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Fünftes Kapitel

Faste saß eingeengt oben in seinem niedrigen Mansardenstübchen, das Ofenfeuer prasselte, und der Herbstregen strömte von der kleinen Fensterscheibe herab.

Der unverhältnismäßig große Arbeitstisch ließ ihm nicht viel Platz. In den Ecken, hinter dem Bett, auf der Kommode und an Schnüren von den Wänden herab hingen, standen und lagen schwere, weiße Kartons und Papierrollen, die eine Unendlichkeit an Entwürfen, Zeichnungen, Rissen und Überschlägen zu dem geplanten Badehotel enthielten.

Sobald der Morgen dämmerte bis in den späten Abend hinein, wo die Reißfeder beim Schein der Petroleumlampe geführt wurde, saß er am Zeichentisch. Es galt, den Plan anschaulich und genau in der Zeichnung wie in Bezug auf Kalkulationen und Berechnungen zu entwerfen – –

Jetzt ging er mit einem Entwurf in der Hand ins Erdgeschoß hinab –:

»Hier, Mutter, – Sölvi, hier sollt ihr das Badehotel in seiner fertigen Gestalt sehen.«

»Ja, Mutter, dann müssen wir ein andermal weiter reden!« rief Sölvi ungeduldig aus, indem sie das Zimmer verließ.

»Agnete, weißt du,« erklärte Frau Forland traurig, »will ihr junges Leben wegwerfen!«

»Ja, das Mädchen schreibt ja von nichts als vom Propst und von Käse und Butter und Vorratskammer und daß dort ihr Wirkungskreis liege. Aber hör' einmal, Mutter, – wenn Agnete nur ein oder zwei Jahre warten wollte, bis ich mein Vorhaben durchgeführt habe? – Schreibe, telegraphiere ihr, – laß die Elektrizität in den Propst hineinschlagen! Sie ist doch nicht unwiederbringlich gefangen von dem Kobold im Käseberg–«

»Ja, aber ich weiß doch nicht, wie bald sie ihm ihr Jawort gibt,« kam es verzweifelt heraus. – »Aber wir dürfen uns wohl nicht dahineinmischen, mein Junge. Es ist ja alles so unsicher – –« Sie griff sich an den Kopf.

»Unsicher? – – Meine Angelegenheit, natürlich! Nicht wahr, so denkt Ihr – – Eine neue Niederlage! – – Und dabei umlauert die Welt das Haus gleich einem aufgeregten Meer –«

»Ach nein, mein Junge, Falkenberg, meint, daß in dem Gedanken selber nichts Unwahrscheinliches oder Unmögliches liege. Die Schwierigkeit liege nur darin, Stimmung dafür zu schaffen, – Geld!« »Gut, Mutter. Verlaß du dich auf die Kraft, die in einem treffend richtigen und durch und durch klar ausgeführten Gedanken liegt! Das Dynamit der Wahrheit ist darin enthalten. Das siegt und sprengt sich selber seinen Weg. – – Und glaube mir, gar mancher, der jetzt unten auf der Straße einherstolziert, dreht und wendet meine Idee schon und grübelt darüber nach, ob nicht doch Geld darin enthalten sein könne. – – Übrigens, Mutter, ich gehe jetzt mit dem Gedanken um, das Hotel durch zwei Seitenflügel zu vergrößern.«

»Zu vergrößern, je!« seufzte Frau Forland. »Es wächst dir noch über den Kopf, Faste.«

»Sieh her, Mutter, sieh dir die Zeichnung an – – Dieser Flügel liegt nach der Hinterstraße hinaus, weißt du. Dadurch gewinnen wir die ganze Aussicht auf den Abhang mit den Landhäusern und dem Hügelrand. Ein ganz neuer Zuwachs an Waldeindrücken. Aber die Hinterstraße muß natürlich rasiert werden, – alle die alten Hütten weg, – ganz weg! – Ist das nicht eine brillante Idee? – Was sagst du dazu, Mutter?«

