Franz Kugler
Friedrich der Große
Franz Kugler

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweiunddreißigstes Capitel.

Feldzug des Jahres 1759. Kunersdorf.

Drei Jahre des Kampfes waren vorübergegangen. Viele schwere Schlachten waren geschlagen, in Strömen war das Blut vieler Tausende geflossen, blühende Fluren lagen verödet, Städte und Dörfer waren in Schutt und Asche gesunken, unzählige Familien einst begüterter Menschen irrten als Bettler umher; aber noch war der Haß der Gewaltigen nicht abgekühlt, noch hatten sie die Hoffnung nicht aufgegeben, den kleinen preußischen Staat, der sich unberufen, wie sie es meinten, in ihre Reihen eingedrängt, von seiner Höhe herabzustürzen. Friedrich hätte gern die Waffen aus seiner Hand gelegt; er war kein unersättlicher Eroberer, er kannte keinen Haß, als den gegen das Schlechte und Gemeine; er war der unausgesetzten Anstrengungen müde, zu denen ihn die übergroße Zahl seiner Feinde zwang. »In der Ferne (so schrieb er im Anfange des Jahres 1759 an seinen Freund, den Marquis d'Argens) mag meine Lage einen gewissen Glanz von sich werfen: kämen Sie ihr näher, so würden Sie nichts als einen schweren, undurchdringlichen Dunst finden. Fast weiß ich nicht mehr, ob es ein Sanssouci in der Welt giebt; der Ort sei, wie er wolle, für mich ist dieser Name (»ohne Sorge«) nicht mehr schicklich. Kurz, mein lieber Marquis, ich bin alt, traurig, verdrießlich. Von Zeit zu Zeit blickt noch ein Schimmer meiner ehemaligen guten Laune hervor; aber das sind Funken, die geschwind verlöschen, weil es ihnen an Glut fehlt, die ihnen Dauer geben könnte. Es sind Blitze, die aus dunkeln Wetterwolken hervorbrechen. Ich rede aufrichtig mit Ihnen: sähen Sie mich, Sie würden keine Spur mehr von dem, was ich ehemals war, erkennen. Sie würden einen alten Mann finden, dessen Haare grau werden, der die Hälfte seiner Zähne verloren hat, ohne frohen Sinn, ohne Feuer, ohne Lebhaftigkeit, – kurz, eben so wenig den ehemaligen, als es die Ueberbleibsel von Tusculum sind, von denen die Architekten, aus Mangel an Ruinen, die die eigentliche Wohnung Cicero's andeuten könnten, so viel eingebildete Pläne entworfen haben. Das sind, mein Bester, die Wirkungen, nicht sowohl der Jahre, als der Sorgen; die traurigen Erstlinge der Hinfälligkeit, die uns der Herbst unsers Alters unausbleiblich mitbringt. Diese Betrachtungen, die mich sehr gleichgültig gegen das Leben machen, versetzen mich übrigens gerade in den Zustand, in welchem ein Mensch sein muß, der bestimmt ist, sich auf Leben und Tod zu schlagen: mit dieser Gleichgültigkeit gegen das Leben kämpft man muthiger und verläßt diesen Aufenthalt ohne Bedauern.«

Friedrich hatte den Winter zu neuen Rüstungen, soweit es seine Kräfte gestatteten, benutzt; aber er war entschlossen, den neuen Feldzug nicht mehr, wie bisher, mit einem Angriffskriege zu eröffnen, sondern, seine Grenzen beschirmend und sichernd, die Unternehmungen der Feinde abzuwarten.

Indeß betraten wiederum, wie im vorigen Jahre, die Armee der Verbündeten unter Herzog Ferdinand von Braunschweig und die Armeen der Franzosen zuerst den Schauplatz des Krieges. Noch im Winter hatte Soubise, wider alle Verträge, die freie Reichsstadt Frankfurt am Main mit französischen Truppen besetzt. Durch den Besitz von Frankfurt war den Franzosen die Verbindung mit den Oesterreichern und mit den Reichstruppen, sowie alle nöthige Zufuhr gesichert; darum war Herzog Ferdinand vorzugsweise darauf bedacht, ihnen diesen wichtigen Punkt wieder zu entreißen. Er rückte gegen sie vor. Am 13. April kam es bei Bergen, in der Nähe von Frankfurt, zur Schlacht; doch die Franzosen, bei denen jetzt der Herzog von Broglio an Soubise's Stelle als Oberbefehlshaber eingetreten war, behaupteten ihre Stellung. Sofort drangen beide französische Armeen wieder in Deutschland vor; Kassel, Münster und Minden mit bedeutenden Abtheilungen der verbündeten Truppen fielen in ihre Hände. Ferdinand aber hatte die Weser behauptet. Bei Minden trat er der überlegenen französischen Nordarmee, unter Contades, entgegen und erfocht am 1. August einen glänzenden Sieg, während gleichzeitig ein besondres französisches Corps durch seinen Neffen, den Erbprinzen von Braunschweig, vernichtet wurde. Eine Reihe andrer glücklicher Gefechte schloß sich hieran an, und in kurzer Frist sahen sich die Franzosen genöthigt, alle glänzenden Erwerbungen dieses Jahres wiederum aufzugeben. Den Beschluß des siegreichen Feldzuges machte die Ueberrumpelung von Fulda, welches durch den Herzog von Württemberg besetzt war, der als französischer Söldner die Armee des Feindes mit 12 000 Mann verstärkt hatte. Auch er mußte sich mit großem Verluste bis an den Main zurückziehen.

