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Beim Floriwirt

Den Floriwirt von Würfling kennt weit und breit jedes Kind. Und wenn wirklich einmal jemand ihn nicht kennen sollte – es ist aber fast nicht denkbar – und einen mit einer überlebensgroßen Nase daherkommen sieht, die noch dazu wie ein nagelneues Kupferdach auf einem alten Schloßturm glänzt, und mit einem Bierbauch wie ein Mutterfaß und mit Händen wie Bärentatzen und mit einer, wenn es nottut, augenscheinlich ungeheuren Körperkraft, so kann er sicher sein: das ist der Floriwirt von Würfling.

Floriwirt heißt aber eigentlich nur die Sache, das Gastwirtsanwesen, von einem schon weit zurückliegenden Vorfahren, dem Floridus Drischberger, her; denn der Wirt selber ist heute und schon seit bald vierzig Jahren der Matthias Drischberger.

Zu dem Wirtsanwesen gehört ein ansehnlicher Grundbesitz und ein großartiger Viehstand und, weil das Beste überall zuletzt kommt, ein Bier, daß ein jeder mit der Zunge schnalzt, sobald er den ersten Schluck drunten hat. Dieses Bier und die daran sich knüpfende Reputation ist überhaupt der Stolz des Floriwirts. Beanstandungen des Getränks, übrigens fast nie und wenn, so nur von unkundigen Passanten vorgebracht, gelten deshalb als persönliche Beleidigungen und werden auf der Stelle mit bissigsten Konkurrentenausfällen gegen den andern Würflinger Wirt, den völlig unschuldigen Kajetan Staudigl, erwidert: »Gengan S' außi zum Staudigl, nacher wern Sie 's glei sehgn, was a abgstandens Bier is! Fragen Sie aber ja nöt, wia lang 's Faßl scho lauft. Sie kunnten sunft, wia neulich a Schnauferlfahrer, von der Kellnerin hören müassen: ›I woaß 's nöt. I bin erst seit vierzehn Tag da.‹« Und als gelegentlich einer Rauferei mit nachfolgender Gerichtsverhandlung der Vorsitzende auf die Staudigl-Wirtschaft, wo immer Verträglichkeit und Einklang herrschten, gewissermaßen als Vorbild hinwies, da lehnte der Floriwirt den Vergleich mit den Worten ab: »Dös sell glab i scho; denn aufs Staudigl-Gsüff kannst höchstens 's Bauchweh, aber niemals nicht a Schneid zum Raffa kriagen, Herr Richter. Aber in meim Bier, Herr Richter, da is halt a Kraft drin und drum is 's mit meim Bier a so: kam hamm dö Bauern d' Füaß unter meine Tisch, so hamm s' a scho 's Bier in Kopf droben und reden und reden und kömman mit lauter Reden zu Meinungsverschiedenheiten, und wo 's amal Meinungsverschiedenheiten gibt, da woaß ma nacher scho, wia 's weitergeht. Und drum, Herr Richter, wird in meiner Wirtschaft grafft und herrscht beim Staudigl die sogenannte Grabesruhe. Und dieses alles kommt nur vom Bier.« Erzeuger des so gehaltvollen Genußmittels aber ist der Schacherlbräu zu Seestetten.

Die belebende Wirkung des Floriwirt-Bieres nun wurde wieder einmal so recht offenbar an einem Sonntagnachmittag, der überdies auch noch so nebenher die tiefe Tragik enthüllte, die trotz aller anscheinend so günstigen Lebensumstände durch die Familie des Floriwirts sich hinzieht. Zu der Familie zählen nämlich, abgesehen von der trefflichen, ebenso besorgten wie rührigen Frau und Mutter, auch noch drei ausgezeichnete Söhne, auf und auf, von den Plattfüßen bis hinauf zum Kupferzinken, der Vater und auch wie der mit enormen Körperkräften begabt. Draußen war die helle Sommersonne und ein in den alten Kastanien des Wirtsgartens spielender Sommerwind und außer anderen Sommergästen und Ausflüglern der Geheimrat Trogelius aus Berlin nebst Gattin, und drinnen, in der ungewöhnlich großen Wirtsstube, waren die Bauern, Sitz an Sitz. Und immer noch drängten und zwängten sich weitere herein.

Das brausende Stimmengewirr, die Stubentemperatur, der infolge der geschlossenen Fenster schier undurchdringliche Tabaksqualm und das Schacherlbier stellten schon allgemach jene Konjunktur her, unter deren Herrschaft eine ganze Anzahl der kostbarsten Rechtsgüter wie Ehre, Gesundheit, Leben mißachtet und gefährdet, wo nicht gar verletzt zu werden pflegen. Und so wird denn auch bereits in diesem Augenblick, beim Eintritt des Baders Duschl und des Malermeisters Klingler die Trutzfrage laut: »Heda, ös zwoa! Neunavierzg Bader und oa' Maler, wia viel san dös?« Und sogleich brüllt ein andrer die Antwort: »Dös san fufzg Hanswurschtn!«

»Aber scho oaner davo langt zum Zammflicken von alle eure Strohköpf«, gibt der Duschl zurück. Auch ersteht dem Bader im Gütler Spannagel, Korbinian Spannagel, geschwind ein Helfer; denn der Spannagel ist schon seit einem halben Jahr das Rasieren schuldig und erklärt jetzt in dieser Abhängigkeit, es könne nicht so weit her sein mit der Hanswursterei; sonst hätte doch der Doktor Obermaier von Harpointing nicht den Bader von Sulzing während dessen Jerusalemfahrt vertreten.