»Ich, was soll eine arme Frau wie ich tun, sagen oder meinen!« rief sie ganz außer sich aus. »Da habe ich Ditlev, und da habe ich zwei Töchter, die sich alle beide verheiraten wollen, – und da habe ich dich mit einer ganzen Lawine von Bauzeichnungen und Plänen! – Und hier gehe ich selber auf Krücken umher, so krumm, daß ich nicht zu der Zimmerdecke hinaufsehen kann. – – Da ist es doch wohl nicht so sehr zu verwundern, wenn ich zuweilen etwas schwindelig werde,« – lachte sie hart, – »so wie ein gejagter Vogel, der sich unter den Dachfirst rettet. Ich denke manchmal, ich hätte nichts mehr zu tun, als mein Vaterunser zu beten und die Augen zu schließen, um nur nichts mehr zu sehen und zu hören. – – Und was verstehe ich von deinen Plänen und Weitläufigkeiten, Faste? – nichts weiter, als daß ich an meinem Jungen festhalten muß, mag es gehen, wie es will! Dazu sind wir alten Frauen verdammt, Gott weiß, wozu und von wem. Aber rühren können wir uns nicht – –«

»Aber Mutter, Mutter, liebste, beste Mutter!«

»Ach, eine Mutter! – Die kann auch einmal verzagen. – Ach, meine arme, arme Agnete,« – rief sie leidenschaftlich aus. »Wenn sie mir sagten, sie sei tot und liege in der Erde, – aber dies! – Das stolze, schöne junge Mädchen! – Ich empöre mich dagegen, – ich empöre mich. – Ja, ich empöre mich dagegen,« wiederholte sie immer leiser, bis ihre Stimme nur noch flüsterte.

Faste schritt ein paarmal hastig durch das Zimmer.

»Höre mich an, Mutter! – Wenn sie durch dich und Sölvi den Eindruck gewönne, daß hier Aussicht auf Erfolg für mich ist, so läßt sie sich nie und nimmer lebendig begraben. Oder willst du lieber, daß ich schreiben soll? Du kannst mir glauben, ich will es ihr schon klar machen,« –

Frau Forland sah ihn hilflos an und stützte sich dann nachdenklich auf den Krückstock – –

»Ja–a,« antwortete sie. – »Es könnte hier in der Welt gewiß vieles noch wieder gut werden, wenn wir nur die Fähigkeit besäßen, zu glauben. – Weshalb sollte Gott in seiner Allwissenheit diese Gedanken in dich hineingelegt haben, wenn nicht, damit du sie in deinem Glauben und in deiner Tätigkeit aufnehmen und in die Wirklichkeit übertragen solltest? –

Der Glaube, – der Glaube, Faste!« – – Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann dir sagen, ich glaube in Bezug auf Ditlev, daß er alles das, was ihm hier auf Erden fehlt, in einem jenseitigen Leben der Vollkommenheit erreichen wird. Und für mein Teil glaube ich, daß ich einstmals aufrecht stehen werde. Wahrend meiner schweren Krankheit im vergangenen Jahr träumte ich eines Nachts, daß ich in einer fremden Stadt stünde und in der Kirche sänge und den Raum mit der hellen, starken Stimme aus meiner Jugendzeit ausfüllte, während Ditlev mit dem Taktstock einen mächtigen Sängerchor auf der Galerie hoch oben unter der Wölbung dirigierte. – – Aber für dich, mein Junge, habe ich nie so wunderbar weit hinausgeträumt. – – Ich habe es nur als Vorahnung aufgefaßt, daß du einmal als Kind unten im Garten im Kirschbaum saßest und mir zuriefst: »Mutter, ich blühe!« – – Und vielleicht ist das der Grund, daß ich niemals wage, – wage – – Obwohl ich in letzter Zeit so oft dasitzen und mir die Aussicht aus den Fenstern deines neuen Hotels ausmalen kann, – über die Werder und Schären hinweg am Sommerabend, während die sinkende Sonne da draußen im Meere schwimmt – –«

»Nun, Mutter! sagst du nicht selber, daß ich blühen soll, – und du wirst dich nicht irren, das fühle ich. – – Hör einmal Mutter, was nun erstens Agnete anbetrifft, so ist dieser Propst ja doch kein so verlockender Wassermann, daß er sie fortschnappt, ehe ihr Seufzer bis zu uns dringt. – Und verlaß dich darauf, noch heute will ich einen Brief schreiben, der sie aufheitern und erwärmen soll, – ihr einen kleinen Spiegel vorhalten, – von ihr selber, so wie sie in kaum zwei Jahren als Propstin bei dem Käsekobold sitzen und versteinert auf all das herabstarren wird, was es an Neuem und Zukunftstüchtigem hier in der Welt gibt! – Ich will ihr zeigen, will sie darauf hinführen, wie ihr Weg zum Traualtar mit Koboldspuk bedeckt ist, – das wird ihr Brautschleier, – Ach, ich will – –« »Mische du dich nicht da hinein, Faste, ich rate es dir. Du darfst es nicht, – ich wage es nicht– –«

