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Viertes Kapitel

»Du hier beim Konditor, Vera!« Faste kam von der Straße hereingestürzt. »Ich sah dich durch das Fenster.«

»Wir ziehen heute wieder in die Stadt hinab,« erklärte sie, – »und da war es so kalt und ungemütlich daheim, daß ich hier hineingehen und mich mit einer Tasse Schokolade auftauen mußte.«

»Mit deiner Erlaubnis laß ich mich bei dir nieder.«

»Fräulein, geben Sie mir auch eine Tasse. – Ich komme direkt vom Staatskondukteur, weißt du. Ich schlage die Harfe und winde mich tagaus, tagein wie ein Wurm, um es ihnen in ihre Köpfe hineinzubringen, welch eine unberechenbare Zukunft die Stadt gerade vor ihren Fenstern liegen hat, – alle Bedingungen für einen größeren Badeort – – Aber – sie haben einen Glassplitter im Auge, du! – Diese angeborene Kurzsichtigkeit, die nicht imstande ist, über den altgewohnten Weg hinauszusehen, – nämlich Schiffe durch die Sundöffnungen hinauszusenden und Frachtwechsel einzukassieren. Es gilt, an ihren städtischen Patriotismus zu appellieren, siehst du, Funken aus Kieselsteinen zu schlagen, – ein großes Gefühl in eine kleine Stadt hineinbringen! – Aber natürlich bezweifeln sie alle miteinander von vornherein die Durchführbarkeit und Zuverlässigkeit meiner Vorschläge. Es ist ja nur der alte, bekannte unruhige Geist Faste, der wieder zur Stadt gekommen ist!«

»Hattest du denn erwartet, daß sie so verständnisvoll sein würden,« scherzte Bera, »oder so bereit, ihr teures Geld auf dein Wort hin auszugeben?«

»Nein, du; aber auf das hin, was ich ihnen unumstößlich vor ihren eigenen Augen zeige! – Es ist nur ein klein wenig Molenbau erforderlich, und wir haben einen Badeort! Das Wasser durchsichtig, glasklar und still und eben ohne alle Kräuselung, weil der Wind von den nördlichen Höhen sich erst weiterhin auf die See herabsenkt – Und dazu dieser herrliche, weitgestreckte Sandgrund vor der Landzunge, den wir Knaben aus der Stadt alle kennen, und wo wir an heißen Sommertagen gebadet haben, während die blanke Dünung über den Sand rollte, und wo man auf dem sammetweichen, weißen Schreibsand weit hinaus waten konnte. Und an der anderen Seite der Bucht kann man direkt vom Felsen hinab in tiefes Wasser springen! – Dies ist eigentlich die einzige glänzendhelle Erinnerung aus meiner Knabenzeit. Und deswegen haftet sie auch – gleich einem Glücksideal, möchte ich sagen, das in die Wirklichkeit hinüber zu retten, mir ein Bedürfnis ist. Lebensmüde, kranke, bekümmerte Seelen einen solchen zauberhaften Sommertag draußen im Wogengerolle erleben zu lassen, – ich wüßte nichts, was ich meinen Mitmenschen lieber verschaffen möchte. – Was – was?« brauste er auf, »findest du etwa, daß das so kindisch ist, – so naiv?«

»Im Gegenteil, Faste, – im Gegenteil – –«

»Ja, du kannst dir wohl denken, daß ich noch andere Argumente ins Treffen zu führen habe?«

»Nichts, was sich mit diesem messen könnte. Faste! – Wenn das, was du in deinem Innersten denkst, so aus dir heraussprudelt, dann bin ich mit Leib und Seele dabei. Mag der Badeort sein, was er will.«

»Was für Ausflüchte sind nun dies wieder? Ein Mann und sein Werk lassen sich nicht von einander trennen! – Aber ich verstehe, – du willst um den Brei herumgehen, – ebenso wie die andern. – – Ich vergaß, daß, wo kleinstädtische Herren sind, es notwendigerweise auch kleinstädtische Damen geben muß.«

»Verzeih, daß ich über dich lache. Faste! Aber setze dich jetzt nur ruhig wieder hin und unterhalte die Kleinstädterin.«

