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Rhodes

Rhodes

»Vergiß nie, daß du ein Römer bist,
hüte dich, weil du ein Kaiser bist.«

In seinem Schlafzimmer, das man unverändert erhalten, lag Marc Aurel, und diese Stelle war angezeichnet. Draußen, hinter den großen Fenstern prangte mit ihren römischen Pinien die heroische Landschaft von Kapstadt.

 

Stanley, den ehrgeizigen Entdecker, reizte immer zuerst der Rekord; Peters, dem kühnen Politiker, fehlte Glauben und Liebe zu seinem Werke. Beide waren national entwurzelt. Rhodes aber war römischer, als je ein Engländer gewesen. Real, pathetisch und amusisch; Kenner des Menschen, Republikaner und Diplomat; unerotisch, gelehrt und religionslos; Romantiker von Distinktion, Genie als Kolonisator, Imperialist bis zum Wahnsinn.

Er war groß und breitschultrig, das Auge graublau, beobachtend. Der Mund war der Revolutionär in diesem ebenmäßigen Antlitz: alle Gedanken und alle Gefühle wurden rasch durch seine Stellung deutlich. Ein Freund berichtet: »Am besten sah der Mund aus, wenn er Willen zeigte, am schlimmsten, wenn Leidenschaften ihn verkrümmten.«

Wie Peters war er Pfarrerssohn und gut erzogen. Er war Oxforder Student mit Leidenschaft. Als Lungenkranker kommt er nach Südafrika, sucht Heilung und findet Diamanten. Er kehrt nach Oxford zurück, um auszustudieren, kommt wieder nach Afrika. Mit 32 Jahren war er noch nichts, mit 44 bereits gestürzt, mit 49 tot.

 

In Kimberley sieht er, wie jeder einzelne sinnlos für sich mit kleinen Mitteln Diamanten abbaut, wie die Grubenwände stürzen, wie die Neger stehlen, wie der Markt beunruhigt wird und gedrückt. Ihm gelingt, was bisher allen mißlang: alle zu vereinen, hundert in eine einzige Gesellschaft zu konsolidieren.

Als er ein großes Vermögen erworben, geht er in die Politik: nicht aus Eitelkeit wie die »Magnaten«, sondern aus Leidenschaft. Er heiratet nicht und jammert nach männlichen Erben, wie jene; er geht an seine Werke und erfüllt sie in einem Jahrzehnt: Grundlage zu einer Bahn durch den Erdteil und Gründung einer Kolonie, gesund und reich, groß wie Deutschland plus dem alten Österreich-Ungarn. Nun trägt sie seinen Namen.

Nie war ein Mann in Afrika ganz Geist wie er. Rhodes hat erwiesen, daß selbst Wilde durch Geist sich bändigen lassen. Er kannte die Sprachen vieler Stämme und überredete sie. Stanley und Peters schrieben vorzüglich. Rhodes sprach.

Wie ein Römer ein Redner, doch in moderner Form: ein Überredner, brachte er jedermann dorthin, wo er ihn brauchte. Nicht durch Verstellung, nur durch Suggestion. »To be fair with you«, begann er, wenn er jemand zu gewinnen suchte, und das war die Wahrheit, die niemand erwartete. Er wußte, daß jedermann käuflich ist, es fragt sich nur, für wieviel.

Statt sie zu bekämpfen, überredete er Männer, Gesellschaften, Regierungen. Er war ein Schauspieler und ließ sich mit dramatischem Elan auf seinen Sitz nieder, wenn er in einer Sitzung gesprochen, wie um zu sagen: Was ließe sich dagegen noch einwenden!

Im Aufstand der Matabeles ging er in die steinerne Wüste der Matoppos, mit drei Begleitern, ohne alle Waffen. Er wartete Wochen, bis sie kamen, dann zeigte er ihnen, daß er waffenlos sei. Sie staunten. Er fragte sie, worüber sie zu klagen hätten. Sie faßten Vertrauen und sagten es ihm. Er versprach ihnen Hilfe. Diese Unterhaltung dauerte fünf Stunden. Dann, als sie gingen, sagte er, wie nebenbei: »Wollt ihr nun Frieden oder Krieg?« Da warfen sie die Speere vor ihm nieder. Der Aufstand war aus, sie liebten ihn. Bewaffnete Kaffern, durch Geist gebändigt. Als er zurücktritt, sagt er zu seinem Freunde: »Lohnen solche Szenen nicht das Leben?«

So hat er auch Jameson, den Arzt, bezaubert. Jameson war gesünder, darum kühner. Zuerst war er Rhodes' Arm.

