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Um seine Armee nicht zum zweiten Male den Mühseligkeiten des vorjährigen Feldzuges auszusetzen, hatte sich Friedrich entschlossen, den Angriff des Feindes auf Schlesien abzuwarten und seine ganze Macht an demjenigen Punkte, auf welchem der Feind eindringen würde, zusammenzuziehen. Ein wichtiger Vortheil für ihn war es dabei, daß Traun von der österreichischen Armee nach Italien abberufen und seine Stelle durch minder umsichtige Heerführer ersetzt war. Die Vorbereitungen der Oesterreicher deuteten mit Bestimmtheit darauf hin, daß dieser Angriff von Böhmen aus geschehen würde, obgleich, bald nach seiner Ankunft bei der Armee, zahlreiche Schaaren leichter ungarischer Truppen in Oberschlesien einbrachen, um ihn in seinen Vermuthungen irre zu führen. Er ließ sich hiedurch nicht täuschen; die Streifereien der Ungarn hatten nur die Folge, daß die preußische Reiterei Gelegenheit fand, ihre Kräfte zu üben und sich in einzelnen kühnen Gefechten Ruhm zu erwerben. Besonders zeichnete sich Winterfeldt in diesem kleinen Kriege aus.
Nachdem Friedrich zuerst nach Neisse gegangen war, zog er, im Mai, seine Hauptarmee vor den Gebirgen, welche die Grafschaft Glatz von Schlesien trennen, zusammen. Sein Hauptquartier nahm er in dem Cistercienserkloster Camenz. Hier entging Friedrich – kurz zuvor, ehe das Hauptquartier nach Camenz verlegt ward – auf merkwürdige Weise der Gefahr der Gefangenschaft, die ihn in dieser Gegend schon einmal bedroht hatte. Die sichersten Zeugnisse stimmen dahin überein, daß die Begebenheit, von der eben die Rede ist, in diese Zeit fällt. Es scheint, daß Friedrich einen vorläufigen Besuch in dem Kloster gemacht hatte und daß dies einem österreichischen Streifcorps verrathen war. Plötzlich erscholl im Kloster die Meßglocke; alle Mönche wurden zur ungewöhnlichen Stunde, es war des Abends, in den Chor berufen. Der Abt erschien mit einem Fremden, beide im Chorkleide; es wurden Complett und Metten gehalten, was sonst zu dieser Zeit nie statt fand. Kaum hatte man den Gesang begonnen, so erhob sich im Klosterhofe großer Lärm; Croaten drangen in die Kirche ein, wagten aber nicht, den Gottesdienst zu stören, der unausgesetzt fortging. Endlich, nachdem der Lärm lange vorüber war, gab der Abt das Zeichen, den Gesang zu beenden; nun erfuhren die Mönche, daß die Croaten den König von Preußen gesucht, daß sie aber nur seinen Adjutanten gefunden und diesen mit sich fortgeführt hätten. Der fremde Geistliche war Niemand anders gewesen, als Friedrich selbst. Für solche Treue und Geistesgegenwart blieb Friedrich dem Abte von Camenz, Tobias Stusche, fortan äußerst gnädig gewogen. Mancherlei angenehme Geschenke wurden dem Letzteren übersandt. Unter Anderm erhielt er im folgenden Jahr vom Könige ein kostbares Meßgewand zugeschickt; Tobias ließ den preußischen Adler darauf sticken und weihte dasselbe am nächsten Namensfeste Friedrich's bei einer feierlichen Messe ein. Auch auf die Nachfolger des Abtes erstreckte sich Friedrich's Gnade. Noch wird jenes seltne Meßgewand in Camenz aufbewahrt, und eine Inschrift in der Kirche erzählt den Nachkommen die Gefahr und die Rettung des Königs.