Er lief erregt auf und nieder:

»Hier hat nun die See anderthalb Jahrhunderte gegen den Strand und die Brücke geplätschert und gewogt und nur auf den Mann gewartet, der das Wort Badeort mit dem Stock in den Sand schreiben würde. Der Meeresstrom führt uns die beiden großen Kurmittel: den Moor und den Schlamm zu. Und die Hochgebirgsluft saust über die Stadthügel mit dem Aroma aus den großen Nadelwäldern. Wir haben Wald und Gebirge und Luft und Meer so wunderbar vereint. Aber, – laßt es sausen, laßt es sausen, – und vor allen Dingen, verschont uns mit Projektenmachern! Es müßte doch im Grunde eine angenehme Überraschung für sie alle sein, Bera, daß sie an einer Quelle mächtigen Reichtums wohnen, ungefähr so, als wenn unter ihren Kellern Steinkohlenlager entdeckt wären – – Und wir haben eine Seeluft, so kräftig und mild und warm, daß sie die ganze Stadt einmal übers andere gähnen macht, – so daß sie sich am liebsten hinlegen und einschlafen möchte, – frisch und mild und weich streicht sie vom Meere her landeinwärts und läßt uns ihr stärkendes Salz in die Lungen einatmen.«

»Ich fürchte, du machst mich noch ganz schwindelig, Faste. – Es ist beinahe, als erblicke ich die Stadt plötzlich in einer ganz anderen Beleuchtung.«

»Ich denke oft, Bera, daß wir beide, – ja, gerade wir beide – Seelen sind, die hier unten im Finstern umhergehen, und dann geschieht es wohl, daß wir uns hin und wieder einmal erkennen, – so in dem aufblitzenden Lichtschein eines kurzen Augenblicks, wie bei einem Magnesiumlicht. Und dann spielen wir Blindekuh weiter, – spielen Freunde!«

Bera richtete sich unwillkürlich auf ihrem Stuhle auf, und etwas wie eine hastige Angst huschte über ihr Gesicht.

– – »Aber? mein Gott, wie genau ich mich von jedem Mal erinnere, daß ich dich so sah, – mit den mutigen Augen, der klaren, festen Stirn über den Brauen und dem Munde, der immer so klar und deutlich spricht, daß du eigentlich keiner andern Sprache bedürftest. Es sind gleichsam Porträte von dir, die ich in meiner Erinnerung als Transparente hängen habe – – «

Es zuckte leicht um Beras Lippen:

»Ja, in dem verzaubernden Licht siehst du wohl alle, die dich in dem Augenblick gerade verstehen. Das ist nun einmal so deine Natur, das weiß ich so gut, Faste. – Aber, wenn sie dann zweifeln?«

»Ich sage ja, Bera, irgend etwas an dir scharrt prosaisch gegen den Grund, – es stößt mir jedesmal auf, – ein Fehler! – Es hängt damit zusammen, daß du Sommersprossen in deinem schönen Gesicht bekommen kannst.«

»Ich will mich nicht von dir beleidigen lassen. Faste. Aber –« lächelte sie, – »findest du etwa, daß das ein Kompliment war? – Aber was meinst du dazu,« – sie hielt ihm ihre Hand hin, – »wenn wir uns auch in Zukunft an unsere alte Freundschaft halten?«

»Freunde? – Nun ja, verzeih, Bera! Es geht mir wie dem Ochsen, der immer gegen das Drahtgitter rennt, weil ich es niemals sehe!«

Er griff hastig nach dem Hut. – –

»Und da,« – er nickte nach der Tür hin – »hast du Kristine Torp, die ihre Schritte hierher lenkt, einen ganzen Sack voll Stadtklatsch und Neuigkeiten, – und natürlich in der Hoffnung, es hier in der Konditorei bei einer kleinen Vormittags-Schwatzversammlung unter Freundinnen los zu werden.«

»Guten Tag, Fräulein Torp,« – grüßte Faste flüchtig, während er an ihr vorüber die Treppe hinabstürzte.

