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Die Motorjacht Najade

Ein paar Tage nach Weihnachten kam Jung-Joel nach Hause. Er hatte von Olaus von der Fårö den Auftrag, anzufragen, ob sich Sven Elversson am Heringsfang auf der Motorjacht Najade, die seiner Bootsmannschaft gehöre, beteiligen wolle.

»Er sagt, er glaube nicht, daß du bei irgendeiner anderen Bootsmannschaft unterkommen werdest,« berichtete Jung-Joel. »Aber da du mein Bruder bist, muß ich dich warnen. Es sind keine netten Leute, die mit Olaus fahren.«

Die Mutter sagte sofort, davon könne gar keine Rede sein, daß sich Sven unter solches Pack mische; aber der Vater schien anderer Meinung zu sein.

»Es wäre doch gar nicht so uneben, wenn Sven den Fischfang lernte, wie er hier an der Küste betrieben wird,« sagte er. »Und Jung-Joel hat ganz recht, es ist nicht leicht für dich, bei einer anderen Bootsmannschaft unterzukommen.« »Aber das kann doch nicht deine wirkliche Meinung sein!« rief die Frau aus. »Wer weiß, was die für Absichten haben, daß sie Sven kommen lassen wollen! Sicherlich ist es nur wieder eine neue Gemeinheit, die sie sich ausgedacht haben.«

»Nun, ich will ja nichts anderes gesagt haben, als es sei schade, daß Sven nicht mit zum Fischen hinauskomme,« sagte Joel ausweichend.

Aber nun fielen Sven Elversson die Worte seines Vaters am Weihnachtsabend wieder ein, und der Verdacht, sein Vater möchte ihn wohl gerne von Hause weghaben, stieg in seinem Herzen auf.

»Grüße Olaus von mir und danke ihm für sein Anerbieten,« sagte er zu dem Bruder. »Ich freue mich, daß er mich mitnehmen will. Sobald ich kann, werde ich nach der Fårö kommen.«

»Dann kannst du jetzt gleich mit mir kommen und dir in unserem Laden die Ausrüstung kaufen,« sagte Jung-Joel. »Heute morgen ist ein Telegramm eingetroffen, der Hering stehe in dichten Massen droben bei Smiögen. Morgen wird überall aufgebrochen.«

Eine Weile herrschte große Geschäftigkeit; schon nach kurzem waren beide Brüder fort, und Joel und Thala saßen wieder allein beisammen.

Es vergingen ein paar Wochen, und von Sven war noch keine Nachricht nach der Grimö gelangt; da, eines Sonntags, kam Jung-Joel zu Besuch.

Thala wollte sofort wissen, was die Fårögesellen mit Sven angefangen, ob sie ihn vielleicht totgeschlagen hätten? »Ich habe nur gehört, daß die Leute sagen, früher sei auf der Najade einer gewesen, der mitschuldig sei an einem Kindsmord, und einer, der seine Großmutter zu Tode gefüttert habe, und ein Mordbrenner, und einer, der immer nur Fische aus anderer Leute Netzen gestohlen habe, und zwei, die sich durchaus zu Tode saufen wollten, und nun hätten sie auch noch einen unter sich, der Menschenfleisch gegessen habe, jetzt sei die Sammlung vollständig, und mehr Übeltäter auf einer Schute könne niemand verlangen. Aber von Sven selbst hab' ich nichts gehört, und auch nichts anderes erfahren, als daß zwischen ihm und seinen Kameraden alles gut gehe.«

»So red' doch keinen Unsinn!« sagte Thala. Sie sah böse aus, war aber jedenfalls froh, weil nichts Gefährliches geschehen war. »Und das sage ich dir, mein Junge, sobald du etwas von Sven hörst, kommst du sofort und gibst uns Bescheid! Das ist der größte Liebesdienst, den du Vater und mir erweisen kannst.«

Nach vierzehn Tagen kam Jung-Joel wieder auf die Schäre heraus.

»Jetzt muß ich Euch etwas sagen, Mutter,« erzählte er. »Niemand glaubt, daß die Bootsmannschaft auf der Najade es noch lange mit Sven aushalten wird. Die Leute behaupten, die schmutzigste und schlechteste und übelriechendste aller Fischerjachten in den Schären sehe allmählich reingefegt und aufgeputzt aus, der Motor streike nicht mehr, wenn man ihn gerade am nötigsten habe, der Segelfetzen, den sie zuweilen hissen, um die Schute weiterzutreiben, sei geflickt und habe ein paar große viereckige Stücke eingesetzt bekommen, der verschossene Wimpel sei durch einen neuen farbenprächtigen ersetzt worden, das Namenschild sei neu vergoldet und der Name ›Najade‹ ganz richtig daraufgemalt, es fehle kein Buchstabe daran, die Nahrung an Bord schmecke ganz merkwürdig ähnlich dem Essen, das man an Land bekomme, und es blitze und blinke von Schüsseln und Tellern in der Kombüse. Seht Ihr, Mutter, man behauptet, es hätte einen zwar nicht gewundert, daß die Leute auf der Najade einen, der Menschenfleisch ißt, an Bord dulden, daß sie sich aber reine Schüsseln und Teller gefallen lassen, darüber wundert man sich.«

»Geh weg, ich glaube, du willst mich nur zum Narren haben,« sagte die Mutter; aber der Sohn merkte doch, wie sehr sie durch seine Nachrichten erfreut war. »Und vergiß nur nicht,« fuhr sie fort, »es uns gleich wissen zu lassen, wenn du etwas von deinem Bruder Sven erfährst. Er ist ein Fremder hierzulande, und wir müssen aufpassen, wie es ihm geht, damit ihm nicht etwa ein Unglück zustößt.«

Aber wer auf der Grimö wohnt, muß sich in Geduld üben. Vierzehn Tage lang mußte Mutter Thala warten, bis Jung-Joel wieder mit Nachrichten von Sven Elversson herauskam.

