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Brasilien.

Wenn man in den Canal von Sancta Catharina einläuft, glaubt man sich beim ersten Anblick in das Reich der noch freien Natur versetzt. Die grün bewaldeten Berge, die sich in ruhigen Linien von den Ufern der Insel und des festen Landes erheben, gehören nur ihr an, und man gewahrt kaum an ihrem Fuß die Arbeiten des neu angesiedelten Menschen. Im Innern ragen höhere Gipfel empor, deren etliche sich als Kuppeln oder Kegel gestalten, und ein Bergrücken des festen Landes, den in den Wintermonaten der Schnee flüchtig berühren soll, begränzt gegen Süden die Aussicht.

Die Inseln Teneriffa und St. Catharina liegen unter einer gleichen Breite, diese in der südlichen Halbkugel, jene in der nördlichen. Welch einen andern Anblick gewährt jedoch auf beiden die Natur. Dort ist der felsige Grund nur stellenweise, nur dürftig begrünet, und fremdartige Pflanzenformen sind den europäischen nur beigemengt. Hier umfängt eine neue Schöpfung den staunenden Europäer, und in ihrer gedrängten Fülle ist alles auffallend und riesenhaft.

Die Gebirgsart, die man an den Klippen, die im Canal aus dem Wasser hervorragen, und an dem Gestade erkennt, und die sonst nur selten die Dammerde durchbricht, ist überall grobkörniger Granit.

Die Buchten begrenzen unzugängliche Moräste, die Wälder von grünem Mangle ( Rhizophora) und luftigen Palmen überziehen. Ein undurchdringlicher Wald, der die Berge bekleidet, verbreitet sich fast ununterbrochen über das Land. Die Form der Schotenbäume mit vielfach gefiederten Blättern, hohen Stämmen und fächerartig ausgebreiteten Aesten, scheint die herrschende zu seyn; ihr gesellen sich jedoch fast alle ordentliche Baumformen in reicher Abwechselung. Die baumartigen Farrenkräuter mit zierlicher Palmengestalt erreichen nur eine Höhe von 15 bis 20 Fuß, und bleiben in dem Dickicht verborgen. Lianen aller Art (und es nehmen hier alle Pflanzenklassen und Familien diese Form an), ziehen zwischen der Erde, den Stämmen und den Wipfeln ein dichtgeschlungenes, wunderbares Netz. Am Boden wuchern unter umgestürzten Bäumen, weit über Mannshöhe, Farrenkräuter, Gräser, Cyperaceen, Heliconien u. s. w. Hoch auf den Aesten wiegt sich eine andere Pflanzenwelt aus Orchideen, Bromeliaceen, Cactus, Piper, Farrenkräutern, und die Tillandsia Usneoides behängt das Haupt veralteter Bäume mit Silberlocken.

Die ausgehauenen Pfade verlassen bald den, der durch diese dunkele Wildniß dringen will, und die Gipfel selbst der nächsten Hügel sind unerreichbar.

Die Aroideen wuchern am Abfluß der Bäche, die sich in den Schluchten der Berge ansammeln. Riesenhafte Cactus bilden stellenweise seltsame Gruppen. Bromeliaceen, Orchideen, Pfefferarten bekränzen die Felsen, und Farrenkräuter und Lichene bedecken dürre Sandstriche. Den Boden, den die Agricultur verläßt, überzieht gleich ein dichtes Gesträuch, worunter schöne Melustoma-Arten sich auszeichnen.

