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Zweites Kapitel

George Alten's Erzählung. – Die Farm. – Die Bärenjagd. – Jerry's Tod.

Nichts vereinigt die Menschen schneller, als der Austausch überstandener Leiden. Angezogen von George's offenem Wesen, nahm William keinen Anstand, sein verflossenes Leben in kurzem Abriß darzulegen. Theilnehmend blickte ihm George in die Augen und sprach dann:

»Auch mein Gemüth drückt schwerer Kummer!«

»Sie Mr. Alten? O, ich glaubte Sie müßten in diesen herrlichen Wäldern jedes Kummers ledig sein; die mannigfachen Unannehmlichkeiten des Stadtbewohners sind Ihnen fremd; hier gilt nicht der feine Rock, der mehr oder weniger große Credit an den Banken, hier herrscht der kräftige Arm, das schnellere Auge und ich glaube mich sicher nicht zu täuschen, beides bei Ihnen zu finden!«

»Sie haben nicht Unrecht, lieber Sir, doch hören Sie mir wenige Augenblicke zu, dann urtheilen Sie selbst. Meine früheste Vergangenheit liegt wie in einem Nebel gehüllt vor mir; ich weiß nur, daß ich in Europa geboren, daß meine Eltern mit mir nach Amerika auswanderten, um hier eine Ansiedelung zu gründen. Wo dies aber war, – ich weiß es nicht mehr, denn ich war zu jener Zeit erst sechs Jahr alt. Ich erinnere mich wohl noch der Spiele im duftigen Walde, sehe noch des Vaters kräftige Gestalt die Axt schwingen, doch dann tauchen wieder gräßliche Bilder in mir auf, ich sehe unsere Hütte in Brand, sehe unzählige rothe Teufel um dieselbe springen und tanzen – dann ist es wieder Nacht. Ich weiß nur, daß von den Apachen mein Vater erschlagen, ich und meine arme Mutter gefangen und in die Sklaverei geschleppt wurden, – weiß nur, daß meine Mutter, ein kräftiges, schönes Weib, die Sclavin jenes Teufels ward, der ihren Mann erschlagen. Ich wuchs auf als echter Indianer; erzogen in ihren Künsten, wachte meine Mutter nur darüber, daß mein Herz das eines Weißen blieb. Keiner meiner Spielkameraden übertraf mich im Reiten, Lassowerfen, Schießen und Ringen; ah, es wird die Zeit kommen, wo ich den Hunden zeigen werde, was sie mir gelehrt. Obgleich Christ geblieben, lebte ich zu lange Zeit unter den Rothhäuten, um mir nicht allein ihre Künste, sondern auch ein gutes Theil ihrer Gewohnheiten und Ansichten anzueignen, ah, – Sie verstehen mich vielleicht nicht ganz, wenn ich Ihnen sage, daß mein Haß gegen die Apachen mir heilig, doch würden Sie es, wenn Sie, gleich mir, lange Zeit unter ihnen gelebt, wenn Sie die zahllosen Frauen gesehen, welche die Unmenschen auf ihren Raubzügen entführt und die ein trauriges Leben voll Entbehrung und Schmach hinschleppen, bis der mitleidige Tomahawk der ihrer überdrüssigen Bösewichter ihrem qualvollen Dasein ein Ende macht. Unter jener Horde lebte ich zehn lange Jahre; vielfach hatte meine Mutter versucht mit mir zu fliehen, jedoch immer vergebens. Da wurde ich in meinem achtzehnten Jahre von den Apachen auf einen Jagdzug mitgenommen, beim Scheiden drückte meine Mutter mich tiefbewegt an ihre Brust, zog ein kleines Kreuz aus ihrer Manga und ließ mich schwören, jede sich bietende Gelegenheit zur Flucht zu benutzen. »Dieselbe wird Dir allein leichter als uns Beiden gelingen,« sprach sie unter Thränen, »umsomehr, als der Streifzug Dich in ziemliche Nähe der Ansiedelungen bringen wird.« Ich schwur und schied mit den widerstreitendsten Gefühlen. Der Gram, meine Mutter nicht wieder zu sehen, stritt mit der Hoffnung in meiner Brust, meinen übermüthigen Herren zu entrinnen, ja vielleicht einst meine Mutter befreien zu können. Zu sehr schon Indianer, konnte ich mich in dem Grade beherrschen, daß Niemand bemerkte, was in mir vorging. Zwei Tage zogen wir auf flüchtigen Rossen gegen Osten, überschritten den Rio Grande, den Pucreos und befanden uns nahe dem Gebiete der Comantschen. Im Osten schimmerte die Sierra de Guadaloupe, ich war frei, konnte ich selbe erreichen. Denn wagten auch die Apachen an der Grenze des Gebietes ihrer mächtigen Feinde den Büffel zu jagen, so konnte ich doch überzeugt sein, daß sie bei meiner Flucht das Comantschengebiet mit ihren geringen Kräften von zwanzig Mann nicht betreten würden, um mir nachzusetzen. Am dritten