»Ach, Mutter, glaub mir, der Wassermann ist nicht gefährlich! – Und als wenn du an nichts weiter zu denken hättest, – denke an das Sichere, Gewisse, was jetzt vorliegt, – daß sich Sölvi zu Weihnachten mit einem prächtigen Doktor verheiraten soll, – mit einem tüchtigen, klugen Kerl! – wenn er auch nicht gerade mein Mann ist oder danach geschaffen ist, eine Sache vom großen Gesichtspunkt aus zu sehen. Er gehört zu diesen sichern, vorsichtigen Nach-und-nach-Menschen, die im Detail handeln und von unten auf bauen, – dann kommt der Turm schließlich auch, so sicher wie die Nachtmütze auf den Kopf!«

Er erreichte es, daß ein Lächeln den Mund der Mutter umspielte.– –

»Und seiner Ansicht nach,« fuhr Faste fort, – »sollte ich mit einer Badewanne für Erwachsene und einer anderen für Kinder anfangen! – Das hat seinen Grund, weißt du, – es gibt von Geburt an geprägte Großhändlerköpfe ebenso wie geprägte Detailköpfe, – Köpfe, die veranlagt sind, en gros zu sehen, und Köpfe, die nur im Kleinen sehen, – aber scharf, das gebe ich zu. – Wird nun ein Großhändlerkopf in einem Detailgeschäft angestellt, so macht es Bankrott, und wird ein Detailkopf in einem Großhändlergeschäft angestellt, so macht auch das Bankrott, – das ist nun einmal so! – Aber deswegen, Mutter, kann sich meine Schwester Sölvi in allen Ehren mit einem Detailisten verheiraten. Denn ein tüchtiger Doktor ist er, – zweifelsohne ganz modern in seinem Fach. Und Sölvi, die wird der Direktor! – Eine hübsche kleine Doktorenwohnung, du; – ich habe den Platz schon unten in der Badeanlage vorgesehen, – mit einem traulichen, für sich abgeschlossenen Garten, in dem Sölvi einhergeht und säet und erntet.– – Was meinst du dazu? – Schatten und Gemütlichkeit, Blumen und Blätterwerk, – alle Beete mit feuerroten Geranien eingefaßt, – du, – wir haben Farben nötig, hier zu Lande, starke Farben, – so daß es Funken sprüht! – Und du selber sitzest dann da unten im Garten und kurierst deine Gicht.«

»Du willst mich wohl als Reklame für den Badeort benutzen, – ach, wenn du das doch könntest, mein Junge – –«

Frau Forland horchte plötzlich auf. – – »Was ist denn das, – ruft da draußen nicht jemand?«

»Natürlich Sölvi, die ihren Doktor begrüßt,« – erklärte Faste, – »sie ist wirklich ganz brutal verliebt. – Ich hörte den Wagen halten.«

Frau Forland blieb stehen und lauschte. Die Hand auf das Herz gepreßt; – sie hatte eine Stimme erkannt. – –

Faste stürzte plötzlich zur Tür hinaus.

Geräusch, Lärm, – Ditlevs halberstickter Ruf, gegenseitiges Fragen und Antworten – –

Und herein kam Faste, die Schwester Agnete hoch auf den Armen tragend:

»Da hast du sie, Mutter!«

*

»Gott sei Lob und Dank! – Gott sei Lob und Dank,« erscholl es wieder und wieder, als Agnete dort im Schlafzimmer saß und der Mutter ihr Herz ausschüttete.– –

»Ich bin seit gestern Vormittag gereist mit ununterbrochenem Wagenwechsel und mit jedem Mal fühlte ich mich eine Meile und noch eine Meile von dem allen fern. – Und nie im Leben, Mutter, habe ich geglaubt oder gefühlt, daß die Welt so schön und es so herrlich sei, darin zu leben, wie gestern, als ich in dem harten Postkariol saß und gleichsam auf den schönsten Wagenfedern in ein neues Dasein hineinrollte. – –

