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Achtes Kapitel

Die dürre Steppe. – Der Prairiebrand. – Der weiße Büffel. – Preston's Flucht.

Tiefe Ruhe lag noch auf dem kleinen Lager der Comantschen und ihrer Begleiter, als des Häuptlings Stimme die Schläfer weckte.

»Auf! meine Brüder.« rief er den Horizont prüfend, »auf, daß die emporsteigende Sonne uns auf dem Wege findet, es wird ein drückend heißer Tag und wir haben zwei Tagemärsche vor uns, ehe wir auch nur einen Tropfen Wasser, ehe wir Schatten finden! Meine Söhne mögen die Wasserschläuche füllen und die Rosse satteln. Der bleiche Mann aber,« wandte er sich an Preston, »thue wie er versprach. Er gebe die Flinten, Decken, Pulver und Kugeln meinen Kriegern, bepacke die vier Maulthiere und verbrenne den Wagen!«

Nur wiederstrebend hatte der Mormone am verflossenen Abende, auf des Indianers Drängen endlich seine Zustimmung gegeben, den Wagen im Stiche zu lassen und die versprochenen Geschenke zu vertheilen, jetzt aber zögerte er, als er sein Versprechen erfüllen sollte. Doch was half's? Des Comantschen ungeduldiges Auge ruhte fest auf ihm und mit möglichst unbefangener Miene befahl Preston den Trappern die Maulthiere mit Allem, was er zur Bequemlichkeit für die Reise bestimmt hatte, zu belasten. Das eine trug ein aus geöltem Segeltuch gefertigtes Zelt, das zweite eine Masse Päckchen, welche sämmtlich mit allerlei Tand angefüllt waren; Messer, Glasperlen, bunte Tücher und andere für die Indianer werthvolle Kleinigkeiten, bildeten zwei ansehnliche Bällchen. Die beiden übrigen Maulthiere trugen Proviant und Munition, die in Felle eingehüllt, in je zwei Packen zu den beiden Seiten der kräftigen Thiere herabhingen. Der Wagen war nun leer; auf einen Wink Preston's trugen die Trapper Feuerbrände an die Räder und bald leckten die gierigen Flammen an dem trockenen Baue empor. Der Mormone vertheilte nun die versprochenen Waffen unter die Indianer, deren wilde Gesichter ein triumphirendes Lächeln überzog, als jeder eine Büchse nebst Pulverhorn, Kugelsack und eine, bunte Wollendecke erhielt.

Nichts hielt jetzt die Reisenden mehr auf, ihre gefahrvolle und mühselige Wanderung zu beginnen. Von der Pantherkatze zu steter Eile angetrieben, saßen auch bald Alle zu Pferde und zogen im rüstigen Paßgang der Thiere tiefer in die sich unabsehbar nach Nord-West ausdehnenden Prairien. Die Sonne stand glühend über den in Schweiß gebadeten Reitern, die lautlos in indianischer Reihe hintereinander ritten und auch an den Pferden und den Maulthieren floß der Schweiß in Strömen herab; nur der Häuptling und sein milchweißes Pferd war noch so frisch wie am Morgen, obgleich der glühende Feuerball jetzt senkrecht herabbrannte. Eine kurze Frist nur gönnte der unermüdliche Comantsche seinen Gefährten, welche kaum abgestiegen, sich hinter die Pferde setzten, um nur etwas Schatten zu erhalten. Keiner der Weißen war im Stande das einfache Mahl der Indianer zu theilen, ein Trunk Wasser aus den Schläuchen war ihr einziges Labsal, und viel zu früh ertönte ihnen des Häuptlings Mahnung zum Aufbruche; erst bei hereinbrechendem Abende sank die entsetzliche Hitze und mit Behagen sogen die Reisenden die kühlere Luft ein.

Mit Freuden wurde des Häuptlings Ruf: Halt zu machen und das Lager aufzuschlagen, befolgt und vor allen Dingen die Last- und Reitthiere des Zaumzeuges entledigt, die nun ihre müden Glieder auch sogleich in das dürre Gras niederfallen ließen. Ein Feuer aus Büffeldung war rasch entzündet, an dem bald einige Prairiehühner brieten, doch wollte unter den erschöpften Reisenden kein rechtes Gespräch in Gang kommen – nur Marie und William saßen flüsternd auf der Haut des schwarzen Jaguars. Des Häuptlings strahlendes Auge ruhte mit sichtbarem Wohlgefallen auf dem jungen Paare und sich zu dem schönen Mädchen niederbeugend, frug er teilnehmend:

»Hat der sengende Strahl der Sonne die Magnolienblüthe sehr belästigt?«

»Nein!« antwortete Marie freundlich. »Der Schirm, den ich der Fürsorge meines Onkels verdanke, milderte die brennende Hitze!«

»Uah!« mischte sich der Falke in das Gespräch, »das wandernde Zelt ist große Medizin!« Die Indianer nennen Alles, was ihnen unbegreiflich erscheint, oder dessen Construction sie frappirt »Medizin«. Und wieder ging der Schirm, welcher schon großes Interesse beim Aufbruche erregt hatte, von Hand zu Hand.