Die Ansiedelungen der Menschen liegen unter Orangenhainen am Fuße der Berge und am Gestade, umringt von Pflanzungen, von Pisang, Kaffee, Baumwolle u. s. w. und von Gehegen, worin manche unserer Gartengewächse, denen viele Europäische Unkrautarten parasitisch gefolgt sind, unscheinbar bebaut werden. Der Melonenbaum ( Carica Papaya), der hier einen hohen Stamm treibt, und der Coquero Es soll in der Gegend einen Palmbaum dieser Art geben, dessen Stamm sich theilt und eine doppelte Krone trägt; die Zeit erlaubte es uns nicht, diesen Baum zu besuchen., eine Art von der Cocosgattung, mit spillenförmigem Stamm und unansehnlichen Früchten, überragen sie. Die ächte Cocospalme, die zwischen den Tropen sich hält, kommt hier nicht mehr fort. Das Brasilien- oder Fernambuckholz ( Caesalpinia echinata) bereichert nur nördlichere Provinzen, und die Pilifera testiculata Bress. möchte auch nur nördlicher zu suchen seyn. Es ist dieß die interessante, nur noch mangelhaft bekannte Pflanze, deren Spatha die natürlichen Mützen abgibt, die in Seba ( I. Tab. 3. fig. d) abgebildet und in manchen Sammlungen zu sehen sind.

Das Thierreich bietet nicht minderen Reichthum, nicht mindere Fülle dar, als das Pflanzenreich. In Harmonie mit dem Character der Vegetation, herrscht unter den Vögeln die Form der Kletterer vor, und viele Gattungen der Säugethiere sind mit Wickelschwänzen versehen.

Die hier gemeinste Affenart ist Callitrix capucina. Man erzieht sie oft unter dem Namen Macaco. Ihre Stimme ist der eines Singvogels ähnlich. Wir sahen außerdem an Säugthieren den Aguti und ein Gürtelthier ( Dasypus gilvipes, Sex cinctus auct.).

Unter den Vögeln sind viele Papagaien und Tucanarten die ausgezeichnetsten und häufigsten. Es kommt aber außerdem eine reiche Mannigfaltigkeit an Gattungen und Arten vor, ein großer Tinamu ( Crypturus) ist häufig. Die Geier ( Cathartes Ill.) reinigen den Strand, und Colibri wetteifern mit den Schmetterlingen um die Blumen.

Von Amphibien (die Schildkröten etwa ausgenommen) kommt eine große Mannigfaltigkeit von ausgezeichneten Arten vor.

Wir bemerkten unter den Fischen einen kleinen Zitterrochen ( Torpedo) ohne Flecken, dessen elektrische Kraft wenigstens sehr gering seyn mußte, da unser Fischer sie nicht wahrnahm, und unter den Molusken des Meeres eine große Aplysia, deren Tinte zum Rothfärben benutzt wird.

Der größte Reichthum und die größte Pracht herrschen aber unter den Insekten. Von denen, die wir sammelten, sind mehrere Arten neu, und kommen unter denen, die man aus Rio Janeiro erhält, nicht vor. Wir fanden unter andern die Vogelspinne ( Aranea avicularia), deren Biß hier als tödtlich gefürchtet wird. Die Natur lehrt den Menschen nicht, was er wirklich zu fürchten hat.

Sobald die Sonne über Brasilien untergeht, entzünden leuchtende Geschöpfe aller Arten Luft Elater nocticulus und E. phosporeus mit zwei Punkten beständigen Lichtes auf dem Brustschilde, und mehreren Arten Lampyris mit in gleichen Zwischenräumen wiederkehrendem Schimmer des Unterleibes. Ihre Zahl scheint jedoch, nach der Bemerkung des Dr. Eschscholz in Fabricius System vergrößert zu seyn, indem Varietäten als Arten aufgeführt werden. Das Leuchten oder Schwärmen dieser Käfer scheint durch näher zu untersuchende Umstände bedingt zu werden. Bald ist die Luft damit angefüllt, und bald vermißt man sie ganz., Meer Insectenlarven und kleine Scolopendra-Arten. und Erde Besonders Medusen, deren wir einige am Strande aufnahmen, die aber zu sehr gelitten hatten, um näher bestimmt zu werden. Das Leuchten war besonders in einem Kranz von Punkten um den Rand des Körpers sichtbar, und erhöhte sich bei der Berührung wie bei jedem Reiz. Die mit dem Mucus des Thieres bestrichenen Hände behielten eine Zeitlang ihre Phosphorescenz.. Ihr flimmernder Schein, das Gebell und Gepolter der froschartigen Amphibien und der helle Ton der Heuschrecken beleben mährchenhaft diese grüne Welt.