Indeß ward Friedrich durch die Bewegungen der Feinde genöthigt, sich zum Beginn des ernstlichen Krieges vollständig bereit zu machen. Noch stand ein Armeecorps unter dem Markgrafen Karl in Oberschlesien, aber das ganze Land war mit ungarischen Schaaren überschwemmt, welche alle Verbindung abschnitten und die Vereinigung des Markgrafen mit dem Könige zu verhindern suchten. Zieten, der sich bereits im ersten Kriege durch kühne Thaten ausgezeichnet hatte und schnell aus einer niedern Stelle zum Befehlshaber eines Husarenregiments emporgerückt war, erhielt den Auftrag, mit seinem Regiment zum Markgrafen zu eilen und ihm den Befehl zum ungesäumten Aufbruch zu überbringen. Der Auftrag war nicht leicht ausführbar, doch boten die eben angekommenen neuen Pelze des Regiments Gelegenheit zu einer kecken List. Die Pelze wurden angelegt, und das Regiment sah in ihnen fast einem der kaiserlichen Regimenter gleich. So zog man ruhig des Weges hin, schloß sich unerkannt einem österreichischen Trupp an und ritt mitten durch die Schaaren der Feinde. Ganz spät erst wurde Zieten erkannt, aber nun schlugen die Husaren sich glücklich durch und brachten selbst noch einige gefangene Offiziere mit. Der Marsch des Markgrafen Karl zur Hauptarmee war beschwerlicher; weit überlegene Schaaren traten ihm entgegen. Aber muthig griff er ein Regiment nach dem andern an, bahnte sich mit siegreicher Hand den Weg und führte sein Corps in das Lager des Königs, wo den Tapfern reiches Lob gespendet ward. Das ganze Heer brannte vor Begierde, sich ähnlichen Ruhm zu erwerben. Die Gelegenheit dazu war nicht mehr fern.
Die Armeen der Oesterreicher und Sachsen hatten sich zu Trautenau vereinigt und rückten von hier gegen die schlesische Grenze vor. Friedrich zog mit seiner Armee nach Schweidnitz und besetzte in vortheilhafter Stellung die Strecke zwischen Schweidnitz und Striegau. Um den Feind sicher zu machen, hatte er das Gerücht aussprengen lassen, daß er sich nach Breslau zurückziehe; auch war zu demselben Behufe an den Straßen, die nach Breslau führen, gearbeitet worden. Jetzt berief Friedrich auch den Vortrab seiner Armee aus dem Gebirge zurück und ließ dasselbe Gerücht wiederholen. Der Feind ging in die Falle und traf auf keine Weise die Vorsichtsmaßregeln, deren er, einer so bedeutenden Armee gegenüber, bedurfte. So kamen die feindlichen Armeen bis zum Ausgang der Gebirge. Auf dem Galgenberge bei Hohenfriedberg, wo die ganze Ebene vor den Blicken ausgebreitet liegt, hielten die sächsischen und österreichischen Generale Kriegsrath; Friedrich's Truppen waren durch Gebüsche und Erdwälle so versteckt, daß nur geringe Schaaren sichtbar blieben. Dies bestärkte die Gegner in ihrem Irrthum, und schon wurden die Pläne entworfen, wie man mit geringster Beschwerde ganz Schlesien in Besitz nehmen könne. Darauf begannen ihre Truppen den weiteren Marsch.