»Meine Schwester lege sich zeitig nieder,« sagte nach einer kurzen Pause die Pantherkatze, »ein beschwerlicher Marsch steht uns morgen bevor, für den Menschen und Thiere die ganzen Kräfte brauchen werden.«

»Eine erfreuliche Aussicht, über die ich sehr entzückt bin!« brummte George. »Was Teufel ist diese Prairie nur so verwünscht öde und dürr, während Ihr Euer Land doch stets so herrlich geschildert?«

»Der große Geist ist weise!« antwortete ernst der alte Falke, »wenn unser Bruder in wenig Tagen die dürre Steppe überschritten hat, wird er sehen, daß die rothen Krieger mit Recht auf ihr Land stolz sein können. Der Weiße haßt die dürre Steppe, während der Comantsche dem großen Geiste dankbar für sie ist, obgleich er sie fürchtet.«

»Dankbar für diese Einöde?« höhnte Preston, »na, ihr seid wenigstens sehr bescheiden.«

»Der bleiche Mann aber sehr kurzsichtig,« war des alten, grimmigen Kriegers keineswegs freundliche Antwort, »wäre das Land, so weit er blicken kann, nicht öde und ohne jedes Wild, als wenige Hühner, – sondern üppig und wildreich, der habgierige Weiße hätte längst die Comantschen von der Stätte getrieben, wo die Gebeine ihrer Väter in heiliger Erde schlummern!«

Immer stiller ward es am Lagerfeuer und kein Geräusch störte die Müden. Kein Laut, als das Schnauben der Pferde erklang in der weiten Natur, kein Lüftchen ließ das dürre Gras knistern, jetzt erlosch auch das Feuer und der aufsteigende Mond fand nur Schläfer. Doch dort, wo die Pferde angepflöckt waren, stand wie ein Bild aus Erz ein Comantschenkrieger an seine zwölf Fuß lange Lanze gelehnt und wachte für die Sicherheit des Lagers.

William hatte zwar versichert, eine Wache sei unnöthig, die Hunde seien ausgezeichnet, doch die Pantherkatze hatte kopfschüttelnd geäußert:

»Die Hunde sind gut! doch – sie kennen die Prairie nicht.«

Noch zitterte das Licht des Mondes auf der todten Landschaft, als die Maulthiere wieder beladen, die Rosse schon wieder bestiegen wurden und weiter ging es durch die immer trostloser werdende Oede.

Das Gras, das im Frühsommer wenigstens vier Fuß hoch emporsteht, war von der Sonnenhitze abgestorben, in sich zusammengesunken und lag in langen Büscheln über den steinhart gewordenen Boden darnieder, handbreite tiefe Risse des letzteren und die Rankengewächse verbergend, in denen die Pferde hängen blieben oder in die Risse versanken. Bald ward der Marsch so beschwerlich und Menschen und Thiere so erschöpft, daß George und William um Marie's Willen eine kurze Rast erbaten; aber unerbittlich trieb der Comantsche zur Eile an, seine einzige Antwort war bis jetzt nur gewesen:

»Fort! Fort! heute Abend könnt Ihr Euch erholen, die müden Glieder im klaren Bache erquicken.«

»Zum Teufel, das ist ganz schön!« brummte George, »aber laßt uns dennoch ruhen, ich kann nicht weiter. Was schadet es auch, wenn wir etwas später das gelobte Land erreichen? wir kommen doch gebraten an! Warum drängt Ihr also?«

»Fort, die Luft ist nicht gut, ich rieche Gefahr!«

»Riechen?« grinste Bob! »Das sein merkwürdig, ich nichts riechen kann, denn meine Nase sein über und über voll Staub!«

Und wieder stöhnten die müden Rosse über die dürre Fläche, von ihren unbarmherzigen Reitern zur immer größeren Eile angestachelt; nur des Häuptlings Roß trug noch den Kopf erhaben und stolz wehten die langen Mähnen, der prächtige Schweif, des edelen Thieres Sporn war allein das Wort seines Herren, der endlich das ersehnte Wort – Halt! – ertönen ließ.