Tage machten wir in einem Piniendickicht Halt. Die Apachen theilten sich in drei Corps; das eine übernahm die Bewachung des Lagers und das Dörren des Fleisches, unter diesem blieb ich. Die zwei anderen Abtheilungen verließen das Lager in verschiedenen Richtungen, um das Wild in die Enge zu treiben. Die zurückgebliebenen vier Krieger schlugen Stämme ab, die sie durch lange Leinen verbanden, an denen das Büffelfleisch getrocknet werden sollte. Ich mußte zum Feuern Holz herbeischleppen und die Pferde von Zeit zu Zeit auf frischen Weidenplätzen anpflöcken. Wollte ich fliehen, so durfte ich nicht lange zögern, denn in fünf bis sechs Stunden konnten die Jäger wieder zurückkehren. Eifrig hatte ich schon den ganzen Morgen die umherliegenden Pinienzapfen aufgelesen, die einen nußähnlichen Geschmack haben und ungemein nahrhaft sind; leise schlich ich dann zu meiner Decke und warf mich wie ermattet auf dieselbe nieder. Es war mir hauptsächlich darum zu thun, meinen kleinen Bogen, sowie einige Pfeile zu holen, die unter der Decke lagen, dann mußte ich aber wirklich auch einige Minuten ausruhen, um mein wallendes Blut sich beruhigen zu lassen; endlich sprang ich auf und ging zu den Pferden. Mein Bogen und sechs Pfeile ruhten unter, meinem Jagdhemde, das Messer steckte in meinem Gürtel; ich wandte meine Blicke nach meinen Gefährten und athmete leichter, als ich gewahrte, daß sie am Pucreos mit Fischen beschäftigt waren. Keiner von ihnen hatte eine Ahnung, mit welchen Plänen ich umging, die lange Gewohnheit hatte sie vergessen lassen, daß ich nicht zu den Ihrigen gehörte. Entschlossen trat ich zu den Pferden; außer dem meinen, einem nicht sehr schnellen Thiere, waren noch drei Mustangs und ein herrlicher Hengst, auf einem Raubzuge von den Mexicanern erbeutet, meiner Obhut anvertraut. Den letzteren wählte ich für mich, Sattel und Zaum lag zwar beim Lagerfeuer, was that das aber mir? Mein Messer durchschnitt die Lassos, ich schwang mich auf den auserlesenen Schecken und fort stob ich, mich sorgfältig hinter den Hügeln haltend, wodurch ich jedoch aus der Richtung kam; die befreiten Rosse folgten mir eine Zeit lang, zu meiner, großen Freude nach, doch war mein Ritt ihnen zu eilig, als daß sie lange Lust gespürt hätten, mir in solch wahnsinniger Hast unter den glühenden Strahlen der Sonne nachzujagen, sie blieben endlich zurück und begannen wieder auf der Prairie zu grasen. Ich hatte aber einen viel größeren Umweg gemacht, als ich gewillt gewesen und mußte über eine Stunde reiten, ehe ich die rechte Richtung gewann. Das war fast mein Verderben, denn als ich aus den Hügeln herausschwenkte, sah ich deutlich meine Verfolger zu Pferde hinter mir hersetzen. Wie sie dieselben erlangt hatten, weiß ich nicht und konnte es mir nur durch die große Anhänglichkeit der Pferde an ihre Herren erklären, genug, sie waren mir auf den Fersen und bald hörte ich auch den Jagdschrei der Apachen gellen. In blinder Wuth spornte ich mein Roß, es bäumte, that einen Fehltritt und warf mich – selbst stürzend – weit ab in das hohe Gras. Ich sprang eilig auf und floh zu Fuß, in flüchtigen Sätzen weiter, außer mir, daß so nahe dem Ziele, Mein Plan noch mißlingen sollte. Schon befand ich Mich am Rande der Gebirge, schon stand hier und da ein Busch, ein einzelner Baum, doch noch zu klein, um mir Deckung zu geben; endlich erblickte ich ein kleines Cottongebüsch, ich wandte mich und sah, daß meine Verfolger in zehn Minuten mich erreichen mußten. Im nächsten Augenblicke hatte ich das Dickicht erreicht und warf mich lechzend zur Erde, saftiges Gras zum Munde führend, um den grimmen Durst zu stillen, ich hatte ja einige Minuten Zeit zu ruhen und mich zu erquicken und dann mit den Waffen in der Hand zu sterben. Die Indianer jagten heran und ich sprang endlich auf; in doppelter Schußweite hielten zwei, während die anderen beiden, links und rechts abschwenkend, mir in den Rücken zu kommen suchten. Doch kaum hatten sie sich wenige Schritte fortbewegt, als der Donner zweier Büchsen hinter mir erklang und zwei der Apachen vom Sattel sanken, während die beiden Anderen Kehrt machten und mit Blitzesschnelle verschwanden.

