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XII. Der genußsüchtige Ehemann

Eigentlich kann ich nicht recht sagen, warum ich eine besondere Kategorie: »der genußsüchtige Ehemann« mache, denn mit wenigen Ausnahmen sind sie es Alle ... mehr oder minder.

Man sagt zwar immer, wenn man sich heirathet: »O, jetzt haben die Thorheiten ein Ende ... ich will solid sein ... ich habe die Welt genossen ... Beim Licht betrachtet, ist es doch immer der gleiche Spaß; darum bin ich fest entschlossen, bei meiner Frau zu bleiben.«

Einige Monate später spielt der Ehemann den Artigen, den Stutzer, den Verführer bei jeder hübschen Frau; er liebäugelt, seufzt, wagt sogar Erklärungen, ganz, als ob er nicht verheirathet wäre; nur mit dem Unterschied, daß die Klugen keine Liebesbriefchen schreiben, oder, falls sie die Sache nicht anders anzugreifen wissen, ihre Handschrift verstellen, gar nicht oder einen fingirten, oder einen verabredeten Namen unterzeichnen; denn: Verba volant, scripta manent. (Das Wort verfliegt, der Buchstabe bleibt.)

Fast alle solche Herren eignen sich ein hübsches Nämchen an, von dem ihre Frau nie Etwas gewußt, und in den Cirkeln, wohin sie als Junggesellen gehen, auf den Lustpartien, bei den Grisetten und Maitressen wird sich Herr Dupont Arthur nennen, Herr Benoît Carl, Herr Durand Isidor u. s. w.

Der Portier ist immer im Geheimniß; die Herren verfehlen nicht, ihm zu sagen: »Wenn Briefe für Herrn Isidor ankommen, werden sie mir zugestellt, aber nur, wenn ich allein bin; niemals in Gegenwart meiner Frau.«

Deßgleichen verstehen es die Ehemänner, einander zu helfen, sich in ihren galanten Abenteuern unter die Arme zu greifen.

So hat zum Beispiel einer der Herren ein Stelldichein auf den nächsten Tag mit einer jungen gefühlvollen Person, mit welcher er ein kleines Diner in geschlossener Gesellschaft innerhalb oder außerhalb der Mauern feiern möchte.

Demgemäß geht er zu einem seiner Freunde, der gleich ihm verheirathet und für außereheliche Flammen empfänglich ist. Er nimmt ihn bei Seite und sagt: »Morgen esse ich mit Dir zu Mittag ...« – Wie, morgen? ... Verzeih, ich wußte nicht ... – »So höre doch! Morgen wird angegeben, ich speise mit Dir im Gasthaus ... in Folge einer Wette, einer abgemachten Partie ... Du begreifst mich? ... Ich habe das zu meiner Frau gesagt, weil ich morgen nicht zum Essen heimkommen will: Verstanden?« – Ah, sehr gut! Das trifft sich süperb, denn ich speise morgen gerade auch auswärts. – »Wenn Du einen Augenblick zu einem Besuche bei mir Zeit hättest, so solltest Du vor meiner Frau von unserem Mittagessen mit mir sprechen, dann käme es ganz natürlich heraus.« – Recht gerne, ich will mich gleich zu Dir aufmachen. – »Großen Dank, mein Freund, ich gebe Dir ein anderes Mal Revanche!« – »Alle Wetter! ich rechne darauf.«

Und im Laufe des Tages besucht der gute Freund unsern glücklichen Seladon, und ermangelt nicht, ihm in Gegenwart seiner Frau zu sagen: »Morgen also speisen wir zusammen; ich hoffe, Du hast es nicht vergessen.« – Gewiß nicht, um fünf Uhr in der Rotunde, glaube ich ... – »Um fünf Uhr, aber präcis; auf den Schlag hin, wie die Soldaten – Madame, ich bitte um Verzeihung, daß ich Ihnen morgen Ihren Gemahl entführe; aber es ist ein schon lange bestelltes Diner von Herren. Uebrigens können Sie ganz beruhigt sein, wir werden keine Thorheiten machen.«

Und Madame hat die Güte zu antworten: »Ich bin immer ruhig, wenn ich meinen Mann in Ihrer Gesellschaft weiß.«

Der genußsüchtige Ehemann ist durchschnittlich kurz angebunden mit seiner Frau; dagegen steht er ihr selten im Wege, und verspricht ihr, was sie will; wünscht sie in's Concert zu gehen, in's Boulogner Wäldchen, ein neues, famoses Stück zu sehen, einen Tag auf dem Lande zuzubringen, so antwortet er immer: »Ja, wir werden gehen, ich werde Dich dahin führen ... ich verspreche es Dir.«

Und die Versprechungen erneuern sich alle Tage, aber gehen niemals in Erfüllung. Bisweilen wird die Frau ungeduldig und spricht: »Bald ist es ein Jahrhundert, daß Du mir versprochen hast, mich auf's Land zu führen ... Es kann kein besseres Wetter geben als heute; warum gehen wir nicht sogleich?« – Heute kann ich nicht; ich habe Geschäfte ... muß zwei Männer des Gesetzes besuchen ... – »Nun und morgen?« – Ja doch ... Aber nein! ich vergaß ... es ist unmöglich: morgen gehe ich zu einer Verhandlung von Gläubigern eines Gantmannes; ich darf dabei durchaus nicht fehlen. – »Also übermorgen?«

Aus seiner letzten Schanze hinausgeworfen, antwortete der Herr: »Uebermorgen, da bleibt es ausgemacht.« – Ich werde mich zu guter Stunde ankleiden. Wir gehen um 12 Uhr Mittags, nicht wahr? – »Ja, um Mittag meine Theure!«

Am festgesetzten Tag hat Madame schleunigst ihre Toilette gemacht; sie ist noch ein wenig vor 12 Uhr fertig und frägt die Stubenjungfer nach ihrem Manne.