Auf des Häuptlings Bitte wurde von Preston eine ziemliche Quantität Whisky, welches eines der Maulthiere in einem Fäßchen trug, vertheilt und die Beine sämmtlicher Pferde tüchtig damit abgewaschen, ihnen auch eine Wenigkeit eingeflöst. Zur großen Freude der Lagernden erhob sich jetzt auch der Wind und eine Wolke brach die sengenden Sonnenstrahlen, daß sie meinten nun recht behaglich ruhen zu können. Nur die Pantherkatze war rastlos bemüht, bald den Horizont zu prüfen, bald die immer unruhiger werdenden Thiere zu beobachten; jetzt trat sie zu ihrem Hengst, saß auf und ritt eine Strecke nach links, wo ein einzelner kleiner Hügel eine bessere Aussicht über die glatte Fläche bot. Dort hielt der Sachem eine kurze Zeit, dann wandte er sein Roß und flog in tollster Carriere zu den Lagernden, welche deutlich in dem erregten, sonst so ruhigen Gesicht des Heranjagenden eine nahende Gefahr erkannten; noch war der Comantsche eine Strecke entfernt, als den jetzt aufgesprungenen Gefährten sein Donnerruf in die Ohren dröhnte:

»Auf, auf! Die Prairie steht in Flammen!«

Entsetzen ergriff die Wanderer, als sie gen Süden den ganzen Horizont umdüstert sahen. In toller Hast wurden die Pferde bestiegen und fort ging es wieder über die dürre Fläche in sausendem Galopp. Die kurze Rast, das Einreiben der Füße hatte den Thieren wohlgethan, und die von ihrem Instinkt geahnte Gefahr trieb sie zu so wahnsinniger Eile, daß die Maulthiere bis auf eines in kurzer Zeit zurückblieben, und schon wollte Preston sich wenden, um die Nachzügler anzutreiben, aber des Häuptlings eisiges Wort:

»Der bleiche Mann lasse Hab und Gut fahren und danke seinem Gotte, wenn er das nackte Leben rettet,« trieb auch ihn weiter.

Die Prairie, deren trostlose Oede ihr den Beinamen, die dürre Steppe zugezogen, auf der bis jetzt nur die kleine Caravane sichtbar gewesen, wurde jetzt wie von Geisterhand belebt. Erst zogen einzelne Hirsche an den toll Dahinsprengenden vorbei, doch in wenigen Augenblicken wimmelte die weite, weite Fläche von Tausenden fliehender Thiere, welche wohl im Anfange furchtsam die Nähe der Menschen mieden, doch überwand die gemeinsame Gefahr diese Scheu und schon drängten sich die Thiere zwischen den Reitern durch.

Ein entsetzlich schöner Anblick bot sich den Augen der Reiter dar, Hirsche und Antilopen, ja einzelne Büffel und wilde Pferde jagten schnaubend dahin und zwischen ihnen hindurch drängten sich friedlich deren grimmigste Feinde, der Bär, der Panther und ganze Rudel gelber und weißer Wölfe – von einem Impulse geleitet, von einer Gefahr in rastloser Hast nach Norden getrieben.

Und hinter der wildwogenden Schaar thürmten sich haushohe Rauchwolken, aus denen die scheu Zurückblickenden hie und da gierige Flammen hervorlecken sahen; die Luft wurde immer drückender, Menschen und Thiere zogen bei jedem Athemzuge Rauch in die erhitzten Lungen. Staub und Asche, von den unzähligen Hufen aufgerührt, wirbelten in der Luft und fester preßten die Reiter die Flanken ihrer Rosse, wenn sie gewahrten, wie an vielen Stellen ermattete Thiere stürzten und im nächsten Augenblick von dem nachstürmenden Troß zerstampft wurden.

Da zerriß ein Windstoß den dichten Schleier von Staub, Rauch und Asche, und ein Freudenschrei flog von jeder Lippe, denn dort, freilich noch in weiter Ferne, schimmerte das silberne Band eines Baches, überragt von hohen schlanken Bäumen. Eine Secunde lang nur zeigte sich das freundliche Bild, doch Hoffnung zog in die mächtig klopfenden Herzen und auch der Instinkt der Thiere hatte diesen die Rettung ahnen lassen, das bewies die schnelle Wendung sämmtlicher fliehender Geschöpfe nach links, das bewies die erneute Kraftanstrengung der ermatteten Pferde.

