Franz Kugler
Friedrich der Große
Franz Kugler

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Achtundzwanzigstes Capitel.

Schluß des Feldzuges von 1757. Leuthen.

Von dem einen Feinde hatte sich Friedlich glücklich befreit; aber noch galt es, den zweiten, ungleich gefährlicheren zurückzuschlagen. Der Herzog von Bevern hatte sich von den Grenzen der Lausitz bis nach Breslau zurückgezogen und vor der Stadt ein verschanztes Lager eingenommen; die österreichische Armee unter dem Prinzen von Lothringen war ihm mit sehr überlegener Kraft gefolgt; ein besondres Corps hielt das neubefestigte Schweidnitz, welches Friedrich als den Schlüssel von Schlesien ansah, eingeschlossen. Nach kurzer Rast machte sich Friedrich nunmehr auf, dem Herzoge von Bevern zu Hülfe zu eilen. Jenes österreichische Corps, welches in der Lausitz stand, mußte jedoch, damit der Marsch der preußischen Armee nicht aufgehalten werde, zuvor von dort vertrieben werden. Feldmarschall Keith erhielt zu diesem Zweck den Auftrag, mit einem kleinen Corps einen Streifzug nach Böhmen zu machen; er führte diese Expedition auch so kühn und glücklich aus, daß die Oesterreicher nicht nur schnell aus der Lausitz zur Vertheidigung von Böhmen aufbrachen, sondern daß er auch eine Menge feindlicher Magazine zerstörte und mit reicher Beute ungefährdet zurückkehrte.

Aber schon in der Lausitz erhielt Friedrich die Nachricht, daß Schweidnitz, am 14. November, capitulirt habe, wodurch den Feinden ein ganzes Truppencorps, ein Magazin, eine Menge von Kriegsmunition und eine Kriegskasse in die Hände gefallen waren und wodurch sie Meister des böhmischen Gebirges wurden. Am 25. November traf die Nachricht ein, daß der Herzog von Bevern durch die Oesterreicher angegriffen, geschlagen und selbst in die Hände der Feinde gefallen sei. Zwei Tage darauf erfuhr Friedrich, daß auch Breslau sich dem Feinde übergeben hatte und fast die ganze Besatzung, nahe an 5000 Mann, zu den Oesterreichern übergegangen war. Die Trümmer der Bevernschen Armee, 18 000 Mann, hatte General Zieten nach Glogau geführt. Nun schien Schlesien ganz verloren, und es war nicht zu erwarten, daß Friedrich die Oesterreicher würde hindern können, ihre Winterquartiere im Mittelpunkte des Landes zu nehmen. Die österreichisch gesinnten Bewohner des Landes hoben frohlockend ihr Haupt empor; viele Beamte huldigten der Kaiserin; der Fürstbischof von Breslau, Graf Schaffgotsch, der allein dem Könige von Preußen seine Würde und die mannigfachsten Gnadenbezeigungen verdankte, vergaß sich so weit, daß er von seinem Wohlthäter mit den verächtlichsten Worten sprach und den schwarzen Adlerorden mit Füßen trat.

Aber Friedrich verzagte nicht. In Eilmärschen rückte er trotz der übeln Wege weiter auf der Straße nach Breslau vor. Schon am 28. November langte er in Parchwitz an; jenseit der Katzbach bezog er ein Lager, um seinen Truppen einige Rast zu gönnen. Die Oesterreicher lagerten vor Breslau in einer vortrefflichen Stellung; aber Friedrich war entschlossen, sie anzugreifen, wo er sie fände, wäre es auch – wie er sich ausdrückte – auf dem Zobtenberge. Bei Parchwitz stieß Zieten mit den Ueberresten der Bevernschen Armee zu ihm. »Diese Armee jedoch (so erzählt Friedrich) war muthlos und durch die kürzlich erlittene Niederlage gebeugt. Man faßte die Offiziere bei der Ehre, man erinnerte sie an ihre früheren Thaten, man suchte die traurigen Bilder zu verscheuchen, deren Eindruck noch neu war. Selbst der Wein ward ein Hülfsmittel, die niedergeschlagenen Gemüther zu gewinnen. Der König sprach mit den Soldaten; er ließ unentgeltlich Lebensmittel unter sie austheilen. Kurz, man erschöpfte alle ersinnlichen Mittel, um in den Truppen dasjenige Vertrauen wieder zu erwecken, ohne welches die Hoffnung auf den Sieg vergebens ist. Schon fingen die Gesichter an, sich aufzuheitern, und die, welche die Franzosen bei Roßbach geschlagen hatten, überredeten ihre Kameraden, guten Muth zu haben. Etwas Ruhe gab den Soldaten wieder Kraft; und die Armee war bereit, den Schimpf, welchen sie am 22. November erlitten hatte, wieder abzuwaschen. Diese Gelegenheit suchte der König und bald fand sie sich.«