In der darauf folgenden Nacht, vor dem 4. Juli, ließ Friedrich seine Armee in aller Stille sich bei Striegau versammeln, in einer Stellung, welche dem niederrückenden Feinde die günstigste Gegenwehr darbot. Mit Tagesanbruch stellten sich die Preußen in Schlachtordnung. Ehe diese aber noch vollendet war, kam bereits die sächsische Armee, welche den Befehl hatte, Striegau einzunehmen, die Anhöhe herabgezogen. Sie ward auf's Höchste durch die Gegenwart der Preußen überrascht. Der rechte Flügel der Letzteren warf sich unverzüglich mit solchem Ungestüm auf die Sachsen, daß sie schon niedergeschmettert und in die Flucht getrieben waren, ehe noch die Oesterreicher genaue Kunde von dem Ereigniß bekamen. Der Prinz von Lothringen, der die österreichische Armee befehligte, hatte zwar das Schießen gehört; er meinte jedoch, es sei der Angriff auf Striegau. Da meldete man ihm, alle Felder seien mit Sachsen besäet, und nun mußte auch er sich in Eile zum Kampfe bereit machen. Aber auch die Oesterreicher wurden mit gleicher Heldenkühnheit empfangen. Keins der preußischen Corps wich, Alles drang unaufhaltsam vor, Jeder suchte es dem Andern an Tapferkeit und Unerschrockenheit zuvorzuthun, und so ward in wenig Morgenstunden der glänzendste Sieg erfochten. Friedrich selbst hatte den Seinen das Beispiel der entschlossensten Todesverachtung gegeben, als er drei Bataillone gegen die österreichischen Feuerschlünde führte, die die Mannschaft rottenweise neben ihm niederstreckten, so daß nur 360 Mann mit ihm die Anhöhe erreichten. Hier ließ er sie mit gefälltem Bajonett auf die Batterie eindringen. Den höchsten Ruhm aber erwarb sich das Dragoner-Regiment von Baireuth, unter Anführung des Generals Geßler, welches ganz allein zwanzig feindliche Bataillone in die Flucht trieb, 2500 Gefangene machte, und 66 Fahnen und vier Geschütze erbeutete. Im Ganzen hatten die Oesterreicher und Sachsen in dieser Schlacht, die von Hohenfriedberg oder von Striegau benannt wird, gegen 17 000 Mann an Gefangenen, Todten, Verwundeten und Vermißten sammt vielen Fahnen und Kanonen verloren, während der Verlust der preußischen Armee an Mannschaft nicht die Hälfte jener Summe betrug. Dem baireuthischen Dragoner-Regiment wurden vom Könige, zum steten Andenken an seine kühne That, außerordentliche Ehrenzeichen verliehen. Friedrich aber sagt, in der Geschichte seiner Zeit, bei Gelegenheit des Sieges von Hohenfriedberg: Die Welt ruht nicht sicherer auf den Schultern des Atlas, als Preußen auf einer solchen Armee.
Ein französischer Botschafter, der Ritter de la Tour, der an Friedrich die Nachricht von dem Siege bei Fontenay überbracht hatte, war bei dem preußischen Siege gegenwärtig gewesen. Als er, vorher, Friedrich um die Erlaubniß bat, einige Zeit bei seinem Heere verweilen zu dürfen, fragte ihn dieser: »Sie wollen also zusehen, wer Schlesien behalten wird?« – »Nein, Sire« entgegnete der französische Ritter, »ich will nur davon Zeuge sein, wie Ew. Majestät Ihre Feinde züchtigen und Ihre Unterthanen vertheidigen werden.« Jetzt erhielt er von Friedrich ein Antwortschreiben an König Ludwig XV., in dem es hieß: »Ich habe den Wechsel bei Friedberg eingelöst, den Sie bei Fontenay auf mich gezogen.« Der bittre Ton dieser Bemerkung war durch Ludwig's Benehmen veranlaßt worden. Friedrich hatte es, ehe es zum Kampfe kam, nicht an neuen Bemühungen fehlen lassen, um den König von Frankreich zu entschiedeneren Schritten gegen Oesterreich zu vermögen. Man hatte sich von dort auf den Sieg von Fontenay berufen. Friedrich aber hatte darauf bemerkt, daß die Franzosen in Flandern kaum 6000 Oesterreicher in Beschäftigung hielten, daß die französischen Siege zwar höchst glorwürdig für König Ludwig seien, seinen Verbündeten aber ungefähr eben so nützlich, wie ein Sieg am Ufer des Skamander oder wie die Einnahme von Peking. Darauf war eine kalte und stolze Antwort erfolgt, und so schien das freundschaftliche Verhältniß der beiden verbündeten Könige, auch was die äußerlichen Formen anbetrifft, seinem Ende entgegen zu gehen.
