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Jahrmarktszeiten

Seit Tante Nana Hammargren abgereist ist, haben wir schrecklich viel zu tun gehabt. Zuerst wurde der Hopfen gepflückt und für die Bienen gesorgt und wurden die Apfel geerntet. Dann war die große Herbstwäsche und mehrere Tage Hartbrotbäckerei. Und dann haben wir Wachsstöcke gegossen und Dünnbier gebraut und Kartoffelmehl gerieben und eine Anzahl Fäßchen Apfelwein angesetzt. Ich kann kaum verstehen, wie Tante Lovisa und die Haushälterin und die Mägde das alles haben leisten können, aber wir Kinder waren natürlich auch in der Küche und halfen in all unserer freien Zeit getreulich mit.

Schafe wurden natürlich auch geschlachtet und außerdem auch Tauben, denn wir müssen ja jeden Tag über hundert füttern, und das können wir uns nicht leisten. Aber das ist ein recht schwerer Tag, an dem die Tauben geschlachtet werden, denn da ist Vater immer sehr schlechter Laune. Er begreift ja wohl, daß es notwendig ist, die Zahl der Tauben zu vermindern, aber er sieht sie eben so sehr gern. Es wäre ihm lieber, der Habicht fräße sie, als daß wir sie verzehren.

Und all das muß im September getan werden, denn dann kommt der große Ambergshedsmarkt heran, der in Sunne am ersten Freitag im Oktober seinen Anfang nimmt und dann bis in die nächste Woche hinein dauert, und bis dahin müssen alle solche kleinen Hausgeschäfte erledigt sein. Außerdem muß auch das ganze Haus gefegt und gescheuert und müssen alle Doppelfenster eingesetzt sein, damit an dem Jahrmarktsabend, denn so nennen wir den Tag, ehe der Markt anfängt, alles so fein und sauber aussieht wie zu Weihnachten oder Ostern.

Und ich halte einen solchen Jahrmarktsabend fast für den festlichsten Tag des ganzen Jahres. Überall ist es ganz still und ruhig, neue aus Flicken gewebte Teppiche liegen auf den Fußböden, und die Kupferkasserollen und Kaffeekessel leuchten in rotem Glanz, und es ist so hübsch behaglich und warm mit den Doppelfenstern, und alle Menschen sind so erwartungsvoll und nett zueinander.

Vater hat im September auch viel Arbeit gehabt. Inspektor Nyman ist hier gewesen, und die beiden haben drüben im Amtszimmer gesessen und die Rechnungen vom ganzen Jahre durchgegangen. Und Vater hat große Bündel Geldscheine von der Bank in Karlstadt mitgebracht, und jetzt am Jahrmarktsabend bezahlt er allen seinen Untergebenen, was sie anzusprechen haben. Von allen Taglöhnern tritt Lars in London zuerst in die Amtsstube, und dann kommen die andern nach der Reihe dran. Dann geht der Verwalter hinein und nach ihm der Stallknecht und der Kleinknecht und der Junge, der die Schafe draußen gehütet hat. Danach die Haushälterin und alle Mägde, und zuletzt ist die Erzieherin an der Reihe, das Ihrige in Empfang zu nehmen. Doch nein, zuletzt gehen wir Kinder hinein, und jedes bekommt seinen Reichstaler als Marktgroschen, mit dem wir uns am nächsten Tag auf dem Jahrmarkt etwas kaufen dürfen.

Die Haushälterin nimmt nie etwas von ihrem Geld weg. Sie bittet nur Vater, es auf ihr Sparbuch einzulegen; aber die Mägde treten mit neuen schönen Geldscheinen rot und freudestrahlend aus der Amtsstube heraus, und den ganzen Abend sprechen sie nur davon, was sie sich alles auf dem Jahrmarkt dafür kaufen könnten. Und die verständigsten von ihnen fragen Mutter und Tante Luvisa um Rat. Das Zimmermädchen Maja vertraut Mutter an, daß sie sich ein Paar schwarze Handschuhe aus Leder kaufen möchte, die sie am Sonntag in die Kirche anziehen wolle. Aber Mutter sagt, das solle Maja nicht tun, denn solche Handschuhe seien schrecklich teuer, sie sei genügend fein, wenn sie sich ein Paar schwarze Zwirnhandschuhe kaufe.