– »Nein, Bera, das denkt wahrhaftig niemand von dir, daß du die Absicht hast, das Verhältnis zu deinem Freund und Protegé Faste zu etwas mehr zu gestalten,« flüsterte Stine vertraulich, indem sie sich setzte.

»Nein, nein, du, und da denken die Leute wirklich ganz recht, Kristine.«

»Weißt du aber, was sie von dir sagen, du? daß du mit ihm spielst wie die Katze mit der Maus.«

»Dann –«

»Ach tu nur nicht so unschuldig. Niemand weiß besser, als du, daß dein Freund, das Genie, ein Sonderling ist, wie er so herumgeht und sich mit allen seinen Hunderten von Ideen von Sinn und Verstand redet und das Haar einmal über das andere aus der Stirn streicht und mit den Augen himmelt. Ich würde sagen, sie seien so unschuldig wie die eines Kindes, das seinen Milchbrei haben soll, wenn ich nicht noch gestern gesehen hätte, wie feindlich und giftig sie werden können, wenn sich jemand untersteht, Sr. Hoheit zu widersprechen. Das war, als mein Bruder Johan seine Meinung äußerte, daß sein Plan mit dem Badehotel mit den sechshundert Zimmern für unsere kleine Stadt ein wenig zu schwindelnd sei.«

»Aber waren es denn wirklich sechshundert?« wandte Bera sanft ein.

»Nun ja, nach Hunderten zählten sie doch jedenfalls.«

»Wenn ich mich recht erinnere, erzählte mir Faste, daß sein Plan für das Hotel hundert und zwanzig Zimmer umfasse; daß aber Martens höchstens achtzig haben wolle.«

– – »Da soll ein Turm sein, – ein Aussichtsturm,« – fuhr Stine fort, – »und ein Dach, auf dem man spazieren gehen kann, so wie im Süden! Und, – ja, das darf ich wohl eigentlich gar nicht sagen; aber Johan erzählte, Blankenberg gehe diese Tage ganz verzweifelt umher infolge dieses modernen Hotelprojektes. Blankenbergs Hotel würde sehr darunter leiden. Das ist ja auch nach jeder Richtung hin altmodisch. Und wenn erst Martens seine Hand dabei im Spiel hat, so würde Blankenberg wohl leider ziemlich blank gemacht werden, meinte Johan.« – –

»Ihr sprecht von Faste Forland?« erscholl die joviale Stimme des Schiffsrheders Torbensen, der zur Tür hereintrat, – er wollte ein Glas Portwein am Ladentisch trinken. – »So recht herbstlich, – naßkalt. – – Ja, nun will er das Wasserwerk der Stadt bis auf die Landzunge hinausgeführt haben. Es soll die ganze Gegend versorgen. Und in Zukunft sollen die Leute in Schwimmhosen gehen, – und obendrein mit der Aussicht, elektrisch beleuchtet zu werden, meine Damen.« –

Er sah sie vergnügt an.

Bera schlang die Boa ineinander. – – »Ich denke, der Möbelwagen wird jetzt da sein, dann muß ich mich beeilen. Adieu, Kristine,« sagte sie, grüßte und ging. – – – – – –

Da draußen hielt nun der Herbst seinen Einzug unter goldighellem Himmel, und auf dem Stadthügel fiel das Laub gelb von den Bäumen mit Reiffrost und auf der Straße standen von der Nacht her überfrorene Wasserlachen. – –

– Es war ein Gefühl des alten Spießrutenlaufens aus seiner Freitischlerzeit, das Faste heute vormittag in Versuchung führte, durch die Hinterstraßen zu gehen. Da war kaum ein Haus, in dem er die täglichen Gewohnheiten nicht in- und auswendig kannte, aus den Zeiten, als er nach der Speiseliste aß und vor den Türen stand und sich krümmte und am liebsten über die Hintertreppe hinein geschlichen wäre. – – –

Es war dieser ewige eigenartige Blick der Söhne und Töchter, jetzt Herren und Damen, in deren Hause er des Sonnabends Hering und Pfannkuchen oder alle vierzehn Tage Stockfisch oder des Donnerstags Erbsen und Schweinefleisch gegessen hatte. Und dann der Sonntagsbraten und der Pudding! – Schlimm, wenn er zu spät kam, und peinlich, wenn er zu früh kam, deswegen stand er da und wartete, wo ihn niemand sah, bis die Uhr schlug. – Und diese verlegenen Antworten und das linkische Benehmen! – Unsicher in Bezug auf die Wirkung seiner Worte und immer argwöhnisch. – –