Die fliehenden Feinde waren bis auf die ersten Anhöhen des Gebirges verfolgt worden. Hier hatte Friedrich Halt machen lassen, da seine Truppen, durch den vorangegangenen Nachtmarsch und die Anstrengung des hitzigen Treffens erschöpft, der Ruhe bedurften. Erst am folgenden Tage brach er zur Verfolgung des Feindes auf; sein Vortrab erreichte den Nachtrab des Feindes, griff diesen, der an der Friedberger Schlacht nicht Theil genommen hatte, an und schlug ihn in die Flucht. Die feindlichen Armeen zogen sich in Eile nach Böhmen zurück. Als Friedrich auf diesem Zuge in Landshut eintraf, umringte ihn ein Haufen von zweitausend Bauern, die ihn um die Erlaubniß baten, Alles, was von Katholiken in jener Gegend sei, doch todtschlagen zu dürfen. Es war der Schrei nach Rache für all jene harten Bedrückungen, welche die schlesischen Protestanten von den katholischen Priestern zu erdulden gehabt hatten. Friedrich erinnerte die empörte Menge an die Gebote der Schrift, daß sie ihre Beleidiger segnen und für ihre Verfolger beten sollten. Die Bauern wurden durch solche Aeußerungen der Milde betroffen; sie sagten, der König habe Recht, und standen von ihrem grausamen Begehren ab.
Friedrich war, wie er bereits vor der Schlacht von Hohenfriedberg den Plan gefaßt hatte, dem Feinde nach Böhmen gefolgt, um die böhmischen Grenzdistricte ihrer Nahrungsmittel zu berauben und hiedurch die Oesterreicher zu verhindern, ihre Winterquartiere wieder in der Nähe von Schlesien zu beziehen. Tiefer in Böhmen einzudringen wagte Friedrich nicht; nach den Erfahrungen des vorjährigen Feldzuges war er darauf bedacht, sich stets in solchen Stellungen zu halten, daß er die Bedürfnisse für seine Truppen aus Schlesien beziehen konnte. Der Prinz von Lothringen hatte ein festes Lager zu Königingrätz eingenommen; Friedrich stand ihm in gleich sicheren Lagern, anfangs zu Jaromirz, hernach zu Chlumetz, gegenüber. Nur der kleine Krieg zwischen den leichten Truppen, die Angriffe auf die Proviantzüge und dergleichen brachten Abwechselung in das einförmige Leben und gaben Gelegenheit zu kühnen, zuweilen auch zu launigen Thaten. So hatte sich einst ein preußisches Detachement, welches zu Smirschitz stand, eine ergötzliche Kriegslist ausgedacht, um den Panduren die Lust an ihren fortgesetzten Angriffen auf eine dort befindliche Schanze zu verderben. Die preußischen Grenadiere verfertigten nämlich, so gut sie es eben zu Stande bringen konnten, einen Gliedermann, costümirten diesen als Grenadier und stellten ihn an der Stelle auf, welche gewöhnlich von dem äußersten Wachtposten eingenommen ward. Sie selbst verbargen sich hinter Gesträuchen und fingen an, den Gliedermann durch Schnüre zu bewegen. Die Panduren bemerkten aus der Ferne den fröhlichen Muth der Wache, schlichen sich heran, schossen sie glücklich nieder und stürzten nun schnell näher, den Gefallenen seiner Habseligkeiten zu berauben. Jetzt aber empfing sie ein lebhaftes Feuer aus dem Gebüsch, die Verwundeten wurden gefangen gemacht, und die Entfliehenden jagten ihrem Corps hinlängliche Furcht ein, so daß ähnliche Angriffe fortan unterblieben. – Auch zu den Beweisen ritterlicher Gesinnung fand sich Gelegenheit. So äußerten einst die Offiziere eines österreichischen Detachements, als sie mit einem preußischen Corps zusammentrafen, zu den Offizieren des Letzteren verbindlicher Weise: »Es ist ein Vergnügen, mit Euch, Ihr Herren, zu fechten; man findet dabei immer etwas zu lernen.« Die Preußen erwiederten, nicht minder höflich, die Oesterreicher seien ihre Lehrer gewesen; wenn sie gelernt hätten, sich gut zu vertheidigen, so sei dies geschehen, weil man sie allezeit gut angegriffen habe. Zu unausgesetzter Vorsicht und Entschlossenheit wurden die preußischen Streifcorps besonders durch einen kühnen österreichischen Parteigänger, Franchini, genöthigt.
