Friedrich Lienhard
Oberlin
Friedrich Lienhard

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Zweites Kapitel

Belisar

Die Waldnymphen in ihren flatternden Sommergewändern, in weiterem Kreise umschwärmt von den Kindern und den beiden langhaarigen Windspielen, zogen den blinden Dichter im Triumphzug nach dem Gehölz. Amoretten flogen voraus; von Ast zu Ast schnellten sich Sylphiden. Es war eine Szene aus Märchenland; die Göttin Kypris stand auf einem Rosengewölk und winkte lächelnd Beifall.

»Belisar hat neulich Geburtstag gehabt,« rief Octavie, »heute muß er uns als Nachfeier einiges aus seinem Leben erzählen! Wollen Sie uns die Freude machen, lieber Herr Pfeffel?«

»Was bleibt mir denn andres übrig als zu gehorchen, mein Kind?« versetzte der Dichter. »Ich bin ja von einer Feenschar eingefangen, werde in ihr Land entführt und muß halt tun, was Ida und Immortelle und Eglantine und die andern holden Wesen beschließen.«

Pfeffel nannte die Schäfernamen seiner anmutigen Freundinnen: sie waren ja nun im Nirgendsland Arkadien, das von friedlichen Hirten bevölkert war, sie mußten also auch ihre bürgerlichen Namen ablegen und sich in idyllische Kosenamen hüllen. So hießen denn Henriette im Bundeskreise »Eglantine« (wilde Rose) und ihre Schwester Amélie »Lonny«; Annette von Rathsamhausen ward »Immortelle« getauft; Pfeffels älteste Tochter Katharine Margarethe pflegte in seinen Gedichten »Phoebe« genannt zu werden, während seine Lieblingstochter Friederike den Kosenamen »Rike« behielt; ein frühverstorbener Lieblingssohn war unter dem Geisternamen »Sunim« bekannt; Pfeffels Gattin wurde als »Doris« gefeiert. Ihn selbst aber, den Blinden, nannte man nach jenem – angeblich in seinem Greisenalter der Augen beraubten – Feldherrn des oströmischen Kaisers Justinian: Belisar.

»Erst aber müssen wir Herrn Oberlin benennen«, rief Ida, im bürgerlichen Leben Oktavie von Birkheim, die hierbei die Führung hatte. Sie war die älteste und war die anmutigste von allen, wahrhaft schön in ihrem kastanienbraunen Haar und mit den leuchtend blauen Augen, von verhaltenem Feuer, oft schnippisch und adelsstolz, aber dahinter von einem weichen Gemüt. Sie war »feuerfängerisch«, wie Hartmann bei Pfänder- oder Versteckspiel feststellte; aber sie war auch seelenvoll; und eine gute Erziehung dämpfte jenes Übermaß ihrer Natur.

Es erhob sich dort, im abendlich beleuchteten Park, unter Birken, Tannen und Haselbüschen auf einem künstlichen kleinen Hügel ein »Tempel der Freundschaft«. Ein rundes weißes Tempelchen aus Stein war es, auf drei Säulen gestützt. Aber die klare Antike war gemildert und umwölkt von blühendem Rankenwerk, das sich von benachbarten Wipfeln und Büschen herüberspann.

Hieher schwärmten die Jungfrauen. Da zu wenig Stühle vorhanden waren, sandte man die Kinder zurück und ließ Decken holen. Diese wurden ausgebreitet, und die jungen Mädchen lagerten sich darauf. Pfeffel hatte auf dem Rohrstuhl in Tempels Mitten Platz genommen, mit einer farbigen Decke weich umhüllt; und da saß er nun zwischen dem jugendlich anmutigen Völkchen, den Elfenbeinstock in der Hand, »wie Apollo inmitten der lagernden Schar der Mänaden« – oder, fügte er hinzu, »um artiger zu sein: wie ein Priester der delphischen Pythia« zwischen den Tempeljungfrauen«.

Dann lenkte sich das Gespräch in den Ernst hinüber, und die jüngeren Kinder mit Sigismund entflogen nach und nach in den Park.