»Wer sagt dös?« fragt einer am übernächsten Tisch; denn die Bauern haben ihre Ohren überall.

Der Doktor Pfahler von Lindach habe es gesagt und im Wochenblatt sogar geschrieben.

»Is aber a scho vom Dokta Obermaier wegen Beleidigung verklagt.«

Dann habe der Doktor Obermaier schon verspielt, meint der Brummer von Sulzing, der heute dem Schacherlbier zulieb sein Sonntagsdeputat einmal in Würfling konsumiert; denn er habe mit eigenen Augen den Doktor Obermaier haarschneiden sehen.

»Au weh, Obermaier! Dös macht Kösten«, sagt der Korbinian Spannagel voll Schadenfreude, weil er den Doktor Obermaier nicht mehr leiden kann, durchaus gar nicht mehr, seit ihm der die Rechnung geschickt hat. Die Mehrheit der Zuhörer neigt jedoch der Anschauung zu, daß überhaupt keine Beleidigung vorliege, weil es für einen ungeschickten Doktor keine Schande sei, einen geschickten Bader zu vertreten, insoweit der Doktor nur kuriere, nicht auch rasiere und haarschneide.

Er habe es aber gesehen, behauptet der Brummer noch einmal.

»Wann hast du dös gsehgn? Wo hast du dös gsehgn?« rennen andere wieder gegen den Brummer an. »So was muaß a Mäuaufreißer wia du scho genau aufweisen. Sunst wird eahm nöt glabt.«

»Was bin i?« schreit der Brummer.

»A Mäuaufreißer und a Lugenbeutel. Daß d' as woaßt!«

»Und überhaupts,« hebt sich aus den persönlichen Verunglimpfungen jetzt sehr vorteilhaft eine mehr aufs Allgemeine zielende Stimme, »was hat denn a Bader bei ara Jerusalemroas z' toan?« Und schon antwortet mitten aus der Versammlung heraus eine andere: »Rasieren natürli. Alleweil rasieren.« Und im lauten Gelächter geht die Gegenmeinung unter. Dafür hört man deutlich, wie im Garten draußen die Kellnerin, die Lisi, recht eindringlich zum Küchenfenster hineinruft: »I kriag a saure Nieren!«

In der Gaststube aber wird die Lage jetzt auch an einer anderen Stelle kritisch. Dort hatte man zuerst ruhig und sachlich von den internationalen Abrüstungsbestrebungen gesprochen, wobei der trefflich orientierte Straßenwärter Egidius Unkauf sein Gutachten dahin abgab: »Das Ganze is nix als a hundshäuterner Schwindel; denn obenauf is und bleibt der Engländer mit seiner Wasserkraft.« Dann aber war das Gespräch unter Führung des Mesners Zistel gar bald in den derzeitigen Hauptunterhaltungsstoff der Würflinger, die Primiz, und das ganze Drum und Dran mit geschwellten Segeln hineingeglitten und bekam vom Mesner her immer wieder frischen Antrieb und neuen Kurs.

Soeben schildert er den Primizianten auf seinen Gängen durch das Dorf unter seiner, des Mesners, Begleitung. Es ist durchaus gar nicht wahr, sagt er, daß der Primiziant keine Geschenke nicht mag. Er mag sie schon. O und wie! Aber nur bloß – dieses eine stimmt – die weltlichen Geschenke mag er. Mit einem Herrgott am Kreuz und mit einem Brevierbuch macht ihm niemand eine Freud. Man hat sein Gesicht sehen müssen, wie sie ihm beim Fuchsbichler den teuren Glashafen – der Zistel meint das Hauptstück eines Punschservices – und dazu einen Weihwasserwedel gegeben haben. Gelacht hat er, ja, hellauf grad hinausgelacht und hat den Wedel auf der Stell heraus und beiseite gelegt, daß die alte Fuchsbichlerin selber gesagt hat: tut man doch, was man tun kann, aber nichts, rein gar nichts ist derkennt.

Und erst die Bernlochner Kreszenz, die ehemalige Pfarrerköchin! Die Bernlochner Kreszenz ...

»Laß mi do mit dera Betschwester aus!« ruft von einem andern Tisch der Hausenbauer dazwischen; denn in weitem Umkreis spitzt man bereits für die Darstellung des Mesners die Ohren. Der Mesner aber mag den Zwischenruf nicht hören.