Doch dünkte dies Alles dem Könige noch nicht genug; seine ganze Armee bestand nur aus 32 000 Mann; während ihm 80 bis 90 000 Oesterreicher gegenüberstanden, die anders disciplinirt waren, als die Feinde bei Roßbach, und die durch ihre seitherigen Fortschritte das Gefühl des Sieges in sich trugen. Friedrich berief daher die Generale und Stabsoffiziere seiner Armee zusammen und sprach zu ihnen die folgenden Worte, welche die Geschichte uns aufbewahrt hat:

»Meine Herren, Sie wissen, daß es dem Prinzen von Lothringen gelungen ist, Schweidnitz zu erobern, den Herzog von Bevern zu schlagen und sich zum Meister von Breslau zu machen, während ich gezwungen war, den Fortschritten der Franzosen und Reichsvölker Einhalt zu thun. Ein Theil von Schlesien, meine Hauptstadt und die sämmtlichen Kriegsbedürfnisse, welche darin befindlich waren, sind verloren gegangen; meine Widerwärtigkeiten würden auf's Höchste gestiegen sein, setzte ich nicht ein unbegrenztes Vertrauen in den Muth, die Standhaftigkeit und die Vaterlandsliebe, die Sie bei so vielen Gelegenheiten bewiesen haben. Ich erkenne die Dienste, die Sie dem Vaterlande und mir geleistet, mit der innigsten Rührung meines Herzens. Es ist fast keiner unter Ihnen, der sich nicht durch eine große, ehrenvolle Handlung ausgezeichnet hätte: ich schmeichle mir, Sie werden auch bei neuer Gelegenheit nichts an dem mangeln lassen, was der Staat von Ihrer Tapferkeit zu fordern berechtigt ist. Dieser Zeitpunkt rückt heran; ich würde glauben, nichts gethan zu haben, ließe ich die Oesterreicher im Besitz Schlesiens. Lassen Sie es sich also gesagt sein: ich werde gegen alle Regeln der Kunst die beinahe dreimal stärkere Armee des Prinzen Karl angreifen, wo ich sie finde. Es ist hier nicht die Frage von der Anzahl der Feinde, noch von der Wichtigkeit ihrer Stellung; alles dies, hoffe ich, wird die Herzhaftigkeit meiner Truppen und die richtige Befolgung meiner Dispositionen zu überwinden suchen. Ich muß diesen Schritt wagen, oder es ist Alles verloren; wir müssen den Feind schlagen, oder uns Alle vor seinen Batterien begraben lassen. So denke ich – so werde ich handeln. Machen Sie diesen meinen Entschluß allen Offizieren der Armee bekannt; bereiten Sie den gemeinen Mann zu den Auftritten vor, die bald folgen werden, und kündigen Sie ihm an, daß ich mich berechtigt halte, unbedingten Gehorsam von ihm zu fordern. Im Uebrigen, wenn Sie bedenken, daß Sie Preußen sind, so werden Sie sich gewiß dieses Vorzuges nicht unwürdig machen; ist aber Einer oder der Andere unter Ihnen, der sich fürchtet, alle Gefahren mit mir zu theilen, der kann noch heute seinen Abschied erhalten, ohne von mir den geringsten Vorwurf zu leiden.«

