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Zehntes Kapitel

Brown's Erzählung. – Die Antilope. – Das Comantschen-Dorf. – Der Renegat. – Der Aufbruch.

Noch zwei Tage lagerten die Comantschen an dem Bache in träger Ruhe, Niemand von ihnen hatte mehr Lust auf der Prairie zu streifen. Der Häuptling saß in tiefes Sinnen versunken neben dem Lager seiner Frau, deren Verpflegung William mit rastlosester Thätigkeit übernommen, theils aus wirklicher Theilnahme, theils um die eigenen trüben Gedanken in andere Bahnen zu lenken. Nur George, Brown und Bob waren unermüdlich auf den Beinen, bald sorgten sie für frisches Fleisch, bald schauten sie nach den sehnsüchtig erwarteten Comantschenjägern aus; vor allen Dingen aber waren sie bemüht, sich Gewißheit zu verschaffen, was aus den auf so räthselhafte Weise spurlos verschwundenen Hunden geworden sei.

Brown hatte erzählt, daß Steven, der mit allen Schlichen vertraute Trapper, stets bemüht gewesen sei, die beiden, wegen ihrer Bösartigkeit stets angebundenen Thiere zu beseitigen; dieselben zu erschießen hatte er nicht vermocht, da er trotz seiner Schlauheit keinen Bogen der Indianer an sich bringen konnte; zu erstechen? der muthige Mann hatte es nicht gewagt, er wußte, daß er zerrissen worden wäre, ehe er nur einen Hund umgebracht. Da fand Steven einige Tage vor der Flucht auf einer einsamen Wanderung einen kleinen Busch Ideodondo, Ideodondo, die Stinkpflanze, welche angezündet, lange Zeit fortglimmt; der entsetzliche Gestank, den dies eigenthümliche Gewächs in brennendem Zustande verbreitet, wirkt betäubend auf die Menschen, während er die Thiere verwirrt macht und sie fliehen läßt, so lange nur noch ein Atom des Rauches ihren, scharfen Geruchswerkzeugen bemerklich ist. und sogleich stieg ihm der Gedanke auf, durch dessen Hilfe die Thiere zu verjagen, sobald deren Entfernung für Preston's Pläne wünschenswerth erschien.

Steven zeigte nun plötzlich eine merkwürdige Zuneigung für die Hunde, in deren Nähe er sich aufhielt, wenn er es nur im Stande war und brachte es auch so weit, daß er sich neben sie setzen konnte; doch nur knurrend duldeten die Thiere den Mann in ihrer Nähe, einen Versuch aber sie anzugreifen, entgegneten sie mit einem wüthenden Biß. Zähneknirschend ertrug Steven den argen Schmerz, ohne sich etwas merken zu lassen, nur Brown wußte darum, da er jenem die klaffende Wunde verbunden hatte.

Als nun die verhängnißvolle Büffeljagd beginnen sollte, flüsterte Preston seinen Genossen zu, daß sie sich zur Flucht bereit halten möchten, die er auf alle Fälle, und sei es durch Waffen, zu erzwingen gesonnen war. Steven aber blieb zurück, er wollte den Gang der Ereignisse abwarten und erst als er bemerkte, daß alle Umstände ihrer Flucht günstig, sattelte auch er sein Pferd. Er sah Bob und Arrita am Rande des Gebüsches stehen und aufmerksam nach der beginnenden Jagd lauschen, langsam schlenderte nun Steven nach dem Baume, an dem mit langen Lassos die Hunde gebunden waren; ohne sich um die ihn mißtrauisch anglotzenden Thiere zu kümmern, lehnte er sich an den Stamm, zog aus dem Jagdhemd den Busch Ideodondo und theilte ihn in zwei Theile, einen jeden mit einem Lederstreifen an die Riemen bindend, welche die Hunde hielten. Dann brach er dürre Aestchen ab, entzündete ein kleines Feuer und ging ruhig seines Weges, bestieg nach einigen gleichgültigen Worten mit Bob sein Pferd und stieß bald zu seinen Gefährten, Brown das gelungene Werk erzählend.