»Unser Freund aus dem Steintal also!« begann Belisar. »Seht, Kinder, es ist mir neulich eine merkwürdige Tatsache aufgefallen. Ob nicht die Weltgeschichte ihren geheimen Rhythmus hat? Oberlin hat dasselbe Geburtsjahr wie der warmherzige Dichter Mathias Claudius zu Wandsbeck und der mystisch fromme Augenarzt und Schriftsteller Jung-Stilling: nämlich das Jahr 1740. In demselben Jahre ist mein Freiburger Freund, der liebenswürdige Lyriker und Professor Johann Georg Jacobi geboren; und wenige Monate später unser weithin wirkender Physiognomiker und Seelsorger in Zürich, mein lieber Freund Lavater. Ich selbst bin vier Jahre vor Oberlin auf diese Welt der Arbeit gekommen, bin also eine Art Alterspräsident dieser Gruppe, mit der ich mich in recht vielem eines Herzens fühle. Und fünf Jahre nach Lavater, innerhalb desselben Jahres, sind die Erzieher Campe und Pestalozzi geboren. Sehen Sie, meine Freundinnen, dies ist doch ein wunderlich Zusammentreffen, nicht wahr? All diese Leute haben in der Menschheit eine ähnliche Aufgabe: sie haben der Jugend und den Erwachsenen Gemütswahrheiten zu verkünden. Und – beachtet es wohl – während man in Frankreich von außen her Revolution macht, versuchen diese Deutschen, Elsässer und Schweizer von innen her den Menschen zu erneuern. Wie köstlich, wenn beides gelänge: eine seelische und eine staatliche Erneuerung der Menschheit!«

»Und wie köstlich, mithelfen zu dürfen bei einem so schönen Werk!« rief Immortelle.

»Das kann jeder von uns«, bestärkte Pfeffel. »Ja, jede einzelne von Ihnen kann das! Heißt nicht die Losung unseres freundschaftlichen Kreises: ›vereint, um besser zu werden‹? Nun, was steht uns denn im Wege, mit uns selbst anzufangen und in unablässiger Selbsterziehung an uns zu arbeiten? Das wird dann ganz von selbst auch auf unsre Umgebung veredelnd überstrahlen ... Und solch ein Meister der Selbsterziehung und der ausübenden Liebe ist eben Pfarrer Oberlin im Steintal: ein Geist von einer prachtvollen Einheit und Geschlossenheit des Charakters. Es ist in der Tat bewundernswert, wie dieser energievolle und zugleich so einfache Mann das vordem fast gänzlich verwilderte Steintal in ein beseeltes Land verwandelt hat.« In diesem Augenblick streiften die Marquise von Mably und der Hauslehrer Hartmann in der Nähe vorüber. Als Pfeffels klare, wohllautende Stimme durch den stillen Sommerabend klang und die Worte »prachtvolle Einheit und Geschlossenheit des Charakters« besonders deutlich vernehmbar waren, blieb Viktor aufhorchend stehen.

»Von wem sprechen sie wohl?« fragte er die Begleiterin.

»Wir wollen sie belauschen«, versetzte die Marquise, »und hernach verspotten und karikieren wir sie ein wenig.«

Die beiden blieben einen Augenblick lauschend hinter dem Gebüsche stehen.

Pfeffel fuhr fort:

»Dieser edle Charakter steht auf den Felsen seines Steintals wie – nun, wie soll ich mich ausdrücken – ich würde sagen: wie eine Tanne, jedoch der Vergleich ist zu weltlich und zu trotzig. Es ist aber Wärme in Oberlins tiefem Gemüt, er ist zart und stark zugleich, er ist fromm und ist praktisch. Etwas Biblisches ist um ihn her; und so wäre er wohl eher zu vergleichen der Zeder auf dem Libanon.«

»Die Zeder!« rief Octavie, in die Hände klatschend. »Nennen wir ihn die Zeder!«

Die Marquise zog den Hauslehrer mit fort. »Kommen Sie schnell, lieber Herr Hartmann, sonst flüchten Sie sich unter den Schatten dieser Zeder und lassen mich einsame Frau im Stich! Kommen Sie, sonst werden Sie auf diesen umschwärmten Herrn Pfeffel eifersüchtig! Oder sind Sie es schon? Gestehen Sie's offen: wären Sie nicht lieber bei jenen jungen Baronessen als bei mir alten Dame?«

Die angeblich alte Dame von dreiunddreißig Jahren schaute ihn mit so heiter sprühenden Augen an, daß er lachend beteuerte, er sehne sich ganz und gar nicht nach jener poetischen Geselligkeit, er sei dazu viel zu nüchtern, auch vermisse ihn dort niemand.

»Wirklich? Sie sind doch ohne Zweifel in Ihre hübschen Schülerinnen verliebt!«

Hartmann lachte und wehrte mit einer Handbewegung ab. »Das wäre noch! Ein Hauslehrer ist weder Tanzmeister noch maître de plaisir

»Nun, finden Sie nicht besonders Octavie entzückend?« »Madame, Sie vergessen bei dieser Neckerei den Abstand zwischen Lehrer und Schülerinnen, Sie vergessen meine Pflicht samt all dem Ärger, den sie mit sich bringt. Und abgesehen von allem andren bin ich überhaupt zu ernst für Liebeleien.«

»Kurz, ein Muster von Tugend, ein Pfeffel Nummer zwei.«

Hartmann blieb stehen.

»Warum mögen Sie Herrn Pfeffel nicht recht?« fragte er plötzlich.

»Oh, ich verehre diesen liebenswürdigen Erzieher und Menschen. Seine Bücher zwar kenne ich nicht.«

»Aber was vermissen Sie an ihm und seinem Kreise, wenn ich fragen darf?« beharrte Viktor.

