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Altbayrische Leichenfeier

So viel Familiensinn, so viel Volkstreue, so viel allgemeine Wertschätzung – es war rührend und erhebend, wie diese Blinkfeuer des Menschenherzens gelegentlich der Beerdigung des Gastwirts, Großgrundbesitzers und Ökonomierats Gabriel Geis, Schimmelwirts von Schnecking, aufleuchteten, immer wieder, stundenlang, von früh sieben Uhr, wo die ersten Trauergäste vor dem alten, weitläufigen Landstraßenwirtshaus eintrafen, bis schier auf halb elfe hinzu, wo endlich das Seelenhochamt nebst Requiem zu Ende kam, und nunmehr der Schimmelwirt in seiner eigenen Wirtschaft vertrunken werden konnte. Sofern nicht Übereifrige dies schon während der kirchlichen Feier besorgten. Und es war großartig, wie Menschlichkeiten und Jenseitsdinge dem Schimmelwirt zu Ehren Gestalt gewannen und sich berührten.

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort; man weiß es. Von der Beerdigung des Schimmelwirts aber wird die Überlieferung festhalten: im Anfang war der Bezirksamtmann, und der Bezirksamtmann war beim Schimmelwirt, und der Schimmelwirt war aufgebahrt im ersten Stock.

Alle Dinge aber in Schnecking sind durch das Bezirksamt gemacht, und ohne dasselbige ist nichts gemacht, was gemacht ist, und der Schimmelwirt war Vorsitzender des Bezirkstags gewesen. Darum war auch der Kaufmann Habersack, der stellvertretende Vorsitzende, mit dem Bezirksamtmann gekommen und als dritter Zylinder der Finanzrat; denn auch Mitglied des Steuerausschusses war der Schimmelwirt.

Und diese drei Zylinder standen nun früh sieben Uhr nebeneinander vor dem alten Wirtshaus, unerhört für Schnecking: drei Zylinder auf einmal, ungemein wohltuend für die Hinterbliebenen und noch über das Grab hinaus ein vollwertiger Beweis für die staatsbürgerliche Tüchtigkeit des Abgeschiedenen. Und diese dreifache Bedeutung spiegelten auch die Gesichter unter den drei Zylindern wider.

Ihnen gegenüber nahm der Veteranenverein Aufstellung und ehrte auf das Kommando »Still gestanden!« den Verewigten durch Vorstrecken der Bäuche, die sich seit dem ruhmvollen Jahr 1870 in Schnecking angesammelt hatten. Der Hilfslehrer führte die Schuljugend auf, die vor einem unsinnig daherpreschenden Bauernzeugl nach allen Seiten auseinanderstob, doch ebenso schnell sich wieder zusammenfand. Weitere Wagen folgten und in dem aufgewirbelten Staub zahlreiches Bauernvolk zu Fuß; mitten darunter, von der nahen Bahnstation herüber, auch eine Musikkapelle aus der nächsten Stadt, sechs Mann stark, der Pistonbläser und Dirigent mit abgelebtem Zylinder. Die Schneckinger selber aber umstanden ohnehin schon seit geraumer Zeit vollzählig und im Sonntagsgewand das Trauerhaus.

