Franz Kugler
Friedrich der Große
Franz Kugler

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Neuntes Capitel.

Die Vermählung.

Der Friede zwischen dem Könige und seinem Sohne war nunmehr geschlossen. Aber ebenso wie der Kronprinz war auch der Vater bemüht, die Gelegenheiten zu neuem Bruche zu vermeiden. Und weil er wohl erkannt hatte, daß die Natur dem Charakter seines Sohnes eine andre Richtung als dem seinigen gegeben hatte und daß es unmöglich sein würde, ihn ganz zu seinem Ebenbilde umzugestalten, so hielt er fortan eine Trennung des gewöhnlichen Aufenthaltes, wie solche schon im verflossenen Jahre so vortheilhaft gewirkt hatte, für nothwendig. Dies war der Grund, weshalb dem Kronprinzen das neun Meilen entfernte Ruppin zum künftigen Wohnorte angewiesen war. Hier mußte ihm natürlich eine größere Freiheit in seinem Thun und Treiben verstattet sein, vorausgesetzt, daß er im Uebrigen die Anordnung seines Vaters, namentlich seine Ausbildung für den Soldatendienst, die ihm jetzt als wichtigste Pflicht oblag, befolgte. Diese weise Maßregel bewährte sich in solchem Maße, daß von jetzt an das Vertrauen zwischen Sohn und Vater nur im Zunehmen begriffen blieb, und daß augenblickliche Mißverhältnisse, die allerdings bei so verschiedenen Charakteren und bei der feststehenden Geistesrichtung des Königs nicht ganz ausbleiben konnten, doch ohne weitere Folgen vorübergingen. Zunächst hatte freilich der Sohn, um seine vollkommene Unterwerfung unter den Willen des Vaters zu bezeugen, noch einen sehr schmerzlichen Kampf zu bestehen. Um einen der wichtigsten Anlässe zu weiterer Mißhelligkeit zu beseitigen, dachte der Vater sehr ernstlich auf die Verheirathung des Kronprinzen. Schon während sich der Letztere in Cüstrin aufhielt, waren die ersten Einleitungen dazu getroffen. Die österreichische Partei, die den König noch immer ausschließlich beherrschte und die mit aller Macht den noch immer nicht ganz besiegten englischen Einflüssen entgegen zu arbeiten suchte, wußte es dahin zu bringen, daß eine Nichte der Kaiserin, Elisabeth Christine, eine Prinzessin von Braunschweig-Bevern, in Vorschlag gebracht wurde. Friedrich Wilhelm ging hierauf um so freudiger ein, als ihm der Vater der Prinzessin persönlich vor vielen Fürsten werth war. Der Kronprinz gab seine Zustimmung, aber mit Verzweiflung im Herzen. Man hatte ihm gesagt, die Prinzessin sei häßlich und sehr beschränkten Geistes; und er, in der ersten Blüthe der Jugend, aller Lust des Lebens um so eifriger zugethan, je entschlossener die seltene Gelegenheit erhascht werden mußte, sollte sich so früh durch ein Band fesseln lassen, das in zweifacher Beziehung seinen Neigungen widersprach! Er suchte einen andern Ausweg. Die Prinzessin Katharine von Meklenburg, Nichte der Kaiserin Anna von Rußland und von dieser an Kindesstatt angenommen, schien seinen Wünschen ein ungleich angemeßnerer Gegenstand. Als er jedoch hierüber Mitteilungen machte und eine solche Wahl wiederum dem österreichischen Hofe sehr bedenklich erschien, so wurden die Anstrengungen von dieser Seite, rücksichtlich der Prinzessin von Braunschweig, verdoppelt und der Wille des Königs von Preußen unwiderruflich bestimmt.