Es hätte einfacher geschienen, wenn Steven die Kräuterbündel entzündet, an die Lassos gebunden und diese durchschnitten hätte, allein der schlaue Mann wußte nur zu gut, daß die Hunde, so zu sagen noch nicht ihres Verstandes beraubt, augenblicklich ihre Herren aufsuchen würden. So aber war das kleine Feuer mit so richtiger Berechnung entzündet, daß es den Ideodondo in Brand setzte und gleichzeitig die Lassos langsam verkohlte. Die von dem widerwärtigen Gerüche verwirrten Thiere geriethen vollends außer sich, als sie ihm nicht entfliehen konnten und als endlich die durchgesengten Riemen ihrem wüthenden Zerren wichen, stürzten sie wie unsinnig in die offene Prairie, zu ihrem Entsetzen folgte ihnen auch hierher der sinnebetäubende Gestank, da an den nachschleppenden Lassoenden die angeknüpften Ideodondobüschel durch den Luftzug erst recht brannten. –

Mißmuthig kehrte George am Abende wieder zurück, er hatte die ganze Umgegend in weitem Kreise durchsucht, aber nicht einmal eine Spur der ihm so werthvollen Thiere gefunden, er mußte sich also sagen, daß die Hunde für ihn verloren seien, wenn sie morgen oder spätestens übermorgen, wo das Lager abgebrochen und die Verfolgung Preston's begonnen werden sollte, nicht zurückgekehrt seien.

Verdrießlich warf er sich auf einen Haufen Felle und von dem langen Ritt ermüdet, war er bald in tiefen Schlummer gesunken, aus dem er plötzlich durch einen schweren, auf ihn springenden Körper unsanft geweckt wurde; erschrocken fuhr er in die Höhe und blickte in die glühenden Augen eines großen Thieres, dessen gelbe Gestalt er für einen Wolf hielt, und schon wollte er diesem das Jagdmesser in die Rippen stoßen, als er zu seiner großen Freude Trust erkannte. Das treue Thier mußte die vier Tage, die es abwesend gewesen war, gelaufen sein, denn es war kaum im Stande, sich bis zum Bache zu schleppen und den brennenden Durst zu stillen. Bei näherer Untersuchung erwiesen sich auch die Hufe blutrünstig und es war kaum satt zu machen; mit wirklicher Zärtlichkeit bereitete George dem treuen Hunde dicht neben dem seinigen ein weiches Lager, auf dem er sich auch sofort ausstreckte.

Am nächsten Mittag kam endlich der wachehabende Comantsche zum Lager gesprengt und verkündete, daß die erwarteten Brüder im Anzuge seien, und nach einiger Zeit sprangen vierzig kräftige Indianer von den schäumenden Rossen, an deren Sätteln je ein Maulthier durch lange Riemen befestigt war.

William's Herz schlug vor Freude, als er endlich die Verstärkung sah und als der Häuptling die neu Eingetroffenen mit kurzen Worten die Fremden vorstellte und ihnen erzählte, was William, George und der Neger für sie schon gethan, während er rücksichtsvoll Brown als einen erst kürzlich zu ihm gestoßenen Jäger bezeichnete, da wollte das unter den Rothhäuten allgemein übliche Händeschütteln kein Ende nehmen und vor Allem preßte William mit lobenswerthem Eifer die Hände seiner neuen Bundesgenossen.

Noch am selben Tage wurde großer Rath gehalten und beschlossen, daß die Pantherkatze mit dreißig auserlesenen Kriegern die Verfolgung Preston's übernehmen solle, die übrigen aber sollten an dem Platze verbleiben, bis die gesammelten Häute vollständig zubereitet seien und Arrita's rasch vorschreitende Genesung einen Transport ohne Bedenken zulasse. Noch saßen die Indianer in eifriger Berathung, als ein einzelner Reiter am Horizonte sichtbar wurde, welcher im rasenden Laufe seines Pferdes bald die Lagerwache erreichte, einige Worte mit derselben wechselte und dann aus dem Sattel sprang. Wenig Augenblicke später theilte der Ankömmling die Büsche und vor die erstaunte Versammlung trat, eine blutige Binde um die Schläfe, »die Antilope« verneigte sich ernst vor dem Sachem und ließ sich still auf die Fersen nieder.