Des Häuptlings lauter Ruf überschaute das wilde Getöse, und die Reiter wandten ihre Rosse nach derselben Richtung, wohin der allgemeine Strom sich gedreht, doch auch das Feuer kam mit rasender Geschwindigkeit heran und schon tauchten kleine züngelnde Flämmchen unter den Hufen auf: der Rauch überwogte bereits in dichten Massen die fliehende Schaar und keiner der Reiter war mehr im Stande den Nebenmann zu erkennen. William's Rappe hatte seinen Reiter schon längst an die Spitze der Colonne getragen und der junge Mann war nicht im Stande, den wilden Hengst wieder unter die Gewalt der Zügel zu bekommen, doch hatte er früher beim Zurückblicken gesehen, daß George die Sorge für Arrita übernommen, auch deren Knaben mit auf sein Pferd gesetzt, er hatte gesehen, daß der Häuptling dicht neben Marie dahersprengte und überzeugt, daß dieser das theuere Mädchen nicht im Stiche lassen würde, überließ er sich dem Instinkte seines Rappens. Er hatte sich auch nicht in seinem rothen Freunde getäuscht, der fort und fort die Eile seines Pferdes mäßigen mußte, um nur neben dem jungen Mädchen bleiben zu können, dessen erschöpftes Pferd immer langsamer lief. Da that es einen Fehltritt, stolperte und hätte seine Reiterin sicher unter die Hufe der nachstürmenden Thiere geschleudert, wenn des Indianers eiserne Faust nicht die entsetzt Aufschreiende am Gürtel erfaßt und vor sich auf den Sattel des eigenen Renners geschwungen hätte. Fest hielt der wilde Krieger das halbohnmächtige Mädchen an die braune Brust gepreßt, unter der ein so treues, edeles Herz schlug und dem flüchtigen Roß nun den Zügel überlassend, feuerte sein grimmiger Schlachtschrei das wackere Thier zur rasendsten Eile an. Wie ein Pfeil flog es mit der doppelten Last dahin, sich durch Rudel Wild Bahn brechend und gestürzte Thiere im weiten Sprunge überfliegend. Deutlicher hoben schon die Bäume in der Ferne die riesigen Blätterkronen über die Staubwolken, als die Pantherkatze einen Moment das wild dahinstürmende Roß, mit Aufbietung aller Kräfte, anhielt und einem fernen, rollenden Gebrause lauschte; ein finsterer Schatten flog über das broncene Gesicht, ein tiefer Athemzug schwellte die Brust, als er sich zu Marie herabbeugte und sprach:

»Meine Schwester setze sich aufrecht und halte sich fest an den Mähnen, die Pantherkatze muß sie verlassen.«

»Mich verlassen? Um Gotteswillen warum?«

»Die Gefährten der Magnolienblüthe sind längst in Sicherheit, wir sind die Letzten. Die Kraft des weißen Rosses erlahmt, allein trägt es meine Schwester sicher davon!«

»Was aber wollt Ihr beginnen?«

»Dicht hinter uns folgt das eine Maulthier, seine Muskeln sind von Stahl, der Häuptling wird das Gepäck abschneiden und dessen Rücken besteigen!«

Ehe das Mädchen nur eine Sylbe erwidern konnte, rief der Comantsche:

»Halte fest!« und vom Pferde herabgleitend, ergriff er im selben Augenblicke den Halfter des Maulthieres, das wirklich mit erstaunlicher Geschwindigkeit, trotz des schweren Packsattels, dicht auf ihren Fersen geblieben war; das Pferd aber fühlte kaum sich der Last des Indianers enthoben, als es mit der leichten Mädchengestalt eiligst davonjagte.