Auf preußischer Seite begann das ernsthafte Spiel des Krieges erst im Sommer. Friedrich wollte diesmal, wie bemerkt, die Bewegungen der Feinde abwarten, um dann den günstigsten Augenblick zur Abwehr erspähen zu können; gleichwohl hatte indeß auch er nicht eben müßig zugesehen. Da in jener Zeit alle Heeresbewegungen auf der Verpflegung aus Magazinen beruhen mußten, so hatten die Gegner auf den verschiedenen Seiten, wo sie die preußischen Staaten umlagerten, beträchtliche Vorrathshäuser zur Unterstützung ihrer bevorstehenden Unternehmungen angelegt. Konnte Friedrich diese zerstören, so mußten die Feinde natürlich auf eine sehr empfindliche Weise gehemmt werden. Friedrich ergriff demnach seine Maßregeln. Schon im Februar ließ er ein Corps in Polen einrücken, wo die Russen längs der Warthe ihre Magazine angelegt hatten. Hiebei galt es zunächst, die Unternehmungen eines polnischen Großen, des Fürsten Sulkowski, rückgängig zu machen, indem dieser, trotz der trägen Parteilosigkeit, welche die polnische Republik behauptete, und trotz dem, daß seine Residenz Reisen der schlesischen Grenze ganz nahe lag, ansehnliche Lieferungen für die Russen veranstaltete und selbst Truppen für sie warb. Er ward sammt seiner Leibwache aufgehoben und nach Glogau transportirt; außerdem aber gelang es den Preußen, in Polen Vorräthe zu zerstören, aus denen 50 000 Mann auf drei Monate verpflegt werden konnten. Eine zweite Expedition der Art sollte von Oberschlesien aus nach Mähren unternommen werden; diese führte zwar an sich zu keinem Erfolge; doch bewirkte sie, daß Daun, einen Einfall des Königs in Mähren befürchtend, seine Hauptmacht nach dieser Seite zog und dadurch die böhmischen Grenzen gegen Sachsen hin blosgab. Nun ließ Prinz Heinrich, der die preußische Armee in Sachsen befehligte und schon die Vortruppen der Reichsarmee aus Thüringen zurückgedrängt hatte, verschiedene Corps in Böhmen einrücken, die in der kurzen Frist von fünf Tagen alle dort befindlichen Magazine vernichteten und dem Feinde etwa das Doppelte des in Polen verübten Nachtheiles zufügten. Daun sandte eilig Verstärkungen gegen die sächsische Grenze, aber die Preußen waren bereits glücklich zurückgekehrt. Prinz Heinrich war indeß nicht gewillt, sich mit diesem Einen kühnen Unternehmen zu begnügen; noch ernsthafter und mit noch glücklicherem Erfolge wiederholte er dasselbe gegen die Reichsarmee, die in Franken, zwischen Bamberg und Hof, aufgestellt war. Er rückte in verschiedenen Colonnen gegen dieselbe vor. In eiligem Laufe floh eine Abtheilung der Reichsarmee nach der andern zurück und sammelte sich erst bei Nürnberg wieder; eine große Anzahl von Gefangenen und sämmtliche Hauptmagazine fielen in die Hände der Preußen. Nachdem die Letztern in den fränkischen Städten bedeutende Contributionen eingetrieben und vergeblich versucht hatten, den Feind zum Stehen zu bringen, damit es auf solche Weise zu einer entscheidenden Schlacht käme, kehrten sie wieder nach Sachsen zurück, wo jetzt ihre Gegenwart nöthig wurde. Die Expedition fand im Laufe des Maimonates statt.

Bei Gelegenheit dieses fränkischen Zuges ward beiläufig auch gegen diejenige Klasse von Friedrich's Feinden, die, weniger geneigt zu Heldenthaten, in Schmähschriften gegen den großen König Ruhm zu erwerben suchte, ein warnendes Beispiel ausgeübt. Ein preußischer Offizier kam mit einigen Soldaten schnellen Rittes nach Erlangen, machte dort einem berüchtigten Zeitungsschreiber seinen Besuch, ließ dem Ueberraschten eine gemessene Anzahl Stockprügel geben und kehrte mit der förmlichen Quittung, die ihm der Patient über das Empfangene ausgestellt, wieder zur Armee zurück.

Friedrich selbst hatte bisher der österreichischen Hauptarmee, die sich, unter Daun, bei Schurz in Böhmen lagerte, bei Landshut gegenübergestanden. Als sich dieselbe nördlich nach Mark-Lissa zog, so rückte er ihr ebenfalls nach und bezog mit seiner Armee, vollkommen im Vertheidigungssysteme beharrend, ein festes Lager bei Schmottseifen.

