Herm. Anders Krüger
Gottfried Kämpfer
Herm. Anders Krüger

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Erstes Buch

Herrenfeld

Motto:
Wer früh gelernt, sich seiner Haut zu wehren,
Trägt gern für andre sie zu Markt, in Ehren.

 

Erstes Kapitel

Der große und kleine Vorsteher

Die Kirschbäume blühten. Wie liebliche Ehrenjungfrauen standen sie mit ihrer weißen Pracht, in stiller Ehrfurcht an den Straßen des schlesischen Niederlandes und bildeten Spalier für den feierlichen Empfang Seiner Majestät des Mai.

Auch in der altehrwürdigen, sonst so stillen Herrnhuterkolonie Herrenfeld rüstete man sich an diesem strahlenden Frühlingstage zu einem festlichen Empfang.

Der bisherige Gemeinvorsteher, Bruder David, war anstelle eines plötzlich verstorbenen Vorgesetzten in die Oberbehörde nach Bertelsburg bei Herrnhut berufen und mit vielen Fürbitten an einem der letzten Apriltage von der Gemeine verabschiedet worden.

Heute erwarteten die Herrenfelder Geschwister seinen Nachfolger, Bruder Ehrentraut Kämpfer, der aus einer thüringischen Gemeine nach Herrenfeld versetzt worden war. Ihm ging der Ruf eines rechtlichen und gläubigen Mannes voraus, aber zugleich munkelte man, daß er auch ein strenger und unbeugsamer Beamter sei, der seinen Namen mitunter nicht zu Unrecht führe.

4 Wie dem auch sein mochte, man sah der Ankunft des neuen Vorstehers mit großer Spannung entgegen und hatte bereits Anstalten getroffen, ihn, wie es in der Gemeine Brauch und Sitte war, zu empfangen.

Das schlichte, kleine Vorsteherhäuschen, unfern der gewaltig ragenden Kirche, prangte bereits im Schmuck der Blumen- und Tannenreisergirlanden, welche die ledigen Schwestern tags zuvor in ihrem Chorhause gewunden hatten. Auch das stattliche Gemeinlogis, das einzige Gasthaus Herrenfelds, in dem Bruder Kämpfer zunächst absteigen sollte, war bekränzt, und ein kunstverständiger lediger Bruder hatte über den Türen der beiden Häuser einen Karton mit der Losung des 1. Mai 1875 angebracht. Die Buchstaben waren sorgfältig gemalt, und auch die betreffende Bibelstelle des Spruchs war nicht vergessen worden.

Seit einer Stunde schon hatten sich die Leute auf dem Platz vor dem Gasthof angesammelt. Eine Menge müßiger Schuljugend und allerlei Fabrikarbeiter aus den benachbarten zwei Dörfern, zwischen denen Herrenfeld eingeschlossen lag wie eine Perle im Golde, hatten sich dazu gesellt. Auch mehrere herrschaftliche Kutschen befreundeter adliger Gutsbesitzer trafen ein, darunter der stattliche Rappenvierspänner der Karpnitze, die noch immer eine Art von Patronatstellung gegenüber der Gemeine einnahmen.

Der Bahnhof der Station Herrenfeld lag fast eine Stunde Weges von dem Orte entfernt, und schon längst waren die rundlichen Braunen des Gemeinlogiswirtes, der heute höchst eigenhändig kutschierte, die Chaussee hinabgetrabt, gefolgt von allerlei anderen Gespannen, in denen der Gemeinhelfer, Pastor Bruder Friesen, sowie einige sonstige Honoratioren, vornehmlich die Ältesten, dem neuen Vorsteher entgegen gefahren waren.

Unterdessen wuchs die wartende Menge von Minute zu Minute.

5 Das Ehechor war nahezu vollzählig zur Stelle, die Brüder großenteils in braunen oder schwarzen langschössigen Abendmahlsröcken, die Schwestern meist in feierlichen, weißen Umschlagtüchern, auf dem Kopfe die eierschalenförmigen, mährischen Hauben mit blauen Kinnbändern. Auch von den ledigen Schwestern, die rosafarbene Bänder, von den größeren Mädchen, die dunkelrote trugen, fehlte kaum eines. Eben erschienen die Schulen, die Knaben- und Mädchenanstalt sowie die Kleinkinderschule, alle bis zum kleinsten Püppchen herab mit wichtigen, gespannten Mienen, als gälte es, den König zu begrüßen.