Der wackere Comantsche aber wußte nur zu gut, daß sein Roß Beide aus der neuen Gefahr nicht retten könne, welche ihm sein scharfes Ohr verrathen, noch daß ihm die Flucht auf dem Maulthiere glücken würde, er nahm sich auch nicht die Mühe, dasselbe seines Gepäckes zu entledigen, sondern drängte sich nur, das heftig sträubende Thier am Halfter haltend, quer durch die Masse der fliehenden Thiere, um aus dem Hauptstrome zu kommen. Jetzt erreichte er einen freieren Fleck und ein einziger Streich des Tomahawks streckte das Maulthier todt darnieder; was nun von Wild in des Indianers Nähe kam, fiel von dessen Streitaxt und wurde von ihm zu einem kleinen Walle aufgethürmt, hinter den er Büffeldünger und dürres Gras schleppte; dann eilte er dem sich rasch näher wälzenden Feuer etwa dreißig Schritt entgegen und brannte das Gras dem Walle zu ab. Nun war er wenigstens vor dem Feuer sicher, welches auf der von ihm abgesengten Fläche natürlich keine Nahrung finden konnte, vor dem Rauch und der glühenden Asche sollte ihm die wollene Decke schützen, über die er alles Wasser ausgegossen, das er bei sich führte, seinen ausgetrockneten Lippen nur eine geringe Labung gönnend; der umsichtige Mann hatte Alles gethan, was er für seine Rettung vermochte und auf seine Büchse gelehnt, starrte er mit hervortretendem Auge in das Weite. Nach dem Feuer? nein, aber dorthin, woher sich eine dichte dunkele Masse, – eine Heerde Büffel näherte, die in geschlossenen Gliedern dahergebraust kam. Alles zerstampfend, was unter ihre Hufe gerieth und seien es die eigenen Gefährten, die ein Fehltritt zum Sturz brachte. Die Erde erzitterte unter dem Tritte der wilden Massen, und selbst des Indianers muthiges Herz erbebte, als er die zahllosen Colosse auf sich zustürmen sah, als er deutlich aus den wogenden Mähnen die Hörner drohen, die kleinen heimtückischen Augen funkeln sah. Die heranbrausende Heerde mußte in wenig Minuten den kleinen Wall der Pantherkatze erreicht haben, machte aber noch immer keine Miene, denselben zu umgehen, da erhob der Indianer die Büchse und im nächsten Augenblick sank ein alter Bulle, durchs Auge geschossen zusammen; nur einen Moment stutzte die braune Masse, flog dann auseinander und der Häuptling, wissend, daß er verloren sei, wenn die Büffel sich wieder schlössen, entzündete mit Blitzesschnelle den aufgeworfenen Haufen. Ein entsetzliches Brüllen erscholl, als sie das gefürchtete Element nun dicht vor sich auflodern sahen, da ergriff der Comantsche das Fäßchen Branntwein und schleuderte es in die Flammen; augenblicklich erfolgte eine prasselnde Explosion, eine schlanke blaurothe Feuersäule lohte empor und von panischem Schrecken erfaßt, prallten die mächtigen Geschöpfe auseinander – und über die Körper der zerdrückten Gefährten hinweg, brachen sie in zwei Strömen rechts und links vom Lager des kühnen Indianers aus ihrem bisherigen Course.

Viele, viele lange Minuten rauschten die braunen Wogen dicht an dem sorgfältig unterhaltenen Feuer dahin, auf dem Fuße gefolgt von den züngelnden Flammen, welche jetzt die von dem Comantschen abgebrannte Fläche erreichten, und an dieser Stelle erloschen; doch der Rauch, der glühende Aschenregen und vor Allem der entsetzliche Gestank der unzähligen verkohlten Thiere, machten es der Pantherkatze unmöglich, länger auf ihrem Platze auszuhalten. Der Anzug und das Haar des Indianers war versengt und seine Kräfte ermattet, nur sein Muth war nicht gebrochen. Wohl sanken seine Füße bis an die Knöchel in die brennendheiße Asche, dennoch flog er mit der Schnelligkeit des Hirsches den Büffeln nach, bald hatte er einen der Nachzügler eingeholt und die Linke in die zottigen Mähnen klammernd, schwang er sich mit dem letzten Aufgebot seiner sinkenden Kräfte auf den breiten Rücken. Das riesige Thier, erschreckt von der ungewohnten Last, raste in tollen Sprüngen seinen Gefährten nach, welche sich von dem Bache ab weiter nördlich wandten, doch lag dies durchaus nicht in dem Willen des Comantschen, und sein Messer ziehend lenkte er durch leichte Stöße desselben sein sonderbares Roß nach der Gegend, in der er seine Genossen vermuthete, zugleich sog er gierig das aus den Wunden hervorquellende Blut auf; er war aber doch all zu freigebig mit seinen Messerstichen gewesen, denn plötzlich stürzte der Büffel zusammen, seinen Reiter in mächtigem Schwunge zur Erde schleudernd.