Die Bernlochner Kreszenz, nicht wahr, die überreicht in ihrer unauslöschlichen Dankbarkeit dem Primizianten ein wunderschönes, rotsamtenes Kopfkissen, auf dem in dicker Goldstickerei zu lesen ist: »Heiliger Franz Xaver, bitt für uns! Halleluja!« Und was sagt der Primiziant drauf? »Da müßt' ich mich also«, sagt er, »auf meinen heiligen Namenspatron drauflegen. Weiß nicht, ob ich mich trau.«

»Und drauf sitzen geht natürlich erst recht nöt«, schreit schon wieder einer dazwischen, und es hat überhaupt den Anschein, als ob das Schacherlbräubier für so ernste, schier überirdische Darlegungen doch nicht die geeignete Grundlage herstellte. Denn auch vom andern Schauplatz her vernimmt man, wenn auch nur halb verständlich, doch so viel, daß immer noch der Bader von Sulzing und seine Reise ins Gelobte Land mit Scherzen, Witzen und Ausstellungen bedacht werden, und das sollte nicht sein, sagt der Floriwirt, der bald an diesem und bald an jenem Tisch und jetzt soeben an dem des Mesners sitzt, weil eine Reise nach Jerusalem doch immer eine Wallfahrt bleibt, auch wenn sie ein Bader macht.

Von draußen vernimmt man noch einmal den eindringlichen Ruf der Kellnerin in die Küche hinein: »I kriag a saure Nieren! Hört denn gar neamd?« Indes, nur Geheimrat Trogelius aus Berlin besitzt ein Ohr für die Leiden der Kreatur, also, daß er das Mädchen zu sich herwinkt und ernsten Blickes zu ihr spricht: »Lisi, ich mache Sie darauf aufmerksam: ziehen Sie beizeiten einen Spezialisten zu Rate! Mit Nierensachen ist nämlich nicht zu spaßen. Ich kenne das.«

Der Mesner Zistel aber ärgert sich, daß der Wirt ihn mit der Jerusalemreise unterbrochen, und fängt deshalb mit der Bernlochner Kreszenz noch einmal von vorn an und beschreibt genau, was für Augen die Kreszenz ob dem ausbleibenden Frohlocken des Primizianten über das rotsamtene Halleluja– Kissen gemacht hat. Überhaupt, sagt er sehr bedeutungsvoll, der Primiziant – der Primiziant – und, sagt er, es kann unmöglich die richtige Gottergebenheit sein, wenn sich einer nach seinem Segen gar so gschnacksig umdreht.

Einige der Zuhörer nicken bestätigend. Andere schweigen, und es müßte einer schon ein Gedankenleser sein, wollte er aus ihren Gesichtern, die auch nicht mit dem kleinsten Zug die Objektivität preisgeben, auf Zustimmung oder Bestreitung schließen.

»I denk mir halt alleweil,« fährt der Mesner fort, »a Primiziant, der wo liaber mit an Madl als mit 'n Herrn Pfarrer ankimmt, der wird schon a alls ander so betreiben, wia 's sonst nöt Brauch is.«

»Was?« fragt einer, »mit an Madl?« und gibt dadurch dem Mesner Zistel die willkommene Gelegenheit, auch über die Zwerger Mariann sich zu äußern, wie überhaupt das ganze Verhältnis der Familien Kogler und Zwerger zueinander mit eingehender Begründung abfällig genug zu erörtern, um schließlich in weitem Bogen wieder zur Person des Primizianten zurückzukehren, indem er den Besuch bei der Hundringerin erzählt, wo doch dieser sonderbare Priester selber gesagt habe, ein Paar lausige Socken seien ihm lieber als der schönste Chorrock.

Der Salvermoser von Duxenried, das aber noch zur Gemeinde Würfling gehört, hätte sich bei dieser Gotteslästerung am liebsten bekreuzt, schüttelt aber dann doch nur den Kopf, um wenigstens seine Verwunderung auszudrücken, daß so etwas möglich sei.

Und, fragt der Mesner dann noch ganz allgemein in den Rauch und Dunst hinein, was sei wohl mehr wert: ein altes, verdrecktes, kleines Heiligenbild! oder ein Primiziantensegen? »Was moanst, Balthasar?«

Die Frage ist an den Seefischer Balthasar Wurfleitner am Tisch nebenan gerichtet. Aber der Balthasar sagt nichts; schmaucht nur bedächtig seine Pfeife.

»Möcht i fragen«, antwortet darum der Salvermoser. »Selbstverständlich der Segen.«

»Oha!« sagt jedoch der Mesner; denn der Primiziant habe selber zur Köstenreiterin als Dank für das windige Bildl gesagt: sie hätte ihm mehr gegeben als er ihr.