Zuletzt kamen die Bläser, meist in vorsündflutlichen, tiefgeschweiften Zylindern, von denen manch einer noch die große Revolution von 1848 gesehen haben mochte. Es waren prächtige Charakterköpfe unter diesen Gemeinbläsern, zu denen die besten Bürger Herrenfelds zählten. Vom Musikanten hatten sie nicht viel an sich, und doch schien sich ein jedes Gesicht dem betreffenden Instrument seines Trägers gleichsam nachgebildet zu haben. Allen war etwas Würdevolles, fast Erhabenes zu eigen, als ob sie sich jederzeit bewußt wären, daß sie gewöhnlich an der Spitze eines Leichenzuges einherzuschreiten hatten. Einzeln und gemächlich kamen sie daher, und so dauerte es geraume Zeit, bis sie alle beisammen waren; ja der letzte, ein umfangreicher Töpfermeister, der sein gewaltiges Bombardon stolz wie eine Ordensschärpe trug, erschien gerade erst, als schon in der Ferne graue Staubwolken und verhaltenes Pferdegetrappel das Nahen des ersten Wagens verkündeten. Er sah es, doch nicht eine Spur von Eile war an ihm zu merken.

Nun war kein Zweifel mehr möglich: der neue Vorsteher näherte sich seiner Gemeine. Allüberall reckten sich darum die Hälse länger und länger empor, und viele helle haubengeschmückte Köpfe, die sich bis dahin züchtig geneigt hatten, bogen sich jetzt spähend vor aus der dunklen Menge.

6 Immer deutlicher wurden zwei braune Pferde sichtbar.

Da trat der weißhaarige Organist vor die Schulkinder, der erste Kirchensaaldiener desgleichen vor die Bläser, das Zeichen ward gegeben, die Posaunen begannen, der Baß fiel dröhnend ein, die hellen Kinderstimmen und bald der Thor der ganzen, vielhundertköpfigen Gemeine mischte sich darein, und feierlich ergreifend brauste der Gesang, von dem ernsten Rauschen der mächtigen Ortslinden leise begleitet, hinaus in den sonnenheiteren Maitag:

Euren Eingang segne Gott,
Euren Ausgang gleichermaßen,
Segne euer täglich Brot;
Segne euer Tun und Lassen,
Segne euch mit selgem Sterben
Und mach euch zu Himmelserben.

Der Wagen rollte heran und hielt unter den letzten Klängen.

Abermals beugte man sich vor, halb ehrfürchtig, halb neugierig, um den neuen Herrn zu grüßen. Der erste Saaldiener nahm den hohen Zylinder langsam und bedächtig vom kahlen Haupte, aber in dem großen Landauer war nichts anderes zu sehen als ein kleiner, halb dreist, halb betroffen dreinschauender Junge von etwa neun Jahren, es war des neuen Vorstehers ältester Sohn, Gottfried Kämpfer.

 

Als sich die allgemeine Enttäuschung ein wenig gelegt und der erste Kirchensaaldiener seinen hohen Zylinder wieder eben so langsam und bedächtig auf sein kahles Haupt gesetzt hatte, sprang der kleine Gottfried hurtig im Wagen empor, reichte dem verdutzten alten Herrn über den Schlag hinweg vertraulich die kleine Hand, kniete ungeniert auf den Rücksitz, um mit stolzem Feldherrnblick die ganze Gemeine übersehen zu können, und rief dann scheinbar belustigt von 7 der überraschenden Zeremonie, über den Kutscherbock weg, mit mutwilligem Lächeln:

»Ihr müßt noch'n bissel warten, Papa kommt gleich. Unsere Braunen liefen halt schneller, weil sie nicht so dick waren wie Papa seine.«

Dabei guckte der Vorstehersohn keck und verständnisvoll zu dem langbärtigen Kutscher des Ortsbanquiers auf, als wäre er im Stalle groß geworden. Endlich öffnete er die Tür des Landauers, sprang heraus und sagte den Schulkindern der Reihe nach guten Tag.

Auf den Mienen der meisten Gemeingeschwister spielte ein schwer zu bemeisterndes Lächeln, ja einige fremde Dorfjungen lachten ganz laut und klatschten vor Vergnügen über den resoluten kleinen Wagenherrn in die Hände. Der dicke Töpfermeister, der eben die Röhren seines Bombardons ausspeichelte, schmunzelte ebenfalls behaglich, der würdige Organist konnte seine Heiterkeit erst recht nicht verbeißen, nur Bruder Seewolf, der strenge Sattlermeister, schüttelte mißbilligend den eigensinnigen Hamsterkopf.

Die ganze gehobene Stimmung schien plötzlich verflogen, da – eh man sichs recht versehen, näherten sich die richtigen Braunen des Gemeinlogis im schärfsten Trabe, den ihre üppige Körperkonstitution nur irgend zuließ, dem Eingang des Ortes. Kaum zweihundert Schritt waren sie noch von der Versammlung entfernt, als der Organist bestürzt die Backen aufblies und daran erinnerte, daß man ja einen neuen Segensvers anstimmen müsse, da man doch den ersten nicht gut wiederholen könne.

