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»Auf die Kirchweih laden«

Das Volk kommt ohne eine Redewendung schwer aus, die sich sträubt, auch vom Volkskundler zu Papier gebracht zu werden. In besseren Kreisen wird gewöhnlich die Verblümung »Götzzitat« gebraucht, wenn in einem Berichte von einer solchen menschlichen, allzu menschlichen Angelegenheit die Rede ist. Wer über die Sache selber Näheres erfahren will, schlage das Deutsch Wörterbuch der Brüder Grimm auf.

In den unteren Schichten des Volkes ist die Verlegenheitsverblümung »Götzzitat« noch nicht gedrungen. Unter den vielen, vielen Umschreibungen und Verschleierungen, die sich das Volk für die gröbste aller Beleidigungen ausgedichtet hat, wenn es einmal nicht deutlich sein will, ist wohl die verbreitetste »jemanden auf die Kirchweih laden«, »in den Kirta laden«. Diese beschönigende Redensart wird aber meist nicht unmittelbar im Wortwechsel gebraucht, sondern erst, wenn die Sache breit getreten und weiter erzählt wird; ins Gesicht sagen sich die Menschen aus dem Volke die Beleidigung unverblümt, wie es aristophanische und fischartsche Naturen auch sonst tun; doch wird im Volk eine solche Beleidigung lange nicht für so schwer angesehen wie unter Gebildeten; wenn es einmal doch zu einem »Klagl« kommt, wie man eine Ehrenbeleidigungssache nennt, so hat der Kläger wohl eine günstige Gelegenheit beim Schopf gepackt, seinen Gegner vor den Richter zu ziehen. Doch kommt auch die unmittelbare Aufforderung vor: »Du kimm fei in Kirta!« wie Schmeller im Bayerischen Wörterbuch aus dem bayerischen Walde berichtet. Das höhnische »Kirchweihladen« ist im Süddeutschen weit und breit üblich, am geläufigsten in den egerländisch-oberpfälzischen Landschaften, wo ja bekanntlich nicht die höflichsten Leute wohnen: die »gruam Echalanda« nennen sie sich selber. Nach den Brüdern Grimm ist unsere Redensart auch im Fränkischen und Sächsischen (»einen auf die Kirmst bitten«) nicht unbekannt. Auch die Bauern der Iglauer Sprachinsel verwenden die Redensart oft und gerne. In anderen Landschaften wiederum, wie z.B. im Böhmerwald, ist das höhnende »Kirchweihladen« ganz unbekannt. Die Redensart scheint alt zu sein, sicher bekannt ist sie seit dem 17. Jahrhundert (nach Birlinger, Zum alemannischen und schwäbischen Wortschatze im 10. B. der Alemannia). Im Schrifttum habe ich die Wendung bloß in den köstlichen »Abenteuern der sieben Schwaben«, enthalten im »Volksbüchlein« beim braven Ludwig Aurbacher gefunden, dem Gott ob der Freude, die er bei jung und alt verbreitet hat, eine fröhliche Urständ schenken möge: Da begegnet in der Gegend von Schwabeck im Schwäbischen den sieben Schwaben eine schöne Bauerntochter, die besonders dem Blitzschwaben ins Auge sticht; er stellt sie und redet sie an, spricht gleich vom Heiraten und schwätzt allerhand närrisches Zeug; die Maid lässt sich's eine Zeitlang gefallen und lädt schließlich schnippisch den Zudringlichen »auf die Kirbe«.

Wie mag die Redensart vom »Kirchweihladen« entstanden sein? Vielleicht ist sie eine harmlose Verblümung: anstelle der Beleidigung setzt der Spötter ironisch eine Ehrung, denn auf ein Kirchweihfest geladen zu werden, ist immer ehrenvoll und angenehm. Vielleicht aber – und das scheint mir wahrscheinlicher – ist die Wendung eine geschickt versteckte Derbheit, da eine Kirchweih nicht nur etwas Heiliges, sondern auch etwas recht Unheiliges ist. Ist doch der Kirchweihschmaus das Höchste, das sich ein Herz vom Lande vorzustellen vermag, und zu einer Art Schmaus, der allerdings nicht so munden dürfte, wird ja auch der, welcher durch die Beleidigung getroffen werden soll, eingeladen. So sagt das Volk zu allem Möglichen und Unmöglichen gern »Kirchweih«: »Was habts denn da für an Krita ausz'macha?« ruft man in recht zweideutigem Sinn nach Schmeller im bayerischen Wald Zankenden zu, wohl erwartend, dass es jeden Augenblich zum »Kirchweihladen« kommen wird.

Mag nun eine oder andere Deutung richtig sein, bei beiden hat sicher mitgewirkt, dass sich das Volk eine Wendung schaffen wollte, die so und so aufgefasst wird, mit der man anstößt und nicht anstößt, wobei der, welcher die Beleidigung ausspricht oder weiter erzählt, selber nicht gepackt werden kann, wie man denn seinem Nächsten, dem man nicht besonders grün ist, gern eins am Zeug flickt, wenn man sich selber sicher weiß.

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