Diese Rede des Königs (so erzählt ein Augenzeuge, v. Retzow) durchströmte die Adern der anwesenden Helden, fachte ein neues Feuer in ihnen an, sich durch ausgezeichnete Tapferkeit hervorzuthun und Blut und Leben für ihren großen Monarchen aufzuopfern, der diesen Eindruck mit der innigsten Zufriedenheit bemerkte. Eine heilige Stille, die von Seiten seiner Zuhörer erfolgte, und eine gewisse Begeisterung, die er in ihren Gesichtszügen wahrnahm, bürgte ihm für die völlige Ergebenheit seiner Armee. Mit einem freundlichen Lächeln fuhr er darauf fort: »Schon im Voraus hielt ich mich überzeugt, daß Keiner von Ihnen mich verlassen würde; ich rechne also ganz auf Ihre treue Hülfe und auf den gewissen Sieg. Sollte ich bleiben und Sie für Ihre mir geleisteten Dienste nicht belohnen können, so muß es das Vaterland thun. Gehen Sie nun in's Lager und wiederholen den Regimentern, was Sie jetzt von mir gehört haben.«

Friedrich hielt noch einen Augenblick inne; dann fügte er mit nachdrücklichem Ernst zum Schluß der Rede die Worte hinzu: »Das Regiment Cavalerie, welches nicht gleich, wenn es befohlen wird, sich unaufhaltsam in den Feind stürzt, lasse ich gleich nach der Schlacht absitzen und mache es zu einem Garnison-Regimente! Das Bataillon Infanterie, das, es treffe, worauf es wolle, nur zu stocken anfängt, verliert die Fahnen und die Säbel, und ich lasse ihm die Borten von der Montirung abschneiden! – Nun leben Sie wohl, meine Herren; in Kurzem haben wir den Feind geschlagen, oder wir sehen uns nie wieder.«

Die Begeisterung (so fährt der genannte Augenzeuge fort), die Friedrich der Versammlung einzuflößen gewußt hatte, ergoß sich bald über alle übrigen Offiziere und Soldaten der Armee. Im preußischen Lager ertönte ein lauter Jubel. Die alten Krieger, die so manche Schlacht unter Friedrich gewonnen hatten, reichten sich wechselseitig die Hände, versprachen einander treulich beizustehen und beschworen die jungen Leute, den Feind nicht zu scheuen, vielmehr seines Widerstandes ungeachtet ihm dreist unter die Augen zu treten. Man bemerkte seitdem bei Jedem ein gewisses inneres Gefühl von Festigkeit und Zuversicht, das in der Regel der Vorbote eines nahen Sieges ist.

Am 4. December rückte die preußische Armee aus ihrem Lager vor. Auf dem Marsche nach Neumarkt erfuhr Friedrich, der sich bei der Cavalerie des Vortrabes befand, daß dieser Ort bereits von österreichischen Husaren und Croaten besetzt sei. Da ihm daran lag, sich der jenseitigen Höhen zu versichern, so stürmte er, ohne erst die Infanterie abzuwarten, mit seinen Husaren die Thore der Stadt und nahm die Mehrzahl der Feinde gefangen. Dann besetzte er die Höhen und erwartete seine Armee. Am Abend desselben Tages hörte er, daß die österreichische Armee ihre feste Stellung verlassen habe und über das Schweidnitzer Wasser vorgerückt sei. Es hatte nämlich dem Prinzen von Lothringen nicht anständig geschienen, den Angriff der »Berliner Wachtparade« – wie die Oesterreicher spottend die kleine preußische Armee nannten – in seinen festen Verschanzungen abzuwarten. Friedrich aber nahm diesen unerwarteten und unverständigen Schritt des Gegners als eine Vorbedeutung zum Siege auf; mit lebhafter Fröhlichkeit trat er in das Zimmer, wo er die Parole ausgeben wollte, und sagte lächelnd zu einem der Anwesenden: »Der Fuchs ist aus seinem Loche gekrochen, nun will ich auch seinen Uebermuth bestrafen!« Dann ordnete er schnell Alles zum Angriff, der den nächsten Tag unternommen werden sollte.