Und gegen Abend wird es draußen auf der Straße überaus lebhaft. Jahrmarktbesucher von weit her, Bauern von Ransäter und Ullerud, ja sogar von Råda und dem Eksbezirk sind es, die sich so zeitig auf den Weg gemacht haben. Leute zu Fuß und Leute zu Wagen kommen durcheinander daher, und fast alle haben Pferde und Kühe und Ziegen und Schafe mit sich, die sie verkaufen wollen. Und das gerade ist so unterhaltend. Um die Menschen kümmern wir uns nicht so viel, denn die wandern oder fahren ohne alle Zwischenfälle auf der Straße dahin; aber seht, den Böcken und den Hammeln und den jungen Stieren und den Fohlen, denen allen kommt die Wanderung gewiß äußerst komisch vor, denn sie sind sehr ausgelassen.

Wir Kinder sind mit Elin Laurell die Allee hinuntergegangen, um uns die Jahrmarktsleute anzusehen, und nachdem wir schon eine gute Weile dagestanden haben, kommt Vater auch herbei. Und jetzt wird es lustig, denn Vater spricht sofort mit den Vorbeikommenden. Er fragt sie, wo sie daheim sind, was sie für ihr Vieh verlangen und alles mögliche andere. Und ein Mann sagt, er habe ein prachtvolles junges Pferd, gerade etwas für den Herrn Leutnant. Ein armes Weib erzählt weinend, das Korn sei ihr auf dem Äckerlein erfroren, und nun müsse sie ihre schöne Färse, mit der sie sich seit zwei Jahren abgeplagt hätte, verkaufen, um nur im Winter für sich und ihre Kinder Geld fürs tägliche Brot zu haben.

Und Zigeuner kommen daher mit ihren Wagen und einer langen Reihe von Pferden, mit denen sie auf dem Jahrmarkt Tauschhandel treiben wollen. Ihre Pferde sehen auch prächtig und feurig aus; aber Vater sagt, man solle niemals ein Pferd von einem Zigeuner erstehen, denn sie gäben den Pferden Arsenik, oder was es nun bewirken mag, daß sie am ersten Tag prachtvoll aussähen, nachher aber zusammenfielen wie zwei zusammengeklappte Bretter.

In diesem Jahr macht Elin Laurell zum erstenmal die Amberghedszeit auf Mårbacka mit. Und sie ist über die Maßen erstaunt, daß wir sie feiern, hält es aber auch für höchst vergnüglich, denn sie ist noch niemals bei so etwas dabei gewesen. Und jetzt sagt sie zu Vater, wie eigen es sei, zu denken, daß nun seit undenklich vielen Jahren die Jahrmarktsleute ganz in derselben Weise hier vorbeigezogen seien. Und die Besitzer von Mårbacka hätten wohl auch immer hier gestanden und sich mit den Vorüberkommenden unterhalten, gerade wie Vater es jetzt tue.

»Weißt du, Onkel,« sagt sie, »mir ist, als sei ich hundert Jahre in der Zeitrechnung zurückversetzt.«

»Ja, es kann dir schon so vorkommen,« erwidert Vater, »aber das kann ich dir sagen, der Amberghedsmarkt ist im Vergleich zu dem, was er in meiner Jugend war, rein gar nichts mehr. An so einem Abend sah es auf Mårbacka wie in einem Gasthaus aus. Der Handelsherr Kjellin von Amål, der mit meiner Schwester Karoline verheiratet war, kam mit mehreren Wagen voll Waren daher und kehrte mitsamt seinen Ladengehilfen in Mårbacka ein; sie wohnten dann auch über den ganzen Jahrmarkt bei uns, und der dauerte länger als eine Woche. Und einer nach dem andern von meines Vaters Bekannten stellte sich ein und bat um Nachtquartier, denn sie hatten keine andere Unterkunft zum Schlafen als ihren Reisewagen. Außerdem bestand eine Übereinkunft zwischen den Herrschaften im Fryktal, nach der immer eine von ihnen der Reihe nach alle reisenden Herrschaften in einem alten Gebäude bewirten mußte, das mitten auf dem Jahrmarktsfeld stand und der ›Salon‹ genannt wurde. Und ich sage dir, meine Mutter hatte ihre großen Sorgen, wenn sie die Wirtin machen mußte. Du mußt nämlich wissen, diese vornehmsten Kaufleute in Karlstadt und Filipstadt, Christinehamn und Amål fuhren damals selbst auf die Märkte, und sie wollten es reichlich und fein haben. Jetzt freilich, seit wir in jedem Ort so ein verflixtes Kaufmannsgeschäft haben, ist es aus mit allem Alten und Vergnüglichen.«

