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Die Entente

Ein schüchterner Metzger – das klingt ja wie: ein fliegender Elefant! Und doch, der Metzgermeister Brandauer, der erst kürzlich von seiner Mutter das schöne Geschäft in der Wamslergasse übernommen hatte, war schüchtern. An einem solchen Prügelmenschen mag das komisch wirken, ändert aber an der Sache nichts: er war's.

In seiner Schüchternheit wußte er sich nicht anders zu helfen, als mit seinem Apfelschimmel und seinem Einspännerwägelchen, hinter sich den empfangsbereiten eisernen Schweinskäfig, zum Gschwendtnerbauern nach Tirlaching hinauszufahren und mit ihm über sein fünf Zentner schweres Mutterschwein zu handeln, in der verschwiegenen Hoffnung, dabei die einzige Tochter des Großbauern, die Gschwendtnerbauern-Kathl, zu sehen, zu sprechen usw. usw.; denn die Kathl war nach seinem Geschmack. Doch er kam nicht zu Schuß, nicht auf das Schwein und nicht auf die Kathl, und hielt deshalb eben jetzt schon zum drittenmal mit seinem Eisenkäfig vor dem Gschwendtnerhof; denn, dachte er, alle guten Dinge sind drei. Und richtig, heut wurde er mit dem Gschwendtner handelseins, wenigstens über das Schwein. Fünf Zentner! Und was ihm für den Augenblick fast ebensoviel wert war: heute ließ sich doch endlich einmal die Kathl sehen.

Im Kuhstall hantierte sie, und der junge Brandauer – sein Vater, Gott hab' ihn selig, wirkte nämlich sogar aus der Ewigkeit herüber immer noch als »der alte« nach – nahm sich einen Anlauf und sagte mit einschmeichelnder Stimme: »Kathl – d' Sau möcht i holen.«

»Hol s',« sagte drauf die Kathl in ihrer robusten Art, »wenn du s' außer bringst.«

»Hilf mir halt, Kathl!«

»I nöt« – dem Metzger Brandauer schnitt es durchs Herz – »aber sag 's dem Dünngselchten da draußen!« und sie deutete nach einem langen, hageren Kriegsgefangenen, der die serbische Mütze trug und vor dem Stall Getreide ablud. Sack für Sack nahmen drei weitere Gefangene in Empfang.

Davon trug einer das französische Infanterie-Käppi, ein zweiter die Richard Wagner-Mütze der französischen Alpenjäger und der dritte die simple Russenkappe. Da obendrein der Alpenjäger ein Franzose weder war noch sein wollte, sondern ein vom Hunger unter die Soldaten getriebener italienischer Rivierakellner, so diente, von England abgesehen, beim Gschwendtnerbauern die ganze Entente. Wieso man gerade ihm, der in seinem ganzen Hof und Leben auf Gleichmaß und Ordnung alles hielt, dieses Sammelsurium aufgehängt, mag ununtersucht bleiben. Genug, sie diente bei ihm, und er war zufrieden mit ihr.

Nun winkte also der junge Brandauer – die Kathl hatte sich, unbekümmert um des Metzgers verletztes Gefühl, längst wieder den Kühen zugewendet – voll Schwermut den Serben zu sich heran. Der Serbe gab nichts drauf. Nun drückte der junge Brandauer durch Wort und Geste seinen Wunsch aus. Der Serbe sagte: »Nix daitsch.« Und auch die übrigen Gefangenen stellten sich taub und grinsten nur, kicherten aber unter sich über den dummen Tölpel und seine Sau und wünschten beide zum Teufel. Somit versuchte der Metzger Brandauer allein das schwere Werk. Es spottete nur, soviel Gepolter sich auch aus dem Schweinsstall vernehmen ließ, seiner Kräfte.

Da erbarmte sich die Kathl. »Dünngselchter,« rief sie, aus dem Kuhstall tretend und nach dem Schweinsstall daneben deutend, »Sau heraus!« – Oh, hätte es der junge Brandauer gehört! – »Helfen! Vorwärts!« Und siehe da: der Serbe verstand auf einmal Deutsch, sprang über den Russen hinweg, dem er gerade einen Sack über Schulter und Buckel legte, vom Wagen und rannte mit einer Dienstwilligkeit ohnegleichen nach dem Schweinsstall. Und weiter: der Russe warf seinen Sack vom Buckel und sprang nicht weniger hilfsbereit dem Serben nach, der Franzos, indem er den Hofhund überrannte, dem Russen und dem Franzosen der Italiener. Dieses Wunder aber hatte – die Liebe gewirkt.