Der Morgen des verhängnißvollen 5. December brach an; das Heer zog gerüstet dem Feinde entgegen. Friedrich wußte nichts Bestimmteres über die Stellung des Prinzen von Lothringen; aber wohl wußte er, daß er den schwachen Punkt des Feindes würde finden und an die Benutzung desselben den Sieg knüpfen können. Doch war er auf Alles gefaßt. Als er sich an die Spitze seiner Armee begab, rief er einen Offizier mit 50 Husaren zu sich. Zu diesem sprach er: »Ich werde mich heut' bei der Schlacht mehr aussetzen müssen wie sonst. Er mit Seinen fünfzig Mann soll mir zur Deckung dienen. Er verläßt mich nicht und giebt Acht, daß ich nicht der Canaille in die Hände falle. Bleib' ich, so bedeckt Er den Körper gleich mit Seinem Mantel und läßt einen Wagen holen. Er legt den Körper in den Wagen und sagt Keinem ein Wort. Die Schlacht geht fort und der Feind – der wird geschlagen!«

Die ersten Colonnen der Armee hatten auf dem Marsch fromme Lieder mit Feldmusik angestimmt. Sie sangen:

Gieb, daß ich thu' mit Fleiß, was mir zu thun gebühret,
Wozu mich dein Befehl in meinem Stande führet,
Gieb, daß ich's thue bald, zu der Zeit, da ich's soll.
Und wenn ich's thu', so gieb, daß es gerathe wohl!

Ein Commandeur fragte bei Friedrich an, ob die Soldaten schweigen sollten. Der König erwiederte: »Nein, laß Er das, mit solchen Leuten wird Gott mir heute gewiß den Sieg verleihen!«

Jetzt war die Preußische Avantgarde in der Nähe eines Dorfes gekommen, vor dem eine feindliche Cavalerielinie aufgestellt war. Anfangs glaubte man, es sei einer der Flügel des österreichischen Heeres, doch überzeugte man sich bald, daß dies weiter zurückstand. Um indeß ganz sicher zu gehen, ließ Friedrich die feindlichen Reiter angreifen; sie wurden bald geworfen und eine große Menge von ihnen gefangen genommen. Friedrich ließ die Gefangenen, die Reihen seiner Armee entlang, nach Neumarkt führen, um durch dies Schauspiel den Muth der Seinen auf's Neue zu erhöhen. Doch war es fast überflüssig; denn kaum gelang es ihm, die Hitze der Husaren, die jenen Angriff gemacht hatten und die nun gerades Weges auf die österreichische Armee einbrechen wollten, in Schranken zu halten.

Auf einer Höhe angekommen, erblickte Friedrich nunmehr die ganze feindliche Schlachtordnung vor sich, die sich in unermeßlichen Reihen, über eine Meile lang, seinem Marsch entgegenbreitete. Vor ihrer Mitte lag das Dorf Leuthen. Nach dem Angriff auf jenes Cavaleriecorps, das vor dem rechten Flügel der Oesterreicher gestanden hatte, glaubten sie, Friedrich würde sie von dieser Seite angreifen, und waren eilig auf Verstärkung des rechten Flügels bedacht. Aber Friedrich fand, daß, wenn er auf den linken, schlecht angelehnten Flügel des Feindes einfiele, der weitere Erfolg ungleich größere Vortheile darbieten würde; er ließ somit seine Armee, die zum Theil durch Hügelreihen gedeckt ward, im weiten Bogen seitwärts ziehen. Die Oesterreicher bemerkten diese Bewegung, ohne doch Friedrich's Absichten einzusehen; man meinte, er suche der Schlacht auszuweichen. Feldmarschall Daun sagte zu dem Prinzen von Lothringen: »Die Leute gehen: man störe sie nicht!«

