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IX.

Die Zeitungsmappe des Polizeipräsidenten vom 17. Oktober enthielt folgende Ausschnitte:

»Residenzblatt
Morgenausgabe.«

»Das Erwerbsfieber breitet sich unaufhaltsam aus und ergreift in neuerer Zeit leider auch Kreise, die es bisher als Ehrenpflicht betrachteten, das überkommene Vätererbe unverändert zu erhalten, ohne sich am Tanz um das goldene Kalb zu beteiligen. Wie wir aus zuverlässiger Quelle erfahren, ist die Kammerverwaltung des herzoglich Périgord-Trauberg-Geyersteinschen Familienbesitzes eine Interessengemeinschaft mit der Firma A. F. Rothagen eingegangen. Die großen herzoglichen Kohlengruben werden die Eisenwerke des als äußerst geschäftstüchtig bekannten Handelshauses unmittelbar beliefern, dessen Bankabteilung zugleich die gesamte Finanzverwaltung der Périgordschen land- und forstwirtschaftlichen Betriebe und deren Umgestaltung nach »modernen Betriebsgrundsätzen« übernimmt. In das Direktorium des neu begründeten Konsortiums ist der Regierungsassessor Berenberg aus dem Ministerium des Innern berufen worden, der zu diesem Zwecke nicht nur aus dem Staatsdienste ausgeschieden ist, sondern zugleich auch – aus Gesundheitsrücksichten – seinen Abschied als Reserveoffizier erbeten und erhalten hat. In dem ganzen Unternehmen dürfte der Einfluß des jungen Prinzen Périgord, des künftigen Majoratserben, maßgebend sein, dessen exzentrische Lebensführung schon häufiger Aufsehen erregt hat.«

 

»Das Börsenblatt
Abendausgabe.«

»Die heutige Börse stand völlig unter dem Eindrucke der Nachrichten über die vollzogene Interessengemeinschaft A. F. Rothagen – Périgordsche Kammerverwaltung. Kommerzienrat Rothagen hat damit seinem Hause einen neuen, wichtigen und ausgedehnten Wirkungskreis geschaffen. Die Aktien der zum Rothagenschen Konzern gehörigen Unternehmen konnten ihren Kurs fast verdoppeln. Es steht zu erwarten, daß unter der Führung dieses bewährten Finanzmannes die Riesenmittel des herzoglich Périgordschen Familienbesitzes maßgebenden Einfluß im geschäftlichen Leben gewinnen werden. Als glückliche Wahl darf der Eintritt des Regierungsassessors Ernst Berenberg in das Konsortialdirektorium bezeichnet werden. Herr Berenberg verbindet mit der gründlichen Schulung des Juristen und Verwaltungsbeamten die praktischen Erfahrungen als Sohn einer alten kaufmännischen Familie.«

 

»Generalanzeiger«

Mittagsausgabe.
Hofnachrichten.

»Dem Prinzen Theodor ist ein Urlaub von sechs Monaten zu einer Jagd- und Studienreise durch Nordafrika bewilligt worden.«

 

Lokalnachrichten.

Der Mord an Aida Langlot aufgeklärt!

Selbstmord des Mörders!

»Die furchtbare Bluttat, der das beliebte Mitglied der ›Neuen Bühne‹ zum Opfer gefallen ist, hat ihre Aufklärung und Sühne gefunden. Der Täter hat sich dem irdischen Richter entzogen. Unser Spezialberichterstatter meldet hierüber: Heute früh fanden Bauern aus Wildau beim Durchschreiten des Wildauer Forstes an einem Baum die Leiche eines gutgekleideten Mannes von etwa dreißig Jahren an einem Lederriemen erhängt. Nach den Papieren in der Brieftasche ist der Verstorbene der Bildhauer Sergius Nadasny. Ein hinzugezogener Arzt stellte Selbstmord durch Erhängen fest. Nadasny war der Geliebte der Langlot. Er ist seit ihrer Ermordung flüchtig und wurde steckbrieflich verfolgt. Der Mörder hat die grauenvolle Tat, durch die er sich selbst der Geliebten und seines künstlerischen Schönheitsideales beraubt hat, nicht zu überleben vermocht, zumal ihm durch die umfassenden Maßnahmen der Kriminalpolizei, über die wir eingehend berichtet haben, jede Möglichkeit der Flucht abgeschnitten war.«

 

»Nachtkurier«

»Das Büro der ›Neuen Bühne‹ teilt mit, daß die Aufführungen der Phädra von Euripides jetzt mit dem Prolog beginnen, der bei der Generalprobe infolge des tragischen Endes von Fräulein Langlot ausfallen mußte. Für die Rolle der Göttin ist eine talentvolle, junge Anfängerin von großer Schönheit ausersehen.«

 

»Hauptstädtische Zeitung«

Morgenausgabe.
Aus den Familienanzeigen.