Er hatte sie nach seiner Rückkehr fast alle wiedergesehen, – und alle hatten sie das eigenartige unterdrückte Lächeln oder den bedeutungsvollen Blick gehabt, wenn sie grüßten. – –

Er hatte ein Gefühl, als sei er nur geboren und erzogen, damit sich die andern über ihn lustig machten, – um der beklagte und bemitleidete Narr der Stadt zu sein. –

Oder –

Faste wandte sich hastig um und ging schnellen Schrittes die Hauptstraße hinauf nach der Bank. –

– Ihr Führer und erster Mann, der in einem abgetragenen Rock anfing und damit endete, die Stadt in eine Großstadt zu verwandeln!

Nadelstiche – –?

– Onkel Joel lag da wie eine Klippe oder ein Vorgebirge, an dem vorüber zu fahren Mühe kosten würde. Er würde vermutlich seine ganze Autorität und sein Gewicht daransetzen, um es alles zu ersticken!

– – Vielleicht würde er heute doch noch irgend etwas zu verdauen bekommen! – –

Faste klopfte schnell an die Tür, die zu dem innern Kontor führte, und trat ein, ohne die Antwort abzuwarten.

Onkel Joel saß gebückt da, den Lehnstuhl dicht an den Ofenschirm hinangerückt, und erholte sich gerade von einem eben überstandenen Asthma- und Hustenanfall.

»Wie ungelegen, daß ich gerade jetzt kommen muß, wo du dich mit diesen Plagen herumquälst, Onkel!« – entschuldigte sich Faste. »Mutter sagt, du solltest dich nur einmal entschließen, damit zum Doktor zu gehen. So etwas kann leicht schlimm werden.«

»Meint deine Mutter das –?«

Onkel Joel schüttelte traurig den Kopf: »Meine Erfahrung geht dahin: wenn ich meine Uhr erst dem Uhrmacher übergebe, so –« Er keuchte und rang nach Luft.

»Und kommt erst der Doktor ins Haus, so folgt ihm auch der Pfarrer gleich auf den Fersen. Das einzig probate Mittel ist, stark zu sein, und das bin ich! – – Ja, jetzt ist es vorüber. – – Es ist dasselbe Mittel wie das gegen die Armut, – reich zu sein. Ja, ja, – nun ist es überstanden, ganz überstanden. – – Diese Pfefferminztropfen, – so lange man sich mit einem so einfachen Mittel helfen kann, steht es noch nicht so schlimm um einen, mein Herr Faste! – Die naßkalte Herbstluft. – Ahem, – ja!«

Er humpelte und tastete sich durch das Zimmer.

»Es scheint, als wenn du dich jetzt nach deinem Architektenexamen hauptsächlich mit der Art von Gebäuden abgibst, die man Luftschlösser nennt!« platzte er heraus.

»Das kommt auf die Augen an, mit denen man sieht, Onkel –«

»Ich wußte ja, daß es auf irgend etwas Sonderbares herauskommen würde – daß man einen verschrobenen Menschen auch noch mit Kenntnissen versieht, die ihn in Stand setzen, die Schraube zu drehen!«

»Ich habe immer gefunden, daß du ein verteufeltes Talent hast, dich schneidig auszudrücken, Onkel. Ich möchte wohl einmal zuhören, wenn du jemand in einer Generalversammlung an der Kehle packst.« »Und ich sage,« die Stimme klang jetzt sehr kräftig – »baue, – baue meinetwegen bis in den Himmel hinein, aber bringe mir keine Verwirrung in die Stadt! Einer nach dem andern kommen die kleinen Leute draußen vom Strande und von der Landzunge herein und wollen wissen, ob der Grund und Böden, auf dem sie wohnen, sie vielleicht zu Krösussen machen kann?«