»Mein Sohn ist früher zurückgekommen, als ich gewünscht!« sprach nach einer Pause der Häuptling. »Was hat den Kopf seines Pferdes rückwärts gelenkt?«

»Wie der Pfeil von der Sonne,« begann der junge Indianer, »flog der Falke, gefolgt von der Antilope, den klaren Fährten des bleichen Mannes nach. Trotz des großen Vorsprungs, fanden wir schon am anderen Tage an einem Platz, wo die Fliehenden gelagert, glühende Asche, wir wußten nun, sie waren nicht mehr fern.«

»Weiter flogen unsere Pferde, und als das bleiche Licht sich über die Berge hob, hatten wir bereits den kleinen Berg mit Balsamtannen erreicht, den ihr Alle kennt. Nur kurze Rast gönnten wir den müden Thieren und mit dem Sonnenball begannen wir unseren Ritt. Mühsam drängten wir die Pferde durch das dichte Unterholz, um vom Gipfel des Hügels eine weite Uebersicht zu gewinnen, da, am Rande des Biberbaches, wo er seinen Lauf, die Prairie verlassend, nach dem Rio Pecos wendet, erblickten wir ein großes Lager!«

»Wir mußten wissen, wer es errichtet und als es dunkelte, schüttelte »die Antilope« seinem Bruder »dem Falken« die Hand und durch das hohe Gras eilend, erreichte ich den Bach, von dessen hohem Ufer gedeckt ich weiter schritt; da, an einer plötzlichen Biegung, stand auf ihre Büchse gelehnt eine Wache.«

»Ich wußte, ich war entdeckt, wäre ich zurückgesprungen, hätte ich mich verrathen und der Weiße hätte durch das Abfeuern seiner Flinte das Lager geweckt.«

»Die Antilope aber ist tapfer und klug und als die Wache im ärgerlichen Tone mir zurief:

»Was will der verwünschte Apache?« richtete ich mich furchtlos auf und bat in gebrochenem Englisch, mir die Hand zu reichen, da ein geschundener Fuß mich am Erklimmen des steilen Ufers hindere. Sie thats, beugte sich zur Antilope nieder, die den Arm des Thoren ergriff und ihn zu sich herabriß.

»Wenn der Weiße einen Laut von sich giebt, durchstoße ich ihm das Herz,« flüsterte ich dem Erschrockenen zu, doch wenn er sein Leben retten will, so antworte er auf meine Fragen mit ungespaltener Zunge: »wer lagert dort?«

Ein erstaunter Blick zeigte, daß der Mann noch immer glaubte, ich gehöre zum Lager, doch sprach er endlich:

»Wer? das ist nicht leicht zu sagen, Weiße und Neger, braune und rothe Gesellen!«

»Wie nennen sie sich?«

»Sie erfreuen sich des Rufes – Prairieräuber zu sein!«

»Wie viel sind es?«

»So etwa dreißig Mann!«

»Was thun sie hier?«

»Ihr Anführer wollte ein Mädchen befreien, er hatte es nicht nöthig, das Täubchen flog allein ihm zu, das heißt, gefolgt von drei weißen Jägern.«

»Wie heißt der Anführer?«

»Jean – der Mulatte!«

»Wohin will er sich wenden?«

»Das ist noch nicht klar, später nach dem Rio Grande, doch erst haben wir noch einen kleinen Spaß vor, wir wollen den Comantschenhunden einen Besuch abstatten.«

»Du auch?«

»Sicher! wenn es gegen die Rothhäute geht, habe ich noch nie gefehlt!«

»Diesmal aber fehlst Du,« knirschte ich, den Hals des Feindes fester umklammernd. »Du brauchst nicht zum Comantschen zu gehen, er steht vor Dir, – Du willst ihn bekämpfen? und bist besiegt, bevor Du ihn gesehen.«

»Und ehe der Ueberraschte sich von seinem Erstaunen erholen konnte, stieß ich ihm das Messer in's Herz, seinen Kopf gleichzeitig unter das Wasser tauchend, um jeden Seufzer, jeden Schrei zu ersticken. Sein Scalp aber schmückt den Comantschenkrieger, dessen Schritt er nicht gehört, dessen Schlauheit er nicht gewachsen war!«

Unter den lebhaftesten Beifallsworten seiner Stammesbrüder setzte sich der junge Indianer nieder und die Pantherkatze überschüttete den tapferen Jüngling mit Lobsprüchen, dann frug sie:

»Wie gelang es meinem Sohne, das Lager zu verlassen und woher kommt das Blut an seiner Stirn?«

»Die Räuber der Prairie waren nicht im Stande den leisen Schritt der Antilope zu hören, sie verließ unangefochten das Lager und eilte in gerader Linie zum Falken, bestieg ihr Roß und jagte hierher, ohne Rast und ohne Aufenthalt; dreimal stürzte der Mustang zusammen, das letzte Mal die Antilope auf eine scharfe Wurzel schleudernd, doch bald war das Blut gestillt und weiter zwang ich das erschöpfte Thier.