Wie auf Sturmesflügeln flog nun die Erregung über die Menge. Fragen schwirrten durcheinander. Einige traten vor, andere drängten nach, die Schulkinder gerieten aus der Reihe, der erste Saaldiener nahm den Zylinder wieder ab, als ob er der allgemeinen Kopflosigkeit durch Enthüllen seines Kopfes Einhalt tun könne; ja sogar die sonst so 8 unbeweglichen Bläser traten bestürzt zusammen, um ihrerseits einen Vers und eine Melodie auszumachen.

Währenddessen kam das Gespann des Gasthofs immer näher, immer eilender heran. Schließlich war der alte Organist noch der einzige, der einigermaßen den Kopf oben behielt und nach kurzer Beratung mit dem völlig ratlosen Saaldiener, den Bläsern laut zurufend die Parole ausgab:

»Gib, daß ich tu mit Fleiß, Melodie: Nun danket alle Gott.«

Kaum hatten die Bläser es begriffen, kaum hatten die Lehrer es den Schülern mitgeteilt, kaum hatte es der erste Saaldiener noch einigen Ehechorgeschwistern zugerufen – da waren auch schon die stampfenden Braunen des Gemeinlogis zur Stelle, und aus dem Fond des Wagens stieg die hohe, soldatisch straffe Gestalt des neuen Vorstehers, hinter ihm seine stattliche Frau und seine zwei kleinen Töchter – unbegrüßt von Sang und Klang. Nicht einmal der erste Saaldiener hatte ihm aus dem Wagen helfen können, und sonst hatte es niemand gewagt.

Nun donnerte der dritte Wagen heran mit dem Gemeinhelfer und seiner Frau, die schon lange bestürzt zu beiden Seiten ihres Gefährts herausschauten und sich wunderten, warum denn kein festlicher Ton erschalle. So etwas war ja noch gar nicht vorgekommen, so lange Herrenfeld stand.

Da endlich blies der brave Organist nach seiner ortsbekannten Gewohnheit abermals die vollen Backen auf, holte tief Atem und begann mit seiner schönen, klaren Baritonstimme:

Gib, daß ich tu mit Fleiß,
Was mir zu tun gebühret. –

Die Schulkinder und ein Teil der Umstehenden fielen zagend mit ein:

Wozu mich dein Geheiß
In meinem Stande führet. –

Und nun hatten sich auch die Bläser von ihrem Schrecken 9 erholt, ebenso der Rest der Gemeine, und in vollem Chorus scholl es schließlich daher:

Gib, daß ichs tue bald
Zu der Zeit, da ichs soll;
Und wenn ichs tu, so gib,
Daß es gerate wohl.

Bei der letzten Zeile gab es leider eine kleine Disharmonie. Gesenkten Hauptes und ein wenig verlegen standen der neue Vorsteher und seine Familie vor ihrem Wagen; nur der kleine Gottfried sah sich erstaunt nach der Gemeine um, als ahne er etwas von der Ironie des eben gesungenen Textes.

Dann ging es an die ausführliche Begrüßung des Vorstehers.

Zuerst nahte der Gemeinhelfer Bruder Friesen, der sich im Namen der Gemeine sofort entschuldigte, obwohl er gar nicht wußte, was vorgefallen war, weiterhin der alte Organist und der greise Saaldiener, der seinen Zylinder in der großen Aufregung bereits verlegt hatte. Dann kamen die Bläser und die übrigen Brüder, während die Schwestern der schönen Frau Angelika Kämpfer herzlich die Hände schüttelten, und der unverfrorene Gottfried seine beiden Schwestern Jettchen und Agnes den Schulkindern, die er frischweg wie alte Bekannte behandelte, vorstellte.

Nachdem sich alles im Verbeugen und Händedrücken volles Genüge getan hatte, zogen sich Vorsteher Kämpfer und die Seinen, geführt von Bruder Friesen, in das Gemeinlogis zurück.

Die Bläser, wohl in der Meinung, eine böse Scharte auswetzen zu müssen, bliesen »Befiehl du deine Wege«, und die Gemeine zerstreute sich schnell, freilich nicht ohne lebendigen Austausch über den sonderbar mißlungenen Empfang, der wirklich einzig dastand in der Geschichte Herrenfelds; man schämte sich allenthalten.

Und doch, wer war daran schuld gewesen? Eigentlich niemand anders als das vorlaute Bürschchen, der Gottfried 10 oder der »kleine Vorsteher«, wie er seit diesem Empfang im ganzen Ort hieß.

Über den neuen Bürgermeister war man sich noch nicht klar – aber daß sein Söhnchen ein Tunichtgut sei, darüber waren sich die Geschwister, namentlich viele der ledigen Schwestern, ziemlich einig, noch ehe sie in ihrem stattlichen, breitdachigen Thorhause anlangten. Und nachdem sie gar die zarten Häubchen vom glattgescheitelten Haupte genommen, sie ausgenadelt und in das surinamische Haubenkörbchen der seligen Großmutter gelegt hatten da war es für sie eine ganz ausgemachte Sache, daß Gottfried Kämpfer ein rechter Schlingel sei.