Alle vier teilten nämlich den Geschmack des Metzgers Brandauer bis in die letzten Konsequenzen. Allen vieren erschien die große, kraftstrotzende Person mit den blonden Haaren und hellen Augen, dem schnellen Handeln und kurzen Reden, dem scharfen Befehlen und lustigen Lachen als ein solches Übermaß, eine solche Außerordentlichkeit des Weibes, daß der ungewöhnlichen Erscheinung gegenüber Unmut, Trotz, Haß und Unglück sich in ihr Gegenteil wandelten und die Düsterheiten menschlichen Wesens nur noch in den Kellergewölben der Eifersucht fortgrollten, hier allerdings immer wieder, das eine Mal ohne, das andere Mal mit Willen der Bauerntochter, die an »ihren vier Evangelisten« ihren derben Spaß hatte, zu neuem Leben entfacht. Und so auch jetzt wieder.

Denn war der Serbe als der zuerst Aufgerufene aus reiner Liebe, glücklich, der Kathl einen Dienst erweisen zu dürfen, über den Russenbuckel hinweg nach dem Schweinsstall geeilt, so rasten ihm die drei übrigen Mitglieder der Entente aus purer Eifersucht und in der unschönen Absicht nach, dem Kameraden ja keine Gelegenheit zu gesonderter Auszeichnung und alleinigem Gunstgewinn zu lassen. Und aus diesen Beweggründen menschlichen Liebeswebens tobten sie jetzt alle vier in dem engen Stall auf das verständnislose, nichtsdestoweniger aber sehr unangenehm berührte Mutterschwein ein.

»Auf!« ermunterte es zum Gott weiß wievielten Male der Metzger Brandauer, indem er in tiefer Schwermut über Kathls unzarte Absage dem guten Tier einen Fußtritt versetzte. Vergebens. Da spannte sich aus reiner Liebe der Serbe an das rechte, aus purer Eifersucht der Franzos sich an das linke Schweinsohr, bearbeitete in einem dunklen Gefühl der Zurücksetzung der Russe den Borstenrücken mit einem Geißelstecken und schob in stiller Sehnsucht nach Ehe und Häuslichkeit der Italiener, in seiner tiefen Schwermut der Metzger Brandauer am Hinterteil des Schweines. Vergebens. Und vergebens rief der Sohn der Azurküste, indem er schob und schob: »Avanti, signora! Avanti!« Die Sau, des Italienischen nicht mächtig, grunzte nur und blieb liegen, wo sie lag.

Da aber öffnete von außen der Roßbub sperrangelweit die Stalltür, und kaum witterte die Signora Morgenluft und Freiheit, so schnellte sie auf, warf den Serben und den Franzosen an die Wand und schoß zur Tür hinaus. Es war ein Glück, daß der Metzger Brandauer in seltener Geistesgegenwart noch im letzten Augenblick das Schwänzchen erhascht, es sich mit Gedankenschnelligkeit um das rechte Handgelenk geschlungen, mit der linken Hand gleichfalls zugegriffen hatte und so, durch sein beträchtliches Schwergewicht die Anfangsgeschwindigkeit des gereizten Tieres immerhin etwas ermäßigend, mit der Sau zum Tempel hinausfuhr. Vor dieser germanischen Gewandtheit und Ausdauer blieb die Entente mit offenen Mäulern und starrenden Augen zurück, wie einstmals die Zeitgenossen des Propheten Elias, als er vor ihren erstaunten Gesichtern auf und davon kutschierte. Doch nur eine Sekunde. Dann spannte der Serbe seine dünnen Beine aus, stürzten seine Kameraden hinter ihm her und Herrn Brandauer nach, wobei es in vier europäischen Sprachen von Verwünschungen gegen die Sau nur so widerhallte.