Die Marquise schaute ihm mit ihren blitzenden Schwarzaugen voll ins Gesicht.

»Die Leidenschaft, mein Freund!« rief sie. »Jene magische Flamme, die in Rousseaus Heloïse brennt! Das Genie! Die Dämonie! Ein bißchen Teufelei, wenn Sie mir gütigst gestatten!«

Dann setzten sie ihren Weg fort. Hartmann empfand unter eigentümlichem Schauer, daß hier eine andere Art von Lebensflamme brannte als in jenem Tempel der Freundschaft.

»Erschrecken Sie nicht, Herr Hartmann«, plauderte sie lachend weiter. »Ich sage das nur, um Sie zu necken. Alles an Ihnen ist moralisch und korrekt. O Himmel, ist denn aber das Moralische wirklich der Gipfel des Daseins? Dann wären ja vertrocknete Betschwestern die vorzüglichsten Exemplare der Menschheit!«

»Das Moralische?« rief der Lehrer verwundert und verwirrt. »Aber was scheint Ihnen denn als das Höchste, wenn nicht das Moralische?«

»Die Liebe!« erwiderte die Frau, »die Leidenschaft!«

Inzwischen erzählte Pfeffel seinen liebenswürdigen Freundinnen Einzelheiten aus seinem Leben. Der durchstrahlte Hain, über den sich die Glut der Abendröte ausgoß, war kaum merklich vom spielenden Windhauch bewegt. In der Ferne jagten sich Kinder und Hunde; die Gruppe der Damen saß unter hohen alten Bäumen; in ihrer Nähe wanderten Birkheim und sein Freund Türckheim in politischen Gesprächen auf und ab; die Marquise suchte mit ihrem jungen Begleiter entfernte Pfade auf. Und im Tempel der Freundschaft unterhielt der seelenvoll erzählende Dichter seine aufmerksamen Zuhörerinnen.

Der blinde Sänger und Erzieher sog die Welt durch das Gehör ein. Ihn konnte eine melodische Stimme zu Tränen rühren. Einmal, in einer großen Gesellschaft, hatte ihm eine Dame im Vorübergehen nur etliche Worte zugerufen und war wieder entschwunden. Er gestand nachher, daß er diese Dame um ihrer lieben Stimme willen den ganzen Abend gesucht habe. So war er auch jetzt durch die Stimmen mit seinen jungen Freundinnen verbunden und erzählte selber ebenso wohllautend wie seelenvoll.

»Gemeiniglich«, sprach er, »empfinden es die Menschenkinder als eine harte Beschwernis, wenn ein Blinder am Arm seines Führers behutsam daherkommt und demnach ausgeschlossen scheint von den Schönheiten der Schöpfung. Ei gewiß, meine Guten, das ist nicht gerade ein besonderer Glücksfall. Und doch kann ich mir meine Blindheit aus meinem seelischen und geistigen Wachstum gar nicht Hinwegdenken. Ich bin durch diesen Zustand nach innen geführt und zur Einkehr gezwungen worden; ich habe mir die Schönheiten der Welt und der Menschenseele zu mir hereinversammelt und bin nicht unglücklich, wahrlich nicht. Und dann: ich habe bei Beginn dieses Augenleidens Gelegenheit gehabt, eine überaus herrliche und tapfere Frauenseele in ihrer ganzen Kraft und Hingabe kennen zu lernen und für mich gewinnen zu dürfen. Und dieser Besitz, samt den Kindern, die sie mir geschenkt hat, wiegt allein schon ein wenig Blindheit auf. Ihr wolltet diese zarte Begebenheit schon lange von mir hören. Sei's denn! ... Meine Frau ist eine geborene Divoux aus Straßburg. Ihr müßt wissen, daß ich mit den Divoux's weitläufig verwandt bin und mich in jungen Jahren viel in ihrem Hause aufgehalten habe. Das war so um die Zeit, als der geniale Preußenkönig die ersten Schlachten des Siebenjährigen Krieges schlug. Ganz Europa stand in Waffen. Da gründeten Doris und ich drüben in Colmar unsern friedlichen Bund ... Lange schon war mir die feine, häusliche Jungfrau lieb geworden. Wir verstanden uns in unseren Anschauungen; sie half mir, da ich damals schon an den Augen litt, indem sie für mich las oder nach meinen Diktaten schrieb. So gewöhnten wir uns aneinander. Aber wie sollte ein Kandidat, dem immer mehr Erblindung drohte, wagen dürfen, um diese anmutige Margarethe Cleophe Divoux anzuhalten? Es waren heiße stille Kämpfe. Ich ging mit der Vernunft und ging mit Gott zu Rat. Und eines Abends, als mein Herz übervoll war, beschloß ich die Werbung. »Würden Sie mir noch einen Brief schreiben?« fragte ich die Freundin. – »Gewiß, gern.« – So gehen wir denn auf mein Studierzimmer; sie setzt sich, nimmt Papier und Feder und schreibt, was ich ihr diktiere. Es war ein Brief, meine verehrungswürdigen Freundinnen, wie ihn die Seele schreibt, wenn sie übervoll ist von einer reinsten Liebe und Verehrung. Ich besitze das Schreiben als ein teures Andenken noch heute; es soll nicht untergehen, denn es war eine der heiligsten Stunden meines Lebens. Wenn ich Ihnen einige Sätze sage, so werden Sie sich einen Begriff vom Übrigen machen. ›Du bist die Auserwählte meines Herzens. Schon lange bist Du es. Ich segne die himmlische Stunde, da mir zum ersten Male vergönnt war, Dich meine Freundin zu heißen; doch nun wagt es mein Herz zu wünschen, laut zu wünschen, was es in unzählbaren feierlichen Augenblicken leise gewünscht hat. O könntest Du Dich entschließen, mehr als meine Freundin zu werden! Ich kann Dir nichts anbieten, das Deiner würdig wäre, als mein Herz. Nur eines bitte ich Dich, verehrungswürdige Freundin, und Tränen der Redlichkeit unterstützen meine Bitte: wenn meine Wünsche die Deinigen nicht sind, so bedenke, daß ich einst Dein Freund gewesen; und um der Gottheit willen, die unsere Seelen einander ähnlich schuf, höre nicht auf, meine Freundin zu bleiben‹ ... So diktierte ich.«