Da können sich viele vor Überraschung und Mißbilligung kaum mehr fassen. Und weil im Gegensatz dazu der Balthasar Wurfleitner nur schweigt und qualmt, so fragt der Mesner noch ausdrücklich: »Und was sagst du, Balthasar?«

Dem Balthasar aber und seinem kitzgrauen Apostelkopf ist überhaupt nicht leicht beizukommen, und mit kirchlichen Dingen schon gleich gar nicht. Er überläßt die Antwort den andern und qualmt und schweigt. Am Balthasar hat überhaupt nur manchmal ein Sommerfrischler seine Freud, wegen der massiven Mundart, die noch um ein gut Stück ungeschliffener als die der übrigen Würflinger ist. Der Seefischer hat nämlich noch Wörter und Wendungen in Gebrauch, die sonst nicht mehr in Umlauf sind und darum sich anhören, als rumple auf einmal ein Stellwagen aus der Urgroßväterzeit in unsre Automobiltage herein. Wie den Balthasar aber darüber einmal ein Hochschulprofessor, der eigens deswegen nach Würfling gereist ist, aushorchen wollte, da hat der Balthasar Wurfleitner nur den altbayrischen Gruß von sich gegeben und ist davon und hinaus auf den See. Seiner Lebtag, so behauptet von ihm der Pfarrer Lambert, ist dem Balthasar noch kein schriftdeutsches Wort über die Lippen gekommen.

»I woaß 's nöt, i woaß 's nöt,« sagt der Salvermoser von Duxenried, den der Bericht des Mesners, zumal auch über das Begebnis mit dem Zausinger, sichtlich erschüttert hat, »i woaß 's nöt, daß er gar so sakrisch nachlassen hat, der Kogler Franz! Hat alleweil so brav studiert und auf oamal a so nachlassen! Denn das wird wohl ein Nachlassen sein, daß oan scho bald um dö ganz Priminz angst und bang wern kunnt, wenn er einer solchenen Lumpenbande wia an Zausinger und seim Mensch glei bare zehn Mark schenkt. Hamm vielleicht mir Bauern dazua eahm unser guats Geld geben, daß er's an a solchene Hurenbagaschi hinhängt?«

Er hat so etwas auch nicht für möglich gehalten, sagt der Mesner. Acht Primizen, sagt er, hat er mitgemacht in Würfling, eine erhebender als die andre, und die jetzige ist die neunte, aber so eine unheiligmäßige Gesinnung hat er noch an keinem Neugeweihten gesehen.

Da sollte man sich doch an den Herrn Pfarrer wenden, meint einer; es wäre wohl ein verdienstliches Werk.

Unser Herr Pfarrer! seufzt aber der Mesner auf. Hat ja schon die Bernlochner Kreszenz vergebens an ihn geschrieben! Warum? Der Pfarrer Lambert hat am Kogler Franz einen Affen gefressen. Da müßte man mit einem Warnungsschreiben schon ein paar Staffeln höher hinauf.

Darob reißt nun doch einem der schweigsamen Zuhörer mit den nicht zu enträtselnden objektiven Gesichtern die Geduld. Und je stiller er vorher zugehört hat, desto lauter schreit er jetzt. »Gell, Mesner,« schreit er, »oan schlecht machen, dös kannst, aber beim Willibaldsritt mit 'n Kerbi hinter dö Ross' nachgehn und auffangen, was d' Ross' nöt bhalten können, dös kannst nöt, du Herrgottsakra, du scheinheiliger!«

Der Mann mit der gerissenen Geduld aber ist der Gütler Michael Strixner, und weil auch ihm der Kogler Franz mit dem guten Bauerngeld etwas Gutes getan, nämlich den Gerichtsvollzieher vom Hals gehalten hat, der ja heutigentags als Wetterwolke über jedem Bauerngut steht wie vordem als Schutz- und Hauspatron der heilige Florian, so wette ich meinen Kopf: der Strixner Michl mit seiner objektiven Zuhörermiene hat von Anfang an nur den richtigen Augenblick abpassen, dann aber den Mesner auch gleich gehörig niederdreschen wollen. Und man muß bekennen: kein gelernter Stratege hätte den Zeitpunkt treffender und die Angriffsweise wirksamer wählen können. Denn mit seinem Vorhalt hat es diese Bewandtnis:

Die Würflinger Pfarrkirche ist dem heiligen Willibald, dem mächtigen Schutzherrn der Pferde, geweiht. Darum findet zu Ehren des Heiligen schon seit dreihundert Jahren alljährlich am Sankt Willibaldstag der Würflinger Willibaldsritt statt. Der geht aber nicht bloß um die Kirche herum, sondern auch durch die Kirche hindurch, nämlich bei der einen Seitentür hinein und bei der gegenüberliegenden wieder heraus, und gerade bei diesem Durchzug segnet der Pfarrer vom Altar aus die Gäule. Weil nun aber das sonst so kluge Pferd doch nicht klug genug ist – welch erhebender Unterschied übrigens wieder einmal zwischen Mensch und Tier! – um selbst auf der kurzen Wegstrecke durch die Kirche nicht auch nötigenfalls etwas fallen zu lassen, das nun einmal in ein Gotteshaus ganz gewiß nicht hineingehört, so zählte es die ganzen dreihundert Jahre her zu den selbstverständlichen Obliegenheiten des Mesners von Würfling, hinter jedem die Kirche passierenden Pferd mit einem muldenförmigen Korb so erzbereit dreinzugehen, daß etwaige nicht assimilierbare Bestandteile der Pferdenahrung bei ihrem Ausscheiden aus dem Organismus ganz von selber, anstatt auf den geweihten Kirchenboden, in die ungeweihte Korbmulde fielen. Gebühr für jedes Pferd, ob mit, ob ohne Korbanfall, zehn Pfennig, vom Gaulbesitzer an den Mesner zu entrichten. Da verlangte plötzlich und erstmals vor zwei Jahren der Mesner Zistel unter Hinweis auf die allgemeine Lebensmittelteuerung zwanzig Pfennig für den Gaul und trat, als die Bauern von einem hundertprozentigen Preisaufschlag nichts wissen wollten, einfach in den Streik ein, das heißt er verweigerte fürderhin seine Mitwirkung an der Verherrlichung des heiligen Willibald, duldete aber andrerseits, auf das Nachtragen des Korbes als höchst persönliche, aus seiner Mesnerstellung resultierende Leistung pochend, auch nicht seine Vertretung durch eine rein weltliche, das ist dem Kirchendienst nicht angehörige Ersatzkraft, sondern machte das Problem bei den Verwaltungsstellen anhängig, allwo es derzeit der Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof entgegenharrt. Folge: seit zwei Jahren unterblieb der Würflinger Willibaldsritt.

Indem also der Strixner Michl gerade hiegegen seinen Angriff richtete, hatte er nicht nur den schwachen Punkt der Mesner–Position erkannt, sondern auch hinsichtlich der Unterstützung seines Vorgehens sich nicht verrechnet. Es schrien nämlich sofort drei, vier und noch mehr Bauern auf den Zistel im Sinn des Angreifers ein.

»Recht hat er, der Michl; a scheinheiliger Deifi bist, Mesner!«

»Langt nöt, langt bei weitem nöt: du bist ein höllischer Satan. Indem daß du scho seit zwoa Jahr an heiligen Willibald um sei Ehrung bringst.«

»Gebts ma zwanzg Pfenning fürs Roß,« schrie der Mesner dagegen, »und er hat auf der Stell sei Ehrung wieder! Aber enk armselige Fretter is er ja nöt amal zwanzg Pfenning wert.«

»Was is er ins nöt wert? Zwanzg Pfenning is er ins nöt wert? Habts 'n ghört, Manna? Der heilig Willibald is ins nöt zwanzg Pfenning wert, sagt er. Ja, iatz möcht ma nacher do scho wissen: bist du der Mesner oder bist du der Antichrist?«

»Jawoi. Sag's! Was bist?«

Der Mesner lud sämtliche Anwesenden auf die Kirchweih.

Da mischte der Floriwirt sich persönlich ein. »Mesner,« sprach er ruhig und sachlich, »wennst was sagen willst, nacher haltst 's Mäu! I moan 's da guat, obwoi du grad ins Wirt gschädigt gnua hast. Es geht sunst nöt guat aus, Mesner. Und i an deiner Stell schauget überhaupts, daß i weiterkaam.«

»Geh' ma, Mesner!« sagt der Salvermoser von Duxenried, dem die Situation auch nicht mehr recht geheuer vorkommt. Und trinkt aus und geht.

Der Mesner aber bleibt. »I laß mi vo neamad aus 'n Wirtshaus schaffa. I geh, wann i mag. Hast ghört, Wirt? Und i mag iatz no nöt.«

»Nacher bleibst«, sagt der Floriwirt. Aber es klingt, als sagte er es unter dem Vorbehalt: wirst dann schon sehen, was besser ist, das Bleiben oder das Gehen. Und der Floriwirt hat sich noch nie in der Einschätzung der Wirtshaus-Imponderabilien getäuscht.

Auch hat bereits, wennschon in einem andern Viertel der Gaststube, in der Umgebung des Baders Duschl und des Brummer von Sulzing, der erste Maßkrug seinen Schwalbenflug angetreten, ohne daß sich hätte feststellen lassen, wo er aufgestiegen und warum. Es sitzen eben bei solchen Gelegenheiten überall temperamentvolle Charaktere, die das stille Heranreifen ihrer Stunde nicht abzuwarten, andrerseits aber doch auch wieder den Gang der Dinge nicht zu beschleunigen vermögen. So traf hier das Geschoß lediglich den König Otto von Griechenland, zertrümmerte ihm Glas und Rahmen und warf ihn von der Wand, verletzte indes von den Gästen niemand, so daß sich vielleicht, hierzulande wenigstens, als Sprichwortvariante auch sagen ließe: ein Maßkrug macht noch keinen Sommer.