Diese stürmte mit dem Metzger Brandauer als Lohengrin schnurgerade auf den Hofbrunnen zu, wo die Kathl von Brabant die Arme in die Seiten stemmte und in breitem, schallendem Lachen ihre herrlichen Perlenzähne zeigte – zu neuer Entflammung der Entente, deren einzelne Mitglieder, gleichsam unter dem Banne eines »Jetzt oder nie«, ihr Bestes zeigen wollten und auch sogleich zeigen konnten; denn der Schwan des Metzgermeisters Brandauer hielt nicht vor dieser Elsa an. Sauste vielmehr daran vorüber, und sein Gralsritter machte dabei ein Gesicht, das von den leuchtenden Idealen seiner Sendung nichts, aber auch gar nichts verriet, das aber vermutlich auch jeder andere gemacht hätte, dessen Herz von Schwermut überfloß und dessen Händen im rasenden Weltenlauf kein anderer Anhalt als ein Sauschwänzchen verblieb.

Die allgemeine Erwartung ging dahin, daß das Schwein, in der nun einmal eingeschlagenen Richtung fortrennend, alsbald den Hof verlassen haben werde, und die Kathl rief deshalb auch schon nach: »Pfüa God, Herr Brandauer!« Aber das ist eben das Eigentümliche an diesen inkonsequenten Tieren, daß sie immer und überall das Unvorhergesehene, Unerhörte, ja Widersinnige zum Ereignis machen, was in unserm Fall soviel heißt als: das Schwein umkreiste das Göpelwerk – nur ungeheure Kraft oder langjährige Übung konnte Herrn Brandauer zu dieser Schleifenfahrt befähigen – und kehrte, ventre à terre, zur Entente zurück. Jetzt oder nie!

Jetzt! dachte der Serbe und warf sich in aufopferndem Frontalangriff auf das Mutterschwein. Der Anprall war fürchterlich. Weil er aber den Dünngselchten tief unten an die Beine traf, so stürzte der vornüber und kam dadurch für einen Augenblick auf die Sau zu liegen, der es jedoch auf diese Mehrbelastung nicht anzukommen schien; denn sie setzte ohne Verzögerung ihren Lauf fort. Dabei saß der Serbe, der sich sofort mit Hilfe seiner langen Beine aufgerappelt hatte, zuhinterst auf dem wilden Tier und hielt sich nun auch seinerseits mit beiden Händen an dem Schwänzchen fest, das für vier Hände fast zu kurz war. Da er das Gesicht nach rückwärts kehrte, so hätten er und der Metzger Brandauer sehr wohl, wie zwei Freunde bei einer gemeinsamen Spazierfahrt, über die Anmut und Abwechslung der Gegend, ihren Reichtum an Naturprodukten und die Eigenart ihrer Bewohner sich unterhalten können, wenn sie dazu die Ruhe des Gemüts besessen und überdies einander verstanden hätten. Unter den obwaltenden Umständen indes schwiegen sie.

»Muatter, Muatter! Schau nur grad an dünngselchten Tanzlehrer o'!« rief da die Kathl, die eben die alte, gichtbrüchige Frau mehr aus dem Hause trug als führte, um sie durch das lustige Schauspiel aufzuheitern. »Er wird ja do nöt heut no auf Serbien hinteri reiten wollen! Jessas und iatz der Professa! Muatter, schau!« Damit meinte sie den Franzosen, der dem Schwein, um es zu blenden und so zu stellen, eine schwarze Wagenblahe überwerfen wollte, damit aber zu langsam war und nun den serbischen Bundesgenossen verhüllte, gleichsam zur Trauer um sein armes Vaterland.

Darob packte die Heiterkeit sogar das eckige Gesicht des Gschwendtnerbauern an, der mit Frau und Tochter aus dem Haus gekommen war, und weil ihn der Roßbub noch nicht ein einziges Mal hatte lachen sehen und dieses Lachen den Buben noch merkwürdiger als die Sauhatz dünkte, so blieb er mitten in der Bahn stehen und starrte den Bauern an. Wupps – da lag er auch schon, und mit dem Metzger Brandauer und der serbischen Landestrauer, die der Dünngselchte vergebens sich bemühte abzuschütteln, ging es über ihn weg.

