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II. Der Neuvermählte oder – wie man sagt – die Flitterwochen

Erstens steht der Neuvermählte sehr spät auf; man kann ihn fast nicht aus dem Bette bringen. (Es versteht sich von selbst, daß seine Frau auch noch darin liegt.)

Ist er ein Beamter, so sagt er: »Ach, meiner Treu', ich komme zu spät, um das Eintrittsverzeichniß bei dem Thürsteher zu unterzeichnen, ich gehe lieber gar nicht hin.«

Ist er Kaufmann, so sagt er: »Die Commis sind unten, sie brauchen mich nicht zum Oeffnen des Magazins. Morgens wird nicht viel gekauft; außerdem müssen die jungen Leute sich auch selbst ausbilden, ich kann sie nicht unaufhörlich überwachen.«

Ist er ein Geschäftsmann, so sagt er: »Ich habe zwar auf heute Morgen eine Zusammenkunft mit Jemand ausgemacht ... aber ich finde mich heute Abend ein, das wird auf Eins herauskommen. Jedenfalls kann man sich nicht zu Tode arbeiten.«

Lebt er bloß von seinen Renten, so sagt er gar Nichts; wenn ihn jedoch seine Frau fragt, wie viel Uhr es sei, so küßt er sie und erwidert: »Was liegt uns daran, wir haben ja keine Eile. Sind wir nicht unsere eigene Herren?«

Er beweist ihr dieses auch wohl noch durch andere Gründe, die mit noch zärtlicheren Liebkosungen begleitet sind.

Madame läßt sich gerne überzeugen; sie findet, daß ihr Mann mit einer sehr eindrucksvollen Beredsamkeit begabt ist ... und gratulirt sich, einen Mirabeau geheirathet zu haben. Sie gratulirt sich überhaupt.

Die Liebe genügt übrigens nicht allein zur Erhaltung unserer schwächlichen Maschine; Cythere's Freuden greifen im Gegentheil unsern Magen an:

Sine Cerere et Baccho friget Venus.
(Ohne Brod und Wein, friert die Liebe ein.)

In kurzer Zeit gesteht unser junger Ehemann, daß er Hunger habe; seine Frau antwortet: »Das Frühstück wird auf uns warten, wir wollen aufstehen.«

»Ei, weßhalb aufstehen?« ruft unser Ehemann, seine Gattin mit verliebten Armen umschlingend, aus. »Wir wollen im Bett frühstücken, theures Herz, das ist weit hübscher.«

Madame hat Nichts dagegen einzuwenden; sie lächelt ihrem Gatten zu, der immer so genußreiche Einfälle hat.

Man frühstückt im Bette.

Das mag zwar sehr hübsch sein, aber es ist sicherlich nicht bequem. Einerlei, die Liebe findet Alles reizend.

Nach dem Frühstück steht man noch nicht gleich auf; man hat sich eine Masse von Dingen zu erzählen, die man sich eben so gut im Bette als außerhalb desselben mittheilen kann. Das Frühstück hat die Beredsamkeit des Gatten wieder auf's Neue hervorgerufen und er unterhält das Gespräch in bewunderungswürdiger Weise.

Madame ist der Meinung, sie habe einen Abkömmling des großen Simson geheirathet, welcher so merkwürdige Dinge ausführte, ehe Delila ihm den Kopf abschor.

Endlich steht man auf.

Man kleidet sich unter tausend Scherzen und Späßen an, versteckt sich, läuft wieder zusammen und gibt sich zahllose Küsse.

Die Stunde des Mittagessens rückt heran und man hat noch Nichts gethan als gelacht, gescherzt und getändelt.

Der Herr findet, daß der Tag rasend schnell vorübergegangen ist. In den schmachtenden Augen seiner Frau liest man dasselbe.

»Der Herr wird nicht müde,
Sein Weib anzublicken,
Die Taille zu fassen,
Die Händ' ihr zu drücken,
Ihr Knie zu berühren,
Sie ganz zu verrücken

Wenn er sie nicht überall anrühren kann, macht er ein mürrisches Gesicht, schmollt, seufzt, kurz, er lebt gar nicht.

Madame befürchtet, es möchte zu weit gehen und ihr Mann aus übermäßiger Liebe den Kopf verlieren.

Bei Tische nimmt der Herr seine Frau auf den Schooß, trinkt aus dem Glas, woraus sie getrunken, ißt aus einem Teller mit ihr. Sein türkischer Schlafrock wäre ihm unausstehlich, wenn seine Frau nicht daran herumgekrabbelt hätte.

Wenn sich die jungen Gatten entschließen, Abends das Theater zu besuchen, so bleiben sie nicht bis an's Ende; gehen sie in Gesellschaft, so dringt der Herr bei Zeit auf die Heimkehr. Er winkt seiner Frau von ferne zu; diese bedeutet ihm, daß es die Schicklichkeit nicht erlaube, sich so bald zu entfernen. Allein der Neuvermählte bietet aller Schicklichkeit Trotz; was liegt ihm daran, was die Leute denken und sprechen? Er will seine Frau fortnehmen und erwartet ungeduldig den Augenblick, wo er sich wieder allein mit ihr unter vier Augen befinden wird. Es ist ihm, als ob sich diese Gelegenheit zu selten böte. Endlich gelingt es ihm, sich seiner Frau zu bemächtigen. Er zieht sie mit sich fort; es ist beinahe eine Entführung!

Er läßt seine Gemahlin in einen Wagen steigen und nimmt hastig neben ihr Platz.

Ja, der Mann ist so ungeduldig, daß er nicht bis zur Ankunft zu Hause warten kann, um das ... Gespräch zu beginnen.

Wenn es immer so bliebe, wäre es zum Entzücken! Aber ...


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