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Unter solchen Verhältnissen wuchs der Knabe Friedrich zum Jüngling heran. Sein Aeußeres hatte sich zu eigenthümlicher Anmuth entwickelt; er war schlank gewachsen, sein Gesicht von edler, regelmäßiger Bildung. In seinem Auge sprach sich ein lebhafter, feuriger Geist aus, und Witz und Phantasie standen ihm zu Gebote. Aber dieser Geist wollte seine eignen Bahnen gehen; und die Abweichung von dem Pfade, welchen der strenge Vater vorgezeichnet hatte, zerriß das trauliche Band zwischen Vater und Kind.
Schon das mußte den religiösen Sinn des Königs unangenehm berühren, daß der Religions-Unterricht nicht sonderlich gefruchtet hatte, um den Prinzen in die Lehren des christlichen Glaubens genügend einzuweihen. Einige Monate vor dem zur Einsegnung des Kronprinzen bestimmten Tage wurde ihm von den Hofmeistern gemeldet, daß der Prinz schon seit geraumer Zeit im Christenthum nur geringe Fortschritte gemacht habe. Doch half diesem Uebelstande ein vermehrter Unterricht von Seiten des würdigen Hofpredigers Noltenius ab, und Friedrich konnte am 11. April 1727, nach öffentlicher Prüfung, sein Glaubensbekenntniß ablegen und das heilige Abendmahl empfangen.
Aber noch in tausend anderen Dingen, in bedeutenden und unbedeutenden, zeigte sich bald eine gänzliche Verschiedenheit des Charakters zwischen Sohn und Vater. Die militairischen Liebhabereien des Königs, das unaufhörliche, bis in's Kleinliche gehende Exercitium der Soldaten, die oft grausame Behandlung der Letzteren machten dem Kronprinzen wenig Freude. Die rohen Jagdvergnügungen, der einfache Landaufenthalt auf dem königlichen Jagdschlosse zu Wusterhausen waren nicht nach seinem Geschmack. Ebenso wenig das Tabakrauchen, die derben Späße im Tabaks-Collegium, die Kunststücke der Seiltänzer, die Musik-Aufführungen, an denen der Vater sich erfreute. Die Männer, die dieser in seine Nähe berief, zogen den Prinzen nicht immer an, und er suchte sich Umgang nach seinem Gefallen. Er war ernst, wenn der Vater lachte, ließ aber auch manch spöttelndes Wort über Dinge und Personen fallen, die dem Vater werth waren; dafür tadelte der Vater an ihm einen stolzen hoffärtigen Sinn. Zu seiner Erholung trieb er das Schachspiel, das er von Dühan gelernt hatte, während der Vater das Toccadillespiel vorzog; ihm gewährte die Uebung auf der Flöte hohen Genuß, deren sanfter Ton wiederum dem Vater wenig zusagte. Mehr noch hing er literarischen Beschäftigungen nach; der Glanz der französischen Poesie, besonders das blitzende muthwillige Spiel, mit welchem die jugendlichen Geister Frankreichs gerade zu jener Zeit den Kampf gegen verjährte Institutionen begonnen hatten, zog ihn, der gleichen Sinn und gleiche Kraft in sich fühlte, mächtig an. Aber solche Interessen waren gar wenig nach dem Sinne des Vaters. Dann liebte er es auch, wenn der Letztere fern war, den engen Soldatenrock abzuwerfen, bequeme, französisch moderne Kleider anzuziehen, sein schönes Haar, das er aus den Händen jenes Chirurgen gerettet hatte, aufzuflechten und in zierliche Locken zu kräuseln. Dies allein war schon hinreichend, wenn der Vater davon Kunde erhielt, seinen Zorn zu erwecken. So ward manch eine böse Stunde herbeigerufen; der König gedachte mit Strenge durchzugreifen, aber er machte sich dadurch das Herz des Sohnes nur immer mehr abwendig. »Fritz ist ein Querpfeifer und Poet,« so rief der König oft im Unmuth aus; »er macht sich nichts aus den Soldaten und wird mir meine ganze Arbeit verderben!«
Diese Mißstimmung war um so trauriger und sie machte um so verderblichere Fortschritte, als es an einer Mittelsperson fehlte, die zugleich das Vertrauen des Vaters und des Sohnes gehabt und nach beiden Seiten hin begütigend und abmahnend gewirkt hätte. Die Mutter hätte in solcher Stellung für den Frieden des königlichen Hauses äußerst wohlthätig wirken können; leider jedoch war Alles, was sie that, nur geeignet, das Mißverhältniß immer weiter zu fördern. Die angeborne Güte ihres Herzens war nicht so stark, daß sie es über sich vermocht hätte, sich mit Aufopferung ihrer eignen Wünsche dem Willen des Königs unterzuordnen. Schon in früheren Jahren, wenn sie zu bemerken glaubte, daß die Kinder dem Vater größere Liebe bewiesen als ihr, fand sich hiedurch ihr mütterliches Gefühl gekränkt; um ihre vermeintlichen Vorrechte zu behaupten, ging sie sogar so weit, den Kindern in einzelnen Fällen Ungehorsam gegen den Vater einzuprägen. Leicht mag hiedurch der erste Same zu dem unerfreulichen Verhältniß zwischen Vater und Sohn ausgestreut worden sein. Von schlimmeren Folgen war ein Plan, den sie, zunächst zwar mit Einstimmung des Königs, gefaßt hatte und den sie mit Hartnäckigkeit, trotz der widerwärtigsten Zustände, die daraus entsprangen, festzuhalten strebte. Es war der Plan, das Haus ihres Vaters durch eine Doppelheirath auf's Neue mit dem ihrigen zu verbinden, um dereinst die Krone von England auf dem Haupte ihrer ältesten Tochter zu