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Niederländisches

Die Ente

An einem Julitage zu Beginn des 19. Jahrhunderts saß in Brüssel der Journalist Egide Norbert Cornelissen vor seinem Schreibtisch, massierte stöhnend seinen schweißbedeckten Schädel, trank Verschiedenes durcheinander und versetzte sich schließlich in den Zustand bacchantischen Stumpfsinns, der seinem durch die Hitze chemisch veränderten Gehirn das geforderte Feuilleton von fünfzig Druckzeilen entriß. Ein belgischer Bauer – so war darin erzählt –, Besitzer von zwanzig Enten, habe, um die hemmungslose Gefräßigkeit dieser Vögel zu erweisen, eine von ihnen geschlachtet, kleingehackt und den anderen zum Fraße vorgeworfen. Sie wurde in wenigen Sekunden verschlungen. Dasselbe tat der wißbegierige Mann unverweilt mit der zweiten, der dritten und so fort – bis die neunzehnte, die vorhergehenden achtzehn enthaltend, von der zwanzigsten verschlungen wurde. Man dürfe also behaupten, daß diese, überlebende und kerngesunde, zwanzigste innerhalb weniger Stunden die andern neunzehn gefressen habe.

Die Eier dieser zwanzigsten haben also, fortzeugend Böses gebärend, das Geschlecht der Zeitungsenten zur Welt gebracht. Im Jahre 1832 kam die Geschichte frisch und plastisch aus Amerika zurück; ihr war der Bericht von vier Augenzeugen sowie der Sektionsbefund eines Tierarztes beigefügt.

 

Gerettetes Amsterdam

Ludwig der Vierzehnte stand im Jahre 1672 mit seinen Truppen nicht weit von Amsterdam, und der bestürzte Magistrat beriet, ob er dem König die Schlüssel der Stadt schicken sollte oder nicht. Ein dicker alter Ratsherr war darüber behaglich eingeschlafen, und man mußte ihn mühsam wecken, um seine Meinung zu hören: »Sollen wir dem König die Stadtschlüssel schicken oder nicht?«

Der Dicke pustete nachdenklich. »Hat er sie verlangt?«

»Noch nicht.«

»Dann wartet doch, bis er danach schickt«, sagte der Dicke und schlief weiter.

Er brauchte nicht wieder geweckt zu werden; die Stadt war gerettet.

 

Das Kolonistenfräulein

Die holländischen Kolonisten von Demerara standen früher in dem Rufe ungemeiner Gefräßigkeit, und ein englischer Arzt, der sie vor etwa hundert Jahren besuchte, hatte Gelegenheit, die Richtigkeit dieser Behauptung festzustellen. Er war bei einem Festmahl Tischherr einer etwa 25 jährigen jungen Dame, in deren zartem Munde er allerlei verschwinden sah. Sie trank zunächst zum »Appetitmachen« eine halbe Flasche Madeira. Als der gewünschte Erfolg eingetreten war, aß sie etwa vier Pfund westfälischen Schinken und zwei Pfund Weißbrot. Danach nahm sie von vierundzwanzig Gerichten ebensoviele tüchtige Portionen und spülte sie mit drei Flaschen Bordeaux hinunter. Zum Schluß knabberte sie etwa zwei Pfund Konfekt und trank eine halbe Flasche Malaga dazu. Nach einer viertelstündigen Ruhepause tanzte die Dame von 10 Uhr abends bis 3 Uhr morgens munter und fast ohne Unterbrechung – das heißt nur mit den Unterbrechungen, die zur Einverleibung von Backwaren, Wein und Punsch (in ungeheuren Mengen) erforderlich waren. Die Arme dieser Dame waren, wie der Doktor ehrfurchtsvoll berichtet, »so dick wie Kurierstiefel«. Für die übrigen körperlichen Reize hat er anscheinend keine passenden Vergleiche gefunden.

 

Der Admiral

Nils van Bombell, Hollands volkstümlichster Admiral, diente als Knecht bei einem Gutsbesitzer in Bombell, Schleswig, schlug bei einem Raufhandel irgendwem die Knochen entzwei, riß aus, klopfte sich fürchterlich mit den Feinden der Niederlande herum und wurde Admiral.

Als er Admiral geworden war, setzte er sich hin und schrieb folgenden Brief:

»Meine liebe Grete! Wenn Du noch so gesinnt bist, wie damals, als ich mit Dir zusammen in Bombell diente, so komm zu mir nach dem Haag und werde meine Frau. Ich bin gegenwärtig holländischer Admiral. Nils van Bombell, zuvor Nils Ipsen, Dein getreuer Bräutigam.«

Die Grete packte sogleich zusammen, was sie just hatte, reiste nach dem Haag und wurde Admiralin.

 

Der große Medikus

Der berühmte holländische Arzt Hermann Boerhaave, ein erleuchteter Kenner und Erkenner menschlichen Wesens, hinterließ nach seinem Tode (1738) ein geheimnisvoll versiegeltes, verheißungsvoll dickleibiges Paket, um das ein großes Rätselraten anhub. Es trug in des Verstorbenen Hand die Aufschrift: Die einzigen und tiefsten Geheimnisse der Arzneikunst; und da konnte man nichts andres vermeinen, als daß der große Medikus hier für einen würdigen Erben den Kern jenes tiefsten Wissens aufbewahrt habe, dessen magischer Kraft er seine großen Erfolge verdankte. Bei der Versteigerung der Bücherei wurde das Zauberpaket mit hitziger Wut umkämpft; ein Kollege des Verstorbenen erstand es schließlich für 10 000 Gulden und trug es heim, um es, zitternd vor Glück und Spannung, zu öffnen. Aus zahllosen Hüllen schälte sich endlich als des Papierwustes Kern ein winziger Zettel, und darauf stand in des heimgegangenen Schalkes zierlicher Hand:

»Halte den Kopf kalt, die Füße warm und den Leib offen, so darfst du aller Ärzte spotten.«

 

Plauderei am Kamin

In der Postkutschenzeit saßen, so erzählt ein biedersinniger alter Hauskalender, einmal zwei vollfette Holländer behaglich am hellbrennenden Gasthauskamin und trockneten ihre Kleider, die ihnen ein schauderhaftes Unwetter gänzlich durchgeweicht hatte. Nachdem sie eine Stunde stumm gebruzzelt hatten, öffnete der eine das Gehege seiner Zähne, gähnte und fragte:

»Wie heißen Sie, Mynheer?«

Der andere gähnte, ließ den Mund gleich offen und sagte:

»Van Knipelaar.«

»Aha«, sagte der erste und gähnte. »Also, Mynheer van Knipelaar, Ihr Rock brennt

 

Zollfrei

Ein holländischer Forschungsreisender kehrte von einer großen Expedition in die Heimat zurück und brachte das Skelett eines Buschnegers mit, für das er die Einfuhrerlaubnis begehrte.

Die Zollbeamten wußten nicht recht, was sie tun sollten, und es wurde die für solche Fälle eingerichtete höhere Stelle bemüht.

Die höhere Stelle schrieb:

»Zollfrei, da unzweifelhaft gebrauchter Gegenstand.«

 


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