 

Das Begrüßungsessen im Gemeinlogis verlief in angeregter Stimmung. Feierliche Reden dabei zu halten, war nicht gemeinmäßig, die gehörten in die Kirche und etwa in die Thorhäuser.

Bruder Friesen, ein kleiner, beweglicher Mann – er stammte aus einer alten Gemeinfamilie, die bescheiden den Adel abgelegt hatte – benutzte jedoch diese erste Gelegenheit eifrigst, um in privater Aussprache seinen neuen Mitarbeiter über Herrenfeld einigermaßen zu orientieren, zunächst in historischer Beziehung. Die Geschichte war nämlich sein Steckenpferd.

Vorsteher Kämpfer hatte auch eine historische Ader und war zur freudigen Überraschung seines Nachbars sogar in der Geschichte der Brüderunität ganz leidlich zu Hause, obwohl er aus den Kreisen einer Sozietät – so hießen die Diasporagemeinen größerer Städte – stammte.

Er wußte, daß das Gemeinlein Herrenfeld in den entscheidungsreichen 40er Jahren des 18. Jahrhunderts gegründet 11 worden war, unmittelbar nachdem der große Friedrich unter dem klingenden Spiel seiner schmucken Preußenbataillone Licht und Freiheit in die von Habsburg schwer darniedergedrückten, blindlings zerwirtschafteten schlesischen Herzogtümer gebracht hatte. Ein mutiger, tief frommer Edelmann aus dem alten Magnatenhause der Karpnitze, ein Freund und Jünger des Grafen Zinzendorf, dem er nicht an Geistesgröße, doch an Besonnenheit wie an schlichter Herzenseinfalt überlegen war, hatte damals den Grund und Boden dazu hergegeben, und mährisch-böhmische Exulanten sowie Erweckte aus der näheren und ferneren Umgegend waren die ersten Bürger des neuen Ortes geworden, der bald unter dem Schutze des toleranten Preußenkönigs kräftig emporblühte. So war Herrenfeld bereits um die Jahrhundertwende die größte Gemeine der ganzen deutschen Brüderkirche und in den öden Zeiten des Rationalismus für viele »Stille im Lande« ein Wallfahrtsort, wo der Gesundbrunnen des lauteren Evangeliums nimmer versiegte.

Auch von dem dann folgenden Rückgang der Gemeine wußte Bruder Kämpfer einiges. Als nämlich unter dem charakterschwachen, aber glaubensstarken Friedrich Wilhelm IV. neues Leben in die preußische Landeskirche strömte, da nahm auch der Zuzug der Diasporageschwister und Proselyten langsam ab, zumal da die großen Nachbardörfer durch die Gnade des romantischen Königs und seines werktätigen Konsistorii bald eigene Kirchen gebaut erhielten. Langsam, aber unaufhaltsam begann das bisher so frisch pulsierende Leben der Gemeine teils zu stocken, teils in die Umgegend Herrenfelds zurückzufluten. Endlich trat ein völliger Stillstand ein.

Mehr und mehr kam ein einseitig konservativer, ja fast zopfiger Zug in die Bürgerkreise Herrenfelds, für das ein an Zahl nicht unbedeutendes, an Einfluß bisweilen maßgebendes aristokratisches Einwohnerelement verhängnisvoll zu werden drohte, wie Bruder Friesen ergänzend ausführte. 12 Nach 1848 ward auch in Herrenfeld manches anders, doch eine gewisse vornehme Ruhe, basiert auf einer sicheren, aber nicht immer den Bedürfnissen der Zeit entsprechenden Tradition, waltete auch später unsichtbar über dem idyllischen, peinlich sauberen Örtchen. Weder die Stürme des sechsundsechziger Krieges, die unmittelbar daneben vorüberbrausten, noch die Wiederaufrichtung der deutschen Kaiserherrlichkeit hatten irgend welche merkliche Änderungen in Herrenfeld herbeigeführt noch sonderliche Spuren in seiner Bürgerschaft hinterlassen.

»Und doch, lieber Bruder im Herrn«, schloß der alte Gemeinhelfer dem neuen Vorsteher gegenüber seinen Vortrag, »wirst du gut tun, dem Frieden, den wir annoch, Gott sei Lob und Dank, haben, nicht blindlings zu trauen. Neue Entwicklungen bahnen sich scheinbar unbemerkt an. Ich weiß oder ahne es aus allerlei Anzeichen, die mir bei meiner Seelenpflege unter den Bürgern entgegentraten. Seien wir also auf dem Posten, wir, die Konferenz, die Ältesten und alle, die es gut mit unserer Gemeine und unserem Kirchlein meinen – halten wir zueinander in Einigkeit, so werden wir getrost der Zukunft entgegensehen können und der Segen Gottes, des Allmächtigen, wird uns nicht fehlen. Und nun – lasset uns danken!«

Man stand auf. Bruder Friesen sprach mit lauter Stimme das Gebet, dann wünschte man sich angelegentlich eine gesegnete Mahlzeit.