Ich war von der unerwartet schnellen, glücklichen Wendung meines Geschickes so verwirrt, daß ich mich matt an einen Baum lehnte, mir die noch immer schmerzenden Seiten haltend, und die kommenden Dinge erwartend.

Bald rauschten die Zweige, und die Büchse im Arme, traten zwei Trapper hervor. Ihr Auge heftete sich fest auf mich, dann lachte der eine auf und rief:

»Jerry, laß Deinen alten Bärentödter in Ruhe, der ist ungefährlich und ein Schluck Whisky ihm jedenfalls dienlicher, als eine Kugel aus Deiner Büchse! Trink Bursche,« wandte er sich dann zu mir, »sie haben Dir warm gemacht; trink und dann lauf weiter, bist Du auch eine verdammte Rothhaut, so hast Du Dich doch brav gehalten. Geh', hol' Dir die Scalps Deiner guten Freunde, die Dir voll so rührender Sehnsucht nachjagten, und dann zieh' ab und geh' zu den Deinen.«

Eilfertig sprang ich weg, den ersten Theil seiner Befehle zu vollziehen.

»Wie Sir,« rief jetzt William flammend, der mit der größten Aufmerksamkeit der lebhaften Erzählung gefolgt war, »sie scalpirten die Unglücklichen?«

George blieb stehen und blickte William mit Erstaunen an, dann nickte er stumm mit dem Kopfe, sein jetzt blitzendes Auge hatte einen ganz anderen Ausdruck gewonnen und zeugte von unbeugsamer Energie.

»Ich that es,« rief er fest, fast rauh, »that es mit wahrem Triumphe und hoffe den verhängnißvollen Schnitt noch oft auszuführen!«

»Sie vergessen, Mr. Warren,« fuhr er dann milder und wieder in seinen erzählenden Ton fallend fort, »daß ich als Indianer erzogen wurde. Ich entriß also den Erschossenen die Scalpe und trat dann zu meinen Befreiern. Sie irren,« begann ich, »wenn Sie mich für einen Indianer halten. In kurzen Worten theilte ich nun den Erstaunten das Nöthigste mit und da unser Aufenthalt gerade nicht der sicherste war, beeilten wir uns das Gebirge zu erreichen, was uns auch gelang. Ja, ich war sogar so glücklich das Pferd einzufangen, auf dem ich geflohen und das uns trefflich zu statten kam, als Jerry Tags darauf schwer verwundet wurde. Einmal in Sicherheit, erreichten wir bald die Ansiedelungen, wie ich dann hierher kam, sollen Sie später erfahren, ich sehe dort zwischen den Bäumen den Rauch unserer Farm, und nur das eine sollen Sie noch wissen, daß mein Pflegevater, der Besitzer der Farm, einer meiner Befreier ist, jener Jerry, den ich in dem verhängnißvollen Cottondickicht zuerst erblickte.«