Die erste Kenntniß der Naturgeschichte von Brasilien verdankt man dem Prinzen Mauritz von Nassau, Marcgrafen, Piso'n, deren Manuskripte und Original-Zeichnungen in der Berliner Bibliothek aufbewahrt werden. In neuerer Zeit hat der Graf von Hoffmannsegg durch Jäger und gelehrte Correspondenzen Wir nennen hier mit Erkenntlichkeit den Pater Francisco Agostinho Gomez, in Bahia., die er dort unterhalten, vieles zur Bearbeitung dieses Feldes gethan, und seine Sammlungen, die meist dem Berliner Museum einverleibt worden, waren die vorzüglichsten Quellen zu dessen Studium. Die Reise des Prinzen Max von Neuwied und viele jetzt sich beeifernde deutsche Gelehrte und Sammler vollenden endlich das Werk, und so wird durch deutschen Geist und Fleiß dieser Portugiesische Theil der Welt den Wissenschaften gewonnen, wie sie schon den Deutschen, dem Grafen von Hoffmannsegg und dem Professor Link die Kenntniß der Flora und Fauna von Portugall verdanken.

Das Gouvernement der Insel St. Catharina enthält, nach den Nachrichten, die wir eingezogen, ungefähr 30,000 Einwohner, von denen man zwei Schwarze auf einen Weißen rechnen kann. Wir fanden hier noch den Sklavenhandel, und dieß Gouvernement bedarf allein jährlich fünf bis sieben Schiffsladungen Neger, jede zu hundert gerechnet, um die zu ersetzen, die auf den Pflanzungen aussterben. Die Portugiesen führen solche aus ihren Afrikanischen Niederlassungen in Congo und Mosambique Die Sklaven aus Mosambique machen die Minderzahl aus; von ihnen unterscheiden sich die guineischen Neger durch den geringern Gesichtswinkel bei mehr hervorspringenden Kinnladen, durch die höhere Schwärze der Haut, und viele außerdem durch eigene Figuren, die ihnen daheim in ihrer Kindheit in die Haut des Gesichts und Körpers mit einem scharfen Instrument eingerissen worden; Zeichen, woran sich die verschiedenen Stämme erkennen. selber ein. Der Preis eines Mannes in den besten Jahren beträgt 2 bis 300 Piaster. Ein Weib ist viel geringeren Werthes, und die ganze Kraft eines Menschen schnell zu verbrauchen, ihn dann durch einen neuen Ankauf zu ersetzen, scheint noch vortheilhafter zu seyn, als selbst Sklaven in seinem Hause zu erziehen. Wir lassen hier mit Bedacht die schlichten Worte eines Pflanzers der neuen Welt in das ungewohnte Ohr des Europäers tönen.) Der Anblick dieser Sklaven in den Mühlen, wo sie den Reis in hölzernen Mörsern mit schweren Stampfkolben von seiner Hülse befreien, indem sie den Takt zu der Arbeit auf eine eigenthümliche Weise ächzen, ist peinvoll und niederbeugend. Solche Dienste verrichten in Europa Wind, Wasser und Dampf. Wir sahen hier auch im Dorfe St. Michel eine Wassermühle, deren Krusenstern schon erwähnt. Die Anzahl der Sklaven ist auf der mehr bevölkerten Insel verhältnißmäßig geringer, als auf dem festen Lande. Ihre Nahrung ist Fleisch und Manioc. Die im Hause der Herren, und die in ärmeren Familien überhaupt gehalten werden, wachsen dem Menschen näher hinan, als die, deren Kraft blos maschinenmäßig in Anspruch genommen wird. Wir waren jedoch nie Zeugen grausamer Mißhandlungen derselben.

