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Einleitung

Schwere Schicksalsschläge aller Art hatten mir nach und nach mein herrliches deutsches Vaterland verleidet, so daß es nur noch der politischen Wirren bedurfte, in welche ich mich fast unbewußt verwickelt sah, um mich zum Wanderstabe greifen zu lassen.

Amerika, das in vielen Schriften hochgepriesene Land, dessen politische Freiheiten, sowie seine romantischen Länder mich schon von Jugend auf mächtig angezogen hatten, Amerika sollte meine neue Heimath werden.

Ich war zwar Alles andere, nur nicht reich, doch was bekümmerte mich das?

In Amerika braucht Niemand Geld, jeder thatkräftige Mann findet dort den reichlichsten Verdienst, – hatte ich gelesen.

In den herrlichen Wäldern, mit den von lieblichen, buntfarbigen Schlinggewächsen umgarnten tausendjährigen Baumriesen läuft das Wild in Unmassen einher! Hirsch und Reh, Bär und Büffel, und Gott weiß was noch Alles, liefert die delicatesten Gerichte, – hatte ich gelesen.

Und die Indianer – ah die Indianer! Ein Schauer des höchsten Entzückens war stets über mich gekommen, wenn ich einen der Cooper'schen Romane gelesen.

So zog ich denn im Frühjahre 1850, mit äußerst wenig Geldmitteln versehen, das Felleisen mit geringen Habseligkeiten auf dem Rücken und das prächtige Suhler Doppelrohr im Arm, auf dem tüchtigen Dampfer »Gracility« dem geträumten Eldorado entgegen.

Die Seereise ging rasch von Statten und zu meiner großen Freude lief die »Gracility« Charleston an.

Was sollte ich auch im Norden? Nach dem Süden, nach dem Westen stand mein Sinn.

Aber, aber! Nicht ist zwar der Zweck dieser Zeilen, meine vielfältigen Enttäuschungen zu schildern, aber, aber, wo war die geträumte Poesie?

Wie schaal, wie reizlos erschien mir das amerikanische, nur auf Gelderwerb bedachte Leben und Streben. Dennoch ließ ich mich nicht abschrecken und entmuthigen.

Die Civilisation ist weiter vorgeschritten, als du dachtest, war mein stetes Wort, als ich der Reihe nach Carolina, Georgia und Tennessee durchwanderte. Doch nun stand ich am Missisippi, dem Vater der Gewässer, und hurrah, drüben, ja drüben am andern Ufer, welches gerade heut meinen sehnsüchtigen Blicken durch einen abscheulichen Nebel verborgen wurde, drüben lag Arkansas, der Urwald, Bär und Indianer.

Mein Geschick verwünschte ich, das mich in Memphis volle zehn Tage aufhielt, um mich von einem entsetzlichen Reißen zu erholen, welches ich mir zugezogen, als ich doch auch einmal im duftigen Wald, beim lodernden Feuer, über dem eine Rehkeule lustig briet, lagern wollte. Leider erwischte mich aber ein schreckliches Gewitter und machte mir den Unterschied zwischen dem Lesen von dergleichen Scenen und der Wirklichkeit erschrecklich klar. Mit der Rehkeule war es auch nichts gewesen und ich dankte meinem Gott, als ich in meinem Jagdhemd wenigstens ein Stück trockenes Maisbrod fand.

Überhaupt hatte ich auf meiner langen, langen Wanderung sehr, sehr wenig Wild gesehen und noch viel weniger geschossen. Die Überzeugung, der Farmer lebe nur von Bärenschinken und Hirschsteaks schwand daher bald, doch fand ich, daß das Rübenkraut mit gebratenem Speck vortrefflich munde, wenn man gute acht Stunden im Walde umhergestreift war.

Endlich fühlte ich mich wieder im Stande, meine Beine naturgemäß zu bewegen und nun fort – nach Arkansas.