Friedrich war um so mehr genöthigt, sich in sicheren Lagerplätzen vor einem unvorhergesehenen Angriff der österreichischen Armee zu schützen als er die seinige durch die Absendung einiger bedeutenden Corps hatte schwächen müssen. Als Oberschlesien von den preußischen Truppen geräumt ward, fanden die Ungarn Gelegenheit, sich dort frei und nach Bequemlichkeit auszubreiten; auch die Festung Kosel fiel, durch den Verrath eines der Offiziere der Besatzung, in ihre Hände. Jetzt sandte Friedrich einen Theil seiner Truppen dahin zurück, der auch in kurzer Zeit, am 6. September, Kosel wieder eroberte und sodann ganz Oberschlesien von den Ungarn frei machte. Ein zweites Corps ward zur Verstärkung der preußischen Armee geschickt, die in Halle unter dem Fürsten von Dessau stand und den Angriffen, die man von Sachsen zu erwarten hatte, begegnen sollte. Denn in Sachsen hatten auf's Neue Rüstungen stattgefunden, die auf ein feindliches Unternehmen schließen ließen und ein sehr ernstliches Manifest von Seiten Friedrich's veranlaßten. Der Marsch der preußischen Truppen nach Halle hatte zur Folge, daß auch der größte Theil der sächsischen Truppen, welche mit den Oesterreichern zusammen in Böhmen standen, nach Sachsen berufen wurde.
Vorerst indeß verfuhr Friedrich gegen Sachsen nicht angriffsweise, da er neue Hoffnungen zu einer friedlichen Beendigung seiner Angelegenheiten fassen durfte. Der englische Hof hatte schon seit einiger Zeit, in Folge eines Ministerwechsels, friedlichere Gesinnungen geäußert, und so kam jetzt, am 22. September, zu Hannover eine Convention zwischen Friedrich und dem Könige von England zu Stande, wodurch der Letztere jenem auf's Neue den Besitz von Schlesien verbürgte und auch Oesterreich und Sachsen zum Frieden zu bewegen versprach, während Friedrich sich verpflichtete, die Wahl des Großherzogs Franz zum Kaiser anzuerkennen. Diese Wahl war zu Frankfurt am 13. September, trotz der Protestation der Gesandten von Preußen und Kurpfalz, erfolgt. Aber nun war auch in Maria Theresia der ganze altkaiserliche Stolz ihrer Vorfahren erwacht; sie hielt es für unvereinbar mit ihrer Würde, wenn sie sich mit einem Fürsten, den sie als einen rebellischen Unterthan betrachtete, in Unterhandlungen einließe; sie sagte öffentlich, daß sie lieber das Kleid vom Leibe als Schlesien missen wolle. Eben so wenig war Sachsen zum Abschlusse des Friedens geneigt. König August wünschte vor Allem, die polnische Krone in seinem Hause erblich zu machen, wozu ihm eine Vergrößerung seiner Macht und eine Verbindung seiner sächsischen Erbländer mit Polen durch einige Provinzen des preußischen Staates allzu vortheilhaft bedünkte. Dem Prinzen von Lothringen waren Verstärkungen zugesandt worden, auch ein Paar Feldherren, welche ihn in dem Entwurf seiner Operationen unterstützen sollten. In der That versuchten die Oesterreicher alsbald einige heftigere Angriffe, die indeß durch die Tapferkeit der preußischen Truppen zurückgeschlagen wurden. Friedrich's Lager hatte eine zu sichere Stellung, als daß es mit Erfolg anzugreifen gewesen wäre. Friedrich vergnügte sich daran, aus seinem Zelte, das auf einer Anhöhe lag, die österreichischen Generale zu beobachten, wie diese täglich zur Berathschlagung hervortraten, lange Fernrohre auseinanderschoben, um seine Stellung zu untersuchen, und dann wieder, bessern Rath von der Zukunft erwartend, zurückgingen.
Indeß sah sich Friedrich genöthigt, den Standpunkt seiner Armee zu verändern. Er ging weiter nordwärts, um auch den Theil des böhmischen Gebirges, welcher sich zwischen Niederschlesien und die Grafschaft Glatz hineinschiebt, von seinen Nahrungsmitteln zu entblößen und dadurch die Scheidewand, welche Schlesien während des bevorstehenden Winters vor feindlichen Einfällen schützen sollte, vollkommen zu machen. Zur Besetzung der Gebirgspässe mußte er jedoch sein Heer auf's Neue durch die Absendung einiger Corps schwächen, so daß seine ganze versammelte Streitmacht nur aus wenig mehr als 20 000 Mann bestand, während die der Oesterreicher, die seinem Gange gefolgt waren, sich auf mehr als 30 000 Mann belief.