Es ist uns allmählich kalt geworden, weil wir so lange in der Allee stillgestanden haben, und um uns zu wärmen, wandern wir nun eine Strecke in nördlicher Richtung weiter. Vater geht auch mit, denn auch er darf in der Herbstkälte nicht stillstehen. Und er und Elin reden von der alten Amberghedszeit und ihrer ganzen Herrlichkeit miteinander. Und Vater erzählt allerlei lustige Geschichten, und wir sind sehr vergnügt.

Aber als wir den langen dunkeln Hügel hinter dem Pfarrhaus erreichen, bleibt Vater stehen.

»Es ist doch merkwürdig,« sagt er. »Du, Elin, hast dich vorhin gewundert, daß ich und alle die andern, die auf Mårbacka gewohnt haben, uns gerade an so einem Abend hier mit den Jahrmarktsbesuchern unterhalten, und nun, in diesem Augenblick, sehe ich meinen Vater ganz deutlich vor mir, wie er gerade an einem solchen Jahrmarktsabend hier auf diesem Hügel stand. Nein, wenn ich mir's genau überlege, so war es doch nicht an einem Jahrmarktsabend, nein, sicherlich nicht, eher an einem Tag, der irgendwie mit dem Jahrmarkt zusammenhing.«

Vater lüftet seinen Hut und streicht sich mit der Hand über die Stirne, wie um seine Erinnerungen zu klären.

»Jetzt kann ich dir sagen, wie es war,« fährt er dann fort. »Vater, Schwester Nana und ich waren von Hause weggegangen, um uns die Jahrmarktsbesucher anzusehen, denn das war seine Gewohnheit, gerade wie die meinige. Aber es war nicht am Jahrmarktsabend, und am Jahrmarkt selbst konnte es auch nicht gewesen sein, denn da fuhr man natürlich nach Sunne und kaufte ein. Nein, es war wohl am Abend des zweiten Jahrmarktstags, denn ein ganzer Haufen Leute, die mit ihren Geschäften fertig waren, war schon auf dem Heimweg.«

»Bist du damals noch ein kleiner Junge gewesen, Onkel?« fragte Elin Laurell.

»Nein, ich war schon über zwanzig, und das war Nana auch. Warum ich in jenem Herbst daheim war, weiß ich nicht mehr. Ich pflegte ja sonst in Landvermessungsgeschäften abwesend zu sein; aber Vater wurde wohl allmählich alt und brauchte Hilfe bei den Berechnungen, denn es handelte sich damals um viel größere Geschäfte als jetzt bei mir. Nun ja, nachdem wir von der Allee aus die Wegfahrenden eine Weile betrachtet hatten, fanden wir es kühl, und wir wunderten nordwärts, genau wie heute auch. Und Nana und Vater gingen Arm in Arm. Er und sie waren immer äußerst gute Freunde. Sie war sein ausgesprochener Liebling.«

»Sie war wohl sehr schön?« fragte Elin Laurell.