Pfeffels Stimme war sehr leise geworden. Man vernahm daraus die nachzitternde Bewegung. Er schwieg einen kurzen Augenblick und überschattete das Gesicht. Die Mädchen saßen lautlos, kaum einmal aufseufzend in Teilnahme und Spannung.

»Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, meine Freundinnen«, fuhr der Dichter fort, »daß meine Stimme bebte, als ich diesen Werbebrief diktierte. Auch sie, die neben mir saß, atmete schwer. And als sie zu Ende war, fragte meine Margarethe Cleophe mit ebenso bebender Stimme ganz leise: ›Und an wen soll ich diesen Brief adressieren?‹ – ›An Margarethe Cleophe Divoux‹.«

Es ging ein Aufatmen, ein wohliges Seufzen der freudig gelösten Spannung durch die Mädchenschar. »O wie schön, wie schön!« Immortelle, die zu des Dichters Füßen saß, hatte Tränen in den Augen.

»Und was hat sie da geantwortet?!« rief Lonny etwas unbedacht.

Pfeffel lächelte.

»Mein gutes Kind, das weiß ich wirklich nicht mehr. Ich weiß nur, daß es der seligste Augenblick meines Lebens wurde! Und solche Augenblicke pflegen jenseits der Worte zu liegen. Daß sie aber nicht nein sagte, beweist ja mein Dutzend Kinder, wovon eine neben mir steht und auf ihre Mutter stolz ist. Gel', Rike?«

Man lachte herzlich. Friederike Pfeffel beugte sich zu ihrem Vater nieder und küßte seine Wange.

»O möchte doch Belisar weiter erzählen!« rief Ida. »Wie gern hör' ich zu!«

»Waren nicht noch manche Schwierigkeiten tapfer aus dem Wege zu räumen?« forschte Immortelle.

»Die Tapferkeit war mehr auf seiten meines lieben Weibes,« fuhr der Erzähler fort. »Unabwendbar nahte meine Blindheit! Wie bang, wie bang war dem Verlobten zumute! Endlich entschloß ich mich zu einer letzten Operation: gelang sie, so war ich auf beiden Augen sehend, mißlang sie, so war ich auf beiden Augen blind. Wie nun aber? Sollte und durfte ich in solche Gefahr meine geliebte Doris mitnehmen? Nein. Ich schrieb ihr alles; ich teilte ihr mit, daß es nun auf Tod und Leben gehe – und, meine Freundinnen, ich löste schweren Herzens meine Verlobung wieder auf. Aber meine Doris stammt von wackeren Hugenotten ab; kaum hat sie Brief und Ring erhalten, so nimmt sie Extrapost, kommt mit ihren Eltern von Straßburg nach Colmar gefahren und bringt mir den Ring persönlich zurück. Noch konnt' ich mit dem einen Auge ihr liebes tapferes Gesicht ein wenig sehen; ich habe mir's damals tief eingeprägt, hab's eingetrunken für alle Zeit; noch heute steht sie vor meinem inneren Auge so jung und frisch wie damals. In jenen bräutlichen Tagen hat sie recht eigentlich durch ihr großherziges Aushalten mich erobert und bezwungen. Dann schritt ich zur Operation. Die Operation mißlang – und der junge Ehemann war fortan unheilbar blind.«

Wieder eine Pause. Der Dichter fuhr mit leisem Seufzen von der Stirn her über die erloschenen Augen herab. Dann sprach er mit einem gewinnenden Lächeln weiter, die Hand erhebend und Daumen nebst Zeigefinger zusammenlegend:

»Aber sehen Sie, wie das eigen ist: kann ich nicht frei hinauslaufen in alle Welt, so kommt nun die Welt zu mir herein, und ich zünde für sie und mich ein inneres Licht an. Wie viel gute und berühmte Menschen waren schon bei mir zu Gaste! Besonders seit ich meine Militärschule gegründet habe!«

»Wie find Sie auf den Gedanken gekommen, ein so anstrengendes Erziehungswerk zu übernehmen?« fragte Ida.