Der Deutsche, an die Enge seiner Umstände gewöhnt, staunt, wenn er hört, wie ein lungenkranker Student aus Oxford und ein praktischer Arzt sich vereinigen, eine ungeheure Kolonie zu begründen, dann hintereinander Premierminister werden, und wie schließlich der Überlebende die Union von vier Staaten vollzieht.

Ein einziger entzog sich seiner Überredung, man muß ihn dafür bewundern, es war der alte Krüger. Hätte er sich gewinnen lassen und Rhodes das Stimmrecht der Eingewanderten eingeräumt, es wäre nie zum Kriege gekommen. Der Alte wehrte sich und wurde Werkzeug einer welthistorischen Notwendigkeit.

Wie ein Römer wußte Rhodes alles, was er brauchte, doch nicht mehr. Afrika, in jeder Art betrachtet, und die kolonialen Werke der Welt stehen in seiner Bibliothek. Natürlich war er Darwinist, zugleich Verächter aller Definitionen; wenn das Gespräch metaphysisch wurde, gähnte er.

Wie einem Römer schien ihm schön, was zweckvoll war, und so entwarf er ganz nach den Zwecken selber die Pläne für ein Bad in Kimberley, für einen Löwentempel in seinem Park, für eine Hochschule in Kapstadt. Wie ein Römer schützte er großzügig die Künste, baute für Dichter ein Haus neben dem seinen, wo auch Kipling lange Monate gelebt. Er ließ das Volk in seine Gärten und flüchtete sich Sonntags oft ins Schlafzimmer. Freigebig half er den Farmern.

Das Leben aller römischen Kaiser steht bei seinen Büchern und daneben lange Reihen von Bänden, in denen römische Autoren römische Kaiser darstellen: sie sind alle aus den nichtübersetzten Originalen eigens für ihn ins Englische übertragen und mit Maschinenschrift in diesen Bänden niedergelegt.

Er liebte die Landkarten. In allen Zimmern von Groote Schur, seinem Landhaus, hängt, an seidenen Schnüren abzurollen, Afrika. Vor dieser Karte fing er an zu erfinden, zu fabulieren. Wenn seine Freunde in Kapstadt sich an Sommerabenden langweilten, gingen sie zu Rhodes und führten ihn vor die Karten. Er sagte: »Die Arbeit bringt Ideen hervor. Kommt ihr an den Zambesi, so seid ihr schon am Tanganjika.«

Wie ein Römer kannte er keine Grenze der Welt. Der Gouverneur sagte: »Bis zum Zambesi ist es genug.« Rhodes nahm einen Bleistift und sagte: »Wir wollen auf der Karte messen, wie groß das Stück ist, das die Buren unterwarfen: vom Kap zum Vaal. Dann, was unsere Beamten unterwarfen. Dann, was mir vorschwebt.« Die ganze Idee der Kap-Kairo-Bahn war reiner Imperialismus. Er nannte sie die Wirbelsäule des Erdteils, er meinte dessen Besitz.

Grenzenlos wie einem Römer erschien ihm die Macht seines Landes. »Friede, Freiheit und Gerechtigkeit sind die höchsten Eigenschaften. Gibt es einen Gott, so muß er diese haben. Die englische Rasse bringt diese Eigenschaften am besten zur Geltung. Wenn ich also Gott diene, so muß ich die englische Rasse in der Welt durchsetzen.« Dieser Atheist wird sogar religiös für das Imperium.

Pathetisch wie ein Römer fragte er die Ingenieure seiner Bahn zehnmal, ob der Schaum der Viktoriafälle die Gleise besprühen würde.

»Yes, if the wind is north!« – Er rief: »Delightful!«

 

– Wenn Leidenschaften seinen Mund verkrümmten, sagt der Freund. Hatte er Leidenschaften? In den letzten Jahren trank er viel, weil er litt. Und sollte er schon vorher nach Afrikanderart getrunken haben: warum nicht? Gelegentlich hatte er mit Frauen zu tun, aber weder lange noch bedeutungsvoll. Im ganzen lebte er so sehr allein, daß von diesem vielgehaßten Manne in ganz Südafrika kaum eine Weibergeschichte kursiert.