Im Nu jedoch war der Häuptling wieder auf den Füßen und gestärkt durch das genossene frische Blut, eilte er über die verkohlte Prairie, auf welcher Massen von Thieren, theils todt und halbverbrannt, theils im Sterben begriffen, lagen. Schwermüthig streifte das dunkele Auge des Comantschen über das viele Wild, das hier umgekommen, ohne auch nur einem Menschen Nutzen zu bieten und die grenzenlose Liebe zu seinem Stamm ließ in ihm den leichtbegreiflichen Wunsch aufsteigen, wenigstens die Häute zu retten. Die Sorge um sein Weib und Kind, um seine Gefährten, verdrängte jedoch jeden anderen Gedanken und weiter schritt er über das Feld des Todes und der Verwüstung; nach mühseliger Wanderung erreichte er endlich den Bach, an dem er seinen brennenden Durst stillte und dann dem Laufe des kleinen Gewässers folgend, kam er an eine Wendung desselben, wo das jenseitige Ufer schroff anstieg. Hier standen auch die Bäume, die dem Häuptling in der Stunde der Gefahr als Richtschnur gedient hatten; er ahnte, daß wohl hier seine Gefährten Zuflucht gesucht haben würden, da das steile Ufer nicht allein das Feuer, sondern auch die Fluth der fliehenden Thiere gehemmt und nach einer anderen Richtung geleitet hatte. Da schimmerte auch ein weißes Roß durch das dichte Gebüsch, ein lauter Ruf des Indianers – und jubelnd sprang er durch den Bach.

Bald von den Armen seines Weibes, bald von denen seiner Freunde umfangen, von seinen Kriegern gleichfalls mit enthusiastischer Freude begrüßt, kam die Pantherkatze kaum dazu, ihren Körper durch Speise und Trank zu stärken und endlich zur Ruhe gelangt, wurde sie durch einen neuen Gefühlsausbruch unterbrochen, als Marie, die edele, aufopfernde Handlung ihres rothen Freundes erzählte. Des Häuptlings lebhafte Mittheilung der überstandenen Gefahren erhöhte vollends die Aufregung in dem kleinen Lager und trotz der gehabten Anstrengungen erstarb das Gespräch erst in tiefer Nacht und selbst dann noch floh der Schlaf einzelne Gruppen. Dort lag auf den Arm gestützt der rothe Krieger, sich mit seligem Lächeln den Liebkosungen seines Weibes hingebend, denen er, so lange seine Genossen noch wachten, die stoische Ruhe seines Stammes entgegengesetzt hatte, hier saß in leisem Geflüster Marie an William's Brust geschmiegt. Auch noch ein Augenpaar wachte, doch nicht das reine Glück der Liebe hielt es offen, nein, in stillem Ingrimme starrte Preston nach dem jungen Manne, der mit keckem Muthe die Lippen des holden Mädchens mit Küssen bedeckte, die Preston schon seit vielen Jahren mit wilder Leidenschaft verehrt, – die er gehegt und gepflegt, als der kaum knospende Reiz des Kindes sein gieriges Auge entzückt. Ihr zu Liebe hatte er die weite Reise von Utah Utah, die damalige Hauptstadt der Mormonen. nach Texas unternommen, hatte den Bruder beredet, mit Marie nach dem Norden überzusiedeln; ihr zu Liebe wäre er gern bereit gewesen, den Bruder zu opfern und jetzt, wo er schon glaubte das Netz unzerreißbar um den arglosen Vater, die unschuldige Tochter gesponnen zu haben, jetzt führte ihm der Teufel diesen Laffen, wie der Mormone giftig murrte, diesen Milchbart in den Weg. Noch aber verzagte der energische Mann nicht, noch hatte er stets erreicht, was er ernstlich gewollt, und für den Besitz Marie's scheute er weder Gefahr noch bebte er vor irgend welchem Verbrechen zurück. Er wußte auch, daß gegen Zahlung einer Summe die Trapper ihn bis zur Hölle folgen würden, wenn er sich auch zähneknirschend gestand, daß mit Gewalt gegen die Indianer und ihre drei Verbündeten Nichts auszurichten sei, nur der Zufall konnte ihm Gelegenheit zur Flucht geben, die er ausführen mußte, ehe er seinem betrogenen Bruder Auge in Auge gegenüber gestellt wurde. –

Das Schicksal aber, dessen wunderbare Fügungen uns Sterblichen so oft unverständlich, begünstigt scheinbar öfter die schlechten, als die guten Pläne, und so wurde auch Preston am anderen Morgen mit einer sehr angenehmen Neuigkeit überrascht.

Beim Grauen des Tages hatte der Häuptling seine Krieger versammelt und ihnen mitgetheilt, daß er Willens sei, hier zu lagern, bis von den vielen gefallenen Thieren, welche die Prairie bedeckten, die noch brauchbaren Häute und Felle gerettet seien; er schlug vor, daß vier Comantschen nach ihrem Dorfe reiten und Beistand, vor Allem Lastthiere, herbeiholen sollten. Er rechnete den in achtungsvollem Schweigen Zuhörenden den reichen Gewinnst vor, und bereits nach einer Stunde traten die vier jüngsten Comantschen, vollständig gerüstet, zu den lagernden Gefährten, reichten einem Jeden, auch den Weißen, selbst Bob die Hand, bestiegen ihre Rosse und sprengten in vollem Galopp davon. Preston war kaum im Stande seine Freude zu mäßigen, als er sah, daß die Zahl seiner Gegner um vier Streiter gemindert und ihm acht bis zehn Tage Frist gegeben wurde, seinen Plan zur Flucht auszuführen.

