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Trinklieder

1. Lenzlied

Dem Pulte, den Bücherschränken
Enteil geschwind!
Laß alles Grübeln und Denken,
Als das, wo unter den Schenken
          Die besten sind!

Die Frühlingswinde, sie kosen
Und wehn gelind ...
Uns mahnen die Falter, die losen,
Daß uns Mädchenherzen und Rosen
          Erschlossen sind!

Und triffst du in Blütenlauben
Ein reizend Kind,
Und läßt es sich Küsse rauben,
Beweis ihm, daß, die da glauben,
          Noch selig sind.

Doch hörst du den Bogen klingen
Des Gotts, der blind,
Entfalte zum Fluge die Schwingen,
Die Dichtern und Schmetterlingen
          Verliehen sind!

2

Greift zum Becher und laßt das Schelten!
          Die Welt ist blind.
Sie frägt, was die Menschen gelten,
          Nicht, was sie sind!

Uns aber laßt zechen und krönen
          Mit Laubgewind
Die Stirnen derer, die noch dem Schönen
          Ergeben sind!

Und bei den Posaunenstößen,
          Die eitel Wind,
Laßt uns lachen über Größen,
          Die keine sind!

3. In der Schenke

Nicht auf den Schülerbänken,
Hier hören wir Kolleg,
Es führt allein durch Schenken
Zur Wissenschaft der Weg.
Vom Professorenstuhle
Ist alle Weisheit blaß ...
Hier ist die hohe Schule ...
           In vino veritas!

»Geh hin,« sprach mein Herr Vater,
»Werd ein gelehrtes Haus,
Und sauf der Alma mater
Die Milch der Weisheit aus!«
Doch find' ich höhre Klarheit
In diesem goldnen Naß ...
Kommt, die ihr forscht nach Wahrheit! ...
           In vino veritas!

Das hergebrachte Wissen
Schlagt, Freunde, aus dem Sinn!
Verbessert die Prämissen:
Ich trinke – Schluß: ich bin!
Entlauft den Fuchtelruten,
Schwört allem Schlechten Haß
Und haltet euch am Guten! ...
           In vino veritas!

Hier quillt, euch auszurüsten
Mit echtem Mannesstolz,
Des Geistes Milch aus Brüsten
Von deutschem Eichenholz.
Und leeren sich die Krüge,
Legt euch ans Mutterfaß!
Trinkt, bis vertilgt die Lüge – –
           In vino veritas!

4. Triolette

1

Jetzt, da der Lenz ins Land gekommen,
Besingt die Liebe und den Wein!
Die Glut der Rosen ist entglommen
Jetzt, da der Lenz ins Land gekommen;
Und finden wir – genau genommen –
Die beiden auch nur selten rein ...
Jetzt, da der Lenz ins Land gekommen,
Besingt die Liebe und den Wein!

Trinkt, Freunde, küßt und schenket ein!
Die holde Täuschung sei willkommen!
Ein Rätsel ist des Menschen Sein;
Drum, Freunde, küßt und schenket ein!
Das Glück ist Wahn, die Tugend Schein,
Und nur die Freude ist vollkommen ...
Drum, Freunde, küßt und schenket ein!
Die holde Täuschung sei willkommen!

2.

Den vollen Becher in den Händen
Und in den Armen schöne Fraun,
Vom Ernst der Zeit sich wegzuwenden,
Den vollen Becher in den Händen,
Schönheitberauscht an Weingeländen
Liebkosen, zechen, Hütten baun ...
Den vollen Becher in den Händen
Und in den Armen schöne Fraun:

Das ist, wofern ich's recht bedenke,
Was einem Weisen wohl behagt.
Ein unverdorbenes Getränke,
Das ist, wofern ich's recht bedenke,
Das Höchste ... Tempel sei die Schenke;
Drin zecht und küsset unverzagt! ...
Das ist, wofern ich's recht bedenke,
Was einem Weisen wohl behagt.

5. Im Süden

Nun bringt mir Wein im Griechenkrug,
Im irdnen Kruge, schöngehenkelt,
Geschmückt mit dem Trojanerzug:
Quadriga, Rosse schlankgeschenkelt,
Ein heidnisch Bild, von keinem Zug
Des Christentumes angekränkelt!

Kein Pramnier ist's, wie ihn einst rein
Vor Troja schlürfte der Neleier;
Kein lesbischer, kein Chierwein,
Wie ihn auf Ithaka die Freier
Gestürzt im lärmenden Verein
Beim Klang der Phorminx und der Leier.

Doch ist's ein Wein, den längs der Flut
Trinakrias die Kolonisten
Der Griechen pflanzten, den die Glut
Des Südens an den sonnigen Küsten
Gereift, ein feurig, heidnisch Blut,
Noch ungetauft von frommen Christen.

Und nun die Ilias Homers!
Und laßt mich euern Jammer meiden!
Wie perlt der Wein, wie wogt der Vers!
Wie froh genießt man mit den beiden
Den Wert des geistigen Verkehrs
Mit diesen ungetauften Heiden!


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