»Der Falke aber ist ein weiser Krieger, er folgt allein den Räubern, deren blöde Augen ihn nicht entdecken werden!«

Der laute Beifall, welcher auf's Neue dem kühnen Späher zu Theil wurde, verstummte erst, als der Häuptling sich erhob.

»Mein Sohn war tapfer und schlau! Er ist ein großer Krieger, trotz seiner Jugend; er wird das Vertrauen rechtfertigen, daß der Sachem in ihn setzt, er mag die Führung derer übernehmen, die hier bleiben, er mag die reiche Beute an Fellen glücklich zu Hause bringen, er mag über das Liebste bewachen, was die Pantherkatze besitzt und kehrt er heim zu unserem Dorfe, so soll er alle Jäger sammeln, die nach unserem Weggange von dort noch eintreffen werden, und als deren Anführer soll er unseren Fahrten folgen–zum Lohn seines Muthes und seiner Umsicht.«

»Meine Brüder aber,« wandte er sich mehr zu William und George, »müssen ihre Ungeduld noch bemeistern, wir müssen heim zu unserem Dorfe, um uns zu rüsten, das wird kein bloßer Kampf, sie werden es sehen – das wird Krieg.

»Die Prairieräuber werden versuchen sich mit den Apachen zu verbinden, die das Kriegsbeil mit Jedem vergraben, der seine Hilfe zu einem Zuge gegen die Comantschen reicht. In wenig Tagen haben wir doppelt so viel Feinde zu bekämpfen, als heute, doch ist es vielleicht besser, wenn ein Beobachtungscorps zu dem Falken stößt, meine Söhne mögen sich darüber berathen!«

Verschiedene Krieger erhoben sich nun nach der Reihe und sprachen ihre Ansichten in klarer Weise aus; Jeder wurde ohne Unterbrechung aufmerksam angehört. Nach längerer Berathung beschloß man einmüthig, daß am nächsten Morgen achtzehn mit Flinten bewaffnete Krieger, unter George's Führung, den von der Antilope genau beschriebenen Weg verfolgen, zu dem Falken stoßen und die Bewegungen der Prairieräuber beobachten sollten.

Zu gleicher Zeit nahm die Pantherkatze von Arrita Abschied, bestieg ihr Pferd, auf das sie auch den Knaben gesetzt, und gefolgt von nur zwei Kriegern, dem Neger, Brown und William, welcher sich kaum aus George's Armen reißen konnte, ritt sie ab. Lange noch blickte William dem sich rasch entfernenden Schecken seines Freundes nach, welchen Trust lustig, in langen Bogensätzen umsprang, dann gab auch er dem unruhig scharrenden Rappen die Zügel und hatte in kurzer Zeit den Häuptling eingeholt.

Ununterbrochen ritten sie in steter Nordwestlicher Richtung, bis am Mittage des vierten Tages der Häuptling sein Pferd anhielt und die beiden Krieger voraussandte, seine Ankunft im heimathlichen Dorfe zu verkünden. Nach kurzer Rast brach die Pantherkatze wieder auf und in freundlichem Gespräche mit William zog sie langsam am Rande eines Waldes hin, der jetzt von einer Biegung des Flusses durchschnitten wurde. Mit einem Ausrufe des Erstaunens hielt William sein Pferd unwillkürlich an, und in der That ein reizendes Bild bot sich seinem Auge dar; am jenseitigen Ufer endete der Wald und in wellenförmigen Linien breitete sich in unabsehbarer Weite eine herrliche Prairie aus, in deren üppigem Gras starke Heerden, Pferde und Maulthiere, sich gütlich thaten. Der einen spitzen Winkel, bildende Fluß aber umspühlte auf der durch ihn gebildeten Halbinsel einen mit einzelnen Bäumen gezierten, etwa eine knappe halbe Quadratmeile großen Hügel. Hier stand das Dorf der Pantherkatze. Der außerordentlich günstig gewählte Platz war durch doppelte Pallisadenreihen für indianische Verhältnisse ungewöhnlich stark befestigt und unter den riesigen Baumwipfeln standen freundliche Hütten, von Rohr und Büffelhäuten errichtet, hin und wieder mit festen Blockhäusern untermischt, deren dauerhafte Arbeit und einige Bequemlichkeit versprechende Größe William angenehm überraschte; doch konnte er dem Häuptling einige anerkennende Worte nicht aussprechen, da er alle Aufmerksamkeit seinem Pferde zuwenden mußte, das soeben hinter dem weißen Mustang die schmale Furth betreten hatte.

