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Am Heidsee

Es will Abend werden. Die Sonne hat ihren Glanz verloren und steht als große, rosenrote Scheibe über den Fuhren unter einer wunderbar gefärbten langen Wolke an dem goldroten Himmel.

Die Heidberge, die seit der ersten Frostnacht abgeblüht sind, glühen auf, als wollten sie von neuem erblühen. Die gelbgescheckten Birken leuchten, die Moorhalmbüsche strahlen, die Rauschbeerstauden sehen wie rote Flammen aus, und sogar die weißen Sandflanken der Hügel bekommen einen warmen Ton.

Ich stehe unter einer krausen Fuhre. Ein mächtiger Wacholderbusch, den ein ganz und gar mit feuerroten Hagebutten bedeckter Rosenstrauch umspinnt, gibt mir Vorderdeckung gegen den kleinen See, dessen dunkelblauer Spiegel sich unheimlich schön von dem blutroten Riedgras, das ihn einfaßt und in dem viele weiße, spät erblühte Wollgrasflocken leuchten, abhebt. Ab und zu, wenn ein Windhauch darüber hinwegseufzt oder ein Rohrhuhn ihn bewegt, überzieht ihn ein silbernes Gekräusel oder goldene Ringe blitzen in ihm auf.

Ich stehe da und lauere auf die Enten aus Nordland, deren Federn auf dem bleichen Torfmoose vor dem Wasser hin und her wehen. Die Sonne zerlodert hinter den Fuhrenstämmen und macht aus den vielen Hunderten der silbernen Rispen des Sandrohres goldene Flammen. Das Gequarre der Krähen und das Gekreische der Häher verstummt, das Getriller und Gekuller der Meisen hört auf, und auch das dünne Gepiepe der Goldhähnchen verliert sich. Eine Fledermaus zickzackt über den See, fahle Nachtfalter hasten an den blutroten Brombeerbüschen vorüber, wie ein Schatten huscht ein Rotkehlchen über den Sandfleck vor meinen Füßen.

Der Himmel ist nun ganz dunkelblau. Ein einziger Stern steht an ihm gerade über der hohen, wunderlichen Fuhre, auf der Kuppe des höchsten der Hügelchen, die den See umhegen, und an dessen Abhang langsam zwei Rehe dahinziehen, grell gelb aussehend, stehen sie in dem braunen Heidkraute, grau werdend, treten sie zwischen die fahlen Moorhalmbüsche. Hier und da schlieft ein Kaninchen aus seinem Bau, sichert ein Weilchen und hoppelt der Feldmark zu. Dann ist auf einmal ein Hase mitten in der großen Sandschelle an der Flanke des Hügels, der lange unbeweglich dasitzt, und plötzlich von dannen flüchtet, denn die Luft wehte ihm die Witterung des Fuchses zu, der zwischen den Sandrohrhalmen erscheint und hinter den Wacholdern verschwindet. Mit ängstlichem Geflöte stehen vor ihm die Heidlerchen auf.

Jetzt ist ein zweiter Stern am Himmel, und nun ein dritter, und immer mehr stellen sich ein. Ein zischender Pfiff ertönt, und jenseits des Sees geistert eine Schnepfe dahin. Hinter mir klopft es dreimal laut, und dann rauscht es; ein altes Kaninchen hat Wind von mir bekommen und warnt die anderen. Mit einem schiefen Blicke sieht mein Hund dahin und schnuppert leise; dann legt er den Kopf wieder auf den Sand. Über das Torfmoos rennt schrill zwitschernd eine Wasserspitzmaus und plumpst in den See. Aus der Ferne ertönt das Trompeten reisender Kraniche, und dann und wann fliegt mit dünnem, langgezogenem Pfiffe eine wandernde Drossel dahin. Aus dem Rohr rudern leise zwei Wasserhühner bis auf die Mitte des Sees, kehren aber hastig um und flüchten mit Gepolter zurück, als sie die Eule erblicken, die lautlos über dem Wasserspiegel schwebt. Hinter meinem Rücken poltert und bricht und rauscht es in den Fuhren; ein Bussard wird sich zur Rüste eingeschwungen haben.

Ich höre es klingeln; Enten streichen vorüber. Ich setze die hohle Faust an den Mund und mache ihr Gequarre nach. Es klingelt näher, und drei Schatten erscheinen an dem jenseitigen Ufer, verschwinden hinter den Erlen, tauchen wieder auf und kreisen näher. Ich reiße den Lauf hoch und nehme die erste Ente auf das Korn, drücke, sehe sie im Feuer stürzen und höre sie in das Röhricht prasseln, halte auf die zweite, und sehe und höre auch diese fallen. Mit heiserem Geplärre stiebt die dritte davon. Der Hund hat den Kopf gehoben und äugt mich fragend an. Ich winke ihm ab und er senkt das Haupt wieder. Ich lade und lauere weiter. Auf den Wiesen melden sich die Kiebitze; in der Heide lockt ein Rebhahn. Fern fällt ein Schuß, und hinter mir schreckt ein Reh.

Nun sind alle Sterne an dem hohen, blauen Himmel, und der See spiegelt viele von ihnen wider. Eine Ente quarrt über mir und platscht in das Wasser, ehe ich sie gewahrt habe; ich höre sie flattern und schnattern, bekomme sie aber nicht zu Blick. Ein silberner Blitz leuchtet in dem See auf, und abermals einer; es war das Widerbild von fallenden Sternen. Links von mir bricht es im Gestrüpp, und ein hohler Husten kommt daher; das ist die lungenwurmsüchtige Schmalricke, die dort umhertritt. Von neuem fuchtelt es hinter mir und klingelt über mir, und zwei schwarze Schatten schweben im Bogen dahin, lange Hälse reckend. Größer als Enten, viel größer sind sie, und mit freudigem Schreck reiße ich den Kolben an die Backe, fahre mit und drücke zweimal. Ein lautes Plantschen und wildes Flattern und Rascheln meldet mir, daß eine der beiden Wildgänse heruntergekommen ist. Die andere höre ich davonsausen.

Eine Weile flattert, plantscht und rasselt es noch; dann ist es still. Ich lauere noch ein wenig, und muntere darauf den Hund an. Mit einem Satze ist er in der Flut, und nur ein Weilchen dauert es, so bringt er mir einen Erpel zu. Noch einmal weise ich ihn in das Röhricht. Länger sucht er, dann bringt er die Gans. Aber eine ganze Zeit muß er suchen, ehe er die zweite Ente findet und anträgt, und dann liebele ich ihn ab, worauf er sich ausgiebig schüttelt und im losen Sande rollt, um sich zu trocknen.

Dann geht es heim über die braunen, hier und da weiß leuchtenden Hügel dem Forsthause zu, dessen helle Fenster über die pfadlose Heide mir den Weg weisen. Alle Sterne sind am Himmel versammelt, die Luft geht scharf, das Heidkraut ist naß, in den Moorkuhlen liegt der Nebel.

Morgen früh wird die Heide weiß von Reif sein, wenn ich mit dem Hunde wieder hinausziehe, auf Kaninchen zu jagen.


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