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Schluß

Als nach diesen Ereignissen ungefähr ein Jahr vergangen war, fuhr eines Tages eine Frau in Trauerkleidern an dem Pfarrhaus von Algeröd vor.

Ihre Ankunft erregte kein besonderes Erstaunen; denn obwohl man in weiten Kreisen nie erfahren hatte, daß Sigrun noch lebte, war sie doch von dem einen und anderen, der Hånger besucht hatte, gesehen und wiedererkannt worden, und dieses Gerücht hatte sich langsam verbreitet.

Sie war auch niemals von ihrem Mann durch irgendein gerichtliches Verfahren geschieden worden. Sven Elversson war krank, für ihn war ein ruhiges Leben, ohne jegliche Aufregung Bedingung, und die anderen hatten sich dieser Forderung gefügt.

Als Sigrun nun angekommen war, ging sie ganz ruhig in eines der Dachstübchen hinauf und richtete sich dort häuslich ein.

Sie verdrängte die Mutter des Pfarrers nicht, aber jetzt konnte ihrer Art und Weise niemand mehr widerstehen. Mit der Macht der Liebe regierte sie die alte Frau und die Dienstboten und gab dem Haus seine Gemütlichkeit und seinen Frieden wieder.

Ihr Mann ließ sie schalten und walten, wie es ihr gefiel, und ihr Leben für sich leben, wie auch er das seinige für sich lebte.

Als aber wieder einige Monate vergangen waren, trat sie eines Tages in sein Zimmer und hielt einen Brief in der Hand.

In dem Zimmer sah sie überall Bilder von sich, und alles, was sie während ihrer Ehe gestickt und genäht hatte, war da beisammen.

Ihre Bücher standen auf dem Bücherbrett, und ihr Gebetbuch lag auf dem Tisch neben dem Bett. Es war, als sei sie in einen von heißer Liebe erfüllten Raum hineingetreten.

»Du weißt vielleicht nicht, daß Sven Elversson ein sehr großes Vermögen hinterlassen hat,« sagte Sigrun zu ihrem Mann. »Als sein Pflegevater in England von seiner Unschuld hörte, hielt er sein Versprechen und setzte ihn zu seinem Erben ein. Er starb Anfang dieses Jahres, und jetzt ist das Erbteil ausbezahlt worden. Alles fällt an Sven Elverssons alte Eltern.«

»Dieser Mann hat viel Glück hinter sich gelassen,« sagte der Pfarrer.

»Nun schreiben Joel und Thala an mich und fragen, ob wir beide, du und ich, nicht den Hof Hånger als Geschenk von ihnen annehmen wollten. Sie meinen, wir sollten dort Sven Elverssons Liebestätigkeit wieder aufnehmen. Die Mittel würden uns zur Verfügung gestellt – –«

Sie stockte, denn sie sah, daß das Gesicht ihres Mannes sich verfinsterte.

»Es wäre ein viel größeres Arbeitsfeld für dich,« fügte sie nach einer kurzen Pause hinzu.

Der Pfarrer stand auf und wanderte einmal im Zimmer hin und her.

»Wenn du nach Hånger übersiedeln willst, so werde ich mich dem nicht widersetzen,« sagte er.

Sie antwortete rasch: »Nein, ich will dein Haus nicht mehr verlassen.«

»Aber,« warf er ein, »du verstehst wohl, Sigrun, was ich meine. Ich bin glücklich darüber, dich in meinen vier Wänden zu sehen, aber das genügt mir nicht.«

»Du bist meine erste Liebe, Eduard,« sagte sie hastig.

Dann brach sie ab, nahm seine Hand und führte ihn an ein Fenster.

»Sieh dort auf den Rasenplatz hinaus!« begann sie. »Dort ist eine Ecke, die war, als wir hierherzogen, mit Stiefmütterchen bewachsen. Sie waren wohl hier heimisch und kamen jedes Jahr von selbst wieder. Später ließ ich dort eine Rabatte anlegen, die ich mit anderen Blumen bepflanzte, und auch sie wuchsen und gediehen. Aber siehe, jetzt ist das Beet mit den fremden Blumen verschwunden, und die Stiefmütterchen wachsen schon wieder aus der Erde hervor und nehmen ihren alten Platz wieder ein.«

 

Ende


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