Als die Pferde das jenseitige steile Ufer erklommen hatten, sahen die Reiter einen langen Zug von Frauen und Kindern, Männer zu Fuß und zu Pferde, welche durch die vorausgesandten Boten von den letzten Ereignissen unterrichtet, dem geliebten Sachem entgegenzogen, um ihm ihre Theilnahme zu beweisen und seine Gäste zu begrüßen.

Wieder erregte die Sauberkeit der Anzüge, das anständige Benehmen der Näherkommenden William's Verwunderung, der überhaupt schon vielmals mit George über das halbcivilisirte Auftreten der Indianer und deren Kenntniß der englischen Sprache gesprochen hatte, ohne den Hebel zu diesem geistigen Aufschwung gefunden zu haben; jetzt sollte er endlich die Lösung des Räthsels erfahren.

Der Zug hatte unter den lebhaftesten Willkommensrufen die mittlere Zeltgasse durchschritten und einen großen, von Bäumen eingefaßten Platz erreicht, der bei wichtigen Gelegenheiten als Versammlungs- und Berathungsplatz diente. Die ganze Front nahm ein langer, niederer Schuppen ein, welcher die Schätze des Dorfes: Häute, Waffen, Zaumzeug, Proviant und Schießbedürfnisse barg, rechts und links standen zwei geräumige Blockhäuser, deren eins der Häuptling als seine Wohnung bezeichnete; hier nahm er mit freundlichen Worten von seiner Begleitung Abschied und sprach dann zu William, Brown und dem Neger:

»Meine Brüder mögen die schlichte Hütte des rothen Mannes als ihr Eigenthum betrachten, sie ruhen sich aus von dem langen Ritte, und möge ihr Eintritt meinem Wigwam Glück bringen; ich aber muß auf kurze Zeit mich entfernen, doch bald werde ich wieder bei Euch sein.«

»Aber erst gestatte mir noch eine Frage!« bat William. »Wo ist der Vater des jungen Mädchens, der sich hier als Geißel gestellt hat?«

»Obgleich er ein Bruder des bleichen Mannes ist,« war des Comantschen Antwort, »ist doch sein Herz ein anderes; er hat sich bald die Liebe der rothen Jäger erworben und ist jetzt mit mehreren derselben auf einem größeren Jagdzug in der Prairie begriffen. Wenn »die Antilope« unseren Spuren folgt, wird der Vater des Mädchens mit dem goldenen Haar dabei sein! Doch verzeih – ich muß Dich verlassen.«

Mit diesen Worten übergab er seinen Knaben einer seiner Frauen, deren er, wie jeder Indianer von Ansehen mehrere hatte, und befahl den anderen Weibern auf das Beste für seine Gäste zu sorgen.

Das unterwürfige Wesen dieser Frauen stach aber bedeutend gegen Arrita's Frohsinn ab, und bewies, daß die Pantherkatze wohl der Sitte ihres Stammes gehuldigt, aber das Herz nur einmal gesprochen hatte.

Brown und der Neger beschlossen im Freien, bei den Pferden, zu bleiben und nur William betrat die Wohnung des Häuptlings.

Das innere des Blockhauses, welches nur zwei Räume hatte, war mit herrlichen Fellen der verschiedensten Thiere ausgeschlagen und überall waren Waffendecorationen angebracht; das Mobiliar war selbstverständlich im höchsten Grad gering und bestand nur aus einer Art Truhe, einigen Schemeln und einem breiten Lager, über welches das Fell eines Bären gebreitet war; auf dieses ließ sich William nieder und versank in tiefes Sinnen.