 

Nach dem Essen schlug Bruder Friesen seinem neuen Kollegen einen kleinen Spaziergang vor.

Die Frauen, die noch vielerlei wirtschaftliche Dinge durchzusprechen hatten, zogen es vor, zu bleiben; die beiden Mädchen wurden in den herrlichen Garten des Gemeinlogis geschickt, Gottfried dagegen, der sich aus den Mädels nichts 13 machte, wie er mit ungalanter Offenheit angab, wollte sich den beiden Männern anschließen.

Fast unmittelbar vor dem Gasthof begann die Promenade, eine breite Lindenallee, die bis zum Gottesacker führte. Eine besondere Eigentümlichkeit der im Lande weit und breit berühmten Herrenfelder Linden, die außer Promenade, Gasthofsgarten und Gottesacker den sogenannten Platz, d. h. den großen, freien Raum vor der Kirche schmückten, war ihre Hochstämmigkeit; wohl nirgends im schleichen Lande fand man eine solche Anzahl von auffallend hohen Linden beisammen wie im kleinen Herrenfeld. Für einen Naturfreund konnte es kaum etwas Schöneres und Erhabeneres geben als einen Frühlingsmorgen oder einen Herbstabend unter den Linden des Friedhofs zuzubringen und zu dem frohen Spiel der Sonnenstrahlen im grünen Laubwerk aufzuschauen.

Pastor Friesen, der sich in den fünfzehn langen Jahren seines Aufenthaltes zu Herrenfeld gar manchmal an diesem herrlichen Naturschauspiel ergötzt und es auch bisweilen in seinen Grabreden ästhetisch wie erbaulich verwertet hatte, führte daher mit besonderem Vorbedacht Bruder Kämpfer und sein Söhnchen zuerst durch die Gottesacker-Allee, um ihnen ihren neuen Wohnsitz von der besten Seite zu zeigen.

Der hochgewölbte Laubgang im ersten frischen Grün, in seiner schimmernden Nachmittagsbeleuchtung verfehlte auch seinen Eindruck auf den Vorsteher keineswegs. Ja, als man an das zierliche, mit seiner schlichten, frühgotischen Architektur der es umgebenden Natur feinsinnig angepaßte Friedhofstor kam, als man durch seine moosgrünen Schwibbogen die langen Zeilen und Gänge des weiten, kirchenstillen Totenfeldes mit seinen für alle Entschlafenen gleichgeformten Grabsteinen herüberwinken sah, – da ging es selbst über das frische Bubengesichtchen Gottfrieds wie ein Beben der Ehrfurcht, als ahne er etwas von den Schauern der Ewigkeit.

14 Schweigend betrat man den Gottesacker, an dessen Eingang einer der ersten Ansiedler der Gemeine bestattet war. Der Pastor, der auch hier das Predigen nicht ganz lassen konnte, las den Kämpfers die Grabschrift mit lauter und beweglicher Stimme:

»Abraham Immanuel Czerwenka, ein demütiger Knecht Jesu Christi und ein treuer Zeuge des Lammes, geboren am 14. Julyi 1702 zu Senftleben in Mähren, heimgegangen im Herrn hierselbst am 17. Oktobris 1747. Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben, denn sie ruhen von ihrer Arbeit!«

Hierauf wandte sich Bruder Friesen zu dem kleinen Gottfried, der sich höchst unehrerbietiger Weise damit abgab, einen großen, gelben Schwamm von einem der Lindenstämme abzuschlagen, und fragte ihn mit väterlich ernstem Tone:

»Sieh mal, Gottfried, das war ein sehr frommer Mann. Möchtest du auch einmal eine solcher demütiger Knecht unseres Heilandes werden?«

Gottfried, der von der Frage nicht allzuviel verstanden haben mochte, sah verdutzt von seiner Arbeit auf und antwortete resolut:

»Nein, Bruder Friesen, ein Knecht möchte ich nicht werden!«

Der Gemeinhelfer schüttelte mißbilligend sein graues Haupt, und der Vorsteher verwies seinem Sohne mit scharfem Wort die unpassende Antwort wie sein Vorhaben mit dem Schwamm, so daß Gottfried halb erschrocken, halb trotzig fortan vor den beiden Männern herging.

Bruder Friesen fröhnte auf dem Friedhof besonders gern seinen historischen Liebhabereien. Mit peinlicher Genauigkeit kannte er alle berühmten Toten seines Gottesackers und führte Fremde mit Vorliebe zu ihren Gräbern, einmal wohl um das Andenken der »Heimgegangenen« zu ehren, anderseits vielleicht auch um das Licht seiner Gelehrsamkeit ein wenig leuchten zu lassen.

15 Nach der betrüblichen Erfahrung jedoch, die er soeben bei Gottfried gemacht hatte, hielt er es für angebracht heute auf das meiste zu verzichten, nur den Gründer der Gemeine, den ersten Karpnitz, konnte er unmöglich umgehen.