Um Mittag war die preußische Armee dem linken feindlichen Flügel in die Flanke gekommen. Um 1 Uhr begann der Angriff. Prinz Karl hatte die Unvorsichtigkeit begangen, auf diesen Punkt seiner Schlachtordnung minder zuverlässige Truppen – württembergische und bairische Hülfsvölker – zu stellen. Diese waren bald über den Haufen geworfen; in heftiger Flucht drängten sie bis Leuthen zurück, wo sie beinahe von den eigenen Verbündeten mit Peletonfeuer wären empfangen worden. Auf die Flucht der Hülfsvölker folgte bald eine gänzliche Verwirrung des linken Flügels der österreichischen Armee. Die Preußen wandten sich dem Mitteltreffen der Oesterreicher entgegen. Die Stellung des Letzteren wurde durch das Dorf Leuthen gedeckt, welches breit und ohne einen Eingang darzubieten, den feindlichen Angriff schwierig machte, und aus dessen geschlossenen Gehöften die Preußen ein scharfes Feuer empfing. Ein hartnäckiger Kampf entspann sich um Leuthen. Ein Bataillon des preußischen Garderegiments machte einen Angriff auf das Dorf; der Commandeur stutzte, als er die Schwierigkeit der Lage übersah; er war unentschlossen, was zu thun sei. Der älteste Hauptmann, von Möllendorf, der nachmalige berühmte Feldmarschall, sprang vor und rief den Soldaten zu, ihm zu folgen. Es ging auf einen versperrten Thorweg los. Man stieß und riß die Flügel auf; zehn Gewehre lagen in Anschlag, aber schon war Möllendorf mit dem Bataillon durch den gefährlichen Paß eingedrungen. Andre folgten, und bald, wenn auch nicht ohne fortgesetzten hartnäckigen Kampf, war das Dorf genommen. Die Oesterreicher suchten sich auf den Höhen hinter Leuthen festzusetzen, während jetzt die Preußen an dem Dorfe einen festen Halt fanden. Jene standen in dichten Massen; in ihren Reihen wüthete furchtbar das preußische Geschütz, der Kampf währte stundenlang, ohne vor- oder zurückzuweichen. Es war 6 Uhr. Jetzt kam die österreichische Cavalerie des rechten Flügels, um die preußische Armee von der Seite anzugreifen. Aber auf diesen Augenblick hatte die preußische Cavalerie des linken Flügels nur gewartet; sie stürzte jener in die Seite und in den Rücken, und in kurzer Frist waren die österreichischen Reiter vom Schlachtfelde vertrieben. Dies war das Signal zur allgemeinen Flucht. In wilder Unordnung eilte die österreichische Armee über das Schweidnitzer Wasser, zahlreiche Massen von Gefangenen zurücklassend. Da brach die frühe Nacht herein und beendete den Kampf.

Scharfsinn, Gewandheit, unerschütterlicher Muth hatten in vier kurzen Stunden gegen die furchtbarste Uebermacht einen der glorreichsten Siege, welche die Weltgeschichte kennt, erfochten. Friedrich's Verfahren war im vollsten Sinne künstlerisch; wie der Orgelspieler, der mit leisem Fingerdruck die rauschende Flut der Töne erklingen läßt und sie in majestätischer Harmonie führt, so hatte er alle Bewegungen seines Heeres in bewundernswürdigem Einklange geleitet. Sein Geist war es, der in den Bewegungen seiner Truppen sichtbar ward, der in ihren Herzen wohnte, der ihre Kräfte stählte.

Noch auf dem Schlachtfelde bewies Friedrich dem Prinzen Moritz von Dessau, der das Haupttreffen des preußischen Heeres geführt hatte, die ehrenvollste Auszeichnung, indem er ihn zum Feldmarschall ernannte. Er that dies mit den Worten: »Ich gratulire Ihnen zur gewonnenen Bataille, Herr Feldmarschall!« Der Prinz, noch mit Dienstangelegenheiten beschäftigt, hatte auf die einzelnen Ausdrücke des Grußes nicht genau Acht gegeben. Friedrich wiederholte also mit erhobener Stimme: »Hören Sie nicht, daß ich Ihnen gratulire, Herr Feldmarschall?« Als nun der Ueberraschte sich bedankte, erwiederte der König: »Sie haben mir so bei der Bataille geholfen und Alles vollzogen, wie mir noch nie einer geholfen hat.«