– – Ich schlief ein paar Stunden in Klefstadt – und heute Morgen fuhr ich, ehe der Nebelregen begann, eine Stunde in dem vollen, roten Sonnenschein dahin – –

Es war ja das Gefühl, daß ich frei war, – daß ich allem den Rücken wendete! Ich wußte selber nicht, wie schwer dies nun schon über ein Jahr auf mir gelastet hat. – –

Er war ja so rücksichtsvoll, so selbstvergessend gut, – Geld und irdische Angelegenheiten waren nie seine Sache gewesen, – so ganz dazu geschaffen, die größte Hochachtung vor ihm zu haben – – Und dann, Mutter! – wußte ich ja, wie sauer Ihr es euch daheim werden ließet, –« kam es leise heraus.

– – »Es kam alles so unmerklich, nach und nach, während er mich in seiner Hilflosigkeit verstehen ließ, wie sehr der große Pfarrhof und alle seine vernachlässigten weltlichen Angelegenheiten einer ordnenden Hand bedürften. – –

Und so ging es das ganze erste Jahr. Ich interessierte mich für seine Geldangelegenheiten und für die Wirtschaft und fühlte mich sehr geschmeichelt durch meine Stellung als diejenige, die alles unumschränkt leitete, als sei ich selber die Propstin gewesen. – –

Aber dann kam ein Brief von ihm, den er mich auf meinem Zimmer zu lesen bat. Er war so fein, so wehmütig klagend, ohne jede Spur von Nebenabsichten, – ich hatte kaum eine Ahnung –

Und dann einen Monat darauf noch einer – – Und dann noch einer, der mir die Augen völlig öffnete – –

Er schulde seiner verstorbenen Frau ewige Dankbarkeit; – aber das, was er als ›überwältigende Liebe‹ bezeichnen wolle, sei ihm nicht zuteil geworden, bis er sich jetzt so tief und innig davon ergriffen fühle.

Er gebe zu, daß es eine Art Altersschwäche sein könne. Aber das ganze Glück seines Lebens bestehe nun einmal darin, mich im Hause geschäftig umherschweben zu sehen – –

Der alte Mann hatte gekämpft und gestritten. Er war zu ehrlich, um mich als Tochter an sich fesseln zu wollen. Und ohne mich, das fühlte er, ginge er einem kalten, traurigen Alter entgegen!

– – Er bat nur für die paar armseligen Jahre, die ihm noch beschieden seien, – um ein klein wenig von jenem unsagbaren Glück, das seine Jugend und sein Mannesalter niemals gekannt hatten. –

Und ich verstand ihn ja und empfand inniges Mitleid mit ihm. Mein Gott, Mutter, wenn man, so wie ich, wußte, was Liebe ist, und was es heißt, getäuscht zu werden! – Ja, mir ist das ja widerfahren, Mutter – – da erschien es mir nicht so ganz undenkbar, so ganz aussichtslos, daß der Alte und ich, – die wir beide gleich arm waren – vielleicht unsere Lumpen und Überreste zusammentaten und versuchten mit dem bleichen Sonnenschein, den wir noch aufbringen konnten, etwas aus dem Leben zu machen. Er hatte mich ja so bitter nötig, und ich konnte auf meine Weise ein Glück in meiner Tätigkeit dort suchen – –

Es war eigentlich nur ein Gedanke, der in bitteren Stunden im Hintergrunde bei mir aufdämmerte, – nichts abgemacht Klares. – –

Aber deswegen war mein Abschlag auch nicht so sicher entscheidend, daß nicht für ihn eine Hoffnung hindurchgeblickt hätte. –

Dadurch erreichte ich eine Bedenkzeit auf ein Jahr – und konnte unser gutes, liebes Verhältnis wie bisher aufrecht erhalten – –

– – Es ist so sonderbar, Mutter, wenn man fühlt, daß

man in eines braven, prächtigen Menschen Augen geradezu zur Sonne geworden ist, – so daß seine ganze Seele sich gleichsam überall dahin wendet, wo man geht, – wenn ein weißer Kragen, den man trägt, ihn beglücken kann, – und wenn man sieht, wie er sich freut, wenn man am Nähtisch sitzt, oder weiß, daß er mit Tränen in den Augen dasitzt und unserer Stimme lauscht, – dann kann man ja nicht anders, als davon berührt werden!