»Jawohl, das war sie. Aber sie war auch lustig und froh, unser Vater und sie waren immer vergnügt miteinander. Ja, es muß im Anfang der vierziger Jahre gewesen sein, denn Nana war damals weder verheiratet noch verlobt. Ich erinnere mich so genau daran, weil die Eltern mir gesagt hatten, sie seien ihretwegen sehr beunruhigt. Der Pfarrer in Halla dort drüben sei zu alt, um sein Amt noch zu versehen. Er habe jetzt einen Vikar, einen jungen stattlichen Menschen, und Vater und Mutter meinten zu merken, daß er ein Auge auf Nana geworfen und auch sie eine Schwäche für ihn habe. Die Eltern hätten an sich auch nichts gegen die Verbindung gehabt, sie sagten, der Vikar sei ein begabter Mann und predige sehr gut; aber er stehe in dem Ruf, ein Trinker zu sein, und einem solchen seine Tochter zu geben, sei ja kein Vergnügen.«

»Nein, gewiß nicht,« sagte Elin.

»Wie sonderbar ist es doch, was alles in einem wieder aufwachen kann!« fährt Vater fort. »Ich kann nicht genau sagen, wovon wir redeten, als Vater und Nana und ich da weiter gingen, aber ich weiß, woran wir dachten. Wir fragten uns gewiß alle drei, ob wohl der Vikar vom Jahrmarkt zurückgekommen sei. Vater hatte ihn am ersten Tag dort gesehen und meinte gemerkt zu haben, daß er da schon betrunken gewesen sei. Und am vorhergehenden Abend war er nicht heimgekehrt, das wußten wir bestimmt. Als wir nun an dem Pfarrhof vorüberkamen, dachten wir unwillkürlich an den Vikar und fragten uns, ob er wohl glücklich daheim sei oder sich noch drüben in Sunne herumtreibe.

»Das war ja nicht gerade ein angenehmer Spaziergang, Onkel,« wirft Elin ein.

»Ach nein, gewiß nicht. Ich meinte auch, Nana sehe beunruhigt aus, und daß es ihr nicht so leicht wie sonst falle, mit Vater und mir zu plaudern und zu scherzen. Ich half ihr zwar, so gut ich konnte, aber die Unterhaltung wollte nicht recht in Fluß kommen. Dann blieben wir stehen und wechselten mit einem Vorbeifahrenden ein paar Worte, denn Vater wohnte ja nun schon seit vierzig Jahren auf Mårbacka, und jedermann kannte ihn. Allmählich kamen wir am Pfarrhof vorbei und machten gerade hier auf diesem Hügel halt.«

Als Vater dies sagt, schaut er sich um und deutet mit seinem Stock auf die hohen dunkeln Fichten, die den Weg umsäumen.

»Es war damals gerade so dunkel und düster hier wie heute,« sagt er, »ja, vielleicht noch dunkler, denn ich glaube, es standen damals höhere Bäume da, und der Weg war noch schmäler und steiler. Aber als wir eben hier anlangten, sahen wir drunten an der Wegbiegung ein Gefährt auftauchen. Das Pferd vom Pfarrhaus erkannten wir sofort, und wir sahen auch, daß der Knecht des Pfarrers auf dem Bock saß und kutschierte. Wir wußten ja auch gleich, was er für einen Auftrag hatte. Er war sicher von den Pfarrleuten nach Sunne geschickt worden, den Vikar ausfindig zu machen und heimzuschaffen. Es war ja Samstagabend, und man mußte ihn aufspüren, damit er bis zum nächsten Tag seinen Rausch ausgeschlafen hätte.

»Weißt du, Onkel, dies alles wird allmählich furchtbar spannend,« unterbrach ihn Elin.

»Spannend!« sagt Vater. »Ihr habt doch heutzutage recht merkwürdige Ausdrücke. Ich fand es gräßlich, als ich sah, daß der Knecht allein in dem Gefährt saß und wir also glauben mußten, es sei ihm nicht gelungen, den Vikar zu finden. Nana wurde todesblaß, und Vater sah strenger und verachtungsvoller aus, als ich ihn je vorher gesehen hatte. Aber denk dir, gerade als das Fuhrwerk an uns vorüberkam, entdeckte Vater eine dunkle Gestalt, die hinten auf dem Boden lag und schlief. Er machte dem Knecht ein Zeichen, anzuhalten.

›Na, du hast ihn also gefunden, Ola?‹ sagte er.