Da legte sich eine Hand auf seine Schulter und die Pantherkatze sprach freundlich zu dem Aufschreckenden:

»Ist mein Bruder müde, oder sang der kleine Vogel in seinem Herzen süße Melodien von der fernen Magnolienblüthe? Doch gedulde Dich, wenn die Sonne zum zweitenmal ihr glühendes Antlitz zeigt, steigt der Sachem mit sechzig der besten Comantschenkrieger zu Pferde und ehe noch die Sichel des Mondes erlischt, folgt »die Antilope« mit einem zweiten Trupp, um das bleiche schöne Mädchen Dir zu erkämpfen!«

Mit inniger Liebe zog William den treuen Freund an seine Brust. »Wie soll ich Dir danken,« begann er mit gerührter Stimme, »für Deine aufopfernde Freundschaft, wie Dir vergelten, was Du für mich thust?«

»Mein Bruder und seine Gefährten erhielten den Comantschen ihren Sachem, dafür folgt freudig jeder Krieger dem Kriegshäuptling, bis das Mädchen mit dem goldenen Haar befreit, bis auch George den Apachenhunden die Mutter und das Mädchen abgerungen, das er liebt.«

»Der Pantherkatze aber habt ihr Weib und Kind gerettet, sie bleibt Euer Schuldner; doch mein Bruder erhebe sich und folge mir, der »Vater der Comantschen,« unser viel geliebtes Oberhaupt will Dich sprechen!«

»Wie?« frug William erstaunt, »bis Du nicht der oberste Häuptling Deines Stammes?«

»Nein! in jedem Dorfe herrscht ein anderer Sachem, doch nimmt bei gemeinschaftlichen Zügen die Pantherkatze den ersten Platz ein und ihrem Schlachtschrei folgt gern jeder Krieger, doch beuge ich mich ohne Zögern der größeren Weisheit unseres Vaters. – Komm! er wartet!«

Gefolgt von dem jungen Manne, überschritt der Sachem den Berathungsplatz und hob die – dem gegenüber liegenden Blockhaus als Thür dienende Büffelhaut, William zum Eintreten winkend; er selbst ließ die Haut fallen und wandte sich nach seiner Wohnung, von wo aus er Boten herumsandte, sämmtliche zerstreute Krieger zu einer Berathung einzuladen.

William aber war sprachlos am Eingange des Blockhauses stehen geblieben, denn vor ihm stand eine edele Greisengestalt, noch ungebeugt, obgleich das Silberhaar, der weit auf die Brust herabwallende blendend weiße Bart, auf ein Alter deuten ließen, das wohl nur wenig Menschen erreichen. Aus dem gefurchten, ehrwürdigen Gesichte strahlten im hellsten Glanz ein Paar tiefblaue Augen, die auf wunderbare Weise stolze Hoheit und liebevollste Milde vereinigten. Ein weites, faltenreiches Gewand aus zart gegerbten Hirschhäuten, das mit indianischer Stickerei zierlich geschmückt war, umgab die imposante Gestalt, während ein weicher Ueberwurf von kostbaren Fellen, das hohe Ansehen seines Trägers verrieth.

Mit klangvoller Stimme bot der Greis dem jungen Manne ein freundliches Willkommen, und geleitete den noch immer Sprachlosen nach einem Ruheplatze, auf dem beide sich niederließen.

»Die Comantschen!« begann der Greis, »versammeln sich zu der Berathung des Feldzuges, wenn es Ihnen genehm, so schenken Sie mir während dieser Zeit Ihre Gegenwart. Ihr Staunen über meine Erscheinung, die Ihnen wohl längst den Weißen verrathen, läßt mich erwarten, daß Sie nicht ungern mit mir plaudern werden und auch ich freue mich gleichfalls, mich mit Ihnen unterhalten zu können, mit Ihnen, von dem die vorausgesandten Boten und vor Allen der Sachem so viel Gutes erzählt!«

»Mein Herr!« sprach William, nach endlich gewonnener Fassung, »ich gestehe Ihnen offen, daß ich mich glücklich schätzen werde, eine Zeit bei Ihnen verweilen zu dürfen, und wollen Sie mein Glück erhöhen, so gönnen Sie mir einige Aufschlüsse über Ihr Leben, das meiner rothen Freunde und, wie ich wohl sicher annehmen darf, des großen und wohlthätigen Einflusses, den Sie auf Letztere ausüben.«

»Gern!« war die freundliche Antwort, »Sie können Mir glauben, daß es auch für mich angenehm ist, meine Gedanken wieder einmal mit einem gebildeten Manne austauschen zu können, denn die weißen Jäger und Händler, die von Zeit zu Zeit uns hier besuchen, sind rohe, ungebildete Menschen, mit denen ich nicht gern verkehre!