Immerhin eilte, durch das Geschrei und das Scherbengeklirr angelockt, Geheimrat Trogelius aus Berlin an eines der Gaststubenfenster und drückte in volkskundlichem Interesse sein struppiges Gelehrtengesicht an die Fensterscheibe. Aber auch ihm kam man mit lebhaftem Anteil entgegen:

»Da schauts, was schaugt denn iatz da auf amal für a Aff eina!«

»He, du! Wo bist denn du auskömma?«

»Manderl, paß auf, daß di nöt glei wieder ei'fangan!«

»Laßts 'n! Der suacht ja nur bloß sei Alte. Dö is eahm gwiß davo.«

»Geh eina, grupfter Gockel, wannst a Schneid hast!«

Und einer lockte gar mit futterstreuender Geste und Falsettstimme: »Pulli, pulli, pulli, pulli!«

»Seids do stad, Leutln!« winkte der Floriwirt ab. »Dös is a Geheimrat aus Preißen. Der loschiert bei mir.«

»I han mir 's glei denkt, daß der nöt vo ins da is.«

Und Geheimrat Trogelius zog sich wieder zurück. »Doch 'n jemütvolles, jastliches Volk«, sagte er zu seiner Gattin. »Du hättest nur sehen sollen, wie herzlich man mich aufjefordert hat, einzutreten.«

Die drinnen aber sagten: »Jatz is er furt, der dumm Deifi. Schad.«

So wohltätig auch die Ablenkung durch den Geheimrat auf das gesamte Gastlokal und seine aufgeregten Zirkel gewirkt hat, kaum ist er vom Fenster weg, so heben Hetzerei, Gefrotzel, Rechthaberei und Streit von neuem an; denn Schacherlbier und Ruhe schließen nun einmal einander aus. Glücklich das Land, gewiß, das heute noch, in der Zeit allgemeinen Verfalles, Biere hervorbringt, die selbst einen Sterbenden noch einmal aufrichten könnten. Aber stellt eine derartige Erstarkung für gesunde Bauern nicht jenes Zuviel des Guten dar, das bereits zum Übel hinneigt? Und müßte nicht gerade hier die Enthaltsamkeit als wahrhaft himmlische Tugend sich erweisen? Gewiß. Doch auch sie nur, wenn mit Maß und Ziel geübt, und der Kleinbauer Innozenz Prosinger, der jetzt soeben sein noch fast ganz volles Halbeglas dem Bader ins Gesicht schüttet, hat mindestens vom Ziel jener himmlischen Tugend kaum die zutreffende Vorstellung.

Die Äußerung des Baders, die den Prosinger also entflammte, läßt sich nicht mehr feststellen. Es wird aber wohl eine in kollegialer Abwehr für den Bader von Sulzing gefallene und durch dessen immer noch nicht allgemein als notwendig empfundene Palästinareise veranlaßt? Herabwürdigung wahrscheinlich der gesamten Landwirtschaft gewesen sein. Denn andernfalls hätten unmöglich selbst als gefühlvoll bekannte Ökonomen so zahlreich gegen den Bader sich erheben können, der doch oft genug schon nach derlei Sonntagsfeiern sich als ihr chirurgischer Freund bewährt hat.

Der Kajetan Spannagel indes, in seiner schon oben erwähnten Hörigkeit dem Bader zur Vasallentreue verpflichtet, hat aber auch schon seinen Maßkrug in der Hand und der Prosinger ihn im selben Augenblick auf dem Kopf droben. Und der Maßkrug liegt in Scherben, doch der Prosinger–Kopf ist ganz, und nur Schwächlinge konnten das Gegenteil erwarten. Da fällt der Tisch um, man weiß nicht wie, und auf den Bader und den Spannagel hinauf. Auch hält der Brummer von Sulzing den Augenblick wie für geschaffen, um Rache zu nehmen für die Beschimpfung Maulaufreißer und Lugenbeutel, und daß er bei der Häufung der kränkenden Zurufe nicht genau weiß, wer sich also an seiner Ehre vergriffen hat, stört ihn nicht. Er teilt eben unter diesen Umständen seine Faustschläge allgemein aus, in der berechtigten Erwartung, daß so seine Beleidiger unbedingt mitgetroffen werden. Da aber jeder Getroffene wieder seinen Anhang hat, der die dem Genossen beigebrachten Prügel als eigene empfindet, so breitet sich die Keilerei wie Flugfeuer aus, manchem eine höchst willkommene Gelegenheit, um an diesem oder jenem eine alte Rechnung zu begleichen.

