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Die Waldfrau hat das Land gesegnet; Eiche und Buch tragen reiche Mast, der Haselstrauch biegt sich unter seiner Last und die Beerenbüsche sind über und über bunt.
Man mag im Walde gar nicht fest auftreten; es tut einem beinahe wehe, daß man bei jedem Schritt zehn Bucheckern und fünf Eicheln zertritt. Und doch hört man den krachenden, knirschenden Ton gern, mit dem die reifen, nahrhaften Früchte unter den Sohlen zerbersten.
Wie sie blitzen und funkeln in der hellen Sonne, die glatten, braunen, blanken, dreieckigen, niedlichen Buchnüsse, die ihre haarigen, struppigen Hüllen verließen und zwischen dem kupferrot leuchtenden Fallaub herumliegen. Und wie hell glänzen dazwischen die grünen und gelben Eicheln.
Ist das ein Leben heute hier vorne im Walde. Es wimmelt von Kindern; und alle suchen Bucheckern. Es gibt doch nichts Schöneres für ein Kind, als der freien Natur irgend etwas abzugewinnen, Waldbeeren, Pike oder die fetten, süßen Buchnüsse. Ob arm, ob reich, sie rutschen alle im Laube umher, die kleinen Leutchen, und sammeln und suchen und lachen und quieken.
Und der Förster schmunzelt. Dieser Herbst, das ist ein Herbst nach seinem Sinne. Schon vor Monaten hat er den Boden in den Altholzbeständen verwunden lassen, damit die Waldfrüchte leichter keimen können und nicht zwischen Laub und Moos verschimmeln und vermodern, ehe der Keim Wurzel fassen kann. Im nächsten Frühling wird der ganze Waldboden von hellgrünen, fetten Keimblättern nur so schimmern, und fünf Jahre später werden dichte Buchenjugenden ihn verhüllen.
Aber der Förster hat zwei Herzen, eins für seinen Wald und eins für sein Wild, und das letztere freut sich erst recht. Im nächsten Jahre werden die Hirsche schwere Geweihe tragen und die Böcke werden gut aufsetzen, alle Ricken werden zwei und viele drei Kitze führen, die Sauen werden nicht soviel Flurschaden machen und der Wildhändler wird bessere Preise zahlen, denn alles Schalenwild wird um ein Viertel schwerer wiegen als in den letzten Jahren.
Die schönste Waldäsung und der beste Klee, sie setzen doch nicht so gut an wie Buchecker und Eichel. Klee vergeht, Buchecker besteht. Wenn die Felder ganz kahl sind, wenn im Holze die Äsung immer seltener wird, in einem Mastjahre leidet das Wild keine Not; unter dem Laube liegen zu Tausenden und Abertausenden die Bucheckern und Eicheln, und platzend und schlagend zieht das Rehzeug und das Rotwild dann hin und her und äst sich an den nahrhaften Früchten satt, die ihnen besser bekommen als Kleeheu, Kartoffeln, Rübenschnitzel, Viehbohnen und Mais.
Zwar die Mäuse, denen wird es auch gut gehen, zu gut. Mastjahr, Mausjahr, das ist eine alte Regel. Die Waldmaus, die ist noch zu ertragen, denn in der grünen Zeit frißt sie zumeist Raupen und Käfer. Aber die Rötelmaus und Feldmaus, das sind böse Gäste; im nächsten Herbst wird es von dem Unzeuge wimmeln und viel Jungholz wird geschält werden. Darum Hahn in Ruh, wenn ein Fuchs anläuft, keine Eisen gestellt und keine Knüppelfalle gebaut für den Marder! Fuchs und Marder müssen über Winter dem Grünode helfen, daß die Mäuse dünner werden, und Bussard und Krähe, Sperber und Eule auch und Meister Grimbart, der Dachs, erst recht.
Der hat es jetzt auch gut; er wird sich eine zweizeilige Schmerschicht anmästen an den Bucheckern und im Frühling dafür gründlich zwischen der Mäusebrut aufräumen. Mag er auch einmal einen Junghasen reißen oder ein Fasanengelege verderben, er tut doch allerlei Nutzen. Die Fasanen haben es aber auch gut. Hier mitten im Hochwalde, wo sie sonst kaum liegen, sind sie jetzt anzutreffen. Da unten funkelt und schimmert ein alter Ringfasenenhahn im Sonnenlichte, dort auf dem Gestelle sind drei Hennen zu sehen; sie alle suchen Bucheckern im Fallaube. Der Pächter der Feldjagd sucht sich matt und müde; er trifft keine Fasanen an; alle liegen sie im Holze.
Ein gesegneter Herbst ist es; ein wohltätiger Herbst für Wald und Wild. Alles was da lebt und webt wird es gut haben; die Eichkatzen werden fett wie die Schnecken werden und jeder Häher wird sich ein Bäuchlein anmästen; die Buchfinken bleiben im Lande, und die Ringeltauben denken noch lange nicht daran, zum Süden zu reisen. Dieses Jahr fressen sie den Bauern den Futterkohl nicht ab aus Mangel an Waldmast. Und welche Masse von Bergfinken bald den Wald beleben wird. Im vorigen Winter war es stille; die bunten Vögel zogen eilig durch. Dieses Jahr werden sie verweilen, und der Wald wird dann nicht so langweilig sein.