»Immer nur von mir erzählen?« wehrte der Dichter lächelnd ab.

»Bitte, bitte!«

»Wir jungen Dinger haben ja noch keine Biographie,« fügte Immortelle hinzu, »wir wollen ja erst Menschen werden.«

»Um Ihnen zu erzählen, wie ich auf die Idee kam, mein Institut zu gründen,« sprach Pfeffel besinnlich, »muß ich von Sunim sprechen.« »Papa, und das greift dich immer ein wenig an,« bemerkte Rike besorgt.

»Laß nur, Kind«, erwiderte der Blinde. »Ihr habt alle so ein wohltuendes Talent zum Zuhören. Ihr hört gleichsam melodisch zu. Es gibt ein melodisches Schweigen: da sprechen die Seelen miteinander. Und diese Landschaft, deren Abendrot ich in meinem Gesicht fühle, ist ungemein malerisch ... Also um das Jahr 1770 war es. Da tollte in Straßburg ein stürmisches Literatenvolk, worunter auch noch mein jetziger Freund Lerse. Ich aber erlebte mein bitterstes Schmerzensjahr. Blindheit ist nicht schlimm, wenn ein so engelgutes Geschöpf, wie die Mutter meiner Kinder, dem Erblindeten zwei gesunde Augen leiht. Auch meine vielen Kopf- und Augenschmerzen – Gott sei Dank –, die zerbrachen meinen Frohsinn nicht! Aber meinen zehnjährigen Sunim verlieren – das ging fast über Menschenkraft.«

Der Dichter streichelte die Hand seiner Tochter, die neben ihm saß, und fuhr mit gedämpfter Stimme fort:

»Er wurde mir in seinem zehnten Lebensjahr entrissen. Man hoffte, ihn im allerletzten Augenblick durch einen Aderlaß zu retten; er sträubte sich; nur weil ich, sein Vater, ihn dringend bat, streckte er gewillig die fiebernden Händchen aus. Und bald darauf war er unter schweren Krämpfen hinüber. O Gott, wie Hab' ich ihn mit beiden Händen festgehalten, mein Gesicht an das seine gedrückt und mit Tränen den Tod angefleht, ihn nicht zu nehmen! Sie mußten mich fast mit Gewalt von der kleinen Leiche hinwegtragen. Jahrelang habe ich dann mit Schwermut zu kämpfen gehabt. Da erschien mir eines Nachts im Traum Sunims verklärte Gestalt. Und er sprach zu mir:

›Zu lange hast du bittre Zähren
Um einen Seligen geweint;
Willst du mein Angedenken ehren,
So nütze! Werd' ein Kinderfeund!
Und bilde durch der Weisheit Lehren
Mir Brüder, bis uns Gott vereint!‹

Sehen Sie, meine gütigen Freundinnen, durch dieses Traumbild ist mir die Idee zu meinem Militärinstitut in die Seele gesenkt worden. Und daß es kein Phantom war, das hat sich in diesen sechzehn erfolgreichen Jahren bewiesen. Meine Schule hat mir Dank, Liebe, Trost, Beschäftigung die Hülle und Fülle gebracht. Es ist Sunims Eingebung.«

»Welch ein Trost, zu wissen, daß unsre Toten leben!« flüsterte Immortelle, die vor kurzem ihre Mutter verloren hatte.

»Sie leben, mein Kind!« fiel Sunims Vater ein. »Wir sollten sie die wahrhaft Lebendigen nennen, denn sie sind nicht tot.« Über des Dichters stets wolkenlose Stirne schien ein Leuchten zu gehen. »Sie, meine liebe Immortelle, haben einen schönen Namen; aber wir alle sind unsterblich. Alle großen Dichter und Weisen der Menschheit sind darin einig, daß die Erde eine Durchgangsstätte, ein Land der Prüfung ist, von dem wir in einen lichteren Zustand weiterwandern. Aus dieser Gewißheit geht mit Notwendigkeit die Tugend hervor. Denn wenn wir zu den Leuchtenden, die im Lichte wandeln, hinüberkommen, so wollen wir in eine so erlauchte Versammlung nicht in unreinen Kleidern eintreten, sondern im Festgewand der Tugend.«

So plauderte Pfeffel mit seinen gleichgestimmten jungen Freundinnen ...

