Hermann Löns
Kraut und Lot
Hermann Löns

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Die Jagdkleidung

Drei Eigenschaften muß die Kleidung des Jägers haben: sie muß unempfindlich gegen Witterungseinflüsse, bequem und leicht sein.

Der beste Stoff, den wir für Jagdanzüge haben, ist der Loden, den man in jeder Stärke und Farbe bekommt. Meist begeht der Neuling, der sich einen Jagdanzug machen läßt, zwei Fehler dabei; er nimmt den Stoff zu schwer und zu dunkel. Ein leichter Loden hält wärmer als ein schwerer, da er den Gliedern mehr Bewegungsmöglichkeit erlaubt und die Ausdünstung befördert. Mit dünneren oder dickeren Netzhemden kann man sich zudem der Witterung leichter anpassen, als wenn man von vornherein einen zu dicken Stoff nimmt.

Die Farbe sei möglichst unauffällig, in jenem Tone, den die Sonnenseite der Bäume zeigt, also ein lichtes Graugrün, Graubraun oder Braungrau; am vorteilhaftesten sind leicht gemusterte Lodenstoffe, wie man sie heute in Deutschland so hübsch herstellt, daß ganz England sie trägt, während der deutsche Jäger noch vielfach so töricht ist, die teuren englischen Stoffe zu kaufen, die das Drei- bis Achtfache des deutschen Lodens kosten, von dem der Stoff zu einem Anzug, Jacke, Weste und zwei Hosen, kaum mehr als fünfundzwanzig Mark kostet und fast unvergänglich ist. Ein guter Loden ist selbst dann noch wasserdicht, wenn er schon den nackten Faden zeigt. Niemals nehme man einen dunklen Ton für den Stoff; das ist ganz verkehrt, denn damit fällt man überall auf. Aber auch zu hell darf man nicht nehmen. Die schlechteste Farbe, die es ungefähr für die Jagd gibt, ist jene Dienstkleidung der Forstbeamten, die, wenn ihr Träger sich bewegt, wie ein grüner Blitz wirkt.

Der Schnitt der Jagdkleidung sei so einfach wie möglich. Die vielen äußeren Taschen haben gar keinen Zweck, denn damit bleibt man nur hängen. Die Jacke sei hochgeschlossen mit breitgeschnittenem Umlegekragen, der, wenn er hochgeklappt wird, mit Haken und Öse, nicht aber mit Knopf und Riegel zu schließen ist. In den Seitennähten sind zwei Taschen in der Art der an den Försterjoppen befindlichen, doch ohne Klappen, anzubringen; damit bleibt man im rauhesten Stangenorte nicht hängen. Äußere Brusttaschen sind gänzlich überflüssig, innere notwendig. Sehr zweckmäßig ist es, läßt man sich auf der linken Schulter einen zum Ärmel quer stehenden daumendicken Wulst aus hart übersponnenem Stoff anbringen, damit der Gewehrriemen dort Halt hat. Für Pirschjäger, die zu Schweißarbeiten Gelegenheit haben, empfiehlt es sich, wenn sie sich auf dem Joppenrücken dicht unter dem Rockkragen aus der Kordel eine flache Schlinge annähen lassen, in die sie, wenn es durch dick und dünn geht, den Karabinerhaken einknipsen können, der an einer fußlangen Kordel des Hutes hängt, genau so, wie es die Jagdreiter tragen. Schlägt ihnen dann ein Reis den Hut vom Kopf, so brauchen sie sich nicht erst danach zu bücken. Quetschfalten und Windgürtel sind zwecklos. Einen mindestens handbreiten Windgürtel trage man aber lose im Rucksacke, um ihn, ist man heiß oder schlägt das Wetter um, umknöpfen zu können. Dieser Gürtel muß eng und weit zu knöpfen sein.

Sehr wichtig ist die Weste. Sie muß nach Art der alten Bauernwesten ganz hoch geschlossen sein, und ihr Rückenteil soll aus demselben Stoffe bestehen wie das Vorderteil, denn sonst erkältet man sich leicht. Die Westentaschen nehme man quer über die ganze Brust und den Bauch und lasse in der Mitte Knopf und Knopfloch anbringen; auf diese Weise kann man sie gleich als Patronentaschen gebrauchen. Für die Uhr lasse man sich am untersten Westenknopfe eine eigene Tasche machen, in deren untere rechte Ecke man einen Ring einnäht, in den man die Kordel, an der ein richtiger Jäger die Uhr hat, einschlingt. Man hat dann die Uhr mit dem ersten Griffe in der Hand und kann sie niemals verlieren. Der Westengurt sei mindestens drei Finger breit; zieht man ihn enger, so ersetzt er den Windgürtel. Lederwesten nehme man nur aus weichem, durchlässigen Wildleder; solche aus glasiertem Leder taugen gar nichts, weil sie die Ausdünstung verhindern, was unbedingt zur Verzärtelung und Erkältung führt.