Ein tiefes Dunkel hatte sich über das Schlachtfeld, auf dem sich die Preußen, so gut es sein konnte, in Ordnung stellten, gelagert. Die Nacht hatte die weitere Verfolgung des Feindes und seine gänzliche Vernichtung verhindert. Friedrich aber gedachte, auch jetzt noch nicht zu rasten, sondern mit rascher Entschlossenheit die Erfolge des glorreichen Tages festzuhalten. Es lag ihm daran, sich der Brücke zu versichern, welche bei dem Orte Lissa über das Schweidnitzer Wasser führt, damit er am folgenden Tage ungehindert die Verfolgung fortsetzen könne. Er nahm zu dem Zwecke Zieten und einen Trupp Husaren, sowie einige Kanonen mit sich und suchte die Straße nach Lissa auf. In einem an der Straße gelegenen Kruge ward Licht bemerkt; man pochte und forderte eine Laterne. Der Krüger, der seine Laterne nicht einbüßen mochte, kam selbst; Friedrich gebot ihm, seinen Steigbügel zu fassen und dem Zuge zu leuchten. So erreichte man den Weidendamm vor Lissa, während Friedrich den Krüger von den hohen Gästen, die über Nacht bei ihm geherbergt, und von den stolzen Reden, die sie über die Preußen geführt, berichten ließ. Alles horchte der treuherzig gemüthlichen Erzählung, als plötzlich fünfzig bis sechszig Flintenschüsse fielen, die gegen die Laterne gerichtet waren, doch nur einige Pferde verwundeten. Es war ein österreichischer Posten, der den Damm bewacht hatte und nun schnell davonlief. Man war nahe vor Lissa; es schien gefährlich, mit dem kleinen Trupp weiter vorzugehen. Friedrich sandte schnell einen Adjutanten zur Armee zurück, einige der ersten Grenadierbataillone herbeizuholen; bis diese Verstärkung nachkam, ließ er seinen Trupp halten und den Weg nach dem offenen Oertchen untersuchen; es ward indeß keine weitere Gefahr entdeckt. In aller Stille rückte man nun in Lissa ein; die Straßen waren leer, in den Häusern rings aber war Licht und viel geschäftiges Leben. Einige österreichische Soldaten brachten Strohbündel aus den Häusern; sie wurden ergriffen und berichteten, sie hätten Befehl, das Stroh auf die Brücke zu tragen, die abgebrannt werden sollte. Indeß war man doch des preußischen Besuchs inne geworden; ein Trupp österreichischer Soldaten hatte sich still gesammelt und fing plötzlich an, stark auf die Preußen zu feuern, so daß mehrere Grenadiere zu Friedrich's Seiten verwundet wurden. Die Preußen aber hatten ihre Kanonen bereits schußfertig und erwiederten ungesäumt den Gruß. In demselben Augenblicke kam aus allen Häusern ein starkes Feuer auf die Preußen, und wieder schossen die Grenadiere auf die Fenster, aus denen gefeuert ward. Alles schrie und commandirte durch einander. Friedrich aber sagte gelassen zu seiner Umgebung: »Messieurs, folgen Sie mir, ich weiß hier Bescheid!« Sogleich ritt er links über die Zugbrücke, welche nach dem herrschaftlichen Schlosse von Lissa führt; seine Adjutanten folgten. Kaum war er vor dem Schloßportale angekommen, als eine Menge von hohen und niederen österreichischen Offizieren, die eben ihre Mahlzeit eingenommen hatten und nun, durch das Schießen aufgeschreckt, ihre Pferde suchten, mit Lichtern in den Händen aus den Zimmern und von den Treppen herabgestürzt kamen. Erstarrt blieben sie stehen, als Friedrich mit seinen Adjutanten ganz ruhig vom Pferde stieg und sie mit den Worten bewillkommnete: »Bon soir, Messieurs! Gewiß werden Sie mich hier nicht vermuthen. Kann man hier auch noch mit unterkommen?« Sie waren die größere Mehrzahl und hätten sich durch einen kühnen Entschluß der Person des Königs bemächtigen können; aber daran dachte in der Verwirrung Niemand. Die österreichischen Generale und Stabsoffiziere ergriffen die Lichter und leuchteten dem Könige die Treppe hinauf in eins der ersten Zimmer. Hier präsentirte Einer den Andern dem Könige, der sich mit ihnen in ein freundliches Gespräch einließ. Während dessen fanden sich auf dem Schlosse immer mehr Adjutanten und andre Offiziere ein; endlich war die Menge derselben so bedeutend, daß Friedrich verwundert fragte, wo sie denn alle herkämen; und jetzt erst hörte er, daß seine ganze Armee auf dem Wege nach Lissa sei.