Die Bewegung der österreichischen Armee war vorzugsweise durch die inzwischen eingetretenen Unternehmungen der Russen, in deren Operationen die ihrigen einzugreifen bestimmt waren, veranlaßt worden. Die Russen hatten bereits Ende April die Weichsel überschritten und darauf ihre Magazine erneuert. Gegen sie schickte Friedrich jetzt den größeren Theil desjenigen seiner Armeecorps, welches unter dem Grafen Dohna in Pommern stand, mit dem Auftrage, die einzelnen Colonnen der russischen Armee noch während ihres Marsches anzugreifen. Dohna wußte dies indeß nicht möglich zu machen. Der ganze Erfolg seiner Sendung bestand darin, daß er ihnen auf's Neue einige Magazine wegnahm, wählend ihre Corps sich vereinigten und bereits gegen die Oder vorrückten. Da Dohna keine Schlacht wagte, so glaubte Friedrich bessere Erfolge erwarten zu dürfen, wenn er an dessen Stelle einen kühneren Heerführer sende. Er wählte dazu den General v. Wedell, der sich bereits im zweiten schlesischen Kriege den Ehrennamen des preußischen Leonidas erworben und auch bei Leuthen sich auf's Rühmlichste ausgezeichnet hatte. Wedell war einer der jüngsten Generale der Armee; um daher seine älteren Genossen nicht zu kränken, wohl aber auch, um ihn durch eine ganz ungewöhnliche Ehre zur höchsten Begeisterung zu entflammen, ernannte ihn Friedrich förmlich, nach altrömischer Sitte, zum Diktator. »Bei dem Heer stellt Er nunmehr« – mit diesen Worten entließ ihn der König – »meine Person vor; was Er befiehlt, geschieht in meinem Namen, als wäre ich selbst gegenwärtig. Ich habe Ihn bei Leuthen kennen gelernt, und setze in Ihn das unbegrenzte Vertrauen, Er werde ebenso, wie mancher von den Römern ernannte Dictator, auch meine Angelegenheiten an der Oder verbessern. Ich befehle Ihm daher, die Russen anzugreifen, wo Er sie findet, sie tüchtig zu schlagen und dadurch ihre Vereinigung mit den Oesterreichern zu verhindern.«

Wedell traf die Russen in der Gegend von Züllichau, wo sie, bei dem Dorfe Kay, eine sehr günstige Stellung eingenommen hatten. Ohne darauf zu achten und nur an den Befehl des Königs denkend, griff er sie, am 23. Juli, mit seiner dreimal geringeren Macht an. Aber die persönliche Tapferkeit des Dictators und seiner Untergebenen fruchtete nichts gegen die Uebermacht und gegen die Ungunst der örtlichen Verhältnisse. Vergebens waren die bis zur Nacht fortgesetzten Angriffe; die Preußen mußten mit einem Verlust von mehr als 8000 Mann das Feld räumen. Die Russen rückten bis Frankfurt vor, und hier stieß ein österreichisches Corps, von Loudon geführt, zu, ihnen.

Jetzt war für Friedrich die größte Gefahr im Anzuge. Schnell entschloß er sich, in eigner Person den Russen entgegenzutreten. Er berief den Prinzen Heinrich mit dem größern Theile seiner Armee aus Sachsen zu sich, übergab ihm das Commando in dem Lager von Schmottseifen und machte sich selbst mit einem ansehnlichen Truppen-Corps, das er mit dem Wedell'schen Corps vereinigte, auf den Weg nach Frankfurt.

Die russische Armee, vom General Soltikof geführt, hatte am jenseitigen Oderufer eine feste Stellung eingenommen. Auf einer Hügelreihe, die sich von Frankfurt aus östlich zieht und vor der das Dorf Kunersdorf liegt, hatte sie sich gelagert und den Abfall der Hügel durch starke Batterien gesichert. Friedrich fand es für angemessen, an Frankfurt vorüberzuziehen und zwischen dieser Stadt und Cüstrin über den Strom zu setzen. So kam er in einem weiten Bogen der einen Seite des russischen Heeres gegenüber. Am 11. August hatte er diese Stellung erreicht. Die Stärke der russischen Armee, mit Einschluß des österreichischen Hülfs-Corps unter Loudon, betrug ungefähr 70 000 Mann; Friedrich hatte ihnen 43 000 Mann entgegenzusetzen.

Am 12. August, früh um 2 Uhr, brach die preußische Armee zum Angriff auf. Sie zog sich, da der Boden von Seen und Bächen durchschnitten war, auf's Neue in einem Bogen seitwärts, und marschirte nun durch einen Kieferwald dem linken Flügel des Feindes entgegen. Es war bereits 11 Uhr des Vormittags, als man den Saum des Waldes erreicht hatte und sich zum Angriff stellte; die Hitze war drückend, und die Armee hatte schon zwei Nächte nur wenig geruht. Kanonen waren aufgefahren, und alsbald entspann sich mit den feindlichen Batterien ein heftiges Geschützfeuer. Dann rückte die preußische Infanterie gegen die Anhöhen vor, auf denen der Feind stand. Trotz des feindlichen Kugelregens kletterte sie muthig über den Verhack, den die Russen zum Schutz ihrer Stellung angelegt hatten, erstieg die Höhen und eroberte die Batterien. Ein russisches Regiment nach dem andern wurde geworfen; bald waren die Preußen im vollkommenen Besitz der Anhöhen, welche die Stellung des linken russischen Flügels ausgemacht hatten; eine große Menge von Gefangenen und feindlichen Kanonen war in ihren Händen. Erst jenseits einer Schlucht mit steil abfallenden Steinwänden, der Kuhgrund genannt, sammelten sich die Russen wieder und stellten den Preußen neugeordnete Schaaren entgegen. Doch war das für die Preußen kein Hinderniß; sie sprangen in die Schlucht und erkletterten den steilen Rand auf der andern Seite. Vergebens bemühten sich die Russen, sie wieder hinabzustürzen; sie behaupteten sich siegreich auch auf dieser Seite und trieben wiederum ein feindliches Regiment nach dem andern zurück.