Aus dem Gewimmel und Gesumm davor hört man jetzt die älteste Tochter des Schimmelwirts mit ihrer durchdringenden Stimme den günstigen Zufall preisen: »Es is a Glück, daß der Schweinsbraten a so außerriacht, sunst riachet ma eh scho an Vatern«; denn es ist Mitte August, die Nacht ohne Kühlung und der Tag voll Sonnenglut. Gleich darauf ertönt aus dem Hausflur der Totengesang der Geistlichkeit. Das Stimmengewirr vor dem Haus verstummt, die Köpfe entblößen, der Leichenzug ordnet sich. Die Geistlichkeit – der Pfarrer von zwei Kaplänen verbeistandet – tritt aus dem Haus, gefolgt von den sechs Leichenträgern mit dem Sarg, und unter den Klängen des Beethoven-Trauermarsches und dem selbst Tod und Verwesung überwindenden Duft des Schweinsbratens verläßt der Schimmelwirt für immer die Heimat. Mit lateinischen Gesängen möchte ihm, seinem langjährigen Tarockbruder, der Herr Hauptlehrer Dümlein, der als Choralist mit der Geistlichkeit gehen darf, das Geleite geben; allein der Pistonbläser und Ludwig van Beethoven lassen ihn nicht aufkommen, sooft er es auch versucht. Eine ganze Strecke weit währt dieser ungleiche Kampf. Dem Pistonbläser steht bereits infolge der musikalischen Überanstrengung das Gummivorhemd links aus dem Gehrock heraus, und dem Herrn Hauptlehrer schwellen die Halsadern fingerdick an; denn keiner will sich nachsagen lassen, daß er für die von den Erben zu bestreitenden erheblichen Unkosten nicht sein Bestes hergegeben hätte. Endlich verzichtet aber doch der Herr Hauptlehrer auf den weiteren Wettbewerb, und Ludwig van Beethoven beherrscht mit all den Heftigkeiten, Hemmungen und Eigenbröteleien einer Vorstadtkapelle, die für gewöhnlich nur den Ländler, den Schottisch und das Volkslied pflegt, das Feld.

Hinter dem Sarg schreitet die zahlreiche Verwandtschaft mit der Witwe, den schon erwachsenen Kindern, den Brüdern und Schwestern, Vettern und Basen und dem ganzen Korps der Weitschichtigen, alle schon durch ihr Gewand den Schmerz der Seele kündend, die Frauen obendrein auch durch Bereitstellung, ja, da und dort schon durch Inbetriebsetzung des Sacktüchls. »Jetzt! Jetzt!« hat schon mehrmals der Bezirksamtmann, der den Vortritt so vieler Unbedeutender nur schwer erträgt, die zwei andern Zylinder zur Einreihung in den Leichenzug aufgefordert, doch die Weitschichtigen behaupten durch lückenlose Aufeinanderfolge ihren Vorrang und lassen sich nicht abdrängen von den näheren Verwandten. So kommt es, daß zum erstenmal in seiner Beamtenlaufbahn der Bezirksamtmann hinter einem verkrachten Landkrämer und einem Sauschneider dreingehen muß, und der unverkennbar leidende Zug in seinem Gesicht gilt denn auch weit mehr dieser Nachtseite pflichtgemäßer Repräsentation als der Herzenstrauer um den Schimmelwirt. Daß übrigens die drei Zylinder, als Symbol kultureller Überlegenheit, auf ihren Köpfen bleiben, ist ein weithin sichtbares Zeichen der unüberbrückbaren Kluft zwischen Stadt und Land und findet auch als solches Beachtung und nicht allenthalben wohlwollende Kritik.

Nun folgt das deutsche Gemütsleben in seiner hehrsten Offenbarung: Dutzende von umflorten Vereinsfahnen, in ihren seidegestickten Sinnbildern ebenso die Ideale menschlicher Gemeinschaft, wie mit ihren blechernen Lanzenspitzen das lautere Gold vortäuschend. Zuletzt eine unabsehbare Menschenmenge aus nah und fern, die der kleine Gottesacker kaum zu fassen vermag, und die doch kein Wort verlieren möchte von der Grabrede des steinalten Pfarrers; denn sein Ruf als Leichenredner erstreckt sich über den ganzen Bezirk.

Schon ehe er beginnt, gehört ihm die Rührung aller. Sein ehrwürdiges Alter wie seine stillen Tränen lösen sie gleicherweise aus – kein Zweifel, der Priestergreis weint. Zum zweitausendzweihunderteinundzwanzigstenmal, will er endlich sagen, stehe er in seiner vierzigjährigen Seelsorge heute an einem offenen Grab. Die Höhe der Zahl bewegt ihn aber dermaßen, daß ihm jedesmal, wenn er daran ist sie auszusprechen, die Gemütserschütterung die Stimme verschlägt und er nur ruck- und stoßweise und über nicht wenige vergebliche Versuche hinweg zu seinem zweitausendzweihunderteinundzwanzigsten Grab gelangt. Doch niemals noch, fährt er dann mit erhobener Stimme fort, habe sich seiner die Empfindung so überwältigend bemächtigt wie an diesem Grabe.