»Ihn selbst hab' ich auch jetzt nicht getroffen,« sagte er. »Aber ich habe behaupten hören, es könne mit ihm und den Leuten auf der Najade nicht mehr länger so weitergehen. Jetzt soll Olaus, der der Schiffer auf der Najade ist, anfangen darauf zu dringen, daß die Mannschaft zu rechter Zeit an Bord komme, und es sei ihm schon mehrere Male gelungen, mit seiner Jacht zugleich mit der übrigen Fischerflotte abzufahren und am Fischplatz anzukommen, sich einen günstigen Platz zu verschaffen und einen guten Fang zu tun. Und wenn das Netz ganz und unverworren und wohlgepflegt und nicht so verrottet ist, daß es bricht, wenn die Wate am vollsten ist, und wenn der, der die Sache zu leiten hat, nicht so betrunken ist, daß er den ganzen Fang ins Wasser fallen läßt, wenn er eben am Bootrand angelangt war, und wenn auf der Motorjacht Najade sogar Geld verdient wird, so glaubt niemand, daß Olaus von der Fårö und Corfitzson von Fiskebäck und Bertil von Strömsund und Torsion von Iggenäs und Rasmussen und Hjelmfeld das aushalten. Denn mit einem an Bord, der Menschenfleisch ißt, könne es ihnen immer noch wohl sein, aber mit einer reingefegten Schute zu fahren, ordentlichen Fischfang zu treiben und schön Geld zu verdienen, darein hätten sie sich ihr Leben lang nicht finden können.«

Mutter Thala schalt Joel, weil er kein ernstes Wort reden könne, aber jedenfalls war sie mit dieser Nachricht sehr zufrieden.

»Du wirst sehen, es geht alles gut,« sagte sie. »Ach der Joel, der Joel! Ich meine nicht dich, ich meine deinen Vater. Er ist der klügste Mensch, der in ganz Bohuslän zu finden ist. Er wußte, was er tat, als er Sven unter Menschen schickte.«

Ein paar Wochen später kam Jung-Joel wieder mit einem neuen Bericht.

»Sven selbst hab' ich nicht getroffen,« erzählte er. »Der Hering ist dieses Jahr weit droben im Norden, aber die Leute sagen, wenn sich Olaus von der Fårö habe überreden lassen, für das Geld, das er verdient hat, seine Wohnung neu herzurichten, und wenn Corfitzson von Fiskebäck sein Geld auf die Bank trage, sobald er es in die Hand bekomme, und wenn Bertil seiner Frau ein neues Kleid kaufe und Torsson sich ein neues Segelboot anschaffe, und wenn Rasmussen und Hjelmfeld sich dazu bequemen, ihren Frauen und Kindern etwas zum Leben zukommen zu lassen, so gehe es bei der Besatzung der Najade nicht mit rechten Dingen zu. Nicht darüber wundert man sich, daß sie einen, der Menschenfleisch ißt, unter sich dulden, aber daß sie es auf einer reinen Schute aushalten und geordnete Fischerei treiben und imstande sind, zu leben wie andere Leute, das hätte man niemals von ihnen geglaubt.«

»Es führt doch niemand so abscheuliche Reden wie du!« sagte Mutter Thala zu ihrem Sohne; aber sie war außerordentlich befriedigt und sagte, jetzt glaube sie, es werde noch alles gut für Sven enden, und die Leute würden noch soweit kommen, ihn zu dulden.

»Ach aber, was Sven gegen sich hat, sitzt alles so tief und eingefleischt bei den Menschen, daß man nicht erwarten darf, es werde ihm so leicht werden, darüber zu siegen,« sagte Joel. »Wir müssen froh sein, wenn wir es soweit bringen, daß es nicht Macht über ihn selbst bekommt.«

Ein paar Wochen darauf kamen beide Brüder nach Hause. Sie sahen niedergeschlagen aus, als sie das Haus auf Grimö betraten.

Weder Mutter Thala noch Joel stellten irgendeine Frage an Sven; aber die Mutter verstand es einzurichten, daß sie bald einmal mit Jung-Joel allein war.

»Was in aller Welt gibt's denn jetzt?« fragte sie.

Jung-Joel sah ergrimmt und zornig aus und sagte: »Es hilft alles nichts, ob auch Olaus und Corfitzson und die ganze andere Najademannschaft sich bessern und ihre Jacht sauber halten und ihre Fischerei ordentlich treiben, und acht auf ihr Geld geben, wenn sie ihr Haus nicht betreten können, ohne daß ihnen eine weinende Frau entgegenkommt. Was sollen sie anfangen, wenn ihre Weiber ihnen sagen, sie sollten lieber bleiben, wie sie gewesen seien, als mit einem, der Menschenfleisch gegessen habe, Gemeinschaft halten. Wenn sie sagen, sie empfänden solchen Ekel vor Sven, daß er sich auch auf die übertrage, die alle Tage in seiner Gesellschaft seien. Wenn sie sich weder aus einem neu hergerichteten Haus, noch aus einem Segelboot, noch aus Kleidern, Essen, Hausgerät, Glück, Ehre und Fortkommen etwas machen und das alles opfern wollen, um von ihrem Ekel loszukommen! Da es so stand, mußten die Männer Sven ja bitten, sich von der Najade fernzuhalten und lieber daheim auf der Grimö zu bleiben, wo ihm niemand begegnet und niemand Anstoß an ihm nimmt.«


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