Es war 5 Uhr Nachmittags. Zwei Drittheile des Feindes waren geschlagen und aus ihrer Stellung vertrieben, 90 Kanonen waren in den Händen der Preußen, der Sieg war so gut wie entschieden, und schon flogen Couriere mit der freudigen Nachricht nach Berlin. Es war vorauszusehen, daß der Feind nach einem so gewaltigen Schlage nur auf den Rückzug bedacht sein würde. Aber Friedrich war nicht gewillt dem Geschlagenen goldne Brücken zu bauen; da das Schicksal des Tages ihm bis dahin so günstig gewesen war, so hoffte er, daß es ihm nun auch gelingen würde, die Macht des Gegners gänzlich zu vernichten. Vergebens machte man ihm Vorstellungen, wie viel die eigne Infanterie bereits gelitten habe, wie erschöpft sie von dem heißen Tage sei, wie gefährlich es sei, den Feind zur Verzweiflung zu bringen, und wie dessen rechter Flügel noch die vortrefflichste Stellung inne habe. In der That beherrschten die Anhöhen, auf denen der rechte feindliche Flügel stand, – die sogenannten Judenberge, – die Reihe der Hügel, die man bis jetzt bereits gewonnen hatte; amphitheatralisch hoben sie sich über diesen empor, und noch war die feindliche Armee reichlich mit Geschütz versehen. Friedrich aber blieb bei seiner Meinung und befahl erneuten Angriff. Im heftigen Gewehrfeuer standen beide Armeen einander gegenüber; aber den Preußen fehlte es an schwerem Geschütz, das in dem sandigen Boden nicht auf die Anhöhen folgen konnte, während die feindlichen Kanonen von den Judenbergen aus furchtbar in ihren Reihen wütheten. Tief erschöpft, vermochten sie bald nicht mehr so regelmäßig zu feuern wie bisher. Sie konnten dem Feinde keinen weitern Vortheil abgewinnen; aber noch behaupteten sie standhaft ihre Stellung. Jetzt erhielt die preußische Cavalerie, die, durch mancherlei Hindernisse des Bodens aufgehalten, bisher keinen Theil am Gefechte gehabt, den Befehl, auf die feindliche Armee vorzurücken. Aber ein Theil der preußischen Reiter stürzte in Wolfsgruben, die von den Russen angelegt waren; andre wurden von einem wilden Kartätschenfeuer empfangen; Seydlitz, ihr Führer, fiel verwundet, und als nun auch einige feindliche Cavalerieregimenter gegen sie ausrückten, so wurden sie bald gänzlich zurückgeworfen.

So war wiederum eine Stunde des Kampfes verflossen. Bisher hatten nur einzelne Regimenter des österreichischen Hülfs-Corps an dem Gefechte Theil genommen; jetzt gewahrte Loudon, daß für ihn der entscheidende Augenblick gekommen sei. Unverzüglich brach er mit seinen Reiterschaaren auf, durchzog, von den Preußen ungesehen, eine tiefe Schlucht, die seit jenem Tage der Loudonsgrund heißt, und fiel plötzlich der preußischen Armee, die schon in Unordnung stand, in die Seite und in den Rücken. Nun vermochte diese nicht mehr ihre Stellung zu behaupten; sie wandte sich zum Rückzuge. Friedrich that Alles, um das Schicksal des Tages festzuhalten; er ermunterte die Seinen zur standhaften Ausdauer, er führte die Bataillone auf's Neue dem Feinde entgegen, – umsonst! Schon war ein Pferd unter ihm erschossen, schon waren verschiedene Offiziere und Adjutanten an seiner Seite gefallen, schon mehrere Schüsse durch seine eigne Uniform gegangen, er wich nicht. Ein neuer Schuß traf die Brust des zweiten Pferdes, das er bestiegen hatte; ein Adjutant und ein Unteroffizier, die Einzigen, die sich in der Nähe befanden, sprangen hinzu und fingen ihn mit ihren Armen auf, als das Pferd sich eben auf die Seite werfen wollte. Kein Reservepferd war mehr da; er bestieg das des Adjutanten; eine feindliche Kugel schlug an seine Hüfte, aber sie ward durch ein goldnes Etui, das er in der Tasche trug, in ihrem argen Laufe ausgehalten. Jetzt trafen andre Offiziere ein, dem Könige Rapport über den weitern Verlauf des Unheiles zu bringen; sie baten ihn dringend, die gefährliche Stelle zu verlassen. Er aber rief aus: »Wir müssen Alles versuchen, um die Schlacht wieder zu gewinnen: ich muß hier, so gut wie ihr, meine Schuldigkeit thun!« All seine Ausdauer fruchtete zu nichts. Auf's Neue drangen die Feinde ungestüm vor, und in wilder Unordnung flohen die Preußen vom Schlachtfelde, sich in den benachbarten Wäldern vor dem Grimm der Gegner zu bergen. Durch das Getümmel hörte man die Stimme des Königs, der in gänzlicher Verzweiflung die Worte ausrief: »Giebt es denn heute keine verwünschte Kugel für mich?«

Ein Trupp preußischer Husaren war unter den Letzten auf dem Schlachtfelde. Als auch diese, sich vor den andrängenden Kosackenschwärmen zu retten, ihren Pferden die Sporen gaben, rief plötzlich ein Husar seinem Führer zu: Herr Rittmeister, da steht der König! Sich umwendend, erblickte der Offizier den König, der ganz allein, nur in Begleitung eines Pagen, welcher sein Pferd hielt, auf einem Sandhügel stand; er hatte seinen Degen vor sich in die Erde gestoßen und blickte mit verschränkten Armen dem herannahenden Verderben entgegen. Eilig sprengten die Husaren auf ihn zu. Nur mit Mühe konnte ihn der Rittmeister überreden, sich auf das Pferd zu werfen und auf seine Rettung bedacht zu sein. Endlich folgte er den Bitten des Offiziers und rief: »Nun, Herr, wenn Er meint, vorwärts!« Aber schon waren die Kosacken ganz nahe gekommen. Der Rittmeister wandte sich und schoß den feindlichen Offizier vom Pferde. Das machte die Verfolger einen Augenblick stutzen; Friedrich gewann mit seiner kleinen Schaar einen Vorsprung, und jene vermochten ihn nicht wieder einzuholen.