Die kleine nervige Marquise war zwar noch lange nicht ermüdet; aber es wäre aufgefallen, wenn sie länger mit ihrem künftigen Lehrer abseits geblieben wäre. Sie hatten das Nötige und noch mehr Überflüssiges miteinander besprochen und näherten sich nun wieder hinter Gebüschen her dem Hain der Freundschaft, der nur nach Westen hin offen lag.

»Wir wollen sie abermals belauschen,« flüsterte die Marquise, »und dann an einer passenden Stelle lärmend hervorbrechen. Aha, ich dachte mir's doch, daß man hier von Tugend spricht.«

Die hübsche Frau entfaltete viel Grazie, als sie nun mit spitzen Füßchen an das Heckenwert heranschlich, den Finger am Munde, und den jungen Begleiter mit der schalkhaftesten Miene von der Welt anblinzelnd. Schon hatten sie also nun ein Geheimnis miteinander und wußten sich durch Hecken von diesem andren Kreise getrennt. »Pst!« Sie faßte ihn am Ärmel und versuchte sich an ihm, als an einem Stützpunkt, ein wenig in die Höhe zu recken, um vielleicht etwas zu erspähen. Ihn überflutete eine beängstigende Empfindung; die fest angepreßte Gestalt, der stark atmende Busen, das ganze Parfüm der berauschenden kleinen Person, die da an seinem rechten Arm hing und mit den im Handschuh verhüllten Fingern sich in den Ärmel einkrallte – all diese überlegene Keckheit ihres Naturells war ihm unheimlich. Aber Frau Elinor hüllte dies alles in eine so neckisch-graziöse Form, daß sie jeden Augenblick wieder die vornehme Entfernung herstellen konnte, sobald sie nur wollte. Sie beherrschte sich und ihn und die Situation vollkommen. Einen Augenblick blieb sie so an seiner Seite stehen, eng mit ihm verbunden; es schien ein Strom von Wärme von ihr herüberzufluten; als er die Augen, die er verlegen abgewandt hatte, wieder erhob, traf er mit ihrem flimmernden Blick zusammen. Wieder erglühte er über und über, senkte das Auge und zog langsam den Arm zurück.

Der feinen Versucherin genügte das Ergebnis des heutigen Tages. Sie legte ihm die Hand an den Arm und fragte flüsternd:

»Ich höre den Namen Belisar. Das ist wohl Pfeffels Bundesname? Wer war Belisar?«

»Ein blinder Heerführer.«

»O, ich kenne noch einen Belisar, der bis jetzt für das wirkliche Leben blind war.«

Sie sah ihn an; aber er wich diesem Blick aus. Die kluge Französin spürte, daß ein Funke bei ihm eingeschlagen und gezündet hatte. Das genügte; das erfüllte sie mit hinreichendem Entzücken. Sie verursachte ein absichtliches Geräusch, ließ Zweige zusammenschnellen und räusperte sich laut und heiter. Und als die Nymphen auf der andren Seite mit hellen Sopranstimmen »Verrat!« schrien und wie aufgestörte Rebhühner emporschwirrten, trat sie mit dem unbefangensten Lachen in den jungfräulichen Kreis.

»Entweiherin des Heiligtums!« riefen die Mädchen. »Nehmt sie gefangen!«

Frau von Mably wurde im Triumph dem Dichter vorgeführt. Sigismund und Addy eilten auf den Lärm hin herbei, erfaßten die Szene sogleich und nahmen ihrerseits den Hauslehrer als Gefangenen in die Mitte.

»Gericht! Urteil! Belisar spreche das Urteil!«

»O ihr wilden Freundinnen!« rief der blinde Richter mit Humor, »welche Rachsucht! Bin ich am Ende doch unter thrakische Bacchantinnen geraten, die ja einst in Hellas den Dichter Orpheus zerrissen haben? Also Ruhe, meine Holden, Ruhe! Ich werde recht gern Richter sein, zumal ja die Gerechtigkeit eine Binde vor den Augen hat. Meine schönen jungen Freundinnen, von einer eigentlichen Entweihung unseres Haines kann man wohl in diesem Falle noch nicht reden; wir sitzen ja hier im Angesichte der klaren Abendröte, und jedermann kann uns bis in die Herzen hinein schauen, wir sind kein Geheimbund und haben nichts zu hehlen. Indessen scheint es sich hier doch um den Anfang einer bedenklichen Neckerei oder ähnlicher Schelmerei gehandelt zu haben; es liegt also die Absicht einer Störung vor. Verurteilen wir demnach die Gefangenen zu folgender Strafe: Die schuldige Frau Marquise beginne damit, uns sofort die interessanteste Stunde ihres gewiß interessanten Lebens zu erzählen.«