Der Neger, welcher mich über den riesigen Missisippi ruderte, beschrieb mir nun genau den Weg nach der nächsten etwa zehn englische Meilen entfernten Farm; aber Du lieber Gott, was hatte der Wollkopf für Ideen von Weg. In den weicheren Stellen konnte man mit scharfen Augen hie und da ein Wagengeleis erkennen, das war die Straße. Doch ich konnte ja gar nicht fehlen! – immer gerade aus bis zur Plantane, die der Sturm zerzaust hat, dann links gehalten, dann rechts, dann wieder geradeaus. So hatte mir der schwarze Wegweiser einige Minuten vorgeplappert und meinen Kopf dermaßen verwirrt, daß ich mich denn auch glücklich nach den ersten zwei Meilen gründlich verirrt hatte.

Ermattet von dem fruchtlosen Bemühungen, mich aus dem Gewirre von Lianen, wilden Weinreben und heiloser green-briars, eine immergrüne Schlingpflanze mit entsetzlich scharfen Dornen, zu befreien, sank ich ins Gras, mich rückhaltlos meinen trüben Gedanken hingebend.

Ich merkte kaum, daß der Regen herabzuströmen begann und erst, als ich bis auf die Haut durchnäßt war, raffte ich mich auf. Mit unsäglicher Mühe gelang es mir ein Feuer unter dem Schutze eines überhängenden Felsstückes zu entzünden und eben war ich bemüht, mich an der wohlthätigen Gluth zu trocknen, als plötzlich eine sonderbare Gestalt sich meinen erstaunten Augen zeigte. Nichts konnte ich gewahren, als eine riesige, Alles verbergende Wollendecke und tief darunter die vier strampelnden Beine eines augenscheinlich über den Aufenthalt sehr verdrießlichen Ponnys; das Ganze sah aus, wie ein auf Stelzen laufendes Zelt.

Zu meiner großen Freude entpuppte sich der Vermummte als jener Farmer, welchen ich zu besuchen im Begriff war und den ich während meiner Krankheit im Memphis kennen gelernt. Der Mann geleitete mich freundlich nach seiner Farm, – um mir neu Täuschungen zu bereiten. Dem kleinen Blockhaus, in welchem der Ansiedler mit Weib und nur acht Kindern wohnte, würde ein deutscher Bauer kaum sein Vieh anvertraut haben, Tags darauf überzeugte ich mich auch, daß das Roden der Bäume sich wohl sehr hübsch liest, in Wirklichkeit aber die schauerlichste Menschenquälerei ist.

Kurz entschlossen packte ich meine Habseligkeiten wieder auf und wanderte weiter; ich wollte und mußte Poesie und Romantik finden. Aus halber Verzweiflung schloß ich mich einem Trupp Abenteurer an, die nach Californien zogen.

Nach mühseligen Wanderungen erreichten wir den Rio grande del Norde, erreichten wir Mexico.

Jedoch an Körper und Geist halb aufgerieben, gewahrte ich kaum, wie verschwenderisch der liebe Gott hier die Erde mit seinen herrlichsten Gaben geschmückt. Todesmatt und krank mußte ich mich endlich von meinen Reisegefährten trennen und im ersten kleinen Städtchen, das unser Zug erreichte, zurückbleiben. Ah krank im fernen, fremden Land, der Sprache unkundig, von Geldmitteln entblöst, – ich war der Verzweiflung nahe.

Doch der gütige Gott hatte endlich Mitleid mit mir, er setzte meinen Leiden ein Ziel.

Vom Fieber geschüttelt, lag ich auf meiner Decke, als ein hoher, kräftiger Mann an mir vorbeischritt, er sang – sang ein einfaches deutsches Lied und nie glaubte ich süßere Musik gehört zu haben.

Mit zitternder Stimme rief ich ihn an und erstaunt, einen Landsmann zu sehen, trat er zu mir und lauschte theilnehmend der kurzen Schilderung meiner traurigen Erlebnisse.

Er tröstete mich und versprach mir am andern Tag einen Wagen zu schicken, um mich auf seine Hacienda holen zu lassen, dann trat er zu dem schurkischen Wirth des elenden Gasthofes, und der Mann, welcher mich bis jetzt so roh behandelt, vollzog in unterwürfiger Hast die Befehle des Fremden und gab mir ein anständiges Zimmer.