Wieder war über George's offene Züge ein tiefer Schatten gezogen und schweigend schritt er neben William dahin, da schlug in ziemlicher Nähe ein Hund an, dann ein zweiter, ein dritter und im nächsten Augenblicke kamen drei gleiche Thiere, wie George's Bluthund, um die Ecke geschossen und umsprangen jauchzend ihren Herrn, dessen Begleiter neugierig beschnüffelnd. Wenige Schritte brachten die Wanderer an eine ziemlich große Lichtung, durchströmt von einem Bach, wahrscheinlich demselben, an dem die Hirschjagd statt gefunden hatte. In der Mitte lag eine kleine, aus roh behauenen Baumstämmen aufgeführte Blockhütte; um dieselbe war ein Raum, etwa 60-70 Schritt im Geviert, von einer starken Fenz eingegrenzt. Hinter derselben liefen einige Schweine, hie und da ein Huhn aufstöbernd. Rechts und links vom Hause, wenn der rohe Bau diesen Namen verdient, waren die Fenzen besonders abgetheilt, in der linken stand und lag verschiedener Hausrath, in der rechten, geschützt von einem Schindeldach, befanden sich drei Pferde, zwei schwere nordamerikanische Arbeitsthiere und ein herrlicher mexicanischer Hengst, eine Schecke. Am Thore der Fenz lehnte eine trotzige, fast wilde Gestalt, den kurzen Pfeifenstummel im Munde und schaute nicht gerade mit den freundlichsten Augen auf die Ankommenden, es war Jerry, der Besitzer dieser Farm.

»Den Teufel auch,« empfing er seinen Pflegesohn, »Du läßt brav warten, und bringst wohl Gäste mit, ohne zu fragen, ob Fleisch im Haus? Ihr werdet Euch mit Wenigem bescheiden müssen,« wandte er sich dann an William, »mit sehr Wenigem Sir – Sir?«

»Warren – William Warren,« entgegnete dieser, sich leicht verbeugend.

»Warren, Warren?« brummte Jerry. »Ich kannte einst einen alten, braven Knaben gleichen Namens; ich habe manche Haut als Pelzjäger für ihn geholt bis die verdammten Rothhäute mir eines meiner Spazierhölzer zerschossen. Es ist ein feines Geschäft, mit einem Beine als Farmer zu leben – merkwürdig angenehm – Hirsch und Bär lachen den alten Jerry fast aus, wenn er mit seinem Bärentöder in den Wald humpelt, Canaillen die – hol' sie, der Satan und die Apachen dazu. Jener Warren – Alfred Warren – den ich kannte, war Kaufmann in New-Orleans, sind Sie verwandt mit ihm?«

»Es war mein Vater.«

»Hollah,« rief der Alte bedeutend freundlicher, »dann seid doppelt willkommen! George, spute Dich, die Pferde des Gastes zu besorgen, jener Nigger mag sie erst abreiben, sie sind es werth. Aha! Meiner Seel, ein Hirsch! Das laß ich mir gefallen, unnöthig kommt er nicht, und nun Sir, kommt unter jene Persimone, es ist mein Lieblingsplatz!«

Geschäftig humpelte Jerry voraus, der wirklich nur einen Fuß besaß. Bald prasselte ein lustiges Feuer, über dem eine Hirschkeule hing, die Pferde waren bestens versorgt und die vier Männer lagerten sich nun mit jener Zwanglosigkeit der Waldbewohner, bei denen kaum ein Unterschied zwischen Herr und Sclave herrscht.

Eine zeitlang hörte man nur das Arbeiten der Messer und Zähne, dann sprang William auf, eilte zu seiner Satteltasche und kam mit einer Whiskyflasche und einem Packet Taback zurück.

Vergnügt schmunzelte der Alte und that ohne Weiteres einen so herzhaften, Zug aus der dargereichten Flasche, daß Bob grinsend meinte:

»Massa Jerry sein Sterngucker, er so lange zum Himmel blicken, bis Whisky alle!«

»Ahem Bursche,« nickte Jerry, »Du weißt nicht, wie wohl solch' alten Knochen ein tüchtiger Schluck thut.« Dann schüttelte er aus seinem Stummel das Gemisch von Sumachblättern und stopfte selben mit Willy's Taback. Mächtige Rauchwolken in die klare Abendluft sendend, wandte er sich dann an Letzteren:

»Also der junge Herr schlendert im Wald herum und der Herr Papa muß unterdeß die runden Dollars zählen?«.