Schon im März 1732, als der Herzog Franz Stephan von Lothringen, der künftige Schwiegersohn des Kaisers, einen Besuch am Hofe von Berlin abstattete, und zu den ehrenvollen Festlichkeiten, mit denen derselbe empfangen wurde, auch die braunschweigischen Herrschaften eingeladen waren, wurde die Verlobung des Kronprinzen mit der Prinzessin Elisabeth Christine gefeiert. Friedrich fand sich, zu seiner großen Beruhigung, durch die früheren Berichte über seine Braut getäuscht; denn sie war keinesweges häßlich, vielmehr von eigenthümlicher Anmuth in der äußeren Erscheinung, und die übergroße Schüchternheit ihres Benehmens, die sie als beschränkt erscheinen ließ, hoffte er später zu beseitigen. Doch war er klug genug, sich von dieser Veränderung seiner Gesinnungen nichts merken zu lassen, damit der Vater das Opfer, welches er ihm darbrachte, um so höher anschlagen möge. Oesterreichischer Seits that man Alles, um die Prinzessin, bis zur Vermählung, den Wünschen des Kronprinzen gemäß auszubilden; man sorgte für eine geschickte Hofmeisterin; man bemühte sich später sogar, einen ausgezeichneten Tanzmeister für sie zu werben, da der Kronprinz, der damals mit eben so großer Leidenschaft wie Anmuth tanzte, sich über ihren Tanz mißfällig geäußert hatte. Die Heirath war auf das nächste Jahr bestimmt, vom kaiserlichen Hofe suchte man dieselbe nach Möglichkeit zu beschleunigen, damit das bisher Gewonnene nicht wieder verloren gehe, was der damals sehr schwankende Gesundheitszustand des Königs befürchten ließ.

Nach Beendigung der Festlichkeiten kehrte der Kronprinz nach Ruppin zurück. Die Ruhe, welche er hier genoß, that seinem Geiste innig wohl. Zwar ließ er es sich auf's Eifrigste angelegen sein, das ihm anvertraute Regiment unablässig zu üben, für dessen Wohl und Tüchtigkeit zu sorgen, besonders aber, demselben durch die Anwerbung großer Rekruten in den Augen des Königs ein möglichst stattliches Ansehen zu verschaffen; auch versäumte er nicht die öconomischen Angelegenheiten, die ihm der König gleichzeitig aufgetragen hatte; doch waren die Mußestunden hier ohne weiteren Zwang der Bildung seines Geistes, der Lectüre und Musik gewidmet. Ernstlicher als in früherer Zeit konnte er jetzt auf eine wissenschaftliche Durchbildung bedacht sein, und die großen Männer und die großen Thaten der Vorzeit, traten im Spiegel der Geschichte, zu gleichem Thun begeisternd, vor sein inneres Auge. Nahe bei Ruppin selbst, bei Fehrbellin, war classischer Boden: hier hatte vor einem halben Jahrhundert des Kronprinzen Ahnherr, der große Kurfürst, die Schaaren der Schweden wie ein Gewittersturm vernichtet und sein Land frei gemacht. Er besuchte die Wahlstatt, sich von allen Einzelheiten des denkwürdigen Vorganges zu unterrichten, wohl ahnend, daß seine eigne Zukunft ein solches Studium nothwendig machen werde. Ein alter Bürger von Ruppin, der jener Schlacht in seiner Jugend beigewohnt, war sein Führer. Als man die Besichtigung vollendet hatte, fragte diesen der Prinz heiteren Muthes, ob er ihm nicht die Ursache jenes Krieges sagen könne. Treuherzig erwiederte der Alte, der Kurfürst und der Schwedenkönig hätten in ihrer Jugend zusammen in Utrecht studirt, hätten sich aber so wenig mit einander vertragen können, daß es endlich zu solchem Ausbruche habe kommen müssen. Er wußte nicht, daß ein ähnliches Verhältniß zwischen Friedrich's eigenem Vater und dem Könige von England fast zu gleichen Folgen gefühlt hatte und daß es nicht ohne wesentlichen Einfluß auf das Schicksal des Kronprinzen gewesen war.