»Is er denn«, fragt da ein Auswärtiger flüsternd einen Schneckinger, »mit 'n Schimmiwirt gar a so befreund't g'wen?« Und der Schneckinger flüstert zurück: »A na. Dös sagt er ja bei ara jeden Leich.«

Und nunmehr zählt der Priester im Silberhaar die Ämter und Ehrenposten des Verstorbenen auf, und man vernimmt die schwerwiegenden Worte: »Bezirksausschuß, Kreistag, Steuerausschuß, Berater verschiedener gemeinnützigen Vereine und Vertrauensperson für die Viehenteignung, kurz, ein äußerst verdienstvoller und ungemein tätiger Mann; er hatte elf Kinder.« Hierauf wendet sich der Pfarrer den metaphysischen Problemen und den christlichen Heilswahrheiten zu, lüpft jedesmal, wenn er die heiligsten Namen nennt, das viergeteilte Samtkäppchen, zeigt dabei jedesmal unter dem rechten Arm ein Mordsloch im Chorrock her und sagt zu guter Letzt: »Und nun laßt uns beten für das, was unsterblich ist an dem Heimgegangenen, der so fest an ein Fortleben geglaubt hat!« und schickt dem Schimmelwirt ein schlichtes Vaterunser nach.

Es sprechen sodann noch eine ganze Reihe Redner, vom Bezirksamtmann angefangen bis herunter zum ältesten Straßenwärter, die jedoch alle miteinander nichts Neues mehr vorzubringen wissen, mit Ausnahme des Feuerwehrkommandanten und seiner Eingangsworte: »Wir stehen hier am offenen Grabe des Herrn Ökonomierates Geises.«

Im Friedhofkirchlein schüttet unterdessen die Seelnonne oder Leichenfrau in zwei große Kupferkübel Wasser ein und mißt und mißt mit einem kleineren Gefäß um und ein und ein und um; denn sie ist weitblickend genug, um zu erkennen, daß das vorhandene Weihwasser für einen solchen Andrang von Leidtragenden, deren jeder dem Verstorbenen doch einen Wedel voll ins Grab nachspritzen will, eben einfach nicht ausreicht. Sie mischt es daher mit frischem, aber ungeweihtem Brunnenwasser und bringt dann ihr Präparat schleppend und schnaufend in den zwei Kupferkübeln an das Grab zu frommem Brauch und letztem Gruß. Es bleibt nur zu wünschen, daß die Verdünnung dem Schimmelwirt nichts schade.

In der Erde also wäre er jetzt. Wo aber weilt seine Seele? Um ihr für alle Fälle nachzuhelfen, schließt sich an das Begräbnis unmittelbar ein »dreispänniges« Seelenamt an, das ist eine Trauerprunkmesse, die der Pfarrer liest, während die zwei schon erwähnten, aus benachbarten Pfarreien herbeigeholten Hilfsgeistlichen ihm als Leviten assistieren. Kirchliche Prachtentfaltung kostet. Und die Erben des Schimmelwirts erklären denn auch hinterher, für so viel Geld hätte man schon mehr Sorgfalt auf die Auswahl der Leviten verwenden dürfen: nicht daß an ihnen – der eine übergroß, der andere ungebührlich klein – die heiligen Gewänder dranhängen, als hätt' der Teufel sie angemessen, um in die kirchliche Trauerfeier etwas Lustiges hineinzubringen. Des Pfarrers Paradeschnallenschuhe gleichen diesen Mangel ungeachtet ihrer übermenschlichen, auf das Podagra eingestellten Größe um so weniger aus als jetzt, am Hochaltar, bei jedem » dominus vobiscum« das Loch unterm rechten Ärmel noch von mehr Augen wahrgenommen wird als zuvor am Grab.