Der Vorsteher hörte mit Aufmerksamkeit den Erläuterungen des Pastors zu. Gottfried gab ebenfalls Ruhe, bis Bruder Friesen ausgeredet hatte, dann aber ging er prüfend um das Grab herum und stieß schließlich zaghaft den Vater an, als habe er ihm ein Geheimnis mitzuteilen.

Der Vorsteher fragte kurz:

»Was gibts, Junge?«, worauf Friedel leise und eingeschüchtert erwiderte:

»Vater, oben an der Ecke vom Stein ist ein furchtbar großes Mauseloch!«

Die Männer lächelten sich verstohlen zu und schwiegen.

Als Gottfried weiter drängte, trat der Vorsteher näher, beugte sich plötzlich herab, besah sich lange das angebliche Mauseloch und fragte dann erstaunt:

»Seit wann haben wir denn Grüfte auf unsern Gottesäckern? Oder hat die nur der selige Karpnitz?«

»Grüfte?« versetzte Friesen kopfschüttelnd, »nein das dürfte ein Irrtum sein, lieber Bruder, die Hypothese deines Gottfried, zwar die unwürdigere, dürfte hier die richtigere sein. Nein, nein, Grüfte haben wir hier nicht. Nur die Zinzendorfe in Herrnhut sollen solche haben.«

Der Vorsteher prüfte das Loch noch einmal mit scharfem Blick, senkte dann vorsichtig den Stock hinein, der bis zum Griffe verschwand, dabei sah er Bruder Friesen triumphierend an und meinte:

»Aber das muß unbedingt eine Gruft sein!« Und es war in der Tat ein gemauertes Grab.

Bruder Friesen steckte noch mehrfach seinen elfenbeinknopfgezierten Spazierstock hinab, als könne er es 16 durchaus nicht begreifen, daß ein Mauseloch nicht so tief und gerade sein könne; dann fügte er sich endlich und gab seiner Verwunderung lebhaftesten Ausdruck, denn in seinen Augen war das eine Entdeckung von eminenter Wichtigkeit.

Der Vorsteher, eine mehr praktische Natur, zog schnell seine Folgerungen und meinte:

»Es scheint mir übrigens die höchste Zeit zu sein, daß das Grab ausgebessert wird, schon damit nicht einmal ein andächtiger Besucher zu Schaden kommt. Wenn ich ganz offen sein soll, lieber Bruder, will mir überhaupt scheinen, als seien nicht nur dieses, sondern leider recht viele dieser alten, ehrwürdigen Gräber in einer Weise verwahrlost, wie es einer so großen Gemeine nicht würdig ist. Hat denn mein Vorgänger dafür gar nichts getan? Wenn ich mich nicht sehr irre, so sind doch verschiedene Fonds für Gottesackerpflege vorhanden. Jedenfalls soll es meine erste Sorge sein, hier Wandel zu schaffen.«

Bruder Kämpfer hatte das in seiner ruhigen, fast nüchternen Weise gesagt, ohne aufzusehen, während Gottfried mit Staunen wahrnahm, wie die Mienen Bruder Friesens immer strahlender und strahlender wurden, bis dieser schließlich tief bewegt des Vorstehers Hand ergriff, sie herzlich schüttelte und wie begeistert die Worte ausstieß:

»Das möge dir der Herr gesegnen, lieber Bruder, da erfüllst du mir gleich einen meiner heißesten Herzenswünsche.«

 

Von dem Gottesacker gingen die drei Wanderer, an einer uralten Buchenhecke entlang, hinüber zu einer anderen Allee, die zu der Akropolis von Herrenfeld, dem Kunkelberge, hinaufführte.

Diese rundliche Anhöhe, einer der schönstgelegenen Vorberge des nahen Falkengebirges, für das er eine ähnliche Rolle 17 spielt, wie der kleine Kynast gegenüber dem Riesengebirge, war gekrönt mit einem rundlichen Gemäuer – wohl den Resten eines alten Wartturms – über denen eine breitästige Linde ihr hellgrünes Dach ausspannte. Im übrigen verfügte der Kunkelberg nicht gerade über viel hohe Bäume, sondern war mehr mit dichtem Haselnußgesträuch bewachsen, welches niedere, im Sommer wundervoll lauschige Buchengänge kreuz und quer durchschnitten. Es hielt nicht schwer, sich in diesem grünen Buschlabyrinth trotz seines geringen Umfangs zu verlaufen.

Gottfried, der bisher gesetzt und würdevoll wie ein alter Neufundländer hinter den beiden Männern hergeschritten war, schien von den verschwiegenen Herrlichkeiten des Kunkelbergs bereits etwas zu ahnen. Kaum war man angelangt, als er plötzlich laut in die Hände klatschte, einen leisen Jubelruf ausstieß und davon lief. Noch einmal sah er sich kurz prüfend nach dem Vater um, der schien jedoch beschäftigt, und so trabte Friedel nunmehr behaglich summend in das dichte Haselnußgesträuch hinein, um sich zunächst mal eine tüchtige Rute, genannt Schwuppe, zu schneiden.