Die Hose soll hinten einen recht tiefen Schlitz haben, der zuzuknöpfen ist. Je tiefer der Einschnitt, um so besser die Ableitung der Ausdünstung. Vorn ist sie am besten nach der Väter Weise geschlossen; unsere Ahnen wußten wohl, warum sie die Klapphosen trugen; erstens blitzten sie nicht in lächerlicher Weise mit einem Knopfe herum, den sie zuzuknöpfen vergaßen, und dann erkälteten sie sich auch nicht so oft den Unterleib. Die Seitentaschen sollen in der Naht liegen, wie bei Uniformhosen; die Gesäßtaschen seien groß und zuknöpfbar. Unterhalb der rechten Seitentasche soll in der Naht die Tasche für das hannoversche Weidmesser sein, das beste Jagdmesser, das es trotz aller englischen Fabrikate gibt und das billigste, denn die Goslarer und Celler Messer kosten drei Mark. Die Kniehose ist die praktischste Hosenform; man geht viel leichter darin und erkältet sich wegen des Schlusses unterhalb des Knies lange nicht so leicht, wie im Ofenrohrformat. Sehr zweckmäßig ist es, läßt man vor den Knien den Stoff doppelt nehmen; der Jäger kniet oft auf feuchtem Boden. Es schadet auch nichts, wenn man sich in die Hose einen doppelten Boden, wie ihn die Radfahrer tragen, setzen läßt.

Immer denke man daran, daß er ganze Kerl möglichst einfarbig aussehen müsse; deshalb wähle man den Hut möglichst in der Farbe des Anzuges. Seine Krempe sei nicht breiter, als daß sie die Augen schütze. Im Winter ist eine leichte Leporinmütze oder ein Wolkenschieber zu empfehlen; die englischen Mützen im Schlachteruniformformat sind albern. Bei ganz bösem Wetter ist eine leichte Schlauchkappe unter der Mütze sehr angenehm. Federn oder sonstiger Weiberschmuck gehören nicht auf den Hut des norddeutschen Jägers, höchstens eine Feder von der letzten Beute; nur bei Gesellschaftsjagden darf man in voller Kriegsbemalung kommen. Je verschossener der Hut ist, um so besser stimmt er zu der Natur, doch vermeide man absichtliche Verdreckung des Hutes wie der ganzen Kleidung; ein Jagdanzug kann verschossen sein, aber er muß sauber und anständig aussehen, wenigstens solange man auf dem Asphalt oder auf der Bahn liegt; im Jagdhause kann man getrost die ältesten Klatern anziehen.

Sehr wichtig ist die Fußbekleidung. Auch hier wird meist der Fehler gemacht, daß man in der warmen Jahreszeit viel zu dicken Kram an den Füßen herumschleppt. Der Jäger hat Angst vor nassen Füßen und trägt darum sehr dicke Schmierschuhe; die Folge davon ist, daß seine Füße vom Schweiß naß werden. Im Sommer sind das beste abgetragene, leichte Schuhe, auch bei Wasserjagden. Hört man auf zu jagen, so wechselt man Schuhe und Strümpfe. Diese sollen im Sommer dünn sein. Am besten steht sich, wer gar keine braucht, sondern sich mit einer Strohsohle begnügen kann, und am allerbesten, wer von der Natur so begnadet ist, daß er barfuß pirschen kann, denn gar keine Schuh sind die bequemsten. Im Winter muß man natürlich derbes Schuhzeug tragen. Die Strümpfe nehme man aber auch dann nicht zu dick; man steht sich am besten, zieht man erst ein Paar ganz leichte alte Sommerstrümpfe an und darüber ein Paar leichte Wollstrümpfe; dringt Feuchtigkeit in den Schuh ein oder schwitzt der Fuß, so saugt der äußere Strumpf alle Nässe auf, der innere aber bleibt warm und trocken. Um den Fuß abzuhärten, soll man ihn jeden Tag in stubenwarmen Wasser waschen und möglichst viel, zu Hause sowohl wie draußen, den nackten Fuß der Sonne auszusetzen. Selbst ein weicher Fuß härtet sich dann bald ab. Wer Kniehosen trägt, trage keine Strümpfe mit Füßen, sondern nur Längen. Man hat heute Strumpfgamaschen, die so eng gewebt sind, daß sie Tau und Regen abhalten, und die bei aller Dünne so derbe sind, daß Dornen und Felsen ihnen nichts anhaben. Der lange Strumpf ist unter dem Knie mit einem Bande, das zweimal leicht herumgelegt und zur Schleife gebunden wird, zu befestigen. Die Manschette der Kniehose ist am besten mit einer Schnallenvorrichtung zu schließen und sei für die Sommerhose nur schmal.