»Ja, Onkel, es sieht leider wirklich so aus, als wenn du schon zu lange damit gewartet hast, dir die Bauplätze da unten zu sichern, die du für ein Butterbrot hättest haben können.«

»Was – was sagst du. – Ich?« –

»Ach, die ganze Stadt weiß ja, daß es deine Absicht ist, alles, was du hinterläßt, irgend einer Anstalt oder einem Stift zu vermachen.«

»So, das weiß also die ganze Stadt.«

»Ja, was sonst? – Oder ist es etwa nicht der Fall gewesen, daß, wenn du ein wenig hart mit den Zinsen und vielleicht reichlich vorsichtig mit deinem Gelde warst, man das Gerede immer damit totgeschlagen hat, daß es schließlich ja alles nur aus Interesse für das Wohl deiner Vaterstadt geschähe?«

»Nun, das muß ich sagen, du bist wirklich ein Zauberkünstler! Stehe ich nicht plötzlich als Gläubiger der ganzen Stadt da! Ich sollte wohl eigentlich gleich auf die Bank gehen und alles, was ich besitze, auf das Konto der Stadt übertragen lassen!« schrie Onkel Joel.

»Jedenfalls hast du in dem Glanz dieses Glaubens gelebt, Onkel.«

»Ich möchte dich doch bitten, dich an deine eigenen Schlösser zu halten und nicht auch für mich Luftstiftungen zu bauen!«

»Nun ja, Onkel Joel,– das Ganze ist sozusagen eine Glaubens -oder Bekehrungssache. Man muß dazu bekehrt werden, sich als Großstadt zu denken.«

»Ja, – ja, – ja!« höhnte Onkel Joel. »Bekehrungssache – – Und was weiter, – um das Ende der Sache ins Auge zu fassen – – Steht dann das Badehotel fertig da?« –

»Ja, wenn nur erst die ganze Stadt daran glaubt, dann steht es da, Onkel.«

»Gratuliere, gratuliere – – Ich habe schon – alle erforderlichen Erkundigungen eingezogen – – Grüße deine arme Mutter von mir.«

»Da kann ich dir doch sagen, Onkel, daß hier schon ziemliche Stimmung für die Sache herrscht. Du sprachst vorhin selber von den kleinen Leuten draußen am Strande auf der Landzunge. Wieviele halbe und viertel Aktien glaubst du, daß ich dort bekommen werde? Und wenn dann der ganze Schwarm von Schiffen heimkehrt mit Kapitänen und Steuermännern, die alle hier in beschränkten Verhältnissen wohnen. Glaubst du nicht auch, daß die geneigt sein würden, sich überzeugen zu lassen, daß ihre Wohnungen und Grundstücke weit höher im Preise steigen könnten? Oder glaubst du etwa, daß die Hausbesitzer Straße an Straße, die ganze Stadt hinauf, ganz unzugänglich für den Gedanken sein sollten, daß ihre Stadt durch so eine größere Badeanlage das bekommen könnte, – was ihr bisher im Laufe der Zeiten niemals beschieden war, – nämlich eine Türritze, durch die sie in eine größere Zukunft hineinschauen können mit erweiterten Erwerbsquellen und Möglichkeiten für neues Wachstum und Betriebsamkeit? – Und die ganze Umgegend! Sollte die soviel dagegen haben, eine größere Stadt zu versorgen?« entgegnete Faste voller Begeisterung.

»Ja, ja, ja!« keuchte Onkel Joel, – »so ists recht, – nur immer weiter so. – – So predigt man sein Luftschloß in die Höhe – bis es sich um – Geld handelt! – – Ei freilich, – – man setzt der Kuh eine grüne Brille auf, dann hat man nicht nötig, ihr Heu zu geben. – – Es kommt nur darauf an, daß es gelingt, der Stadt die Brille auf die Nase zu setzen!«

»Aber gerade Geld, meine ich, soll hier kommen, Onkel. Wenn die Leute nur an die Möglichkeit glauben, werden sie auch ein wenig daran wagen.«

»Ja, ja, ja, – ganz recht, – wagen –«

»Auf den Zukunftswert hin –«

»Ah, – ja, ja,« stöhnte Onkel Joel, – »ich wußt' es ja, das er das Wort finden würde, – der Zukunftswert!« –