Sonst ist es in solchem Anfangsstadium – denn mehr ist es noch nicht – häufig schon der überragenden Persönlichkeit des Floriwirts gelungen, beruhigte Zustände wiederherzustellen, aber das Unglück will es, daß der Floriwirt, immer noch mit seinen persönlichen Zwecken, nämlich der Ermittlung des Attentäters auf den König Otto von Griechenland, befaßt, für die Belange der Allgemeinheit nicht den ungetrübten Blick aufbringt, vielmehr in einem durchaus Unschuldigen, dem sogenannten Parasol-Franzl, endlich jenen Maßkrugschützen gefunden zu haben glaubt und ihn einfach am Rockkragen aus seiner Bank herausheben will, um ihn eigenhändig an die frische Luft zu setzen. Sonst ein Kinderspiel für den riesigen Wirt, scheitert jetzt der Versuch, weil – es ist traurig, das so ungeschminkt sagen zu müssen – sein eigenes Blut in Gestalt seines ältesten Sohnes sich an die Beine des zu Hebenden mit solchem Bleigewicht hinhängt, daß der Parasol-Franzl dem Kreis seiner Freunde erhalten bleibt. Des Floriwirts Erstgeborner aber hält in seinem Gewissen zu solchem Widerstand sich für verpflichtet, weil er fürs erste die Unschuld des Parasol-Franzl kennt und zweitens von seinem Vater die leidenschaftliche Ordnungsliebe rein und unverfälscht überkommen hat, die jeden rechtschaffenen Gast an seinem Platz belassen will. Damit aber ist der Rubikon überschritten und ernst und allgemein der Kampf.

Des zum Zeichen beginnen nunmehr die Halbegläser durchs Lokal zu fliegen, als wär' das gar nicht die Gaststube des Floriwirts zu Würfling, sondern ein spiritistischer Sitzungsraum in der Großstadt. Auch bluten von dem Flug bereits verschiedene Köpfe. Darunter auch der des Mesners und des Brummer von Sulzing. Aber der des Mesners freut die Bauern mehr. Von wegen des heiligen Willibald. Wie denn auch, gerade als das Halbeglas auf dem Mesnerkopf sich niederließ, der Ruf zu hören war: »An schönen Gruaß vom heiligen Willibald!« Die meisten Halbekrügel gehen zwar daneben; aber auch so kriegt der Bader, der sich mit seinem Leidensgenossen Spannagel wieder aufgerappelt hat, noch sein Teil, was keine Kunst ist; denn mit einer Watschen ist ungleich leichter zu treffen als mit einem fliegenden Halbeglas. Ein Einsichtiger mahnt sogar: »Derschlagts do ums Himmis willen an Bader nöt ganz! Ös brauchts 'n morgen wieder zum Zammflicka.« Gleichwohl fällt für ihn noch manch ein Streich ab, bisweilen sogar mit der Erläuterung: »Damitst as gwiß woaßt, was mehra eintragt, dö Baderei mit 'n schmeckatn Wasser (Parfüm) oder d' Ökonomie mit 'n stinkatn Odel!«

Die Unstimmigkeiten und Handgreiflichkeiten – es läßt sich denken, unter welchem Höllenspektakel – haben nunmehr einen solchen Umfang angenommen und sind dermaßen ineinander verfilzt und anscheinend unlöslich, daß der Floriwirt sich doch noch genötigt sieht, zum letzten Mittel, das ist zum Ochsenfiesel, seine Zuflucht zu nehmen. Mit dem schwingt er sich dort, wo das Gewirr am dichtesten und die Köpfe am hitzigsten sind, auf einen Tisch und haut in dieser souveränen Stellung mit dem Ochsenschweif auf die Gäste ein, wahllos, mag's nun hierhin oder dorthin treffen. Die Hauptsache ist, daß es sitzt, und in dem Punkt fehlt sich nichts. Denn nur auf diese Weise kommen die rabiaten Bauernschädel, sagt sich der Floriwirt, noch am schnellsten wieder zur Vernunft.

Die Floriwirtin freilich, als treffliche Geschäftsfrau, besorgte Gattin und Mutter, die sagt sich etwas andres. Den ganzen Geschäftsgang verruiniert uns noch der Vater mit seinem narrischen Einhauen auf die schönsten Gäste, sagt sie sich. Und steht händeringend unter der Kuchltür und schreit, indes der Boden wankt, die Wände zittern und die Fenster klirren: »Muaß denn heut alls hin sein? So laßts doch grad 's Haus no stehn und gebts um Gottes Christi willen an Frieden! Habts ghört? An Frieden sollts geben! Nur bloß an Frieden!«

Diese Worte einer Gattin und Mutter erschüttern vor allem das Gemüt ihrer beiden jüngsten Söhne. Und so nehmen sie denn, keiner Partei dienstbar, nur für den Frieden und die Mutter den schweren Kampf auf, zerren als Führer aller Wohlgesinnten zunächst den Vater mit seinem Ochsenfiesel vom Tisch herunter und wenden sich sodann mit Erfolg gegen den älteren Bruder, der schon seit geraumer Zeit auf eigene Faust seiner angebornen Ordnungsliebe mit ungeheurer Schlagkraft furchtbare Opfer bringt. Und noch einmal, während die männlichen Mitglieder des Hauses Drischberger also gegeneinander angehen, dröhnt der Boden, wankt der Ofen, klirren die Fenster und bluten die Köpfe. Dann erst legen sich allmählich Gepolter und Geschrei. Doch dank den sich gegenseitig aushebenden Riesenkräften der Familie Drischberger gibt es weder Sieger noch Besiegte. Es gibt nur Ermattete und den Ausruf des Floriwirts aus blutendem Vaterherzen: »Kruzitürken no amal! Einig wann mir waaren, i und meine drei Buam, – mir schmeißeten dö ganz Wirtschaft naus.« Und das eben ist die Tragik in der Familie des Floriwirts.