Die beiden Männer achteten nicht auf den Buben, sintemalen sie gerade bei dem äußerst interessanten und namentlich für Pastor Friesen sehr ausgiebigen Thema vom Verhältnis der Gemeine zur lutherischen Landeskirche waren. Eben wollte der rundliche, von der Steigung bereits schwitzende Gemeinhelfer mit dem Hut in der Hand das dankbare Thema von einer neuen Seite abhandeln, als man auf einen freien Platz gelangte, der von gewaltigen Lindenbäumen überschattet ward, es war die sogenannte »kleine Aussicht«.

Der Vorsteher schaute auf und begann zerstreut zu werden.

Das vor ihm liegende, süß idyllische Bildchen fesselte ihn mehr als die langatmigen Ausführungen Friesens, der 18 übrigens jetzt taktvoll schwieg. Das kleine Örtchen zu seinen Füßen mit den schmucken, graublauen Schieferdächern, die wie ein Lapislazuligeschmeide in der Abendsonne funkelten, dazwischen wie ein schwerer, schlechtgeschliffener Almandine das riesengroße, dunkelrote Kirchendach, von dem der kleine, kecke Dachreiter wie ein grüngoldenes Krönchen herabglitzerte – und im Kreise herum und zwischen hindurch zahllose, hellgrüne Butterlinden, die dem Ganzen ein pfingstliches Gepräge gaben – das war Herrenfeld, das war der Schauplatz seiner künftigen Tätigkeit!

Ernste Gedanken gingen dem Vorsteher durch den Kopf.

Bruder Friesen schien es zu ahnen und sah mit warmer Teilnahme auf den Kollegen, der ihm bereits lieb geworden war. Lange schwieg der Pastor, dann sagte er leise und innig:

»Lieber Bruder, Gott segne deine Arbeit, und was an mir liegt, dir beizustehen, das soll dir nie fehlen!«

Dankbar nickte der Vorsteher, und dann reichten sich die beiden auf den ersten Blick so verschiedenen Männer, durchdrungen von einem Geiste, die Hände, schüttelten sie mit kräftigem Druck und tauschten schweigend den Bruderkuß, das ehrwürdige Zeichen altmährischer Begrüßung.

 

Von der »kleinen Aussicht« führte der unermüdliche Friesen den Vorsteher weiter zur »großen Aussicht« die auf der anderen Seite des Kunkelberges lag.

Da bot sich ein völlig anderes Bild, einer jener seltenen Tiefblicke, denen durch das Fehlen jedes eigentlichen Vordergrundes eine überraschende Weite eigen ist, die der Phantasie des Schauenden einen unbegrenzten Spielraum gewährt und zugleich den gegenüberliegenden Höhen etwas Unvermitteltes, oft Überwältigendes verleiht.

19 In der Tat sahen die kaum 1000 m hohen Falkenberge so trotzig, so achtunggebietend herüber, als hätten Kyklopenfäuste mit ihnen eine Weltschranke errichten wollen. Viel trug zu diesem massigen, undurchdringlichen Eindruck die fast gleichmäßig hohe Kammlinie und die breite, dunkelviolette Schattenfläche bei, in der jetzt bei sinkender Sonne alle Konturen verschwanden. Am vollendetsten wirkte die Illusion einer Riesenmauer am Ostende des Gebirges, wo die langen, schnurgeraden Bastionen der berühmten Bergveste Kupferstein fast senkrecht zu den Raditzer Schneebergen abfielen, deren schimmernde Hochplateaus sich wie verkürzte Seitenmauern ausnahmen.

Eingerahmt wurde das Ganze von zwei sonderbar verschiedenen Vorbergen: Zur Rechten erhob sich keck und steil der Angelberg mit seinen blauschwarzen Fichtenwäldern und einem stolzen, scharf gezeichneten Doppelhaupt, über das noch stolzer der hohe Zobten herüberwinkte. Zur Linken breitete sich behaglich der Butterberg, der auf seiner mächtig ausladenden Kuppelwölbung die ganze buntscheckige Lumpenherrlichkeit einer kleinbäuerlichen Feldbestellung zur Schau trug.

Mit unaufdringlicher Anschaulichkeit machte der Pastor den Vorsteher auf gewisse wichtige, jetzt im graubraunen Talgrund schon schwer erkennbare Landschaftspunkte aufmerksam, teils Kirchen, teils Schlösser, die durch historische oder persönliche Beziehungen zur Gemeine dem neuen Bürgermeister bemerkenswert sein durften.

Am meisten interessierte diesen Tannewitz, der romantische Edelsitz der Karpnitze, dessen weißer, schlanker Schloßturm sich von dem dunklen Hintergrunde des schier endlosen Lampertiwaldes deutlich abhob.

