Hermann Kurz
Denk- und Glaubwürdigkeiten – Jugenderinnerungen – Abenteuer in der Heimat
Hermann Kurz

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Zweites Buch.

Erstes Kapitel.

Indessen habe ich gleichwohl auf der Stätte des soeben erzählten Mißgeschicks, wodurch mir ein ehrwürdiges Fach des Schriftentums versperrt worden sein mag. eine Weihe erhalten, die mich wenigstens im allgemeinen auf die druckpapierene Geisterwelt, auf ihre Werke und ihr Wesen vorbereitete. Dort habe ich nämlich die erste Bekanntschaft mit dem Kienruße gemacht, dessen dunkler Boden Lorbeeren, ja dann und wann sogar Dornen tragen soll, und habe die Befangenheit, welche ein junger Schriftsteller bei dem erstmaligen Anblick seines gedruckten Namens empfindet, frühzeitig ablegen gelernt. Noch hatte ich nichts von einem Goethe und Jean Paul gehört, kannte Schiller kaum dem Namen nach, wußte höchstens ein paar Gellertiche Fabeln, vom Hut und vom grünen Esel, auswendig, und war doch schon ein gesetzter und gedruckter kleiner Mann.

Dies ging so zu.

Im oberen Stockwerk des mütterlichen Elternhauses in der buckligen Universitätsstadt lag ein geheimnisvolles Heiligtum, das mich bei meinen Besuchen dort noch mehr als die Leckerbissen der Großmutter anzog, und aus welchem ein wundersames Schüttern und Beben das ganze Haus durchdrang. Ich hatte die Quelle dieses verborgenen Lebens bald ausgespürt, so daß dem alten Buchdruckerherrn, denn diesen wohlachtbaren Titel führte der Großvater, nichts anderes übrig blieb, als seine nachgängige Genehmigung zu meinem Eintritt daselbst zu erteilen. Man stieg eine steinerne Wendeltreppe empor, kam an verschlossenen düstern Magazinkammern vorüber, und dann befand man sich in den heiligen Hallen, aus welchen die akademischen Lehrbücher, Festreden, Preisschriften und Doktorthesen hervorgingen. Hier wurde ich nun sehr heimisch, und erfreute mich einer Nachsicht, die nicht immer mit der feierlichen Würde und Stille des Orts im Einklang war. Wenn ich unten im Familienzimmer vermißt wurde, so durfte man bestimmt darauf rechnen, daß ich, nicht mehr ans Reisen denkend, in der Druckerei zu finden sein würde. Stundenlang konnte ich den Pumpenbewegungen des noch in der Wiegenzeit der Kunst schwebenden Preßbeugels, dem Zusammenpochen der Ballen, dem wunderschnellen Letternfluge über dem Setzkasten zusehen, und der eigentümliche Geruch der frischgedruckten Bogen hatte für mich einen Reiz, der mir bis zu diesem Augenblicke geblieben ist.

Nun weiß ich nicht, ob ich von selbst auf den Einfall kam, oder ob er mir von einem Gnomen der Druckerei eingegeben wurde: kurz, eines Tages erschien ich triumphierend in den unteren Gemächern und wies meine rechte Hand vor, in deren innerer Fläche mein Vor- und Zuname mit stolzen roten Lettern gedruckt zu lesen stand. Aber diese erste literarische Auszeichnung fand wenig Beifall, und alle Toilettenkünste wurden angewendet, um das auftauchende Gestirn wieder auszulöschen. Ich hielt stille wie ein Lamm; sobald es jedoch gelungen war, die Buchstaben bis auf einige unkenntliche Flecken zu vertilgen, so schlich der kleine Unsterblichkeitsaspirant in die Druckerei zurück, deren mutwillige Vasallen ihm alsbald zur Wiederholung des Preßvergehens behilflich waren.

Auf diese Weise entstand eine lebhafte Gegenwirkung zwischen Ober- und Unterhaus. Oben suchte sich der jugendliche Produktionsdrang, das kecke Streben nach Öffentlichkeit geltend zumachen; unten lauerte die Kritik mit ihren ätzenden Mitteln, um den kaum gedruckten Namen der Vergessenheit zu übergeben. Aber bald rot bald schwarz gedruckt, immer wieder strebte der Name an den Tag, und er war eben im besten Zuge, die Totschweigekunst zu ermüden, als die guten Mädchen sich endlich hinter den alten Herrn steckten, der denn auch sofort sein kategorisches Non imprimatur an die Druckerei erließ. Zu spät! Farbe und Öl brachten sie zwar durch Bürsten und Reiben wieder weg, nicht aber die Vorbedeutung, die in dem kindischen Spiele lag, nicht das unverlöschliche typische Gepräge, mit welchem meine Schreibehand in der akademischen Druckerei gestempelt worden ist.


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