich Ihnen doch eine weiche Bärenhaut und Ihrem Pferde einige Maiskolben zusichern.«

»Ah – mein lieber Sir,« rief William herzlich, »wie danke ich Ihnen für Ihre Güte. Woher ich komme? aus New-Orleans, das ich vor wenig Tagen verließ, weil es mich dort anekelte; das ich floh – weil dort Zahlen und nur Zahlen die Losung des Tages, weil ich in der großen Stadt vergeblich das suchte, was mir hier ein freundliches Geschick in den Weg führte – einen fühlenden Menschen. Ihren freundlichen Vorschlag nehme ich dankbar an; auf denn, Bob, wirf den Rest des Hirsches über Dein Pferd und folge uns.« Dann trat er zu seinem Rappen, knüpfte Zaum und Steigbügel an dem Sattel fest und das schöne Thier auf den schlanken, steinfesten Nacken klopfend, sprach er schmeichelnd: »Moro, sei artig.« Dann schritt er mit George Alten den Waldpfad dahin.


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