Friedrich übernachtete in einem kleinen Dorfe an der Oder, in einer zertrümmerten Bauerhütte. Die Husaren hatte er ausgesandt, seine zerstreuten Truppen soviel als möglich zu sammeln. Nur der Page und ein Livreebedienter waren bei ihm; beide hielten abwechselnd vor dem Hause Wache. Einige Verwundete, die im Dorfe lagen, hörten von der Anwesenheit des Königs und kamen, den Nachtdienst zu theilen, bis endlich eine größere Truppenzahl zum Schutz des Königs anlangte. Man hatte ihn selbst bereits todt geglaubt. Friedrich aber war überzeugt, daß, wenn die Russen irgend ihren Sieg benutzten, keine Rettung für ihn möglich sei. Gefangenschaft aber und die zu erwartenden schmachvollen Bedingungen, die sich an seine Freigebung knüpfen würden, gedachte er nicht zu überleben. Darum benutzte er die Nacht, seine letzten Verfügungen zu treten. Prinz Heinrich sollte Generalissimus seiner Armee werden und diese seinem Neffen, Friedrich Wilhelm, dem fünfzehnjährigen Thronfolger, schwören. Der Hof und die Archive sollten aus Berlin, wohin er die Feinde auf allen Seiten in Anmarsch glaubte, geflüchtet werden. Dem Staats-Minister, Grafen Finckenstein, schrieb er: »Ich habe keine Hülfe mehr, und, um die Wahrheit zu sagen, ich glaube, daß Alles verloren ist. Ueberleben werde ich den Sturz meines Vaterlandes nicht. Leben Sie wohl auf ewig!«

So verzweifelt Friedrich's Lage war, so sehr er für seine eigne Person von jedem Augenblick das Schlimmste befürchten konnte, so fühlte sein Herz doch zugleich die innigste Theilnahme an dem Unheil, das so viele seiner Getreuen betroffen, so rüstig war er zu helfen bedacht, wo er noch helfen konnte. Zwei junge Offiziere seiner Armee waren unter Andern auf eine furchtbare Weise verwundet worden; dem einen war durch eine Kanonenkugel der größte Theil des Armes weggerissen, dem andern war eine Kartätschenladung von gehacktem Eisen in's Gesicht und in den Arm geschossen. Man hatte sie in jenes Dorf gebracht, in welchem Friedrich sein Nachtquartier nahm; hier erholten sie sich wieder, allein kein Feldchirug wollte die schweren Wunden verbinden. Der Erfolg der Schlacht war ihnen noch unbekannt, als Friedrich unerwartet des Abends in die Stube trat, wo sie auf der Erde in ihrem Blut lagen. Seine ersten Worte waren: »Ach Kinder, Ihr seid wohl schwer blessirt?« Sie erwiederten: »Ja, Ew. Majestät; allein das ist das Wenigste! Wenn wir nur wüßten, ob Sie gesiegt hätten: denn wir hatten schon zwei Redouten hinter uns und waren bei der dritten, als uns das Unglück traf.« Der König sagte: »Ihr habt es bewiesen, daß Ihr unüberwindlich seid; das Uebrige ist Zufall. Verliert nicht den Muth: es wird Alles, auch Ihr werdet besser werden. Seid Ihr schon verbunden? Hat man Euch zur Ader gelassen?« – »Nein, Ew. Majestät,« erwiederten sie, »kein Teufel will uns verbinden.« – Auf der Stelle ward ein Arzt gerufen, dem Friedrich seinen Unwillen über die schlechten Anstalten zu erkennen gab und befahl, für diese braven Leute alle Sorgfalt zu verwenden. Der Arzt sah die Wunden, zuckte die Achseln und versicherte, daß hier kein Verbinden helfen könne und alle Mittel vergebens wären, wenn auch dem Einen der Arm abgenommen würde. Der König faßte die jungen Krieger bei der Hand und zeigte sie dem Arzte mit den Worten: »Hier sehe Er nur, die Leute haben noch kein Fieber! Bei solchem jungen Blut und frischem Herzen pflegt die Natur allezeit Wunder zu thun.« Beide Offiziere wurden in der That gerettet, dienten bis zum Frieden und wurden dann mit guten Versorgungen bedacht. Friedrich aber, der in jenem Zimmer hatte übernachten wollen, nahm mit einer schlechtern Behausung verlieb. – Die furchtbaren Bilder der Zukunft hatten ihn auf seinem kümmerlichen Strohlager nicht schlafen lassen. Als ihm am folgenden Morgen ein Offizier berichtete, daß man noch einiges Geschütz gerettet habe, rief er diesem wild entgegen: »Herr, Er lügt! ich habe keine Kanonen mehr!« Niemand wagte es, sich ihm zu nähern. Nur dem alten Obersten Moller klagte er vertraulich sein Leid. Diesen fragte er, wie es doch komme, daß seine Armee nicht mehr so viel leiste, wie früher. Moller, vielleicht des Tages von Leuthen und der damaligen frommen Stimmung des Heeres gedenkend, antwortete, daß seit geraumer Zeit schon keine Betstunde mehr in der Armee gehalten sei. Friedrich gab am folgenden Tage den Befehl, daß der Feldgottesdienst fortan wieder in strenger Regelmäßigkeit abgehalten werde.