erblicken; diese, die Prinzessin Wilhelmine, sollte nämlich dem Sohne des damaligen Kronprinzen von England, ihres Bruders, und ihrem eignen Sohne, dem Kronprinzen Friedrich, sollte eine englische Prinzessin verlobt werden. Schon früh war von diesem Plane gesprochen worden, und man hatte sich von beiden Seiten dazu bereit erklärt; auch kam es, trotz verschiedener Zögerungen, die durch unwürdige Zwischenträgereien hervorgerufen waren und die dem Könige von Preußen manchen Verdruß verursacht hatten, in der That zu einigen näheren vorläufigen Bestimmungen zwischen beiden Höfen. Ja die Folgen hievon waren so bedeutend, daß Friedrich Wilhelm sich, im Jahre 1725, zu einem Bündniß mit England und Frankreich, welches einem zwischen Oesterreich und Spanien abgeschlossenen Bündnisse die Wage halten sollte und welches ihm zugleich besondere Vortheile zu eröffnen schien, überreden ließ, so sehr er im Grunde seines Herzens überzeugt war, daß für Deutschland nur aus dem festen Zusammenhalten seiner einzelnen Glieder Heil erstehen könne. Aber immer und immer wieder wurde von England der letzte Abschluß rücksichtlich jener beabsichtigten Doppelheirath hinausgeschoben. Es trat eine Spannung zwischen beiden Höfen ein. Das Unglück wollte endlich, daß sich die preußischen Werber, wie überall, so auch an der hannöverschen Grenze schwere Ungebührlichkeiten erlaubten, was denn keinesweges dazu diente, das schwankende Verhältniß wiederherzustellen. Bald wollte König Friedrich Wilhelm gar nichts mehr von jener Doppelheirath wissen.
Zugleich aber hatte das Bündniß Preußens mit England die Besorgniß des österreichischen Kaiserhofes erweckt; durch dasselbe war die Macht der Gegner nicht unbedeutend verstärkt und dabei einem einzelnen Reichsfürsten, der schon halb unabhängig dastand und dessen kriegerische Macht nicht übersehen werden konnte, ein Uebergewicht gegeben, welches der Oberherrschaft, die Oesterreich in Deutschland zu erhalten und zu vergrößern bemüht war, gefährlich werden konnte. Man sah die dringende Nothwendigkeit ein, Preußen von jenem Bündnisse wieder abzuziehen und, wenn möglich, für Oesterreich zu gewinnen. Es wurde zu diesem Zwecke der kaiserliche General Graf Seckendorf nach Berlin gesandt. Dieser wußte die eingetretene Spannung zwischen England und Preußen so klug zu benutzen und das ihm aufgetragene Werk mit solcher Geschicklichkeit auszuführen, daß schon im October 1726, zu Wusterhausen, ein Tractat Preußens mit Oesterreich zu Stande kam, der nicht geradezu gegen England gerichtet sein sollte. Als Hauptbedingung dieses Tractates hatte Friedrich Wilhelm die Anforderung gemacht, daß der Kaiser seine Ansprüche auf die Erbfolge von Jülich und jedenfalls auf die von Berg garantiren sollte, wogegen er der sogenannten pragmatischen Sanction – die den Töchtern des Kaisers, in Ermangelung männlicher Nachkommen, die Erbfolge zu sichern bestimmt war – beizutreten versprach. Der Kaiser, Karl VI., hatte sich jener Anforderung des Königs von Preußen scheinbar gefügt; aber er war so wenig ernstlich bedacht, die preußische Macht vergrößern zu helfen, daß er gleichzeitig auch mit Pfalz-Sulzbach einen Vertrag schloß, der diesem Hause die in Anspruch genommene Erbfolge in Jülich und Berg sicherte. Durch die mannichfachsten Kunstgriffe wußte er jedoch den König von Preußen, der natürlich auf einen festen, vollkommenen Abschluß dieser Angelegenheiten drang, eine Reihe von Jahren hinzuhalten. Auch gelang dies so gut, daß Friedrich Wilhelm vor der Hand dem Kaiser treu ergeben blieb, denn sein deutsches Gemüth fühlte eine innere Genugthuung in solcher Verbindung; zugleich hatte Seckendorf dafür gesorgt, daß der vorzüglichste Günstling des Königs, der General (später Feldmarschall) von Grumbkow, durch ein stattliches Jahrgeld in das Interesse des österreichischen Hofes gezogen wurde. Dieser war nun fort und fort bemüht, den König in seiner Gesinnung zu befestigen.
So theilte sich der preußische Hof in zwei Parteien, eine österreichische und eine englische, die von beiden Seiten Alles aufwandten, um zu ihrem Ziele zu gelangen. Denn was die Königin anbetrifft, so war sie keinesweges geneigt, ihren Lieblingsplan in Betreff jener Doppelheirath aufzugeben; im Gegentheil nahm sie jede Gelegenheit wahr, die sich ihr zum Wiederanknüpfen der Verbindungen mit England darbot. Ihre ebenso hartnäckigen wie fruchtlosen Bemühungen erbitterten aber den König so sehr, daß der häusliche Friede fast ganz entwich. Mißtrauisch belauschten die beiden königlichen Eheleute einander, und verderbliche Zwischenträger, auf gemeinen Gewinn bedacht, schürten die Flamme. Vor Allen hatten die beiden ältesten Kinder, die dem Plane der Königin gern Beifall schenkten, unter dem Zwist der Eltern zu leiden. Vater und Sohn wurden durch alles dies einander immer mehr entfremdet, und die Herstellung eines liebevollen Verhältnisses schien in weite Ferne hinausgerückt. Es sollte noch manches Andre hinzukommen, die Entfremdung zu vergrößern.