Zu gleicher Zeit aber sollte ihm auch die Gegenwart das großartigste Beispiel zur Nacheiferung darbieten, und es mußte dasselbe um so tiefer auf sein Gemüth wirken, als es gerade der eigne Vater war, der sich hiedurch den Augen der Welt in hochwürdiger Weise darstellte. Es war das Jahr 1732, in welchem Friedrich Wilhelm den protestantischen Bewohnern von Salzburg, die in der Heimath um ihres Glaubens willen bedrückt und verfolgt wurden, seine königliche Hülfe darbot und ihnen in seinen Staaten eine neue Heimath und eine sichere Freistatt eröffnete. In unzähligen Schaaren, mehr als zwanzigtausend, betraten die Auswanderer das gastliche Land, wo ihnen, in den Provinzen Preußen und Litthauen, weite, fruchtbare Strecken, die durch Pest entvölkert waren, angewiesen wurden. Viele hatten ihr Hab' und Gut im Stiche lassen müssen; um so eifriger kam man ihnen in allen Orten des preußischen Staates, die sie durchzogen, mit wohlthätiger Spende entgegen, indem überall das Beispiel im Kleinen nachgeahmt ward, welches der König im Großen ausübte. Von Friedrich's Gesinnungen zeugen seine Briefe aus jener Zeit. »Mein Herz treibt mich (so schreibt er aus Ruppin an Grumbkow), das traurige Loos der Ausgewanderten kennen zu lernen. Die Standhaftigkeit, welche diese braven Leute bezeugt, und die Unerschrockenheit, mit welcher sie alle Leiden der Welt ertragen haben, um nur nicht der einzigen Religion zu entsagen, die uns die wahre Lehre unsers Erlösers kennen lehrt, kann man, wie es mir scheint, nicht genug vergelten. Ich würde mich gern meines Hemdes berauben, um es mit diesen Unglücklichen zu theilen. Ich bitte Sie, verschaffen Sie mir Mittel, um ihnen beizustehen; von ganzem Herzen will ich von dem geringen Vermögen, das ich besitze, Alles hergeben, was ich ersparen kann« u. s. w. »Ich versichere Sie (so fährt er in einem andern Briefe fort), jemehr ich an die Angelegenheit der Ausgewanderten denke, jemehr zerreißt sie mir das Herz.« – Wir haben keine Zeugnisse, wieviel der Kronprinz für jene Unglücklichen gethan; aber es sind Züge seines Lebens genug, und auch aus jener Zeit, vorhanden, die es erkennen lassen, daß solche Aeußerungen gewiß durch Thaten begleitet waren.

In der einen, so eben, angeführten Briefstelle bittet Friedrich den General Grumbkow, der sich das Vertrauen des Kronprinzen zu erwerben gewußt, ihm Geldmittel zu verschaffen: er war solcher Unterstützung nur zu sehr bedürftig. Er war vom Könige immer noch auf eine, im Verhältniß zu seiner Stellung beschränkte Einnahme hingewiesen. Dabei hatte er es, trotz aller Fürsorge des Königs, noch immer nicht lernen können, sich eines sparsamen Haushaltes zu befleißigen; manche bedeutendere Ausgaben wurden ihm theils durch äußere, theils durch innere Nothwendigkeit auferlegt, und bald war die Summe seiner Schulden auf's Neue zu einer namhaften Höhe angewachsen. Die großen Rekruten, die einmal zur Ausstaffirung seines Regimentes unumgänglich nöthig waren, konnten nur durch die Aufopferung sehr bedeutender Mittel angeworben werden. Seine Schwester, die Gemahlin des Erbprinzen von Baireuth, befand sich in einer ebenfalls sehr unbehaglichen Lage, indem sie weder in Baireuth von ihrem Schwiegervater, noch in Berlin von ihrem Vater eine genügende Ausstattung erhalten hatte; seinem alten treuen Lehrer Dühan ging es in seiner Verbannung auch nur kümmerlich; beide liebte er zärtlich, und er betrachtete sich als Schuld der Ungnade, die der König auf sie geworfen hatte. Gern theilte er mit ihnen, was er aufzubringen im Stande war. Solche Verhältnisse aber waren dem österreichischen Hofe im allerhöchsten Maße erwünscht; sie gaben Gelegenheit, den Kronprinzen, den ein jeder Tag zum Herrscher machen konnte, auf eine festere Weise als durch die bisherigen Versuche an die Interessen Oesterreichs zu knüpfen. Man leistete ihm bedeutende Vorschüsse, die bald den Charakter eines förmlichen Jahrgehalts annahmen; man gewährte dasselbe der Prinzessin von Baireuth, indem man den Einfluß wohl kannte, den gerade sie auf den Kronprinzen ausübte; man verschaffte Dühan eine kleine Stellung in Wolfenbüttel und sicherte auch ihm eine besondere Pension zu. Mit der äußersten Vorsicht wußte man alles dies zu bewerkstelligen, so daß der König davon keine Kunde erhielt. Friedrich war wohl im Stande, die Absicht des österreichischen Hofes zu durchschauen; aber er nahm das an, wozu ihn die Nothwendigkeit zwang. Wie wenig ehrlich die österreichische Gesinnung bei solcher Theilnahme war, wie wenig sie wahrhaften Dank verdiente, zeigte sich nur zu bald.