Als nun somit endlich wieder Ruhe und Friede herrschten und ein Gast um den andern, soweit sie nicht schon vorher Reißaus genommen hatten, verschwand, da trieb den Geheimrat Trogelius sein volkskundliches Interesse zum Floriwirt hin, zu fragen und zu hören.

Ja no, sagt da der Floriwirt, das ist halt einmal so in Altbayern: wir brauchen hin und wieder eine solche Auffrischung. Unser Inneres verlangt danach. Aber freilich, sagt er, an den blutigen Köpfen ist nichts zu ändern. Die kommen vielmehr alle, einer nach dem andern, zum Bader Duschl, und darum sind Meinungsverschiedenheiten bei uns immer für den Bader bares Geld. Und nicht bloß für den Bader. Auch für die Advokaten in Rettenbach draußen. Denn das müßte ein sauberer Bauer sein, sagt der Floriwirt, der sich einen Maulaufreißer und Lugenbeutel heißen und einen Maßkrug auf den Kopf setzen oder auch nur ein Halbeglas ins Gesicht schmeißen ließe, ohne sofort advokatisch zu werden. Und nicht bloß für die Advokaten. Auch fürs ganze Gericht, Gerichtsherrn wie Schreiber. Und nicht bloß fürs Gericht. Für die ganze Stadt Rettenbach, sagt der Floriwirt. Denn, sagt er, schaun Sie nur einmal an dem Gerichtstag, der diesen Doktor- und Baderprozeß zum Austrag bringt, in die Wirtshäuser der Stadt hinein, ob sie nicht gesteckt voll Bauern sind, und in die Kaufläden, ob nicht auch da verbundene Bauernschädel aus und ein gehen! Denn der Bauernstand, sagt er, ist nun einmal der Nährstand und bleibt es, auch wenn der Doktor Pfahler und der Doktor Obermaier, was höchst wahrscheinlich ist, sich vergleichen und die von ihnen eingebrockte Suppe unsere Bauern ganz allein auslöffeln lassen. Aber, sagt er noch zum Schluß, Sie müssen wissen, Herr Geheimrat, aus dem kleinen Anfang ist nur deswegen so ein Mordskrawall geworden, weil unsere Leut von der Kogler-Primiz her voller Aufregung und Streitsucht sind, die einen immer noch für, die andern verschiedener Vorkommnisse halber gegen den Primizianten, und das alles ist halt heut einmal explodiert. In vier Wochen kümmert sich keine Katz mehr drum. Aber zeitweis brauchen unsre Leut ihren Spektakel.

Schon kam das Abendrot über den See und bis in den Hausflur des Seefischers hinein. Der Balthasar Wurfleitner stand mit verbundenem Kopf, die Pfeife im Maul, unter der Haustür in dem rosigen Schein und sinnierte auf den See hinaus. Jetzt kam seine Alte dazu und lehnte sich an den andern Türpfosten. Keines sprach.

»No, was is 's? Was hast ghört?« fragt endlich die Frau. »Was sagen s' vom Priminzianten? Oder hast du dir dein Grind ganz umsunst verarbetn lassen?«

»O mei«, sagt der Balthasar, »a Kreuz is 's. As derf halt vo dö Geischlinga koaner a so sei, wiara gern waar. Und drum san s' allsamt mitanand a so, daß ma s' nöt mögen ko. Der Kogler Franzl werd scho aa no a so, brauchst koa Angst nöt ham. Wann er si a iatz no a bissei dagegn spreizt.« Und darauf schweigt der Seefischer wieder.

»Is dös alls, was d' ghört hast? Nacher hast da dein Schädel scho a so verschlagen lassen braucha.«

Der Balthasar Wurfleitner aber schweigt und sagt auch nichts mehr; sinniert nur im Abendrot auf den See hinaus.

Das ärgert und reizt die Frau. Und nach einer Weile schnuppert sie gegen den Balthasar hin, als käme von dorther etwas nicht ganz Erfreuliches. »Du, gell,« sagt sie, »paß ma auf! Daß 's nöt wieder so geht wia vor acht Tag! I kenn iatz 's Schacherlbier und i trau eahm nimmer und mag a nöt jeden Sunntag auf d' Nacht zua no 's Waschen o'fanga.« Und noch einmal schnuppert sie. »Hast ghört? Gell, aufpassen! Daß 's nöt wieder in d' Ho...«

»Ist bereits geschehen«, spricht indes der Balthasar Wurfleitner als das erste schriftdeutsche Wort seines mehr als sechzigjährigen Lebens.


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