Was mich von der Civilisation zurückgescheucht, darüber lassen Sie mich schweigen; es sei genug, wenn ich Ihnen sage, daß mich Schicksalsschläge trafen, so groß, so schwer, wie wenigen Sterblichen beschieden. In England geboren, brachte der eigene Vater mich um mein Hab und Gut, der Bruder verführte mein Weib, die Mutter meiner Kinder, und so traf mich noch vieles, vieles Schlimme.«

»Durch eine Verkettung der verschiedensten Unglücksfälle, kam ich endlich mit den Comantschen in Berührung, ihr freies, ungebundenes Leben sagte mir zu und bald war ich in allen Kämpfen, auf jeder größeren Jagd ihr treuer Begleiter. Mein Muth, die Tollkühnheit, mit welcher ich mein mir werthloses Leben in die Schanze schlug, erwarb mir den Beinamen »Bluthand« und als der Vater des damals fünfjährigen jetzigen Häuptlings der Pantherkatze starb, ward ich von dem Stamme einstimmig zu ihrem Oberhaupte erwählt!

Jahrelang noch war mein Name der Schrecken unserer Feinde, bis eine schwere Krankheit mich auf eine lange Zeit daniederwarf; erst in diesen einsamen Stunden kam ich wieder zur Besinnung, erkannte ich den Werth des Platzes, auf den mich das Geschick gestellt, erkannte, wie unendlich viel Gutes ich für die Indianer, die ich lieb gewonnen, zu thun im Stande sei.

Dreißig Jahre sind seit jener Zeit verflossen und rastlos war ich bemüht, das innere Wohlbehagen der Comantschen zu heben, einen geistigen Aufschwung anzubahnen und wahrlich – mit Befriedigung blicke ich auf mein Werk zurück.

Einmal an feste Wohnsitze gewöhnt, wurde der Stamm leicht auf, wenn auch noch sehr geringe Bebauung der Felder geleitet; ich habe dafür gewacht, daß die gewissenlosen Händler die Comantschen nicht mehr betrogen, nicht Brandy oder Whisky an sie verkauften und bald hieß unser Dorf das glückliche und die dankbaren Indianer nennen mich Jetzt – den Vater der Comantschen!«

»Ich glaube Ihnen,« sprach William, »daß Sie sich glücklich fühlen, erreicht zu haben, was so Vielen mißlungen ist, doch noch war ich Zeuge einer schrecklichen Rachescene und ich fürchte, der wilde Geist der Rothhäute ist schwer zu brechen!«

»Zu brechen?« rief der Greis und seine Augen leuchteten in jugendlichem Feuer, – »zu brechen? dafür bewahre mich Gott. Schauen Sie hin auf die unglücklichen Geschöpfe, die sich civilisirte Indianer nennen und ein elendes Dasein fristen, bei denen all die Tugenden des freien Indianers in die entgegengesetzten Laster umschlugen, eben – weil ihr Geist gebrochen wurde.

Was ich erreicht, habe ich nur vollbringen können, weil ich unter den Indianern selbst Indianer geworden bin, weil ich sie nicht ihren Sitten entfremdet, sondern selbe nur allmälig geläutert habe, weil sie durch mich einen geringen Wohlstand, durch leichte, ihnen sonst so verhaßte Arbeit kennen lernten.«

»Und doch,« warf William ein, »ziehen fort und fort Missionare umher, um das Christenthum zu verbreiten. Sollte das Mühen dieser Männer, sollten die von den Missionsgesellschaften gebrachten großen Opfer denn vergeblich sein?«

»O nein, nein!« unterbrach ihn der Renegat hastig, »und nicht etwa den heiligen Zweck, sondern nur die Art und Weise, wie dieser erreicht und die angewandten Mittel eines großen Theiles dieser umherziehenden Prediger verwerfe ich, oder halte sie, besser gesagt, als unrichtige.