»Erlaube mal, lieber Bruder,« fragte Bruder Kämpfer plötzlich dazwischen, »pflegt man diesen Adligen unserer Diaspora einen Antrittsbesuch zu machen, oder ist ihre Verbindung mit unserer Gemeine nachgerade so gering, daß dergleichen Förmlichkeiten nicht angebracht erscheinen dürften?«

20 »Durchaus nicht,« antwortete Bruder Friesen eifrig. »Gerade was die Karpnitze anlangt, so gehören sie zwar seit mehreren Generationen nicht mehr zur Gemeine, aber ihrer alten Patronatspflichten, – obwohl ihnen längst keine Rechte mehr entsprechen, – haben sie sich jederzeit in so vornehmer Weise erinnert, daß unsere Gemeine ihnen immer noch reichen Dank schuldet. Der jetzige Majoratsherr von Tannewitz, ein alter Husarenoberst, ist übrigens persönlich ein liebenswürdiger Mensch, anfangs zwar ein wenig stolz und zurückhaltend wie all diese schlesischen Aristokraten; aber wer ihn dann einmal hat, der hat ihn ganz. Also mache ihm, bitte, ja deine Aufwartung. Du hättest da gleich eine Anknüpfung wegen der Ausbesserung des Grabes von vorhin. Und noch manch ein anderer Besuch würde sich lohnen und dem Interesse unserer Gemeine dienen – offen gestanden – dein Vorgänger kehrte in puncto formali ein wenig gar zu sehr die Art der alten Mähren heraus, von denen abzustammen er sich rühmen konnte. Um die Gräber seiner moravischen Vorfahren, die meist hier in Herrenfeld begraben liegen, kümmerte er sich freilich nicht. Ein Systemwechsel des Vorsteheramtes in dieser wie in jener Beziehung könnte vielleicht nicht schaden.«

Lächelnd erwiderte der Vorsteher: »Sei unbesorgt, lieber Bruder, ich stamme nicht von mährischen Exulanten ab, sondern von preußischen Offizieren und Refugiés, das hilft vielleicht zum Diplomaten.«

»Sicherlich«, bestätigte der Gemeinhelfer schalkhaft.

 

Als die beiden Männer nun den Rückweg antreten wollten, bemerkten sie, daß Gottfried verschwunden war. Der Vorsteher rief seinen Sohn mit kräftiger Stimme. Als keine Antwort zurück kam, begannen beide nach ihm zu suchen.

21 Da nicht ausgeschlossen war, daß Friedel sich in den vielen Laubgängen verirrt haben könnte, trennten sie sich, um auf verschiedenen Pfaden den Gipfel zu gewinnen.

Ohne Resultat zuerst am Kunkelturme angelangt, wollte der Pastor eben wieder umkehren, als plötzlich aus den obersten Zweigen der Turmlinde eine helle Knabenstimme ihm zurief:

»Ach, Bruder Friesen, ists hier oben herrlich! Wundervoll! Wollen Sie nicht auch mal raufklettern?«

Der rundliche Gemeinhelfer lachte zunächst ob dieser freundlichen Zumutung recht herzlich, dann aber rief er den Knaben herab, da ihn der Vater suche.

Gottfried antwortete mit flehender Stimme:

»Ach, bitte noch nicht, lieber Bruder Friesen, bitte lassen Sie mich noch ein bischen hier oben; es ist wirklich zu famos, ich bin ganz nahe am Himmel.«

Lächelnd wollte ihm Bruder Friesen schon zu willen sein, als der Vorsteher erschien und Friedel mit kurzem Worte herunterkommandierte.

Noch einmal wagte Friedel zu parlamentieren, da hob auch schon der Vater drohend den Stock und donnerte seinen Buben zornig an:

»Runter sag ich, und zwar augenblicklich, sonst setzt es was!« Nunmehr kam Gottfried in der Tat flink wie ein Eichhörnchen vom Baume herab und trat wie ein armer Sünder vor den Vater. Kurz ließ dieser ihn an:

»Du gehst jetzt zwei Schritt vor mir her zur Strafe für deine Extravaganzen!«

Gottfried gehorchte, innerlich unwillig, da er sein Vergehen nicht recht einsah, aber er gehorchte, denn mit dem Vater war nicht zu spaßen. Nicht einmal zu heulen getraute er sich.

Schweigend schritten die drei den Kunkelberg hinab, auch der redselige Bruder Friesen war verstummt, da die 22 plötzliche Erregung des Vorstehers ihm die schöne Abendstimmung gestört hatte.

Einige Geschwister, die dem stillen Trio begegneten, schüttelten bedenklich den Kopf und dachten bei sich:

Aha, der mißglückte Empfang hatte doch etwas zu bedeuten, der Gemeinhelfer und der Gemeinvorsteher scheinen sich gar nicht zu verstehen. 23

 


 


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