Sein Haus ist eines Mannes Haus. Alles ist solid, holzbekleidet, dunkel, nichts ist bunt, leicht, galant. Ein pathetisches Selbstbewußtsein läßt ihn Stuhl und Tisch van Ribbecks in sein Zimmer stellen, des populären alten Gouverneurs, und das Siegel Lobengulas liegt auf seinem Tisch.

Aber er hatte nicht einmal die Leidenschaft des Sammelns. Unter Glas steht der phönizische Falke, der in Rhodesia ausgegraben wurde. Als Holzornament kehrt er überall wieder. Wenige Jagdtrophäen, sonst ist das Haus, reich und bequem, fast schmucklos.

Dieses Haus bestimmte er im Testament zum Sitze des Premierministers einer Union, die noch gar nicht existierte, als er starb, die er nur zwanzig Jahre lang vorausgesagt. Nun will eine weltgeschichtliche Ironie, daß acht Jahre nach seinem Tode wirklich die Union zustande kommt, daß wirklich der Premier in Rhodes' Hause wohnt, – nur daß es ein Bur ist.

Ja, dieser Römer hatte eine Leidenschaft: Napoleon. Er sprach wenig von ihm, aber hundert Dokumente und Biographien stehen auf seinen Regalen, zerlesen, ohne Empireschrank. Im Schlafzimmer steht eine Statue des Generals Bonaparte, über dem Bett hängt ein Stich: wie sich der Kaiser selber krönt. »Hüte dich, weil du ein Kaiser bist!« sagt Marc Aurel daneben. Zuweilen spricht er napoleonischen Stil. »Innerafrika ist die einzige Stelle der Welt, die wirklich noch wild ist, und es ist ihr Schicksal, daß sie durchbrochen wird. Ich möchte der Agent dieses Schicksals sein.«

Frei von Leidenschaften und Rücksichten vergaß er ganz, daß andre solche fühlten. Ein österreichischer Kapitän, der ihn auf besonders gechartertem Schiffe einst hinunterfuhr, erzählte mir einmal, wie Rhodes ihn eines Tages verstimmt auf Deck getroffen.

»What is the matter, captain?«

»Gestern in Mozambique keine Nachricht von meiner Familie!«

Darauf sah ihm Rhodes ins Gesicht und rief, zwischen Spott und Zorn: »Captain, you are a baby!« Captain war über Fünfzig.

Seine Werke: das war seine Leidenschaft, seine beiden Werke. In seinem Haus hängt eine Fahne aus zwei Stücken. Oben der Halbmond von Ägypten, unten der Springbock von Südafrika: quer über beide gestickt der Union-Jack. Das ist die Bahn.

Sein halbes Vermögen gab er dafür hin. Er baute sie bis Salisbury und Victoria-Falls, 1500 Meilen. Bis zum Tanganjika war sie vor dem Kriege schon im Bau. Ihn wird man mit Trajektdampfern passieren. Von Kairo kamen Bahn und Schiff schon bis zum Albertsee herunter; es fehlte nur noch die Strecke vom Albert- zum Tanganjikasee (370 Meilen). Im übrigen kann man schon heute mit Bahn und Schiff, wenn auch mit Schwierigkeiten, vom Kap nach Kairo.

An jener unfertigen Stelle mußte sie ein paar hundert Meilen durch belgisches oder deutsches Gebiet. Das ärgerte Rhodes. Er ging zum Kaiser; in dem berühmten Sommeranzug, den ihm die Deutschen als Hochmut auslegten. Den Kaiser bat er um jenen Streifen, den er zur Bahn brauchte. Aber was er als Gegenleistung bot, war schlecht; er fiel ab.

Die Kap-Kairo-Bahn mit der sibirischen zu vergleichen, ist ganz verkehrt. Diese durchquert ein Binnenland, jene wird überall Stichbahnen haben, denn Afrika ist eine Insel und noch dazu eine sehr regelmäßige. Auch um zu Lande statt zur See die Strecke zu überwinden, ist sie nicht da, denn man würde zu Lande mindestens die siebzehn Tage brauchen, die heut die englische Mail von Southampton nach Capetown braucht. Sie wird das Innere erschließen und eine Handelsbedeutung ohnegleichen haben. Rhodes schwebte vor: England durchquert Afrika. In kurzem wird sie fertig sein.

 

Sein zweites Werk, das größere, liebte er so sehr, daß er sogar sein Haus in der Richtung nach dem »Hinterlande« baute. Das Meer sah er von seinen Fenstern in Kapstadt nicht, auf dem Meere hatte er nichts zu suchen.