Er hatte sein Lager bei dem Dorfe Staudenz genommen und war im Begriff, von dort nach Trautenau vorzurücken, als unvermuthet, am 30. September frühmorgens, die österreichische Armee in Schlachtordnung gegen ihn anrückte. Seine Stellung war wenig günstig, indem es ihm an Mannschaft gebrach, um alle wichtigen Punkte des Terrains genügend zu besetzen; aber auch die Oesterreicher befanden sich in einer unvortheilhaften Stellung, da sie, umgekehrt, nicht Gelegenheit fanden, ihre Kräfte vollkommen auszubreiten. Friedrich benutzte diesen Umstand mit rascher Entschlossenheit. Statt, wie die Oesterreicher erwartet hatten, sich zurückzuziehen und sich so unter vielleicht noch ungünstigeren Verhältnissen angreifen zu lassen, breitete er schnell seine ganze Macht in einer Linie aus, so daß er von dem Feinde nicht überflügelt werden konnte. Diese Aufstellung mußte unter einem sprühenden Regen feindlicher Granaten vollzogen werden; aber kein Soldat äußerte Furcht, keiner verließ seinen Platz. Friedrich selbst ritt eine starke Viertelstunde lang unter diesem Kugelregen, ohne jedoch getroffen zu werden; eine Kugel, die ihn niedergerissen haben würde, ward durch den Kopf seines Pferdes, das sich eben scheu emporbäumte, aufgefangen. Die Oesterreicher ließen diese Aufstellung im Uebrigen ruhig geschehen. Nun brach die preußische Reiterei auf die feindliche ein; sie stürzte das erste Treffen der Letzteren, dieses fiel auf das zweite, das zweite auf das dritte; 53 Schwadronen wurden so durch 12 Schwadronen in kurzem Anfall überwältigt, und das ungünstige Terrain verhinderte sie, sich auf's Neue zu sammeln. Dann stürmte der rechte Flügel der Preußen jene Batterie, mit welcher die Oesterreicher die Schlacht eröffnet hatten, während ein einzelnes Bataillon des linken Flügels eine starke Colonne der Feinde in die Flucht trieb. Unaufhaltsam schritten nun dir Preußen vor. Noch war im Mittelpunkte des Treffens eine steile Anhöhe von den Oesterreichern besetzt; auch diese ward in kurzer Frist von der preußischen Garde genommen. Das Schicksal wollte es, daß hier zwei Brüder einander im Kampfe gegenüber standen; denn die Oesterreicher befehligte hier Prinz Ludwig von Braunschweig, während der jüngere Bruder desselben, Prinz Ferdinand, an der Spitze der preußischen Garde stand und hier zuerst die Proben des Heldenmuthes ablegte, der ihn später so berühmt gemacht hat. Noch suchten sich die zurückgetriebenen Oesterreicher auf den einzelnen Anhöhen des bergigen Bodens wieder zu sammeln, aber immer drangen die Preußen ihnen nach, bis sie sich endlich in vollkommener Flucht in die ausgebreiteten Waldungen retteten, die dem sogenannten Königreiche Silva angehören. Friedrich hemmte das Nachsetzen bei dem Dorfe Soor, nach welchem die Schlacht in der Regel benannt wird. Der Sieg war vollkommen. Nur einen großen Theil der Bagage hatte Friedrich verloren, indem diese einem ungarischen Corps in die Hände gefallen war. Doch hatte gerade dieser Umstand den Sieg wesentlich erleichtert; denn die Ungarn ließen die willkommene Gelegenheit zur Beute nicht vorübergehen und versäumten es dadurch, ihrer Bestimmung gemäß den Preußen in den Rücken zu fallen. An der Verfolgung des Feindes wurden die Preußen durch den Wald gehindert, indem sie sich dort, ohne sonderlichen Vortheil zu erlangen, nur den größten Gefahren hätten aussetzen müssen. Die augenblickliche Unbequemlichkeit