Im Eifer des Sieges nämlich war diese gefolgt, als Friedrich jene Grenadierbataillone auf den Weg nach Lissa beordert hatte. Still und ernst hatte sich die Armee aufgemacht; jeder schritt in tiefen Gedanken über den bedeutungsvollen blutigen Tag vorwärts; der kalte Nachtwind strich schaurig über die Felder, die von dem Aechzen und Wimmern der Verwundeten erfüllt waren. Da stimmte ein alter Grenadier aus tiefer Brust das schöne Lied »Nun danket Alle Gott« an; die Feldmusik fiel ein, und sogleich sang die ganze Armee, mehr als 25 000 Mann, wie mit Einem Munde:

Nun danket Alle Gott
Mit Herze, Mund und Händen,
Der große Dinge thut
An uns und aller Enden!

Die Dunkelheit und die Stille der Nacht, die Schauer des Schlachtfeldes, wo man fast bei jedem Schritt auf eine Leiche stieß, gaben dem Gesänge eine wunderbare Feierlichkeit; selbst die Verwundeten vergaßen ihre Schmerzen, um Antheil an diesem allgemeinen Opfer der Dankbarkeit zu nehmen. Eine erneute innere Festigkeit belebte die ermüdeten Krieger. Dann tönte ein lauter, hochgehaltener Jubel aus Aller Munde; und als man nun das Feuern in Lissa hörte, so wollte es Einer dem Andern an Geschwindigkeit zuvorthun, seinem Könige beizustehen. Alles, was von Feinden in Lissa war, wurde gefangen genommen.

Die Oesterreicher hatten au dem einen Tage 27 000 Mann, 116 Geschütze, 51 Fahnen und 4000 Wagen verloren, während sich der Verlust der Preußen nur auf 6000 Mann belief. Aber schon in der Frühe des folgenden Morgens drang die preußische Armee unaufhaltsam weiter vor, um alle Erfolge, die der Sieg gewähren konnte, festzuhalten. Nach allen Seiten setzte man den Feinden nach; zahlreiche Schaaren von Gefangenen und mannichfache Beute fielen noch ferner in die Hände der Preußen. In Breslau hatte sich ein österreichisches Corps von nahe an 18 000 Mann geworfen. Friedrich belagerte die Stadt mit 14 000 Mann, beschoß ihre Werke trotz der heftigsten Kälte, und schon am 21. December sahen sich die Oesterreicher genöthigt, das Gewehr zu strecken; außer der Besatzung fielen zugleich bedeutende Vorräthe und eine reiche Kriegskasse in Friedrich's Hände. Wenige Tage darauf ging auch Liegnitz, das die Oesterreicher flüchtig befestigt hatten, mit großen Vorräthen über, doch erhielt die Besatzung freien Abzug. Nur Schweidnitz blieb in den Händen der Feinde, indem hier die hartgefrorne Erde die erforderlichen weitläufigeren Belagerungsarbeiten unmöglich machte. Doch ward der Ort fest eingeschlossen. Bis auf Schweidnitz war ganz Schlesien am Ende des Jahres von den Oesterreichern geräumt. Die Preußen bezogen ihre Winterquartiere. Von der gewaltigen österreichischen Armee betraten nur 37 000 Mann die böhmischen Grenzen.


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