Ein weithin schallendes, lebhaftes Händeklatschen und Beifallrufen bestätigte den Richterspruch. Herr Hofrat Pfeffel hatte sich während der Verkündigung dieses Urteils erhoben. Dann legte er die Decke, die längst auf die Lehne geglitten war, sorgfältig zusammen und stellte auf seinem Rohrlehnstuhl einen weichen Sitz her. Höflich bot der Blinde der Marquise den Arm und ersuchte sie, auf dem Sessel Platz zu nehmen. Sie parlamentierte ein wenig, sie bat um Aufschub der Strafvollziehung; aber die Nymphen blieben hartnäckig. Und während der abseits stehende Kandidat ratlos in seinen Erinnerungen kramte und die Entdeckung machte, daß sein Leben eigentlich gänzlich uninteressant verlaufen sei, begann sich der flinke Mund der Marquise bereits in Bewegung zu setzen.

Sie erzählte ihre erste offizielle Vorstellung am Königshofe zu Versailles. Und von nun ab sah es aus, als erteilte die kleine Frau, die ihren Fächer ebenso genial handhabte wie Wort und Gebärde, den Versammelten Audienz. Pfeffel war entthront; es saß eine neue, anders gestimmte und gestaltete Göttin auf dem Throne, deren Augen überaus hell und blitzend waren. Dabei hatte sie das Talent der salongeübten vornehmen Dame, ihre Liebenswürdigkeit der Allgemeinheit zu erteilen, und doch so, daß jeder einzelne sich beachtet und beglückt glaubte. Hartmann erkannte das vornehme Persönchen nicht mehr; sie war wieder Marquise, überaus liebenswürdig, und dennoch jeder Annäherung entrückt.

»Also, mein großer Tag, der Tag meiner Vorstellung bei Hofe ... Diese schmeichelhafte Zeremonie, von der ich Ihnen nun zu erzählen gedenke, ist vor allem eine körperliche Anstrengung. Denn man ist eigentlich den ganzen Tag unterwegs und fühlt sich in seinem schweren Staatskleid von ich weiß nicht wieviel Pfund keineswegs behaglich. Ich hatte mir bei Mademoiselle Bertin einen Rock aus Goldbrokat, mit Blumen bestickt, unermeßlich gebauscht und umfangreich, anfertigen lassen. Es ist die Kleiderkünstlerin, bei der die Königin arbeiten läßt. Man kommt mit so einem Modekleid, wie sie da vorgeschrieben sind, kaum noch durch die Türe. Die Taille natürlich sehr eng, die Coiffure mit Draht durchgittert und möglichst hoch, meine Diamanten dran und an der Seite etliche Federn. Stellen Sie sich sodann vor, daß dem Rock ein langer Schwanz nachschleift, den man mit den Füßen geschickt beherrschen muß, wenn man ›à reculons‹, d. h. schrittweise zurückgeht, ohne sich dabei natürlich umzudrehen. Es wäre das Abscheulichste, das Trostloseste, was einer Dame auf dieser Erde begegnen könnte, wenn sie sich etwa angesichts des Hofes in ihr Kleid verwickeln oder gar bei einem Hofknix auf dem glatten Parkettboden ausgleiten würde. O lala, der bloße Gedanke jagt Schauer über den Rücken. Ich übte mich denn gründlich im Gehen mit solchen Hindernissen und verbeugte mich tausendmal täglich vor sämtlichen Polsterstühlen, an denen ich vorüberkam. Endlich war es soweit. Es war der 9. Mai 1782. Auf 5 Uhr nachmittags war ich nach Versailles befohlen. Ich ließ mich schon früh in mein Kleid einnähen, einbauen, eingittern; es war eine Riesenarbeit. Dann stieg ich vorsichtig mit diesem ganzen Kleiderapparat in einen Wagen, fuhr zu einer befreundeten Herzogin, die mich vorstellen sollte und sodann mit ihr nach Versailles. Vorher war – um diesen höchst wichtigen Umstand nicht zu vergessen! – durch die Genealogisten des Hofes mein Adel geprüft worden; man muß bis zum Jahre 1400 seine Ahnen als adlig nachweisen; nur dann wird man des Empfanges bei Hofe gewürdigt. Im übrigen sind auch da wieder feine, feinste und allerfeinste Abstufungen, ob man z.B. auf dem Taburett zu sitzen ein Anrecht habe oder nicht. Und so noch mancherlei! Doch das so beiläufig. Kurz, es kam also die große Stunde. Ich war so aufgeregt, offen gestanden, daß ich von dem ganzen Saal und den darin Versammelten nicht viel bemerkt habe. Meine drei vorgeschriebenen Reverenzen gelangen vortrefflich – eine an der Tür, die zweite in der Mitte, die letzte unmittelbar vor der Königin. Marie Antoinette erhob sich, um mich zu begrüßen. Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal die Ehre hatten, die Königin persönlich zu sehen? Nun, die Bilder und Medaillons, die man von ihr hat, kommen dem entzückenden Original nicht gleich. Ah, was für eine Haltung! Welche Majestät, in der österreichischen Adlernase und der etwas Habsburgischen Lippe, im Blick der schönen Blauaugen, in allem! Ruhig und edel, mild und vornehm, eine Göttin, so steht sie vor dem Thronsessel. Ich zog den rechten Handschuh aus und machte die vorgeschriebene Bewegung, den Saum ihres Kleides zu küssen. Aber mit einem leichten Fächerschlag, unendlich anmutig, schob sie die Falte des Kleides beiseite, andeutend, daß es nicht nötig sei. ›Ich bin entzückt, Sie hier zu sehen, meine liebe Marquise,‹ sagte sie, ›wir haben uns ja bereits außerhalb des Hofes kennen gelernt.‹ Sie richtete noch einige Fragen an mich, verneigte sich dann leicht, und wir zogen uns schrittweise mit abermals drei Reverenzen zurück.