des Verlustes der Bagage war bei so großem Gewinn leicht zu verschmerzen. Selbst der König hatte sein ganzes Feldgeräth und seine Bedienung verloren; er konnte den Sieg nach Breslau nur durch ein Paar mit Bleistift geschriebene Zeilen melden. Auch fehlte es für den Augenblick an Nahrung. Als Friedrich zu Abend speisen wollte und sich nur ein Paar Flaschen Wein vorfanden, mußte ein Offizier ausgeschickt werden, um Brod beizutreiben. Nach langem Suchen fand dieser endlich einen Soldaten, der noch ein Brod übrig hatte. Er bot ihm einen Ducaten dafür, aber der Soldat wollte es nicht hergeben, auch nicht für reicheren Lohn; als er jedoch hörte, daß es für den König bestimmt sei, so entschloß er sich, diesem die Hälfte zu bringen. Friedrich nahm das kostbare Geschenk mit freundlichem Danke an. In kurzer Zeit aber war der Mangel wieder ersetzt; auch statt seiner verlornen Bücher ließ sich Friedrich schleunig andre aus Berlin zusenden, da er die Stunden der Muße nicht gut ohne wissenschaftliche Lectüre verbringen konnte.
Mit dem Gepäcke des Königs war zugleich ein zierliches Windspiel, das den Namen Biche führte, verloren gegangen. Dieser einzige Verlust war Friedrich sehr empfindlich; er hatte sein besondres Wohlgefallen an dem anmuthigen Thiere, wie er überhaupt stets von der Gesellschaft einiger zierlichen Hunde umgeben war. Die Feinde suchten indeß dem Könige gefällig zu sein und sandten Biche wieder zurück. Es wird erzählt, daß Friedrich eben am Schreibtisch gesessen habe, als das Windspiel heimlich in sein Zimmer hereingelassen ward; es sprang unbemerkt auf den Tisch und legte ihm die beiden Vorderpfoten um den Hals; Friedrich war durch das unerwartete Wiedersehen so freudig überrascht, daß ihm die Thränen in's Auge traten. Aber die kleine Biche hatte sich auch schon früher als eine wahrhaft getreue Freundin erwiesen. Friedrich hatte sich einst beim Recognosciren zu weit vorgewagt; plötzlich bemerkte er einen Trupp Panduren, der ihm des Weges entgegengeritten kam; ihm blieb nichts übrig, als eilig in einen Graben hinabzuspringen und sich unter einer Brücke zu verbergen. Aber nun fürchtete er, daß Biche, die bei ihm war, bei dem Geräusch der Huftritte der Pferde bellen und ihn so verrathen würde; das Thier jedoch, als ob es die Gefahr seines Herrn ahne, schmiegte sich dicht an ihn und gab keinen Laut von sich.
Der Erfolg der Schlacht von Soor war, daß Friedrich's Absichten für die Beendigung des Feldzuges keine weiteren Hindernisse im Wege standen. Denn zu neuen Unternehmungen in Böhmen war er wenig geneigt. Ehrenhalber blieb er mit seiner Armee fünf Tage lang auf dem Schlachtfelde stehen. Dann wandte er seinen Marsch nach Trautenau, die dortige Gegend noch auszufouragiren. Von da ging er nach Schlesien zurück, dessen Boden am 19. October betreten ward. Der Marsch durch die Engpässe der Gebirge war nicht ohne Gefechte vor sich gegangen, indem die preußische Armee von leichten ungarischen Truppen umschwärmt ward; doch blieben die größeren Verluste dabei auf Seiten der letzteren. Der Haupttheil der Armee wurde in der Gegend von Schweidnitz, unter dem Oberbefehle des Erbprinzen von Dessau, in Cantonnirungsquartiere gelegt. Nachdem Friedrich erfahren hatte, daß die österreichische Armee sich in drei Haufen getrennt habe, was erwarten ließ, daß auch sie die Winterquartiere suchen würde, begab er sich nach Berlin zurück.