Und dann war es das Gefühl, daß ich mich am Ende doch an den Gedanken gewöhnen könnte, diesem würdigen Mann eine Gattin und hilfreiche Hand zu werden. Und ich fing an, euch daheim in Briefen vorzubereiten.

Das Leben dort oben als Pfarrersfrau mit allen den mannigfaltigen Beschäftigungen ward für mich eine immer stärker in den Vordergrund tretende Illusion. Ich ging mit vollem Eifer auf alles ein. Und der Propst sah glücklich und verständnisvoll zu.

So verlief der Sommer und so verging der Herbst. Ich weiß nicht, wie das gekommen sein mag. Aber ich konnte mir den Propst nie anders vorstellen als so glücklich und vergnügt zuschauend. – –

Es war wie eine stille Übereinkunft zwischen uns, daß die Frage erst zum Herbst, im November, wenn meine Bedenkzeit verstrichen war, wieder aufgenommen werden sollte. – Aber die Absicht, ihm dann mein Jawort zu geben, lag gleichsam in der Luft.

Ich weiß nicht, was ich in der Zeit, als die Entscheidung heranrückte, gedacht oder gefühlt haben kann; aber es ward mir mit jedem Tage ein glühenderes Bedürfnis, eine Zuflucht, zu schreiben und euch daheim alles in meinen Briefen zu schildern, – so daß ihr einsehen konntet und mußtet, daß hier keine Rede davon war, daß ich mich um einen Pfarrhof verkaufte. Ich wollte, daß ihr mein Glück verstehen und begreifen solltet, daß es ein wirkliches Glück war. – – Und wenn ich das in einem Briefe erklärt hatte, fand ich immer, daß noch irgend etwas fehle, – daß ihr noch mehr wissen müßtet, und daß ihr nie vorbereitet genug werden konntet. – –

Und dann brach der Morgen herein, an dem ich eine Aster in das Wasserglas des Propsten stellen sollte.

Ich kam aus dem Garten und sah ihn erwartungsvoll im Studierzimmer sitzen und sich die Stirn trocknen.

Das Wasserglas stand auf dem Tische und die Aster hatte ich in der Hand. Aber als er sich aus dem Schreibtischsessel erhob und lächelte, erblickte ich die großen, schadhaften Zahnstümpfe – und, – es war mir, als wenn mir das Herz im Leibe still stand. – – Ich weiß nur, daß ich die Aster mit einem Schrei wegwarf und auf mein Zimmer eilte.

– Ich entsinne mich nur noch, daß Anne mir den Koffer packen half und mir versprach, das Übrige nachzusenden, – und daß ich eine Stunde später auf der mit dem Braunen bespannten Gig saß und der Knecht Ole mich die drei, vier ersten Stationen fuhr. – – –«

*

Faste kam im Laufe des Nachmittags wieder und wieder von seiner Arbeit herunter und gab seine Ansichten kund – –

Sonderbar, – merkwürdig. – Es muß ja also wirklich der Fall sein, daß so eine Liebe zerstören, – einen Menschen wie eine Fliege totschlagen kann! – Das wäre doch des Teufels – wenn ein ganzes Leben, eine ganze Zukunft öde und leer sein sollte, nur weil – Sollte so etwas wirklich Einfluß auf die gesunde Regelmäßigkeit des Lebens haben? – –

Bei ihm war etwas Derartiges in der Gärung begriffen. – – Und wieder und wieder verfiel er in Grübeleien darüber – –

So zum Beispiel er selber und Bera, – daß das plötzlich ein solches Ende nehmen könnte, daß ihm die ganze Zukunft verschlossen war, – leer, – umgestürzt wie ein Faß, mit allem, was er hatte ausrichten wollen, – mit Namen, Ehre – und allem! – nur weil sie auf den Einfall kommt, trotzig zu sein, – weil sie nicht will, – nein sagt?

Du, Faste, – fragte er sich selber plötzlich, wenn sie nun auf den Gedanken käme, sich mit einem anderen zu verheiraten? – –

Das tut sie nun und nimmer!

Zum Verräter werden –?

Er mußte sich das wieder und wieder vergegenwärtigen – –

Bera, – er lächelte und schüttelte den Kopf. Es steht auf ihrer Stirn geschrieben, daß sie Geist liebt. Sie überstrahlt sie alle wie ein weißer Berg. – –


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