Die Russen hatten es versäumt, die Früchte ihres Sieges zu pflücken. Ihre Generalität versammelte sich am Abend nach der Schlacht in einem Bauerhause, zu berathschlagen, ob den besiegten Preußen nachzusetzen sei oder nicht. Erschöpft von der Hitze des Tages, ließ man vorerst erfrischendes Getränk kommen, und bald waren darüber die Gedanken an alle weiteren Anstrengungen verschwunden. Friedrich ward in der Nacht nicht weiter beunruhigt; schon am folgenden Morgen sammelte sich ein Corps von 18 000 Mann seiner zerstreuten Truppen um ihn; mit diesem ging er ungestört über die Oder, brach die Brücken ab und lagerte sich zwischen Frankfurt und Cüstrin. Er sah jetzt, daß der Feind ihm doch noch Hoffnung übrig lasse. Kurz vor der Schlacht hatte er durch einen Adjutanten des Herzogs Ferdinand von Braunschweig die Nachricht von dem glorreichen Siege bei Minden erhalten; er hatte den Botschafter gebeten, bis nach der Schlacht zu verweilen, damit er ihm das Gegencompliment an den Herzog mitgeben könne. Jetzt entließ er ihn mit den Worten: Es thut mir leid, daß die Antwort auf eine so gute Botschaft nicht besser hat gerathen wollen. Wenn Sie aber auf Ihrem Rückwege noch gut durchkommen und Daun nicht schon in Berlin und Contades in Magdeburg finden, so können Sie Herzog Ferdinand von mir versichern, daß noch nicht viel verloren ist!« – Allmälig erst konnte man die Größe des Verlustes ermessen; über 18 000 Mann, 172 Geschütze, 26 Fahnen und 2 Standarten, außerdem alles eroberte Geschütz, hatten die Preußen verloren. Viele der ersten Offiziere der Armee waren schwer verwundet. Traurig war das Schicksal eines Dichters, den die eben aufblühende deutsche Poesie zu ihren Lieblingen zählte und der tapfer in den Reihen der Preußen mitgekämpft hatte, des Majors Christian Ewald von Kleist. Ein Kartätschenschuß hatte ihm das Bein zerschmettert; Kosacken hatten ihn seiner Kleider beraubt und in einen Sumpf geworfen; russische Husaren hatten ihm darauf einige Pflege angedeihen lassen, aber aufs Neue war er von Kosacken ausgeplündert worden. Erst am folgenden Mittage fand ihn ein russischer Offizier, der ihn nach Frankfurt bringen ließ, wo er, trotz der eifrigsten Pflege, am 24. August starb. Im feierlichen Zuge, an dem die Russen ebenso wie die Mitglieder der Frankfurter Universität Theil nahmen, ward er begraben; ein russischer Stabsoffizier legte ihm den eignen Degen auf den Sarg, »damit ein so würdiger Offizier nicht ohne dies Ehrenzeichen begraben werde.«

Aber auch der Verlust der feindlichen Armee war nicht gering; er belief sich auf mehr als 16 000 Mann. Darum schrieb Soltikof an seine Kaiserin: »Der König von Preußen pflegt seine Niederlagen theuer zu verkaufen; noch einen solchen Sieg und ich werde die Nachricht davon mit einem Stabe in der Hand allein zu überbringen haben.«

Friedrich war der festen Ueberzeugung, die Feinde würden jetzt ihren Sieg wenigstens dazu benutzen, in die Mark und nach der wehrlosen Residenz vorzudringen. Genügende Veranlassung gab ihm zu solcher Meinung der Uebergang der Russen über die Oder und die Annäherung der österreichischen Hauptmacht unter Daun nach der Niederlausitz. Er zog somit Alles, was nur von militairischen Kräften zusammenzubringen war, an sich, ließ neue Geschütze aus seinen Zeughäusern zur Armee kommen und lagerte sich, den Weg nach Berlin vertheidigend, bei Fürstenwalde an der Spree. Indeß, was Jedermann erwarten mußte, geschah nicht. Die Feinde blieben geraume Zeit in ihren Stellungen, ohne etwas zu unternehmen. Daun wünschte den Zug nach Berlin den Russen aufzubürden; Soltikof aber, empfindlich über die bisherige Ruhe der österreichischen Hauptmacht, entgegnete, daß er jetzt zwei Schlachten gewonnen habe und, bevor er seine Truppen auf's Neue opfere, erst auf die Nachricht zweier österreichischer Siege warten wolle. So entspann sich ein Zwiespalt zwischen den feindlichen Heerführern, der wesentlich dazu diente, Friedrich's Schicksal zu erleichtern.

Doppelt erwünscht kam dem Könige diese Stockung in den feindlichen Unternehmungen, da sich unterdessen in Sachsen die drohendste Gefahr bereitet hatte. Die Reichsarmee war in das von Truppen fast ganz entblößte Land eingerückt, hatte in kurzer Frist Leipzig, Torgau und Wittenberg erobert und schritt zur Belagerung von Dresden. Schmettau, der die preußische Besatzung in Dresden commandirte, schickte sich zu einer ebenso hartnäckigen Vertheidigung, wie im vorigen Jahre, an; da empfing er einen Befehl, den Friedrich unmittelbar nach der Niederlage von Kunersdorf, in seiner größten Bedrängniß, geschrieben hatte, daß er es nicht auf das Aeußerste ankommen lassen und vornehmlich nur darauf bedacht sein solle, die königlichen Kassen zu retten. Dieser Befehl nahm ihm plötzlich den Muth zur weiteren Vertheidigung; er ahnte es nicht, daß Friedrich sofort zwei Corps zum Entsatze gesandt hatte und daß diese schon in der Nähe waren; er capitulirte, und auch Dresden ging in die Hände der Feinde über.