»Agnes Rothagen
Ernst Berenberg
Verlobte.«

* * *

Schattenbilder des Lebens

Eine Romanreihe

In ungewohnter, leichter Form behandelt diese neue Romanreihe ernste, dem Juristen wohlbekannte Probleme. Verlag und Verfasser sind von der Erkenntnis ausgegangen, daß die leidenschaftliche Vorliebe weiter Leserkreise für Kriminalgeschichten bisher mit recht ungeeigneter, vielfach schädlicher Nahrung abgespeist worden ist. Ein großer Teil des dargebotenen Lesestoffes gehört zur verwerflichsten und verderblichsten Schmutz- und Schundliteratur, die durch Erregung niedriger Instinkte, Vorspiegelung verlogener Verbrecherromantik und Ausmalung von Rechtszuständen, die nie und nirgends bestanden haben, nur dazu beiträgt, den Anfall an das Verbrechen zu fördern und das Verständnis für die Notwendigkeiten der Rechtspflege zu erschweren. Andere, literarisch wertvollere Erzeugnisse sind geistvolle Spielereien phantasiebegabter Autoren – aber in den Schilderungen der Tat und der Aufklärung frei von jeder Erdenschwere kriminologischer und kriminalistischer Wirklichkeit.

Das Interesse des Publikums an Kriminalgeschichten ist aber wohlbegründet und verdient ernste Beachtung. Seit wir gelernt haben, das Verbrechen als eine soziale Erscheinung, als ein Produkt aus der Eigenart des Täters und den Einwirkungen seiner Umwelt zu verstehen, wissen wir auch, daß die Kriminalität ein charakteristisches Kennzeichen jeder Zeitepoche bildet. So dürfte der Gedanke gerechtfertigt erscheinen, dem Wunsche der Leserwelt nach Einführung in diese Probleme durch die Darbietung von Kriminalgeschichten entgegenzukommen, die sich auf praktische und wissenschaftliche Erforschung des wirklichen Verbrechens und genaue Kenntnis der Staatsabwehr gründen.

Es soll der Versuch gemacht werden, in leichtgeschürzter Form weiteste Kreise zunächst mit den Rechtsvorgängen und Fragen der Gesetzgebung – auch der Reformbedürftigkeit der Gesetze – bekannt zu machen und zugleich zu zeigen, daß manche irrige Auffassung weniger auf Weltfremdheit der Richter als auf Rechtsfremdheit des Volkes beruht. Gelingt es, das Interesse des großen Publikums für solche Darstellungen zu gewinnen, so werden damit zugleich Bausteine für die Brücke geschaffen, die den noch immer nicht geschlossenen Spalt zwischen Volksempfinden und Rechtspflege überwinden soll.

Vielleicht greift aber auch mancher Jurist in einer Abendstunde nach diesen Bändchen und nimmt Einblick in wichtige und interessante Abteilungen des großen juristischen Lehrgebäudes, die abseits seiner besonderen täglichen Arbeit liegen und doch der Beziehungen nicht ermangeln. Zumal der Jünger der Rechtswissenschaft dürfte einen Anschauungsunterricht in Romanform neben Grundrissen, Lehr- und Handbüchern gewiß willkommen heißen.

Trügen diese Hoffnungen nicht ganz, wird der Verlag es sich angelegen sein lassen, auch Vertreter anderer geeigneter Rechtsgebiete für solche Popularisierung der als trocken verschrieenen und in Wahrheit so lebenssprühenden Juristerei zu gewinnen.

* * *

Außer dem vorliegenden Bande ist bereits erschienen:

Mörderin?!

Der Roman eines Verteidigers von
Walter Bloem

1924.– Geheftet Mk. 3.50, gebunden Mk. 4.50.

Ein großer Berliner Chirurg, der im Dienste der leidenden Menschheit ergraut ist, der Geh. Medizinalrat Mengershausen, hat sich erschossen. Ein hinterlassener Brief an seine blühendschöne junge Gattin verrät die Ursache: Furcht vor der herannahenden Geistesumnachtung! Ein beklagenswerter, aber immerhin nicht ganz seltener Fall. Plötzlich wird die junge Witwe verhaftet. Ihre Zofe bezichtigt sie unerhörter Tat. Sie habe ihrem Manne den Todesentschluß und den zu seiner Erklärung bestimmten Brief – in der Hypnose suggeriert. In ihrer Not wendet sich Susanne Mengershausen an einen ihrer Verehrer, den Rechtsanwalt Gustav Herold, der, obwohl als Kammergerichtsanwalt eigentlich der Geheimnisse der Strafrechtspraxis völlig unkundig, den Schutz der Freundin übernimmt. Durch die verschlungenen Pfade eines Kriminalverfahrens, dessen Wechselfälle den Leser aus fieberhafter Spannung nicht eine Sekunde loslassen, geleitet uns die Erzählung bis zur dramatischen Schwurgerichtsverhandlung und zur Lösung des Rätsels. – Der Roman spielt in der Vorkriegszeit. Er läßt grelles Licht auf schwere Mißstände unserer Strafrechtspflege fallen. Das psychologisch-kriminalistische Problem, ob die Hypnose, vor allem die Posthypnose, als Werkzeug des Verbrechens ernsthaft in Betracht kommt, wird an der Hand eines Einzelfalles in wissenschaftlich exakter und menschlich vertiefter Schilderung zum Kunstwerk gestaltet.

Das neue Werk von Walter Bloem, der früher selbst lange Jahre Rechtsanwalt war, reiht sich ebenbürtig den besten Romanen an. In seiner Doppelwirkung: in die tieferen Vorgänge der Strafrechtspflege einzudringen und zugleich ein Kunstwerk von eigenartiger Spannung zu bieten, wird es auch Juristen, Mediziner und Psychologen auf das Lebhafteste interessieren und zum Nachdenken über die von Bloem gefundene Lösung veranlassen, den weitesten Kreisen aber eine packende und immer anregende Stunde verschaffen.

Weitere Bände dieser neuen Romanreihe befinden sich in Vorbereitung.

* * *


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