»Der Herr ist vor 11 Uhr ausgegangen, hat jedoch gesagt, er werde bald wieder heimkommen.«

Die Frau wartet.

Eine Stunde verfließt; Madame legt sich jeden Augenblick in's Fenster, hoffend, ihren Mann kommen zu sehen.

Eine zweite Stunde verfließt ... dann wieder eine ... Madame hat keine Hoffnung mehr ... sie legt traurig Hut, Shawl und Kleid ab.

Endlich gegen vier Uhr langt der Gemahl an, ganz außer Athem, ganz schweißtriefend und völlig ermattet.

»Wie? Du bist nicht gerüstet?« ruft er seiner Frau zu. – »Gerüstet! ... Ich war es am Mittag ... ich war es noch vor einer Stunde; da ich Dich aber nicht mehr heimkommen sah, habe ich mich ausgezogen. – »Hätte ich das gewußt, so wäre ich nicht so sehr gerannt!« – So, Du bist gerannt ... und kommst um vier Uhr, da wir um 12 Uhr weggehen wollten! – »Ich kann nichts dafür, daß mir Personen begegneten, die mich aufhielten.« – Du begegnest immer derartigen Personen. Es wäre besser und aufrichtiger gewesen, Du hättest mir gesagt, daß Du nicht mit mir ausgehen wolltest, dann wäre mir die Mühe, mich an- und auszukleiden und auf Dich zu passen, erspart geblieben. – »Ah! Du willst wieder bellen, schreien, zanken! ... In diesem Fall gehe ich ...«

Und der Herr nimmt seinen Hut und verschwindet.

So endigen die meisten Partien, welche die Frau mit einem Mann, der ein Wüstlingsleben führt, verabredet.

Bisweilen jedoch kann der Ehemann unmöglich einem Ausgang mit seiner Frau entwischen; diese hat sich auf's Sorgfältigste herausgeputzt und brüstet sich stolz am Arme ihres Gatten; in der That, die Sache ist so selten, daß sie einigen Werth haben muß.

Aber kaum hat das Paar ein Stück Weges zurückgelegt, so hält der Mann, wie von einem plötzlichen Gedanken ergriffen, inne und ruft aus: »Ach! mein Gott! ... und jener Sachwalter, der mich erwartet ... ich muß ihn wenigstens benachrichtigen ... er wohnt nur zwei Schritte von hier ... halt, meine Theure, gehe langsam voran, wende Dich links nach dem Boulevard, bleibe immer auf der gleichen Seite ... im Augenblick bin ich wieder bei Dir.«

Und ehe noch die Frau Zeit zu einer Antwort finden konnte, ist ihr Mann verschwunden und hat sie allein mitten auf der Straße stehen lassen. Sie entschließt sich, langsam weiter zu gehen; sie schlägt genau die bezeichnete Richtung ein. So geht sie ein Paar Stunden auf und nieder, sieht ihren Mann nicht mehr, und ist genöthigt, allein heim zu wandeln.

Abends aber schilt ihr Mann, zurückkehrend: »Begreife das, wer kann! ... ich habe Dich an allen Ecken und Enden aufgesucht, bin wie ein Narr auf den Boulevards hin- und hergerannt und konnte Dich nicht wiederfinden.«

Wenn der Wüstling-Ehemann einem unverheirateten selbstständigen Frauenzimmer den Hof macht, so sagt dieses gewöhnlich: »Aber wenn Ihre Frau wüßte, daß Sie Anderen schöne Worte geben!«

Unser Ehemann ermangelt niemals, zu erwidern: »Du lieber Himmel! ... kümmert sich denn meine Frau darum? ... Erstens genießt sie einer schlechten Gesundheit ... ist fast immer krank ... da begreifen Sie! ... Wenn sie nur zu Hause Alles hat, dessen sie bedarf ... wenn sie sich ihr Tränklein bereiten, ihre Küche überwachen, ihr Zimmermädchen abzanken kann, so ist sie glücklich.«

Was aber dergleichen Herren sagen, hindert ihre Ehefrauen nicht, sich sehr gut zu befinden und an etwas ganz Anderes zu denken, als an Latwergen und ihre Küche.

In der That, wenn man alle Schleichwege, alle Kunstgriffe, alle Verlegenheiten, alle Laufereien und Strapazen sieht, welche das Handwerk eines Wüstling-Ehemanns begleiten, so frägt man sich mit Recht, ob diese Herren nicht glücklicher wären, wenn sie ihre Frau liebten?

Kommen sie euch nicht vor wie saumselige Zahler, welche bald diese, bald jene Straße vermeiden, um keinem Gläubiger zu begegnen, und in ein Paar Tagen ohne viel Vergnügen mehr Geld ausgeben, als sie gebraucht hätten, um Jedermann zu befriedigen und ihre gewohnten Gänge ohne Verlegenheit machen zu können?


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