›Ja, ich hab' ihn bei mir, Herr Regimentsschreiber. Aber wie sieht er aus!‹

Während er das sagte, beugte sich der Pfarrhof-Ola nach rückwärts und hob den Hut auf, der das Gesicht des Vikars bedeckte. Wir standen ja dicht daneben und konnten es nicht vermeiden, ihn zu sehen; aber Nana wendete das Gesicht weg, und sie wäre vielleicht davongelaufen, wenn Vater sie nicht am Handgelenk gefaßt und zurückgehalten hätte.

›Sieh ihn dir an,‹ sagte er und zog sie näher heran, um sie zu zwingen, den Vikar anzusehen, der aufgedunsen und mit kupferrotem Gesicht, beschmutzt und so verändert dalag, daß man ihn kaum noch erkennen konnte. ›Sieh ihn dir an!‹ sagte Vater noch einmal, ›das ist gut für dich. Die Ärmste ist zu bedauern, die die Frau eines solchen Mannes wird.‹

Ich glaube gar nicht, daß Nana hörte, was er sagte; mit gesenkten Augen stand sie da, bis Vater ihre Hand freigab und den Knecht weiterfahren ließ.«

»Das ist furchtbar,« sagte Elin Laurell.

»O ja, das war es wohl. Aber vergiß nicht, eine von Vaters Töchtern war schon mit Wachenfeldt verheiratet, und so wollte Vater nicht, daß Nana, sein Liebling, dasselbe Schicksal haben solle. Nana aber war natürlich böse und betrübt zugleich, und während des ganzen Heimwegs ging sie ein paar Schritte voraus und sprach kein Wort mit uns. Und Vater sah auch streng aus, aber offenbar doch auch ein klein wenig befriedigt. Er hielt es wohl für gut, daß Nana die Augen geöffnet worden waren.«

Danach schweigt Vater, und wir wenden uns heimwärts.

Elin geht neben ihm, und sie redet noch weiter über diese Sache.

»Das alles ist recht merkwürdig, Onkel,« sagt sie. »Ich hatte doch geglaubt, Frau Hammargren sei so sehr glücklich mit ihrem Mann, und ich kann gar nicht verstehen, daß sie je einen andern geliebt hätte.«

»Die Sache mit dem Pfarrer war vielleicht auch nicht so ernst gewesen,« entgegnet Vater. »Und der Kummer war jedenfalls nicht von langer Dauer. Es war ja gerade Jahrmarkt, und Kjellin von Åmål war bei uns. Da machten Vater und Mutter mit ihm aus, daß Nana Schwester Karoline besuchen und den Winter über bei ihr bleiben solle. Dort lernte sie dann Tullius Hammargren kennen, der an der Knabenschule Lehrer war, und mit ihm war sie verlobt, als sie im Frühjahr wieder heimkam.«

Elin stellt noch mehrere Fragen, doch nun kann ich meine Ungeduld, das Allerwichtigste zu erfahren, nicht länger bezwingen.

»Aber, Vater,« frage ich, »wie ging es dann mit dem Vikar?«

»Ei sieh!« sagt Vater, und er tut ein wenig verwundert, »die kleinen Mäuse haben, scheint's, auch Ohren. Nun, mit dem Vikar ging es schlecht. Er trank und er grämte sich, und schließlich scheint er in einem Hospital gestorben zu sein. Ich weiß nicht, wie es sich tatsächlich verhält, aber einige behaupten, er sei verrückt geworden, weil Nana nichts mehr von ihm habe wissen wollen.«

Ich aber denke, wie schrecklich großartig es doch ist, zu wissen, daß ein Mann aus Liebe zu einer meiner Tanten verrückt geworden ist. Ich hätte gerne noch viel, viel mehr gefragt, aber ich wage es nicht.

Und jetzt nachher hab' ich Elin gebeten, Vater zu fragen, was das war, was Tante Nana damals im Sommer in der Zeitung gelesen hatte, und warum sie uns dann gerade an jenem Tag die Geschichte von dem Brunnen erzählt hat. Aber Elin erklärt, das werde sie gewiß nicht tun. Sie sagt, Neugier sei etwas sehr Häßliches.


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