Wie die Häher kreischen und quarren; sie loben den Herbst auf ihre Art. Und wie vertraut die Rehe umherziehen und ganz gemächlich Buchnuß auf Buchnuß aufnehmen und zermahlen. Reiche Äsung macht kirre, das ist alte Waldweisheit. Jammervoll sah es im letzten Winter aus. Da zog das Rehwild halbverhungert scheu hin und her, und manches Stück, das sich an der harten Schneekruste wund getreten hatte und an den Läufen klagte, rissen die Füchse und die Sauen, und auch manches Stück Rotwild kam um. Im nächsten Winter wird es nicht so viele Abgänge geben, und wenn er auch noch so hart wird. Mast wärmt, das steht fest.
Gräßlich, so ein harter, mastloser Winter, wenn Buchen und Eichen nicht getragen haben, die Schlehenbüsche kahl sind und noch nicht einmal die Eberesche ein paar Beeren trägt, wie im letzten Jahre. Der reißt Löcher in die Forstkasse und Lücken in den Wildstand, denn die Beschickung der Fütterungen kostet Geld, und alles Anfüttern hilft doch nicht so, als wenn die Natur selber den Tisch deckt und reichlich Eicheln und Buchnüsse, Schlehen, Mehlbeeren und Vogelbeeren schüttet. Schrecklich, solche Forsten, in denen es nichts gibt als Kiefern und Fichten und Fichten und Kiefern, wie oben im Gebirge oder da in den sandigen Marken.
Wenn dann der Winter arg wird, kann der Förster und Jagdinhaber hinter seinem Wilde herpfeifen. Die Sauen verschwinden, das Rotwild wechselt aus, selbst das Rehwild verläßt seine Stände und auch die Fasanen verstreichen und kehren nicht zurück. Und das, was standhält, verbeißt die jungen Pflanzungen, daß sie wie geschoren aussehen, und schält, daß es zum Erbarmen ist, und leidet doch Not, denn Heide, dürres Gras und Kiefernrinde füllt nur den Pansen, hält aber nicht vor. Der geschlossene Nadelwald, praktisch mag er sein, vielleicht, aber doch nur auf dem Papiere. Er ist leichter zu bewirtschaften, bequemer in Bargeld umzusetzen; aber wie er der Wildbahn schadet, wie sehr er den Boden aushagert, wie durch ihn Raupengefahr und Borkenkäferfraß künstlich herangehegt werden, das wird nicht bedacht. Und wie langweilig ist er zudem noch!
Darum, wo es eben geht, über der Kiefer und der Fichte die Eiche und die Buche nicht vergessen. Wo eine mergelige Stelle ist, wo der Boden tieferen Grund hat, sollen Eichen und Buchen zwischen Kiefern und Fichten stehen, und es soll auch Platz bleiben in jedem Walde für Pappel und Birke, Erle und Espe, Eberesche und Dornbusch. Sie machen sich alle bezahlt, durch ihr Holz an den Mollenhauer und Pantoffelmacher, durch ihren Stockausschlag, durch Beeren und Fallaub. Der Boden will auch einmal andere Nahung, als immer und immer nur Nadelstreu und Nadelstreu, auf der nichts wächst als Heide und Heidelbeere, und unter denen sich der böse Bleisand bildet, der die Wurzeln nicht durchläßt und nur hungrige Schattengräser aufkommen läßt, die keiner Wildart Äsung bieten. Auch die Pilze, die Ernährer des Waldes, die seinen Wurzeln die Nahrung übermitteln, gedeihen besser da, wo Fallaub und Nadelstreu sich mischen. Kurzsichtige Waldpolitik ist darum die reine, ausschließliche Nadelholzwirtschaft.
Wir kommen davon ja auch immer mehr wieder ab. Wir sind nicht mehr so arm wie vor hundert Jahren, wo es hieß, raschwüchsige Holzarten zu züchten, die schnell Bargeld brachten. Wir können langsamer wirtschaften, dürfen den Enkeln und Urenkeln das Ernten überlassen. So kommen mehr und mehr Eiche und Buche wieder an die Reihe, verliert nach und nach der deutsche Wald sein trauriges Aussehen, wird wieder, wo es eben geht, vom armen, langweiligen Nadelforste zum reichen, bunten Walde, den Menschen zur Freude und dem Wilde zu Wohle.
Man denkt so allerlei, geht man jetzt durch den Wald und hört die Obermast unter den Fußsohlen zerkrachen, denkt daran, wie es ist und war, und wie es sein sollte im deutschen Walde. Geld muß er tragen, gewiß, viel Geld sogar, aber auch Gewinn für die Augen und wirkliche, wahre Weidmannsluft, die nicht von Winterfütterung und Kunsthege abhängig ist, sondern sich auf die Natur verlassen kann und ihre Gaben, die sie reichlich bietet, wenn der Mensch ihr etwas den Willen läßt und sie nicht allzusehr unter Vormundschaft stellt.
Das lehrt uns dieses Mastjahr.