Doch was ist auf die Dauer ein einfaches Schwein gegen das halbe Europa! Ist es nicht schon Leistung genug, daß es noch zweimal – alle guten Dinge sind drei, dachte wohl auch das Schwein – das Göpelwerk umkreiste und noch einmal gegen den Hofbrunnen zurückkam? Dann aber schien sein Geschick besiegelt und das Ende mit Fußfessel und Eisenkäfig gewiß und diesmal mit dem Metzger Brandauer vorndran und der Signora hinten. Es hatten nämlich der Franzos, der Italiener und der Russe sich die Hände gereicht und traten so vor dem Brunnen dem Unband entgegen, und drei solche Nationen zu durchbrechen, das wird sich sogar ein Fünf-Zentner-Schwein überlegen. Und in der Tat, die Sau blieb stehen, und zur Beruhigung der aufgeregten Nerven kratzte sie der Italiener, durch seinen Zivilberuf mit den feineren Umgangsformen vertraut, am Hinterkopf, indes seine beiden Bundesbrüder nach Stricken riefen und liefen.

Diese Pause benutzte der Serbe, um abzusitzen, sich von der Wagenblahe zu befreien und überhaupt, für heute wenigstens, den ganzen Minnedienst zu quittieren; übelgelaunt zog er sich nach der Scheune zurück. Der Metzger Brandauer dagegen harrte, sei es aus Ehrgeiz, sei es aus Pflichtgefühl, sei es vielleicht auch in der geschäftlichen Erwägung, den Gschwendtnerbauern könnte, wenn die Sau nicht sofort entführt werde, der Handel wieder reuen, auf seinem exponierten Posten aus, und das war sein Unglück. Denn während der Italiener sie so schmeichlerisch und höflich kratzte, dachte die Sau: O ihr Elenden! Zuerst eine arme, anständige Frau und Mutter zahlloser Kinder, von denen sie auch nicht ein einziges wieder aufgefressen, nach allen Dimensionen malträtieren und dann, als wär' alles nur zum Spaß gewesen, ihr den Kopf kratzen, – jawohl, sonst nichts mehr, adje! und machte mit einer so rabiaten, beispiellos schnellen Wendung kehrt, daß der Metzger Brandauer wie ein Federball an die Steinbrüstung des Brunnens flog, zu allem hin noch mit dem rechten Bein in eine Sense hinein, die, die Klinge nach unten, am Brunnen lehnte. Besinnungslos und blutüberströmt blieb er liegen, und die Jagd war aus. Statt des Mutterschweins fuhr man an diesem Tag den Metzger Brandauer in die Stadt, was für den Apfelschimmel eine Differenz von drei Zentnern ausmachte. –

Auf dem Gschwendtnerhof kamen die Herbstarbeiten früher als sonst und anderswo zu End, und der Bauer sagte zu den vier Evangelisten: »So, weil 's g'arbet't habts dö ganze Zeit her, brav und flink, wie es sich g'hört« – nur »wegen die Gathl«, dachten die vier Evangelisten – »macht's iatz heut amal Feierabend und sitzts enk in d' Stuben 'nei und Kathl, du tragst auf!« Es war erst drei Uhr nachmittags, die Kriegsgefangenen ließen es sich nicht zweimal schaffen, und die Kathl trug auf.

Als auch der Bauer sich hinzugesellen wollte, kam gerade der Postbote und stellte ihm mit viel Umständlichkeit ein Schreiben zu: Klage des Justizrats Deutelmoser für den Metzgermeister Joseph Brandauer – was will denn gar der? – auf Kurkosten und Schmerzensgeld, zusammen an die achthundert Mark – nicht schlecht, was? – Apothekerkosten auch gleich dabei – was der Doktor noch stehen läßt, rupft ja immer der Apotheker weg – drei Wochen bettlägerig – wer's glaubt! – weitere vier arbeitsunfähig – warum denn nicht gleich lebenslänglich? – Verdienstentgang, Schadensersatz – dem Gschwendtnerbauern wurde es grün und blau vor den Augen – einstweilen noch vorbehalten – brav! – aber über alles andre Verhandlung vor dem Amtsgericht Rettenbach am 16. November um 9 Uhr – gute Nacht!