Freilich verstanden ihn die Magnaten nicht. Der alte Beit sagte in jenem peinlichen Tone: »Der Rhodes will durchaus eine Kolonie? Nu, geben wir sie ihm!«

Für Rhodes führte Jameson die Fünfhundert nach Norden, die auszogen, das heutige Rhodesia zu erobern. Das waren keine Soldaten, das waren Goldsucher, Farmer, Abenteurer. Jameson schloß den ersten Vertrag mit dem Sultan Lobengula. Nun erteilte die britische Regierung Rhodes ein Charter für eine zu gründende Gesellschaft, die man heute kurz die Chartered Company nennt.

In seinem Hause hängt unter Glas das Wappen der Ersten britischen Chartered Company. Ich las darauf:

»Merchant adventurers 1896.«

Rhodes' Kompanie, mit 120 Millionen Kapital gegründet, hat niemals Dividende bezahlt, aber sie hat für England ohne dessen Hilfe zwei Aufstände der Eingeborenen niedergeworfen.

Seinen einzigen Rivalen in Kimberley, Barnato, hatte Rhodes in der berühmten Nachtsitzung, in der er die Fusion aller Diamantminen durchsetzte, gezwungen, das Plus der Diamantengesellschaft von einem bestimmten Prozent ab der Chartered Company zufließen zu lassen. Wie groß muß seine Macht der Überredung gewesen sein, wenn er dem Eitlen für einen Sitz im Parlament dies Zugeständnis abdrückte, das ihm toll erscheinen mußte. Millionen, die mir gehören, soll ich in ein unbekanntes Land werfen, das keine Dividende zahlt? So ungefähr dachte Barnato.

In jenen Jahren bereitete sich die politische Katastrophe vor. Die Engländer im Transvaal beanspruchten vergeblich Rechte. Alles war burisch, nur das Gold in den Minen nicht. Während niemand den alten Krüger bewegen konnte, den Engländern Bürgerrechte zu gewähren, zog er sie gewaltsam ein, zum Kampf gegen Aufständische. Ein »Reformkomitee« aus Geldleuten schürte in Johannesburg, alle Engländer wollten einen Putsch. Diese Dinge wirkten lebhaft auf das junge Rhodesia zurück.

Rhodes war zugleich Premierminister in der englischen Kapkolonie und Direktor der Rhodesischen Company. Um so mehr verschmolzen die beiden leitenden Stellungen, da er sie mit seiner Persönlichkeit durchdrang. Sie waren die Symbole seiner kaufmännischen und politischen, man könnte sagen: allgemeinen und persönlichen Triebe: seines Nationalismus und seiner Leidenschaft. Diese symbolische Doppelstellung stürzte ihn.

Er wußte von allem. Jene Depeschen, die später dem Unterhause vorlagen, beweisen, daß er mit Chamberlain über den Aufstand einig war. Er riet bei den Beratungen, aber als englischer Minister durfte er offiziell nichts wissen, durfte vor allem nicht selbst dabei sein. Während die Farmer seines Landes sich unter seinem Freunde Jameson sammelten, um Johannesburg zu überrumpeln und so die geforderten Rechte von den Buren zu erzwingen, saß Rhodes, der Geist des Unternehmens, als englischer Minister am Kap, Hunderte von Meilen entfernt.

Das Reformkomitee hatte schlecht gearbeitet, die Johannesburger Engländer hatten keine Waffen, die wenigen, die da waren, blieben unverteilt. Als Jameson mit achthundert Leuten aus Rhodesia, mit Maxims und Kanonen plötzlich vor der Stadt erschien, kam ihm nur ein kleiner Trupp zur Hilfe entgegen. Aber die Buren rollten von Prätoria her Kanonen an. Jameson ergibt sich und wird mit den Führern des Komitees zum Tode verurteilt, aber in London nur eine Weile eingesperrt. Die Magnaten kaufen sich mit je 2500 Pfund frei!

Jameson nahm ritterlich alle Schuld auf sich, aber Rhodes hatte verloren, denn Chamberlain dachte: Wär' es geglückt, so wär' es auch verziehn!

Merchant adventurers 1896.

Da der Aufstand mißglückte, verlor Rhodes zugleich das Portefeuille des Ministeriums und das Direktorium seiner Kompanie. Die Regierung beschränkte ihre Rechte und setzte Kommissare ein.