»Mein Vater zählt keine Dollars mehr, er ist todt und die Mutter auch,« entgegnete William mit leiser Stimme.

»Hm. Hm. Na Sir! sterben müssen wir ja Alle. Sie haben wenigstens den Trost warm zu sitzen. Eine vernünftige Idee das, den Schmerz im Walde zu heilen. Dann kehren Sie zurück und setzen sich behaglich in das Nest, das der Alte gebaut.«

»Sie irren, Jerry, das schöne Nest gehört nicht mehr mir, es haben Andere dasselbe in Besitz genommen, ich selbst bin arm, ganz arm.«

»Zum Kuckuk, das sind Sie nicht,« rief Jerry eifrig. »Ihr Nigger, Ihr Schießzeug. Ihre Pferde sind dreimal mehr werth, als mein ganzer Kram und ich schlüge dem die Knochen entzwei, der den alten Jerry arm schimpfen wollte. Doch was soll nun werden Sir?«

»Ich will das, was Sie meine Schätze nennen verkaufen,« versetzte William traurig, »und dann nach New-Orleans zurückkehren, um ein kleines Geschäft zu gründen, wenn es gelingt noch etwas von dem Vermögen meines Vaters zu retten; glückt das nicht, so bleibt mir nichts übrig, als einen Platz in einem Comptoir zu suchen.«

»Pfui Teufel!« erwiderte Jerry ingrimmig ausspuckend. »Pfui Teufel, das wäre allerdings Unglück, aber mit Haaren herbeigezogenes. Nein Sir, hören Sie Jerry's Vorschlag! Ich setze den Fall: Sie erhalten einen Theil Ihres Vermögens zurück, well, so werden Sie Farmer, erhalten Sie nichts, very well, so werden Sie Trapper, gesund und kräftig, haben Sie ganz das Zeug ein tüchtiger Jäger zu werden.«

Mit der festesten Ueberzeugung, einem salomonischen Weisheitsspruch seinen Zuhörern zum Besten gegeben zu haben, lehnte er sich wieder zurück, es ganz natürlich findend, daß sein Pflegesohn durch eifriges Zureden seinen Plan billigte.

Sinnend starrte William vor sich hin, dann schüttelte er mit dem Kopf und sprach ernst:

»Mein Wunsch wäre es wohl, Ihren Ansichten zu folgen, doch spricht die Vernunft dagegen. Ich bin noch zu unerfahren, um allein trappen zu können.«

»Oho! Massa Willy,« mischte sich jetzt Bob, dem die mögliche Trennung von seinem geliebten Herrn Thränen in die Augen getrieben, in das Gespräch, »das sein nicht recht, immer diesen Gentlemann zu vergessen; ich gehen mit, wohin Massa gehn, ich schießen Alles todt, was Massa's Feind.«

»Und verschlingst in eigener Person Massa's Proviant.« lachte William. »An Deiner Treue zweifele ich nicht, doch würden wir untergehen in der Wildniß, deren Gefahren wir nicht kennen. Der Reiz des Trapperlebens ist auch wohl nicht gar zu groß, sonst würden Sie, Jerry, so wie Sie, mein lieber George, dasselbe nicht, aufgegeben haben.«

» Hell and damnation,« schnaubte da der Alte, »soll, ich vielleicht mit einem Bein unter den Rothhäuten umherspazieren? Meine grimme Laune ist nichts, als die Wuth, an diese Scholle gefesselt zu sein und George? Sehen Sie nicht, wie er das Maul hängt, daß ihm die Flügel gebunden, nur die Pflicht der Dankbarkeit fesselt ihn an mich. Ich befreite ihn von den Apachen und büßte ein paar Tage später, als wir auf unserer Flucht, schon an dem Fuße der Sierra de Texas, doch noch von den Apachen eingeholt wurden, meinen Fuß ein. Nun pflegt mich George ehrlich und brav auf diesen Fleck, auf dem ich geboren bin, – doch glauben Sie mir, schließt heute Jerry seine Augen, so fliegt morgen George nach Westen und der Junge hat Recht! ich machte es gerade so; hätte ich Vermögen, mir einen Nigger zu kaufen, so hätte ich den Bengel längst schon fortgeschickt.«

