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Siebzehntes Kapitel

In der Dämmerung fuhr der Dampfer, die See durchpflügend, an der Küste entlang.

Onkel Joel war der scharfen Abendluft wegen in die Koje gegangen, und Faste und Vera wanderten auf dem Deck auf und nieder. Sie fühlten beide, daß sie sich in der Stunde der Entscheidung befanden.

Zerstreute, leichte rötliche Wolken verdunkelten den Horizont und das Meer.

Zwei Landzungen ragten in die See hinaus, und Faste hatte ein Gefühl, als wenn die Wirklichkeit mit ihren Ansprüchen und Forderungen die Arme noch gleich zwei Hummerscheren nach dem Dampfer ausstrecke, auf dem er fuhr, um ihn zu fassen.

»Weißt du, Faste, ich habe oft diesen deinen eckigen Kopf betrachtet«, scherzte Vera, er ist so holperig und voller Beulen wie ein Blecheimer. Das kommt wohl, weil so viel Sonderbares da drin ist?« – meinte sie.

Faste hörte nicht. Er ging in einer stark erregten Stimmung, in seine eigenen Bilder und Gedanken vertieft. – –

Nach einer Weile stand er mit einem Bleistift und einem Stück Papier an der Reling und schrieb:

Wild braust das gischtgekrönte Meer,
Der Sturm heult gellend drein,
Gestrandet das Schiff, zerschellt das Deck.
Wo mag der Schiffer sein?

Die andern flohen vor dem Sturm
Hinein in Forlands Bucht,
Wo dräuend in den Himmel ragt
Der Felsen steinerne Wucht.

Und wie sie gingen und suchten am Strand
Und forschten in Klippen und Riff,
Da lagen zerfetzte Segel viel
Und wilde Trümmer vom Schiff.

Doch nimmer fanden sie wieder den Mann,
Der stützte wohl über Bord?
Sie fragten im Land, sie suchten am Strand,
Jedoch der Mann war fort.

Wo ging er hin, den sie gesucht?
Sein Schiff fährt schnell und leicht,
Hin übers ferne blaue Meer,
Wo es kein Fernrohr erreicht.

Es jagt durch die Wellen im Abendwind,
Und hoch am Himmel thront
Als Feuer, das ihm den Hafen weist,
Der große, silberne Mond.

Er läßt die Falrepstreppe hinab
In des Stromes glitzernden Schaum,
Und was die Welt von ihm vernimmt,
Hört sie nur wie im Traum.

Da droben pflügt die Welle so tief,
Wie das Leben im Herzensgrund,
Wenn die Sterne brennen in dunkler Nacht
Und die Tränen in reuiger Stund'!

Dort kann er segeln und stielen voran,
Die bunte Flagge am Mast,
Dort kannst du kämpfen, geschlag'ner Mann,
Wie sehr dich die Welt auch haßt.

Der Dampfer pflügte und schaukelte im Seegang. Nur das einsame Blinkfeuer schimmerte durch die Dunkelheit des Abends.

 

 

Ende

 

 

Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig


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