Konnte da der Gschwendtnerbauer noch an der Bewirtung seiner Gefangenen teilnehmen? Nein. Sondern: selber schirrte er seinen Rappen an und wie das Wetter sauste er hinein in die Stadt und hinauf zum Rechtsanwalt Biersack. Der würde schon dem Brandauer seine Bettlägerigkeit und dem Deutelmoser seine Flausen austreiben, seine »fahrlässige Körperverletzung« und »pflichtvergessene Sorglosigkeit«, die hier eine Sense stehen läßt und dort zur Bändigung eines rasenden Mutterschweins einen Professor und einen Tanzlehrer verwendet. Als ob einer wegen seines Spitznamens schon gleich auch ein wirklicher Professor sein müßt'! Und als ob es in den zehn Geboten Gottes verordnet wär', daß an einem Sauschwanzl nur grad bloß ein Metzger sich einhalten darf und nicht zur Abwechslung auch einmal ein Tanzlehrer. Noch dazu einer aus Serbien, der neun Monate im Jahr mit Vieh handelt und drei, weil im Winter ja doch die Wasserfracht eingestellt ist, als Tanzlehrer sein Brot verdient!

Der Biersack zeitigte denn auch eine so stachlige, so boshafte »Beantwortung der Klage« her, daß der Gschwendtnerbauer in seiner hohen Zufriedenheit den dreiundzwanzig Seiten langen Schriftsatz alsbald seinen vier Gefangenen vorlas, und es ist nur zu bedauern, daß sie kein Wort davon verstanden. Lediglich in dem einen Punkt teilte er nicht die Meinung seines Vertreters, daß er nämlich nicht schon gleich im ersten Verhandlungstermin mit den vier Kriegsgefangenen als Zeugen und einem Dolmetsch obendrein aufmarschieren solle. Er kehrte sich auch nicht daran, sondern wartete am 16. November mit der Kathl, dem Roßbuben und der gesamten Entente (von England abgesehen) vor dem Gerichtssaal. Der Metzger Brandauer mit seiner Handvoll Deutelmoser nahm sich dagegen armselig genug aus.

Aber der Gschwendtner kam nicht zum Zug mit seinen Eideshelfern; denn alsbald nach Beginn der Verhandlung begab sich der Justizrat Deutelmoser auf das Podium und flüsterte über den Gerichtstisch hinüber dem Oberamtsrichter Gaugigl ein langes und breites ins Ohr, worauf der Richter sich an die beklagte Partei also wendete: »Der Vertreter des Klägers hat mir soeben eröffnet, daß sein Mandant augenblicklich die Klage zurückzöge, wenn ...«

»Aha,« höhnte der Gschwendtner, »wird eahm iatz anders, weil er meine Zeugen siecht!«

»Nöt wegen deine Zeugen, Gschwendtnerbauer. Auf dös Gschwerl derfst dir nix einbilden! Sondern wegen ... wegen ...« Der Metzger Brandauer brachte es nicht heraus.

»Gschwendtner,« sagte deshalb der Richter, »kommen Sie her!«

»Wohin?«

»Da her – zu mir!«

Die drei Stufen des Podiums krachten und knarzten, als der Bauer bedächtig und mißtrauisch sie hinaufstieg.

Nun flüsterte wieder der Oberamtsrichter Gaugigl dem Gschwendtnerbauern ein langes und breites ins Ohr, also, daß der Gschwendtner sagt: »Jatz dös is guat!« und sinnierend die Stufen wieder herabsteigt und jetzt seinerseits der Kathl hinwiederum ein langes und breites ins Ohr flüstert.

»Jatz dös is guat!« sagt darauf ihrerseits hinwiederum die Kathl, und weil der Metzger Brandauer sie jetzt gar so gefühlvoll anschaut, so steht sie von ihrem Sitz auf, geht auf den Brandauer zu und sagt: »Ja, mir is 's recht. Du bist mir nia zwider gwen. Aber dös hättst ja glei sagen kinna, Türkl, damischer!« und gibt dem Metzger die Hand.

»Die Klage wird hiermit zurückgezogen«, schreit da der Justizrat Deutelmoser, und der Oberamtsrichter Gaugigl, der nichts lieber hört als dieses Halali, sagt zum Gerichtsschreiber: »Tragen Sie sofort den Prozeß als erledigt ab!« und erhebt sich: »Dem Brautpaar meinen herzlichsten Glückwunsch!« und ist schon weg auch.

Alles geht. Mit der Kathl der Metzger Brandauer. Und zwar so leuchtend, so glücklich, daß die gesamte Entente (von England abgesehen), nichts Gutes ahnend, den beiden nachschaut.

Schon vom nächsten Tag an sah der Gschwendtnerbauer sich zu der seitdem oft wiederholten Feststellung veranlaßt: »A faulere Bande hab i meiner Lebtag no nöt hergfuattert.« Als eben die Entente, meinte er.


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