Wohl habe ich unter den Missionaren Männer gefunden, die als wahre Diener Gottes auch mein gealtertes Herz begeistert und erhoben, habe Männer gefunden, die – durchdrungen von ihrem hohen Berufe und dem eigenthümlichen Character der Indianer Rechnung tragend, – schlicht und recht das heilige Wort Gottes gelehrt. Ihre Bestrebungen würden auch sicher von größerem Erfolge gekrönt worden sein, hätten sie sich entschließen können, ihr ganzes Leben der Bekehrung der Rothhäute zu weihen.

Leider sind diese Männer, diese wahren Apostel des Herrn, nur selten und die von ihnen mühsam erzeugten Eindrücke verwischen sich nach dem Scheiden der Missionare mehr und mehr.

Jene Zeloten aber, die in blindem Glaubenseifer zu den einfachen Naturkindern kommen – nicht zu beglücken, sondern Areal für ihre Kirche zu erlangen, jene stiften nur Unheil!

Wie kann man auch glauben, daß ein Mann in der weitesten Bedeutung des Wortes, das verwerfen soll, was seine Vorfahren als das Edelste und Beste betrachtet, nur weil ein Fremder vor ihn hintritt und spricht: Was Du für gut hieltest, ist Sünde, – was Du jetzt als Tugenden gehalten, die Dich nach dem Tode in ein besseres Leben führen sollen – gerade die werden Dich davon ausschließen!

Nein mein junger Freund! Nur Haar für Haar ist hier Boden für die Civilisation zu gewinnen und nicht Worte, nein Thaten müssen sprechen. Fast neunzig Jahre habe ich durchlebt, habe Menschen der verschiedensten Racen, der verschiedensten Glaubensbekenntnisse gesehen und nicht immer waren die Christen die Besten. Ich kann mir auch kaum denken, daß dem großen Geist das Gebet der Christen in der engen Kirche wohlgefälliger ist, als das des rothen Mannes, der bewältigt vor der großartigen Natur in stillem heiligen Waldesschatten das Knie beugt. Gott oder Allah – Jehova oder Manitou, der Geist der dort oben über dem sternenübersäeten Himmel thront, der allein weiß, wer von uns den rechten Weg eingeschlagen – wer nicht! – Der allein weiß es – wir gewiß nicht!«

Hochaufgerichtet stand der Greis vor dem ergriffenen Mann, der jenem schweigend die Hand reichte und sich nicht enthalten konnte – einen warmen Kuß darauf zu drücken.

Da hob sich leise der Vorhang und die Pantherkatze bat in ehrerbietigem Ton: der Vater der Comantschen möge die Beschließungen seiner Söhne anhören und ihnen seinen Rath nicht vorenthalten.

Auf den Häuptling und William gestützt, trat der Alte vor seine Hütte; auf dem von vielen Feuern erhellten Platze lagen etwa hundert Krieger, die sich ehrfurchtsvoll erhoben, als der Greis durch ihre Reihen schritt, um seinen etwas erhöhten Sitz einzunehmen.

Einzelne Redner traten nun auf und theilten ihre Pläne mit, auch die Pantherkatze wiederholte ihren früher gemachten Vorschlag, dem nach kurzem Sinnen der Greis seine Zustimmung gab.

Schon am nächsten Morgen bestiegen sechzig bewährte Krieger, zum Kampfe geschmückt und theils mit Flinten, theils mit Pfeil und Bogen bewehrt. Alle aber den runden Schild am Arm, das Messer und die Streitaxt im Gürtel, die lange Lanze in der sehnigen Faust, ihre ungeduldigen, halbwilden Rosse.

Noch einmal versprach der Vater der Comantschen, die Antilope, so wie dieselbe einträfe, mit vierzig Kriegern nachzusenden, dann schloß er den Häuptling und William in seine Arme, reichte einem jeden der in langer Linie haltenden Krieger – auch Brown und Bob – die Hand, und von der Pantherkatze und William geführt, von den Segenswünschen der ganzen Dorfschaft geleitet, brauste die Schaar davon; jetzt, durchritten sie die Fuhrt, jetzt verbarg auch den Letzten der wilden Reiter der jenseitige Wald, und unaufhaltsam ging es weiter – nach Westen – zum Kampfe!


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