Was aber wäre selbst das feierlichste Totenamt ohne Opfergang? Erblickt doch erst in der Teilnahme am Opfergang, der jeden einzelnen an den wachsamen Hinterbliebenen vorüberbringt, die Volkssitte einen vollgültigen Nachweis für die letzte Ehrenerweisung. Und so stehen also zwei Zinnteller auf dem Hochaltar, das eine links, das andere rechts, und zwei weitere auf den beiden Seitenaltären, und ziehen in langer Reihe die Bauern an diesen vier Tellern vorbei, in jedes ihr Scherflein legend, zuerst die Männer, hierauf die Frauen, und eins hinter dem andern. Dazu braust und singt die Orgel, wie das so gewaltig und so fein und lieblich nur der Herr Hauptlehrer Dümlein aus ihr herausbringt. Und blaue Weihrauchwolken steigen auf und schweben in der goldenen Strahlenbahn, die durch das gelbe Altarfenster bricht, in sanften Wirbeln himmelwärts.

Solcherweise ist endlich auch für die Seele des Schimmelwirts genug getan, und alles verläßt die Kirche und strömt dem Wirtshaus zu. Da könnte es nun eigentlich auffallen, wie schnell sich die Angehörigen des Verstorbenen verwandeln. Soeben noch anscheinend, und zumal die Frauen, eine Beute des Schmerzes, sind sie, kaum daß sie den Boden des Vaterhauses wieder unter den Füßen haben, geradezu Vorbilder wirtschaftlicher Rührigkeit und unverdrossenen Erwerbssinnes. Es ist, als wäre mit dem Ablegen der Trauergewandung ein fremder, unnatürlicher Einfluß gebannt und über die Frauen mit dem Vorbinden der weißen Küchenschürzen, über die Männer mit dem Aufstülpen der Hemdärmel der Geist der angestammten Umwelt und Arbeit gekommen.

»Heda, Lenz! Eina mit der zwoaten Sau!« schreit die Mutter von der Küche in die Metzgerei hinaus; »dö erst ham s' scho glei aufgfressen.«

»Der Beni bringt s' eh scho«, schreit der Lenz in die Küche zurück und sofort auch in die Schenke hinein: »Xaverl, weiter! In der Gartenschenk geht 's Bier aus. Außi mit an neuen Banzen!« Und der Xaverl und die Zenzi rumpeln mit dem Bierwagl auf die Gartenschenke hinzu und stemmen miteinander das Faß auf den Schenktisch, daß man staunen müßte ob der Behendigkeit und Kraft und Gewandtheit, wenn solche Hantierung hierzulande nicht selbstverständlich wäre.

Der Lenz aber, selbst schon wieder mit Weib und Kind gesegnet, ist Erstgeborner und der Beni der Jüngste, und der Xaverl in der Mitten hat auch schon den Fünfundzwanziger droben, und um ihn herum, jünger und älter, wie man sie haben will, sind die Töchter gruppiert. Die Zenzi, die die Bierbanzen trotz einem Schenkkellner stemmt, und die Resl, die als Kellnerin im Garten werkelt, und die Lisi, die in der Stuben bedient, und die Stasi, die der Mutter in der Kuchl hilft, und die Urschi, von der der Vater so oft gesagt hat: wer für einen Hotelier eine Frau sucht, der sollte zur Urschi kommen, und die deshalb auch jetzt den Verwandten gegenüber die Honneurs machen muß. Keine einfache Aufgabe; denn ein Zuwenig an Aufmerksamkeit, die schon mit der Placierung der Freundschaft einzusetzen und dabei die entfernten von den nahen Verwandten scharf zu sondern hat, wird von der Stunde an mit einem Zuviel an Gekränktheit erwidert.

Um den Xaverl als Mittelpunkt herum sind aber vor etlichen zwanzig Jahren auch noch drei Buben eingefallen. Doch die haben schon vor dem Vater Feierabend gemacht und liegen jetzt irgendwo in Frankreich drin. Auch damals, als nacheinander die Trauerbotschaften kamen und nacheinander die Seelenämter für die gefallenen Schimmelwirtsbuben gelesen wurden, war es genau so wie heut, nur daß dazumal noch der Vater selber mitgewerkt hat. Denn immer und von jeher war auf dem Schimmelwirtsanwesen die Arbeit daheim, und niemand ist ihr aus dem Weg gegangen. Die Arbeitsfreude und – und – noch etwas. Man wird es ja ohnehin gleich sehen.