Die Stadt Nostra Senhora de destero, die Residenz des Gouverneurs, liegt auf der Insel selbst, an der engsten Stelle des Kanals. Der Ankerplatz größerer Schiffe ist in dessen nördlicher Einfahrt in einer Entfernung von mehreren Meilen von der Stadt. Sie enthält ein Mannskloster, und von den Mönchen soll keiner seine Muße irgend einer Wissenschaft widmen. Schmetterlingshändler heißen hier Naturalisten.

Der Handel dieser Colonie ist gering. Ihren Hafen besuchen nur, um Erfrischungen einzunehmen, Amerikanische Schiffe, die Cap Horn umfahren, oder auf den Wallfischfang nach Süden gehen. Ihre Erzeugnisse sind Zucker, Rum, Reis und Kaffee. Taback, Mais, Manioc ( Jatropha Manihot), Obst u. s. w. nur zum eignen Bedarf; Getreide wird auch gebaut, aber mit geringem Erfolg. Der Weinstock gedeihet nicht. Blätter und Trauben sind mit den schwarzen Flecken krankhaft behaftet, die man bei uns dem Hagel zuzuschreiben pflegt.

Die beträchtlichsten Pflanzungen liegen auf dem festen Lande, in der Entfernung einiger Meilen hinter dem Gebirge.

Mit den Indianern findet kein Verkehr statt; man greift, wo man einander begegnet, zu den Waffen. Land erhält, sich anzusiedeln und anzubauen, jedweder, ohne Unterschied der Religion, unentgeldlich. Mehrere Engländer sollen sich auf der Insel angepflanzt haben, wo eine Ortschaft nach ihnen heißt.

Der Wallfischfang gehört der Krone. Der Name Armação bezeichnet die königlichen Fischereien, die ihn ausüben, und deren es vier in diesem Gouvernement gibt. Der Fang geschieht in den Wintermonaten vor dem Eingange des Kanals. Es gehen blos offene gezimmerte Böte aus, die mit sechs Ruderern, einem Steuermann und einem Harpunier bemannt sind, und der erlegte Fisch wird ans Land gezogen und da zerschnitten. Jede Armação bringt deren in jedem Winter nah an hundert ein, und die Zahl könnte, wie man uns versicherte, viel höher anwachsen, wenn die Auszahlung der Gehalte, die jetzt um drei Jahre verspätet ist, pünktlicher geschähe. Der Wallfischfang gehört in Brasilien nicht ausschließlich diesem Gouvernement an, nördlicher gelegene haben auch Theil daran. In diesem Meere scheinen die Wallfische des Südens weiter gegen den Aequator vorzudringen, als die des Nordens; man soll ihnen schon unter dem zwölften Grad südlicher Breite begegnen.

Die einzigen Fuhrwerke, die in der Colonie üblich sind, und womit die Früchte aus entlegenen Pflanzungen herbeigeführt werden, sind sehr unbeholfen. Zwei Holzscheiben, welche sich mit der Achse zugleich drehen, woran sie befestigt sind, tragen ein Stück Holz, das zugleich Wagenkorb und Deichsel bildet, und Ochsen werden vorgespannt. Pferde werden blos zum Reiten gebraucht. Die Canots, womit der Kanal, die Hauptstraße der Colonie, befahren wird, sind nicht vorzüglicher. Sie sind lang und schmal, und bestehen aus einem blos ausgehöhlten Baumstamme, ohne Ausleger; jede Baumart wird dazu gebraucht.

Wir sahen auf unsern Streifzügen längs der Küste, Heiterkeit, Reinlichkeit und Gastfreiheit unter einem wenig bemittelten Volke herrschen. Wir wurden in die ärmlichsten Hütten gezogen, wo man uns Früchte gab, Fleisch und Manioc anbot, und Bezahlung anzunehmen sich weigerte.


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