Prinz Heinrich hatte ruhig in seinem Lager bei Schmottseifen an der schlesischen Grenze gestanden und bis dahin für seine Ruhe nur den Spott der Oesterreicher eingeärntet. Jetzt brach er plötzlich im Rücken des österreichischen Heeres auf, schlug einzelne Abtheilungen desselben, vernichtete die Magazine, aus denen Daun seinen Unterhalt bezog, und nöthigte diesen, sich gegen ihn zu wenden. Daun gedachte, nach so unangenehmer Veränderung der Dinge, den Prinzen nur von Sachsen abzuhalten; aber dieser kam ihm zuvor. Schon hatten jene von Friedrich abgesandten Corps glückliche Fortschritte gemacht und Heinrich konnte sich nun mit ihnen vereinigen. Daun aber, der um Alles nicht Sachsen, das wichtigste Ziel der österreichischen Operationen, aufgeben wollte, verließ hierauf ganz die Stellung in der Nähe der russischen Armee; er wandte sich gegen Prinz Heinrich, und nun begann zwischen beiden eine Reihe künstlicher Manoeuvres, die es, außer manchen einzelnen, für die Preußen glücklichen Gefechten, endlich dahin brachten, daß die Oesterreicher und die mit ihnen verbundene Reichsarmee den größten Theil ihrer sächsischen Eroberungen verloren und daß vornehmlich nur Dresden allein in ihren Händen blieb.

Die Russen hatten indeß ihr Lager in der Nähe von Frankfurt verlassen und sich südlich, gegen die schlesischen Grenzen, gewandt. Friedrich war ihnen zur Seite gefolgt. Als aber Soltikof hörte, daß Daun sich, statt der russischen Armee eine versprochene neue Verstärkung (das Loudon'sche Corps befand sich noch bei den Russen) zuzuschicken, mit seiner ganzen Macht nach Sachsen gewandt habe, als es auch an dem versprochenen Proviant gebrach, da entschloß er sich, nach Polen zurückzukehren. Daun ließ ihm statt des Proviants eine Unterstützung an Gelde anbieten, aber Soltikof antwortete, die Russen äßen kein Geld. Daun jedoch wünschte dringend, Friedrich's Armee von Sachsen abzuhalten; und so ließ sich Soltikof noch einmal bewegen, in seinem Marsche nach Schlesien fortzufahren. Er machte sich bereit, Glogau zu belagern; als er sich aber dieser Festung näherte, hatte ihn Friedrich bereits umgangen und ihm durch eine feste Stellung den Weg verlegt. Nach mancherlei vergeblichen Versuchen ging Soltikof nun wirklich, gegen Ende Octobers, nach Polen zurück. Gerade um diese Zeit war Friedrich auf's Heftigste vom Podagra befallen; er konnte weder reiten, noch fahren und mußte sich von seinen Soldaten tragen lassen. Gleichwohl ließ er sich auch durch diesen neuen und unerwarteten Feind nicht in den Pflichten seines königlichen Berufes stören. Standhaft trotzte er den Schmerzen des Körpers und hielt seinen Geist frei, um, wie in den Tagen der Gesundheit, Alles überschauen und leiten zu können. Es war in Köben, einem schlesischen Städtchen an der Oder, wo er die Generale seiner Armee nach dem Abmarsch der Russen zu sich rufen ließ. Sie fanden ihn in einem ärmlichen Zimmer liegen, äußerst blaß, um das Haupt ein Tuch gebunden und mit einem Zobelpelze bedeckt. Trotz der heftigen Schmerzen, die ihn quälten, redete er sie mit Heiterkeit an. »Ich habe Sie, Messieurs,« – so sprach er, – »hieher berufen lassen, um Ihnen meine Dispositionen bekannt zu machen und Sie zugleich zu überzeugen, daß die Heftigkeit meiner Krankheit mir nicht gestattet, mich der Armee persönlich zu zeigen. Versichern Sie also meinen braven Soldaten, daß es nicht eine gemachte Krankheit ist; sagen Sie ihnen, daß, ungeachtet ich diese Campagne hindurch viel Unglück gehabt habe, ich doch nicht eher ruhen werde, als bis Alles wieder hergestellt ist; daß ich mich auf ihre Bravour verlasse und daß mich nichts als der Tod von meiner Armee trennen soll.« Nun gab er mit bewunderungswürdiger Ruhe alle Anordnungen, welche die veränderten Verhältnisse erforderten. Ein Theil seiner Armee ward zur Deckung von Schlesien bestimmt; ein anderer Theil ward zur Unterstützung des Prinzen Heinrich nach Sachsen gesandt.

Die Muße, zu der Friedrich theils durch die Bewegungen der Russen, theils durch seine Krankheit genöthigt war, trug indeß Früchte eigenthümlicher Art, die eben nur bei einem Friedrich zur Erscheinung kommen konnten. Wie er jeden freien Augenblick auszukaufen wußte, wie er im Lager überall seine kleine Handbibliothek mit sich führte und stets wissenschaftliche Genossen zu seiner Seite hatte, wie er durch Lectüre und eigne schriftstellerische Thätigkeit seinen Geist unablässig erfrischte und stärkte, so auch in dieser trüben Zeit. Er hatte die Geschichte Karl's XII., jenes genial abenteuerlichen Schwedenkönigs, vorgenommen und fand sich dadurch zu der Abfassung einer sehr interessanten kleinen Schrift: »Betrachtungen über den Charakter und die Talente Karl's XII.«, veranlaßt. Er schrieb darüber an den Marquis d'Argens: »Da ich unaufhörlich mit militairischen Ideen beschäftigt bin, so wendet sich mein Geist, den ich gern zerstreuen möchte, diesen Gegenständen in einem solchen Maße zu, daß ich ihn für jetzt auf keine andern Dinge zu richten vermag.« Im folgenden Winter ließ er die Schrift drucken, doch nur zwölf Exemplare davon abziehen, die er unter seine Freunde vertheilte.