»Das hätten Sie nicht Vater,« sagte George weich, »ich kann nicht läugnen, daß es mich mächtig nach dem Westen zieht, so lange Sie aber athmen, bleibt George hier.«

»Weiß schon, weiß schon. Der alte Jerry hat Dich auch mächtig lieb, da er fühlt, daß es keine Kleinigkeit ist, einen alten Stelzfuß zu versorgen, während der Geist weit in der Ferne schweift. Doch wirst Du nicht mehr lange hier zu bleiben brauchen, das fühl ich und mach' mir keinen großen Kummer darüber Doch kommt in's Haus, laßt uns die Decken aufsuchen, Morgen, ja Morgen wollen wir weiter plaudern.«

Bald lag tiefe Stille über Jerry's Farm, der Mond goß sein beinahe tageshelles Licht über den friedlichen Raum und unzählige funkelnde Sterne blitzten freundlich vom Himmel herab; nur zuweilen klang leise der Ruf des Whip-poor-will, ein dürres Reis brach unter dem Tritt des Wildes und dann war wieder alles still. So mochte es drei Uhr des Morgens geworden sein und leise dämmerte schon im Osten der kommende Tag, als vorsichtig eine dunkele Gestalt die Lichtung betrat, es war ein Bär, ein großer brauner Bursche, mit Narben bedeckt, die bewiesen, daß er seine Kräfte schon mehrmals mit Menschen gemessen. Mit der diesen Thieren eigenen Schlauheit gewann er dem Hause glücklich den Wind ab, und zog nun behutsam in das Maisfeld, behaglich die süßen, halbreifen Kolben verzehrend. Meister Braun war jedoch von seinem süßen Raube so entzückt, daß er seine Vorsicht vergessend, ein behagliches Brummen ausstieß. Augenblicklich schlug aber Trust an und kam wie ein Teufel, gefolgt von den übrigen drei Hunden, seiner Hündin und zwei jährigen Bracken angefegt, und brachte den Bär auch glücklich in Trapp. Doch ärgerlich, in seinem Schmause gestört zu werden, fuhr derselbe plötzlich so grimmig zurück, daß er die hitzig gewordene Hündin erfaßte und im nächsten Augenblick mit zerbrochenem Rückgrat in den Mais schleuderte; heulend flohen die jungen Hounds, nur Trust hielt stand, vorsichtig den Tatzen ausweichend, mit denen Pätz um sich schlug und ihm wüthend in die Hosen fallend, wenn der Bär sich zur Flucht wandt. Jetzt kamen auch die Bracken zurück und es fing an dem Bär warm zu werden, denn waren die Hunde bis auf Trust auch noch jung und nur halb dressirt, so waren sie ihm doch überall im Wege, sprangen um ihn herum und zausten, wo sie nur konnten, das dicke, zottige Fell.

Von dem heillosen Spectakel erweckt, standen schon lange die drei Weißen und Bob an der Fenz, die Büchse im Arm, doch nicht im Stande zu schießen, da sie befürchten mußten, in dem unsicheren Zwielichte einen der Hunde zu treffen. Da, als es dem alten abgefeimten Burschen glückte, auch einem der jungen Hounds zu erfassen und in seinen mächtigen Branken zu zerdrücken, da war Jerry's Geduld zu Ende. Wüthend rief er:

»Auf George, nimm Du die linke Seite und schneide dem Bären den Weg nach dem Wasser ab, Sie, Sir, umgehen ihn rechts und halten an, wenn Sie die einzeln stehende Blutbuche erreicht, bis Sie auf meinen Pfiff langsam vorrücken; ist Jerry's Bein auch zum Henker, so ist doch sein Schuß noch sicher und der alte Räuber soll uns diesmal nicht entgehen. Der größeren Sicherheit wegen mag Bob sich noch an dem Pferdepferch postiren, um die Thiere vor einem etwaigen Besuche zu schützen; nun aber fort, sonst würgt der Bär noch einen Hund und diese Art, bei Gott, ist selten genug.«