Ob man Schuhe oder Stiefel trägt, ist Gewohnheitssache. Ein halblanger Stiefel ist luftig und bequem. Die Schnürstiefel sollen mit geschlossenen Ösen, durch die die Schnur läuft, versehen sein. Sehr empfehlenswert sind für die warme Jahreszeit Segeltuchschuhe. Pirschsohlen aus Gummi sind schwer und teuer; Gummiabsätze, die mit einer Schraube befestigt werden, genügen völlig, den Tritt leicht und geräuschlos zu machen. Gänzlich zu verwerfen sind Ledergamaschen aus hartem Leder, besonders die mit Federmechanik; sie üben einen unablässigen Druck auf die Wade aus und knarren beständig. Schilfleinen ist auch zu hart. Das Beste sind Gamaschen ohne Vorfuß aus Wildleder oder Loden, noch besser derbe, aber nicht zu dicke Strumpfgamaschen. Die englischen Wickelgamaschen sind etwas für Leute, die überflüssige Zeit oder einen Diener haben; zudem sind sie zu teuer und recht schwer; ein handbreiter, langer, ungesäumter Lodenstreifen tut schließlich dieselben Dienste.

Das Unterzeug soll nie aus Leinen, sondern aus einem jener famosen Netzstoffe aus Halbwolle oder Baumwolle sein, die man jetzt in vielen verschiedenen Arten bekommt. Ein steifer Hemdkragen, sowie Manschetten sind Unsinn. Wer wintertags hohen Halsschutz braucht, kaufe sich eine jener Binden, die die Jagdreiter tragen, aber nicht aus weißem, sondern aus waldfarbigem Schilling. Man hat jetzt sehr schöne Jagdhemden aus waldfarbigem Woll- und Halbwollstoffen mit Stehumlegekragen, die im Sommer ohne Weste und Jacke als Bluse getragen sehr nett aussehen. Wer in Bluse, Kniehosen und leichten Schuhen pirscht, leistet das Doppelte, wie der Jagdphilister in Joppe, langer Hose und schweren Stiefeln. Im Winter tut ein Swetter ausgezeichnete Dienste. Pulswärmer halten den ganzen Kerl warm. Im Winter trage man nur enggestrickte Wollhandschuhe ohne seidenen Schießfinger, denn sonst friert einem die Drückefingerspitze stets. Ein Paar Ersatzstrümpfe soll man stets bei sich haben.

Als Wetterschutz ist ein leichter Lodenmantel das Beste, die Umhangform ist unpraktisch. Der Mantel soll keine Taschen, sondern nur Schlitze und zuknöpfbare Ärmelqueder haben. Sehr bequem ist ein Kittel aus Kassenet nebst dazu gehöriger Überhose ohne Taschen, die weit über die Knie fallen soll. So angezogen, kann man den ganzen Tage im Regen herumlaufen und bleibt doch trocken. Die neumodischen, federleichten, oft knapp dreiviertel Pfund wiegenden Regenhäute aus Verbandsbatist sind ausgezeichnet, vertragen aber auf die Dauer kein scharfes Knicken, sondern sind zu rollen und lose um den Rucksack zu schlingen.

Geschmack und Gewohnheit spielen bei der Wahl der Kleidung die Hauptrolle; jeder Jäger muß an sich selbst ausproben, was für ihn am zuträglichsten ist.

Immer aber denke der Jäger daran, daß er ein deutscher Jäger ist, kleide sich nur in deutsche Ware und mache keine ausländischen Modetorheiten mit, sondern bleibe seiner Volksart treu, auch in der Jagdkleidung.


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