Auf der großartigen Besitzung der Sennores George Alten und William Warren erholte ich mich von meiner Krankheit, von meinen Leiden, und die Erzählung der Schicksale der beiden gastfreien Hacienderos zeigte mir doch, daß die Romantik nicht ganz ausgestorben, daß einigen Auserwählten ein abenteuerreiches Leben beschieden sei.

Ich aber hatte genug von Amerika. Von meinen liebenswürdigen Freunden überreich beschenkt, verließ ich das Land, welches ich mit ganz anderen Gefühlen und Hoffnungen betreten, und eilte dem geschmähten Vaterlande wieder zu.

Der kleine, bescheidene Wirkungskreis, welchen ich mir in meinem Vaterlande gegründet, wie unendlich beglückt er mich jetzt, und nach des Tages Last und Mühe, wie reizend träumt es sich in dem freundlichen Stübchen, vor dessen Fenster die Reben sich grüßend neigen, von den Erlebnissen meiner beiden fernen Wohlthäter.

Von dem innigsten Dankgefühlt getrieben, jenen Beiden edelen Freunden im fernen Land ein Denkmal zu errichten, griff ich zur Feder. Der Leser wolle freundlich berücksichtigen, daß dies Werk nur nach Erzählungen niedergeschrieben ward, denen ich wahrscheinlicher Weise noch aufmerksamer gelauscht, hätte ich damals schon die Idee gehabt, diese Abenteuer dereinst im Gewande des Romanes zu veröffentlichen.

Die weitschweifige Vorrede aber schrieb ich zu Nutz und Frommen Derer, die im lieben deutschen Vaterlande über Alles die Nasen rümpfen und glauben, Amerika sei eine Art von Schlaraffenland.

Wer behaglich auf dem Sopha liegt und die aufregenden Indianerromane liest, dem wird nur allzuleicht die Seele mit romantischen Bildern erfüllt, der ist nur allzuleicht geneigt, Alles in rosigem Lichte zu schauen. In Wirklichkeit aber hat ja allbekannt jedes Ding zwei Seiten, eine gute und eine schlechte, und in dem, der Wahrheit gemäß sei es gesagt, großartigen Amerika findet man eben Alles im vergrößerten Maßstabe. Die Natur, die Elemente machen einen anderen Eindruck als bei uns, aber die Gefahren, die Schattenseiten des Lebens überhaupt, nehmen dort ebenfalls riesigere Formen an.

Man hört zwar hie und da von den kolossalen Reichthümern, die sich Jemand in kurzer Zeit erworben, – von den Thränen, den Flüchen aber, die vielfach auf diesen Schätzen ruhen, erfährt man Nichts, erfährt Nichts von den zahllosen Gaunereien, dem Fehlschlagen von Plänen und Speculationen.

Wohl hat Amerika eine Reihe von Männern aufzuweisen, auf welche es mit Stolz als leuchtende Vorbilder blicken kann, doch glaube ich nicht zu viel zu sagen, wenn ich behaupte, daß auch in keinem Lande mehr schlechte Charaktere zu finden sind, als dort.

Der Grund hierfür ist jedenfalls in der Kreuzung der verschiedensten Racen zu suchen; dann ist ja leider Amerika auch seit langen Jahren ein Abzugskanal des Auswurfes aller Nationen gewesen und tausende von Verbrechern haben in ihm ein Asyl gefunden. Ein weiteres trübes Bild gewährt jene Unzahl von Einwanderern, welche mit den übertriebensten Hoffnungen ihr Vaterland verließen und, in ihren Erwartungen getäuscht, von Betrügern um Hab und Gut gebracht, auf die elendeste Weise ihr jammervolles Dasein fristen.

Wenigen dieser Bedauernswerten ist es vergönnt, ihr Vaterland wieder erreichen zu können, wie ich so glücklich war; wer es aber vermocht, der ruft gewiß gleich mir jedem Europamüden aus tiefster Seele zu:

»Bleibe im Lande und nähre dich redlich!«

Der Verfasser


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