So selten nun eigentlich der Indianerkrieger sich zu gewöhnlichen Arbeiten hergiebt, solch' erstaunliche Energie entwickelt er, wenn er einmal zugreift, mit dieser machte sich die Pantherkatze und die Comantschen an das Abhäuten und oberflächliche Zubereiten der Felle. Bereits am dritten Abende lagen große Packe in der Nähe des Lagers und noch war für viele Tage Arbeit, selbst wenn eine größere Anzahl von Stammesgenossen zu ihnen stoßen sollte. Preston und die vier Trapper, denen er seine Pläne mitgetheilt und deren Hilfe er sich durch ansehnliche Versprechungen gesichert hatte, nahmen keinen Antheil an der Arbeit; der Mormone sah mit Vergnügen, wie die Indianer ihre Mustangs durch Herbeischleppen der schweren Häute abmatteten, während sein und seiner Genossen Pferde sich in dem saftigen Grase des Bachesufers gütlich thaten. Doch auch George und der Neger blieben beständig im Lager, um über Marie und William zu wachen, der nur Augen und Ohr für das innig geliebte Mädchen hatte. Zwar hatte der Häuptling Bob aufgefordert behilflich zu sein, dieser traute aber, ebensowenig wie George, dem Mormonen Gutes zu, auch fühlte der Schwarze sich einigermaßen beleidigt, bei der keineswegs angenehmen Arbeit helfen zu sollen. Er hatte aber nicht den rechten Muth, Etwas als verächtlich zu tadeln, was der Häuptling selbst mit angriff und so behauptete er, sich dermaßen an die Schienbeine gestoßen zu haben, daß er nicht im Stande sei, einen Schritt gehen zu können und fing von Stund' an wirklich erbarmungswürdig zu hinken.

Mit lobenswerther Ausdauer blieb er seiner Verstellung mehrere Tage treu, bis zu einem Augenblicke, wo er urplötzlich die ganze Schnelligkeit seiner Beine wiederfand.

Drei Tage waren mit der gewöhnlichen Arbeit verstrichen und der Häuptling saß, die Pfeife im Munde, neben George, um sich auszuruhen, während William und Marie am Ufer des Baches weilten, als am Horizont eine dichte Staubwolke aufstieg. Kaum hatte sie das scharfe Auge des Comantschen erblickt, als er aufsprang und die Hand vor den Augen, eine Secunde lang scharf ausspähte, doch ließ er sich bald wieder mit dem Worte – Büffel! auf seinen Sitz nieder.

»Büffel?« frug George, »ich gestehe, daß mir das gedörrte Fleisch, das wir nun schon so lange gegessen, sehr zuwider ist, etwas frisches Fleisch wäre doch höchst erwünscht. Laßt uns die Pferde besteigen, William und Marie begleiten uns gern, wir wollen sehen, ob wir nicht einen der Burschen erlegen können!«

»Es sei!« sprach der Indianer, »rufe Deinen Bruder und die Blüthe der Magnolie, ich werde die Pferde satteln!«

Auch Preston und die Trapper saßen auf, um der Jagd zuzusehen und nur Arrita und Bob, dessen Pferd Marie bestiegen, blieben im Lager.

Im leichten Paßgang zog die kleine Truppe der ruhig grasenden Heerde entgegen, der Wind war günstig und gestattete den Reitern ziemlich in deren Nähe zu kommen, als der Comantsche hastig sein Pferd anhielt.

»Wer jagt mit?« frug er.

»Ich glaube nur ich!« war George's Antwort, »denn Mr. Preston und die Trapper haben schon vorhin erklärt, uns nur als Zuschauer folgen zu wollen.«

»Aber mein Bruder muß mit,« wandte sich der Häuptling bittend an William. »Dreimal begegnete der Sachem einem weißen Büffel, dreimal entrann er ihm, diesmal muß er fallen!«

»Ein weißer Büffel? wo?«

»Dort, fast am Ende der Heerde, liegt er im Grase. Auf! und laßt den Pferden die Zügel schießen,« und fort stob das weiße Roß mit dem wilden Reiter, so daß George und William kaum im Stande waren in dessen Nähe zu bleiben; jetzt wandten die Reiter die Pferde, um in weitem Bogen den Büffeln die Flucht nach der offenen Prairie abzuschneiden und waren im nächsten Augenblick dem athemlos spähenden Preston aus den Augen entschwunden.