Dann wurde ich auch dem König und den übrigen Mitgliedern des königlichen Hofes vorgestellt. Ludwig XVI. ist von unendlicher Herzensgüte. Das lesen Sie mit einem einzigen Blick in sein rundes, volles, vor Damen leicht verlegenes Gesicht. Er pflegt bei Audienzen dieser Art nichts zu sprechen, legt aber sein ganzes großes Wohlwollen in den freundlichen Blick. Nachher nahm ich noch am offiziellen Spiel der Königin teil, wobei man in der Runde um den Spieltisch sitzt, indes die Königin umhergeht und mit jeder Dame ein wenig plaudert. Doch lassen Sie mich abbrechen! Wär' ich ein Mann, so schlösse nun mein Bericht mit einem Hoch auf König und Königin. So aber bemerke ich bloß dies: Meine Damen und Herren, zur Strafe für Ihre Gefangennahme habe ich Sie nun gründlich geneckt. Ich sollte Ihnen die interessanteste Stunde meines Lebens erzählen? Sehen Sie, Sie sind gefoppt: ich habe Ihnen bloß die offiziellste erzählt.«

Sprach's und schnellte lachend von ihrem Stuhl empor. Die Mädchen, gefesselt von der amüsanten Plauderei, stimmten in das Lachen mit ein, sprangen auf und hatten noch allerlei zu fragen; es sei doch schrecklich interessant, meinten alle, bei Hof empfangen zu werden. Ein Diener kam über den Rasen herüber und meldete, daß der Wagen von Frau von Mably vorgefahren sei. Und der ganze Schwarm brach auf. Daß noch ein zweiter Gefangener vorhanden war, hatte man vergessen.

Der übersehene Hauslehrer, auch von seinen Wärtern verlassen, folgte als letzter der vorauseilenden Schar der Fröhlichen. Seine schwarze Stunde war wieder im Anzug. Hielt ihn diese quecksilberne kleine Marquise zum besten? Keinen Blick, keine Bewegung hatte sie ihm gegönnt; nichts stimmte mehr zu den Worten, mit denen sie ihn auf dem Spaziergang beglückt hatte; sie war wieder die völlig Unnahbare, die gewiß mit Absicht diesen Empfang bei Hofe erzählt hatte: er sollte des Abstandes bewußt bleiben. So watete er denn langsam in seinem dunkelbraunen Frack und den weißen Strümpfen über die Wiesen und verglich sich in melancholischen Gedanken mit einem Storch. Weltverlassen steht der Storch in seinem Sumpfrevier, oft wie erstarrt in Einsamkeit, manchmal auch gebückt und suchend, alles in allem aber fremdartig unterschieden von der übrigen Vogelwelt. »Ich gehöre in die Linnésche Gattung der Einsamen«, dachte er bei sich selber. Wenn er vor diesem verwöhnten aristokratischen Kreise und nach einer so amüsanten und hübschen Erzählerin über seine sogenannte interessanteste Stunde hätte berichten sollen – welch ein Abfall!

Frau von Mably und ihre Tochter saßen bereits im Wagen, als er zu der Schar der Abschiednehmenden herantrat und bescheiden in einiger Entfernung stehen blieb.

Die Marquise, die den leichten Wagen selber lenkte, während der Kutscher den Rücksitz einnahm, bemerkte ihn und rief herüber:

»Richtig! Mein Mitgefangener hat uns ja noch seine interessanteste Stunde zu erzählen! Oder hat er sie überhaupt erst noch zu erleben?«

Hartmann überhörte die letztere Frage. Er bemerkte bloß mit einer leichten, reservierten Verbeugung und ziemlich spitz:

»Ein Kandidat und Hofmeister hat keine interessanteste Stunde.«

»Ei, das kommt noch!« rief die muntere Frau Elinor, knallte leicht und zuckend mit der langen Peitsche und fuhr durch die Dämmerung davon.


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