Trotzig postirte er selbst sich bei diesen Worten an die Fenz, Bob eilte zu den Pferden und die beiden jungen Männer umschlichen das Maisfeld. Athemlos lehnte William an dem bergenden Baumstamme, klopfenden Herzens das Signal zum Vorrücken erwartend. Er war ein tüchtiger Schütze und ein Mann voller Muth und Kraft, dennoch beschlich ihn ein eigentümliches Gefühl, wenn er dachte, daß der Bär sich nach seiner Seite schlagen könne. Er wußte, daß er verloren sei, wenn es ihm nicht gelang, die Bestie auf den ersten Schuß niederzustrecken, und in dem Dämmerlicht verschwamm noch immer das Korn auf der Büchse. Da klang Jerry's Pfiff laut und gellend durch den Wald. Vorsichtig, aber entschlossen drang nun William vor und war kaum einige Schritte gegangen, als es im Maisfeld raschelte und der Bär hervorbrach. Die Büchse im Anschlag, wollte William noch einige Schritte vorgehen, blieb aber in einer halbausgerodeten Wurzel hängen, stürzte und unschädlich donnerte der Schuß durch den Wald. Erschrocken wandte sich der Bär und trollte brummend nach der Fenz. William war rasch wieder aufgesprungen, hatte den abgefeuerten Schuß ersetzt und stand nun lauschend, da er nicht wußte, wohin der Bar geflüchtet. Doch horch, dort hallte ein Schuß, er kam von der Fenz her, ein grimmer Schrei, ein wilder Fluch folgte! das mußte Jerry sein, und in langen Sätzen eilte William dem Alten zu Hilfe. Als er um die Fenzecke bog, sah er ihn am Boden liegend, das Ungethüm über ihm, mit seinem Nachen Jerry's rechten Arm zermalmend; jetzt flog auch Trust heran und mit einem Satz dem Bär an die Ohren. Dieser, einmal in Wuth gebracht, dachte nicht mehr an Flucht, er schüttelte den Bluthund kräftig ab und richtete sich auf den Hinterfüßen empor, den heraneilenden George erwartend. Mit lautem, unter den gegenwärtigen Umständen entsetzlich klingendem Hohnlachen, flog dessen Büchse empor, ein Blitz, ein Krach und in derselben Secunde sank der Bar todt zusammen. Die Kugel war genau durch das kleine weiße Sternchen auf der Brust gedrungen, außer dem Auge die einzige sofort tödliche Stelle.

Mühsam gelang es George und William, mit des herbeigeeilten Bob's Hilfe, das Unthier von des unglücklichen Jerry's Körper zu wälzen und nun bot sich ihnen ein entsetzlicher Anblick dar. Der Bär hatte mit den Hintertatzen, während er Jerry's Arm zermalmte, des Unglücklichen Leib total zerrissen. An Rettung war nicht zu denken, das sahen auf den ersten Blick die Umstehenden, das wußte auch Jerry genau. Mühsam athmend lag er auf dem Rasen, George kniete neben ihm und hatte seinen Kopf in den Schooß genommen, während er mit dem Jagdhemd bald den Schweiß von Jerry's Stirn, bald die eigenen Thränen trocknete.

»Flenne nicht, Junge!« ächzte der Verwundete, »der Tod trifft mich, wie ich's gewünscht, im Kampf, im schönen, herrlichen Wald. Verkauf den alten Kram – er ist Dein – zieh hin – nach Westen – Sie auch Willy – Sie auch. – Ah – Luft, ich ersticke. Deine Hand – George, ich kann – Dich nicht mehr sehen. Ah – Luft!«

Ein Blutstrom schoß aus seinem Munde, ein Krampf durchschüttelte seine Glieder, dann sank die geballte Faust – er streckte sich und war todt.

»Schlaf sanft,« flüsterte George ergriffen, »schlaf sanft. Du treues Herz. Sir,« wandte er sich dann an William, »laßt mich auf kurze Zeit allein, ruht wenige Stunden, Ihr werdet mich dann gefaßt finden. Bis dahin will ich die Todtenwache halten!«


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