Das Haupt-Interesse, durch welches Kaiser Karl VI. in allen seinen politischen Unternehmungen geleitet ward, war jene pragmatische Sanction, welche das Erbfolgerecht seiner Töchter verbürgen sollte. Die Verbindung mit Preußen war eingeleitet worden, weil Friedrich Wilhelm der Sanction beizutreten versprochen hatte; mit England hatte man in feindlichem Verhältnisse gestanden, weil man hier Widerspruch fand. Das Verhältniß änderte sich, sowie England, in Folge eines neuen Umschwunges in der europäischen Politik, der Sanction beitrat. Nun suchte man dem englischen Hofe gefällig zu sein, und Preußen sollte das Mittel dazu werden. Der König von England hätte noch immer gern eine seiner Töchter zur künftigen Königin von Preußen gemacht; kaum war der Wunsch ausgesprochen, so kehrte sich auch plötzlich die österreichische Politik in Bezug auf Friedrich's Verheirathung um, und so eifrig man bisher an einer Verbindung mit der Prinzessin von Braunschweig gearbeitet hatte, mit eben so behenden Intriguen suchte man nun das angefangene Werk zu Gunsten Englands umzustürzen; dabei ward auch anderweitiger Vortheil nicht vergessen, und die Prinzessin Elisabeth Christine, die Nichte der Kaiserin, sollte nun einem englischen Prinzen zu Theil werden. Man ging sogar in diesem diplomatischen Eifer so weit, daß man noch am Vorabende von Friedrich's Hochzeit dem Könige von Preußen die dringendsten Vorstellungen machen ließ. Diesmal aber scheiterten die Künste der Diplomatie an Friedrich Wilhelm's deutscher Ehrlichkeit; man erreichte damit nur, daß ihm die englischen Absichten auf's Neue verdächtig wurden, indem die Anträge auf's Neue zu spät kamen, und daß er auch sehr lebhafte Zweifel an der Aufrichtigkeit Oesterreichs gegen seine Wünsche zu schöpfen begann. Selbst Friedrich, bezeigte sich den veränderten Anträgen wenig günstig, da auch er der Meinung war, daß die Verbindung seiner geliebten älteren Schwester mit einem englischen Prinzen wesentlich nur durch Englands Schuld sei abgebrochen worden.

So ging denn die Vermählung des Kronprinzen mit der Prinzessin Elisabeth Christine im Juni 1733 vor sich. Der preußische Hof war zu dem Endzwecke nach Salzdahlum gereist, einem Lustschlosse des Herzogs Ludwig Rudolph von Braunschweig-Wolfenbüttel, der als Großvater der Braut die Feierlichkeiten der Hochzeit besorgte. Die Trauung ward am 12. Juni durch den berühmten Theologen Abt Mosheim verrichtet. Das Fest wurde durch die Entwicklung großer Pracht verherrlicht, aber es fehlte dabei der frohe Muth. Die Königin von Preußen war in Verzweiflung, daß nun alle ihre Pläne gescheitert waren; die Braut war ohne Willen den Bestimmungen der Ihrigen gefolgt, aber ihre frühere Schüchternheit wurde nur durch all das äußere Geprange vermehrt; Friedrich hatte zwar seinen Widerwillen abgelegt, aber er fand es gut, vor den Augen der Welt seine Rolle fortzuspielen; der König schien durch das Benehmen des Sohnes nachdenklich gemacht, während zugleich jene englisch-österreichischen Anträge nur geeignet waren, seine Stimmung zu verderben. Nach einigen Tagen kehrten die sämmtlichen Herrschaften, die preußischen und die braunschweigischen, nach Berlin zurück, wo am 27. Juni, nachdem man sich durch militärische Schaustellungen zu vergnügen gesucht, der feierliche Einzug in einer langen Reihe prachtvoller Wagen gehalten wurde. Dann folgten neue Festlichkeiten, die mit der schon früher besprochenen Vermählung der Prinzessin Philippine Charlotte, einer jungem Schwester Friedrich's, mit dem Erbprinzen Karl von Braunschweig beschlossen wurden.

Für Friedrich's Aufenthalt in Berlin war das frühere Gouvernementshaus – das Palais, welches als die Wohnung König Friedrich Wilhelm's III. allen Preußen noch in theurem Andenken ist – eingerichtet und erweitert worden. Um ihm auch den Aufenthalt bei seinem Regimente in Ruppin angenehmer zu machen, kaufte der König für ihn das Schloß Rheinsberg, das bei einem Städtchen gleiches Namens, zwei Meilen von Ruppin, in anmuthiger Gegend gelegen ist, als er vernommen hatte, daß er hierdurch einen Lieblingswunsch des Sohnes erfüllen könne. Für den Umbau und die Einrichtung des Schlosses wurde eine namhafte Summe ausgesetzt.


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