Schnellen Blickes prüfte dieser den Umkreis, doch keiner der Indianer, welche die Häute der gefallenen Thiere abzogen, ließ sich blicken, und kaum im Stande, den inneren Triumph zu verbergen, ritt der falsche Mormone an Marie heran und sprach schmeichelnd:

»Komm, mein Kind, die Jagd wird sich wenden, laß uns auf die andere Seite des Lagers reiten!«

Aber der unheimliche Blitz seiner Augen ließ einen, zwar noch unbestimmten Argwohn in der Brust des jungen Mädchens aufsteigen, und mit Entschiedenheit bestand sie darauf, den einmal gewählten Platz nicht zu verlassen. Die Zeit drängte jedoch, vielleicht nie mehr bot sich so günstige Gelegenheit zur Flucht und Preston, die lästige Maske fallen lassend, ergriff plötzlich das erschreckte Mädchen, zog sie von ihrem Pferde und schwang sie mit roher Gewalt vor sich auf den Sattel.

»Hört Brown.« wandte er sich dann an einen der Trapper, »nehmt den losen Mustang an den Lasso, wir werden, wenigstens eine zeitlang der Reihe nach das Mädel auf den Sattel nehmen müssen, und haben so stets ein Pferd zum Wechseln; Ihr, Steven, übernehmt die Führung und nun fort, was die Gäule laufen wollen.« Entsetzen faßte Marie, als ihr klar wurde, was man mit ihr beabsichtigte, und in wilder Verzweiflung rang sie vergeblich gegen die fest sie umstrickenden Arme des Mormonen, rief sie vergeblich den Namen ihres Geliebten. Hatte ihr Ruf nun auch William nicht erreicht, so war er doch von Bob und Arrita vernommen worden, und als Preston mit den Trappern in die Nähe des Lagers kam, das er nicht umgehen konnte, wollte er nicht einen bedeutenden Umweg machen, flog der treue Schwarze mit rasender Geschwindigkeit – die Büchse im Arme – und gefolgt von der muthigen Indianerin, welche ihren leichten Bogen ergriffen, Marie zu Hülfe.

Steven, der Führer, hielt sein Roß einen Moment an und ehe der Neger feuern konnte, donnerte der Schuß des Trappers; wohl fehlte die Kugel die schwarze Brust, doch riß, sie Bob die Büchse aus der Hand, und höhnisch lachend schwenkte bereits der Erstere den Hut, als Arrita's Bogen erklang und der leichte Pfeil sich tief in die Schulter des Davonsprengenden vergrub. Jetzt erkannte auch der wüthende Neger seinen vielgeliebten Mustang, den Brown gewaltsam entführte, und wie ein Teufel raste er nun hinter den Fliehenden her, mit aller Kraft seiner mächtigen Lungen den Namen seines Pferdes rufend. »Wis'hla, Wis'hla« tönte es über die Prairie, und »Wis'hla«, lauschte, blieb stehen und wollte zu seinem Herrn zurückkehren, Brown aber schlang sich den Lasso mehrmals fest um den Arm und bemühte sich, das heftig sträubende Thier nach sich zu ziehen, doch »Wis'hla, Wis'hla« brüllte Bob, ein gellender Pfiff folgte und mit mächtigem Sprung prallte Wis'hla zur Seite; Brown war nicht im Stande, den Lasso vom Arm zu lösen, ward aus dem Sattel gerissen und von dem eilig zu seinem Herrn jagenden Mustang fortgeschleift. Schnell sprengte Steven, trotz seiner Verwundung, dem Kameraden zu Hilfe, und wieder traf ihn ein Pfeil Arrita's, diesmal ins Auge; mit grausigem Fluche stürzte er vom Pferde, doch noch im Falle riß er das Pistol hervor, drückte blindlings ab und der bleierne Todesbote vergrub sich tief in dem Busen der muthigen Indianerin. Unterdessen hatte Bob sich über Brown geworfen und ihn gefesselt. Wohl spürten Preston und die zwei, Trapper Lust, den Fall ihres einen Genossen zu rächen und den andern zu befreien, doch ihre Zahl war schon zu sehr geschmolzen, ihr Heil bestand nur in der schleunigsten Flucht, und von Peitsche und Sporn getrieben jagten die Rosse dahin.

Als der Neger sich von dem geknebelten Trapper erhob, erblickten seine entsetzten Augen nur noch den schwer verwundeten Steven und die leblos in ihrem Blute schwimmende Arrita.


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