Jetzt, nach dem Sturz, wird Rhodes erst groß. Er geht zu seinem Werk zurück, nach Norden. Er mischt sich in den Aufstand der Matabeles und schließt mit ihnen den gedachten Frieden, ohne Waffen, ohne Vollmacht. Jetzt lebt er ein Jahr dort oben, in den Matoppos, im Innersten seiner Kolonie. Als er dann nach England geht, um sich zu rechtfertigen, wird seine Reise nach dem Kap zu einem Triumphzug, den der geschlagene Genius durch Südafrika hält. – Wie Danton tritt er in London vor die Regierung, mit dem Gedanken: Sie werden es nicht wagen!

Noch war der Burenkrieg nicht reif. Aber Rhodes konnte zu Hause als beste Waffe das Telegramm des Deutschen Kaisers an Krüger benutzen: es zeigte die weltpolitische Notwendigkeit.

Während des südafrikanischen Krieges hält er sich ganz zurück, ist nur als Offizier in Kimberley tätig. Wenige Wochen vor dem Frieden stirbt er, noch nicht fünfzigjährig; acht Jahre vor Gründung der Union und sicher weniger als dreißig vor Vollendung der Kap-Kairo-Bahn.

In den Matoppos hoch oben in Rhodesia läßt er sich begraben. Seine Feinde von einst, die Matabeles, bestatten ihn auf ihre Art wie einen Häuptling, schlachten fünfzehn Ochsen, tanzen ihren Grabtanz, ihr Trauergesang durchdringt noch die Nacht.

Ihr Führer sagte: »Unser großer Häuptling Umsiligazi, der Gründer unserer Nation, liegt seit langem hier begraben. Jetzt wird sich der weiße Häuptling mit ihm vereinigen.«

 

In ungeheurer Einsamkeit, in eine Felsenwüste krallt sich sein Grab. Nie sah ich eines, das kaiserlicher wäre.

Nach stundenlanger Autofahrt geht es zu Fuß immer auf der rauhen Bahn eines Riesenfelsens aufwärts, über eine flache Kuppel hin. Das Felsige vereinfacht sich, das Synkopische mildert sich ab und leitet in ein Maestoso über. Wir schieben uns aufwärts, wegelos, immer über die Felsenkuppel. Ein paar Riesenblöcke liegen auf dem Gipfel der Kuppel, schwarz gegen das Licht wie herabgefallene Gewitterwolken. Indem wir steigen, taucht die Landschaft rings empor, bis ins Unendliche gekuppelt.

Das Wort verstummt. Wüßte ich nicht, wer hier liegt, ich fühlte doch, das darf kein Sonderling, kein bloßer Abenteurer sein. Wer sich in solchen Fels zu betten wagt, verdient für seine Kühnheit schon den Kranz. Zuletzt geht es steil, ein Streifen im Gestein deutet den Weg der Seile an, an denen die schwarzen Hände den Sarg des Mannes heraufgeschleppt haben, der in Kapstadt, 1500 Meilen südlich, genau diese Stelle bestimmte, auf dem Gipfel der Kuppel, wo jene Blöcke ruhn, merkwürdig gerundet, auf schmalster Basis Stein auf Stein gerieben.

Umher die Landschaft scheint im afrikanischen Lichte, weit wie vom Gipfel des Mont Blanc. Wie riesige Gebirge kreisen rings die Hügel der Matoppos, die in Wahrheit niedrig sind, und immer ruft der unbelaubte Fels Visionen tierischer Gestalten wach. Gleichen jene nicht den Rücken vorweltlicher Wesen? Diese dort lebendigen, unbewegt kauernden? Doch mit einem Male glänzt eine Mondlandschaft mitten im Lichte, Krater und Rücken wölben sich, krümmen sich. Aber dahinter dehnt sich nach allen Seiten der Rose unendlich die Steppe von Afrika.

»Here lie the remains of Cecil John Rhodes.«

Die graue Platte bedeckt ein Loch, das in die Kuppelhöhe gesprengt ward. Ich näherte ihr meine Hand und fühlte schon voraus die Kühle, die von dieser Platte, die aus diesem Grabe aufsteigen mußte. Aber sie glühte von afrikanischer Sonne.

Keine Frau, kein Sohn, kein Kranz.

Kein Mensch auf hundert Meilen, kein Baum. Keine Pflanze, kein Wild. Selten überfliegt den Stein der Schatten eines Adlers.

Wie ein Häuptling ruht er hier, der Sohn eines Londoner Pfarrers. So könnte Napoleon ruhen.


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