»Wenn man die Wahl zwischen einer Null oder Gold hat, Onkel, so strecken doch wohl die meisten die Hand aus.«

»Und dann nimmt sich so ein gewandter Meister der Rede wie du vor, ihnen in den Kopf zu setzen, daß das, was sie sehen, Geld ist, ja. Was sie wirklich in die Hand bekommen, will ich nicht bei seinem Namen nennen.«

»Sonderbar, – merkwürdig,– dich so im stehenden Wasser sitzen und gegen die Zeit ankämpfen zu sehen, Onkel. So warst du nicht in deiner Jugend, – damals, als du in Kaliforniaweizen spekuliertest. Wie Onkel! – Jetzt bist du elend. Glaubst du aber nicht, daß es neues Leben in deine Adern gießen könnte, wenn du noch einmal einen tüchtigen Koup machen könntest! – so einen, der vielleicht gleich dein Vermögen verdoppeln könnte? – Es kommt nur darauf an, sich wieder jung zu machen, den Gedanken zu ergreifen und Vater desselben zu werden – – Ich meine, das würde ein ganz anderes, lebensvolleres Monument sein, das du dir errichtetest, als wenn du eine ›Stiftung‹ gründetest! – Du bist groß angelegt, Onkel. Und hier hast du als großer Vogel in einem kleinen Bauer gesessen und gerechnet und dividiert, bis du beinahe vergessen hast, daß du einmal deine Flügel benutzen konntest, um Anteil an der Begründung einer Großstadt zu haben, Onkel! – Große Häuser statt all der kleinen, – und Menschen darin, die viel weiter hinaus denken als nur bis zu den nächsten Schären!«

»Du blast die Seifenblase wirklich so auf, daß es eine wahre Unterhaltung ist, hineinzusehen. Aber wenn sie platzt, – wenn sie platzt,– wenn sie platzt –« wiederholte er verbissen.

»Ja, die Idee liegt da. Siegen aber wird derjenige, der sie zuerst zu ergreifen weiß. Hinterher reiben sich die anderen die Augen! Ich brauche dir nicht alle die Vorteile aufzuzählen, die wir haben, – ich meine, alles das, was die Ärzte jetzt – und zwar schwarz auf weiß – haben einräumen müssen, was wir vor andern an Bedingungen infolge der Orts- und Strandverhältnisse voraushaben. – Aber, was ich wollte, daß du, Onkel, vor allen anderen sehen solltest, das ist die brillante Lage unseres Hafens, sozusagen mitten in der Touristenroute! Es handelt sich nur darum, die Badebucht durch eine Mole zu sichern und die Sache in die Hand einer organisierten und hinreichend kapitalsfähigen Aktiengesellschaft zu legen. –«

»Aktiengesellschaft, ja, die kann man heutzutage auf Grundlage eines Streichholzes begründen!« warf Onkel Joel erregt ein.

»– – Und die Stadt steht da, bereit, eine ganz neue Zukunft mit offenen Armen zu empfangen. – – Und so etwas, dachte ich mir, könnte eine Kraft wie dich, Onkel, reizen, sich an die Spitze zu stellen und der Stadt seinen Namen als Schöpfer des Ganzen zu hinterlassen!«

»Ich Gründer! – Vater des ganzen? – Sag' nur lieber, daß die ganze Stadt sich Wasser über den Kopf gießt – – Gott soll mich bewahren!«

»Dieser Mammonteufel!« brauste Faste auf. »Kein Zweifel, daß für diese Art erdgebundener Seelen die niederen Stoffe ihre Anziehungskraft haben!«

»Was, – was?« – Onkel Joel sperrte beide Ohren weit auf. –

»Die Erde ist ein Bauer, aus dem nur die befreiten Elemente aufsteigen; das ist das Geheimnis – – dich läßt dein Geld nie los; das ist die Ankerkette, die dich unten am Boden festhält!« –

»Ich glaube, weiß Gott, du hättest Laienprediger werden sollen, – das ist ein gutes Geschäft!« meinte Onkel Joel, während Faste zur Tür hinausstürzte.


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