»Resl! Lisi!« schreit die Schimmelwirtin mit brennrotem Kuchlkopf, »der Schweinsbraten is ausganga. Aber 's Rindfleisch kost't dafür vo iatz o' grad so vui.« – »Is scho recht«, schreien die Lisi und die Resl zurück und schlagen sofort auf den Rindfleischpreis weiß Gott wie viel Prozente darauf. Zum Rindfleisch sind Kohlrabi nicht schlecht, aber – da müssen sie sein. Zwei dünne Scheibchen, die mutterseelenallein, auf einem flachen Dessertteller, in der wässerigen Sauce herumschwimmen, sind zu wenig; noch dazu für vierzig Pfennig. »Und iatz schütt't s' mir s'gar a no auf mei guate Hosen!«, hadert in der Stuben drin ein Trauergast, um jedoch von der flinken Lisi, während er die flüchtigen Scheibchen einfängt, nur die Antwort zu erhalten: »Hätt'st di nöt so dumm herghockt.« Schon setzt sie einem andern das bestellte Spitzel Rotwein vor und hat auf die Bemerkung seines Nachbarn: »Da kannst dir zahlen gnua, mei Liaber«, wiederum nur den bündigen Rat: »Sauft's a Bier, wenn Enk der Wein z'teuer is!« und ist bereits wieder im Nebenzimmer.

»A Fotzen hat s' da scho«, stellt der Bauer mit dem Spitzel Rotwein fest; »aber a so san s' beim Schimmiwirt allsamm.«

»Is ja der Vater a scho nöt anders gwen«, stimmt ein andrer bei.

»Und d' Muatter nacher erst«, sagt ein dritter. »Mei Liaber, dö wann di anblast, da derfst di ei'halten, daß 's di nöt umwaht!«

»Aber halt tätige Leut, all mitanander. Beim Zeug vo fruah bis spat. Und a Deanstbot, der da nöt mittuat, der ko si beim Schimmiwirt nöt halten.«

»Tätig und ausgschamt«, sagt der Mann mit der Kohlrabisauce auf der Sonntagshosen. »Vierzg Pfenning für a Kohlrabibrüah!«

»Und für a Schöppei Rotwein neunzge!« mischt sich einer vom nächsten Tisch her darein. »Is so öpps ebba nöt himmischreiend?«

»Hab i nur bloß für d'Suppen scho dreißge zahlt.«

»Himmikreuzsakrawalt! Dös is ja do dö aufglegte Seerauberei. Aber a so san s' beim Schimmiwirt allewei scho gwen. Und es is eahna koa Tag z' heilig, und es is eahna koaner z' traurig. Wo s' an Zuagriff hamm, da langen s' nöt daneben.«

Überm Tisch der Sprechenden hängt von der Stubendecke ein Glasbehälter herab, darin ein sechsspänniges Botenfuhrwerk an die stolzen eisenbahnlosen Landstraßen- und Fuhrmannszeiten erinnert. »A so san s' beim Schimmiwirt scho gwen,« sagt ein ganz alter Bauer, »wia s' no a so« – er weist auf das von der Decke herabhängende Wahrzeichen hin – »bis aus Italien außergfahrn san.«

»Und a so«, sagt einer, »wern s' a no in hundert Jahr sein. An Lenz seine Kinder, dö taaten ja eh liaber heut scho mit.« –

Es will mich bedünken, als wäre gerade diese ahnentreue Art, Gutes und Ungutes umschließend, das Unsterbliche am Schimmelwirt, für das der alte Pfarrer gebetet hat. Und in dem Punkt konnte der Schimmelwirt freilich beruhigt sein. Er hat sein Teil, über Tod und Grab hinaus, in Kind und Kindeskind: Fortsetzung der Persönlichkeit. Auch das ist Altbayern.


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