Kaum aber war die Krankheit gewichen, so eilte auch Friedrich nach Sachsen, wo die Verhältnisse sich inzwischen sehr günstig gestellt hatten. Die feindliche Armee war bis gegen Dresden zurückgedrängt. Am 14. November traf Friedrich bei den Seinen ein und konnte dem Bruder, dessen glückliche Maßregeln in der Lausitz und in Sachsen vor Allem dazu gedient hatten, dem ganzen Feldzug eine glückliche Wendung zu geben, die gerechtesten Lobsprüche bringen. »Heinrich,« so sagte er, »ist der einzige General, welcher in diesem Feldzug keine Fehler gemacht hat.« Aber die glücklichen Erfolge sollten jetzt auch mit dem größten Nachdrucke zu Ende geführt werden. Friedrich setzte sich selbst an die Spitze seiner Armee, verfolgte den zurückweichenden Feind und lieferte ihm bei dem Dorfe Krögis ein verderbliches Gefecht. Dann sandte er verschiedene Corps in den Rücken des Gegners, der sich hinter dem Plauenschen Grunde in eine feste Stellung zurückgezogen hatte. Eins dieser Corps brach in Böhmen ein und kehrte mit reichlichen Contributionen und einer Menge von Gefangenen zurück. Ein zweites, größeres Corps, unter dem General Finck, ward nach Maxen gesandt, Daun den Rückzug abzuschneiden oder zu erschweren. Aber dies war eine gefährliche Aufgabe; Finck machte Gegenvorstellungen, doch antwortete Friedrich: »Er weiß, daß ich keine Difficultäten leiden kann: mach' Er, daß Er fortkommt.« Finck ergab sich mit trüber Ahnung in sein Schicksal. In der That sah er sich bald von der feindlichen Uebermacht eingeschlossen; vergebens suchte er sich, am 21. November, durch muthigen Kampf aus seiner ungünstigen Stellung zu erretten. Er ward genöthigt, sich mit seinem ganzen Corps, 12 000 Mann stark, zu Kriegsgefangenen zu ergeben. Diesem plötzlichen Unglück folgte bald noch ein zweites. Ein preußisches Corps unter dem General Dierecke, welches am jenseitigen Elbufer stand, sollte auf gleiche Weise von den Oesterreichern aufgehoben werden. Dierecke versuchte, über Nacht sich über den Strom zurückzuziehen; aber schon hatte ein heftiger Eisgang begonnen, sodaß das Unternehmen nur mit großer Schwierigkeit von Statten ging; nur ein Theil der Preußen entkam, die übrigen, 1500 Mann an der Zahl, fielen ebenfalls in die Hände des Feindes.

So hatten noch zum Schlusse des Jahres die Verhältnisse in Sachsen wiederum ein üble Wendung genommen. Daun hatte jetzt nicht mehr Lust, sich nach Böhmen zurückzuziehen; Friedrich's Armee war durch diese Unglücksfälle wieder bis auf die geringe Zahl von 24 000 Mann zurückgekommen; alle Welt erwartete, daß er nun auch die zuletzt errungenen Vortheile wieder einbüßen werde. Aber Friedrich wich keinen Schritt. Dem Feinde gegenüber blieb er, trotz der furchtbaren Kälte, die jetzt eintrat, in seinem kleinen Lager bei Wilsdruf. Seine Armee lieferte, täglich abwechselnd, vier Bataillone, welche das Lager beziehen mußten, dessen Zelte eingefroren und hart wie Bretter waren. Die Soldaten legten sich in den Zelten übereinander, um sich gegenseitig gegen die grimmige Kälte Schutz zu geben. Die übrigen Theile der Armee cantonirten umher in den Dörfern. Die Offiziere suchten sich hier in den Stuben und Kammern zu erwärmen, die Gemeinen bauten sich Brandhütten und lagen Tag und Nacht am Feuer. Die Kälte forderte eine große Anzahl von Opfern. Aber dem Feinde war durch dies kühne Unternehmen jede Gelegenheit zum Vorrücken genommen; Daun sah sich genöthigt, auch seine Truppen denselben Unbequemlichkeiten und Leiden auszusetzen, ohne doch etwas gewinnen zu können. Endlich traf bei Friedrich's Armee eine Verstärkung ein, welche ihm der Erbprinz von Braunschweig zuführte. Jetzt erst, im Januar, ließ er seine Truppen regelmäßige Winterquartiere beziehen; das Hauptquartier wurde nach Freiberg verlegt, wo Friedrich die übrigen Wintermonate zubrachte.

So ward endlich ein Feldzug zum Schlusse gebracht, der den Preußen Unheil zugefügt hatte, wie noch keiner der frühern. Und doch hatte Friedlich von Allem, was er vor dem Beginn desselben besessen, nichts weiter verloren als Dresden und einen Theil der Umgegend, sowie einige wenig bedeutende Besitzungen in Pommern, die von den Schweden, bei dem Abmarsch des größten Theiles der preußischen Truppen aus jener Gegend, eingenommen waren. Zu weiteren Erfolgen hatten es die vereinten Anstrengungen seiner übergewaltigen Gegner nicht gebracht.


 << zurück weiter >>