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VII. Der Ehemann, der seiner Frau vor aller Welt Liebkosungen macht

Der Ehemann, welcher die kleinen Aufmerksamkeiten für seine Hälfte bis zum Unleidlichen treibt, wovon wir eben ein Beispiel gesehen haben, ist ein vollkommen unerträgliches Wesen und im Stande, die nervenstärkste Frau zu Convulsionen zu bringen.

Wenn ihr indessen glaubt, ein Uebermaß von Liebe vermöge diesen Herrn zu solchem Betragen gegen seine Frau, so schwebt ihr in einem großen Irrthum.

Dieser Herr hat keinen andern Zweck, als daß man ihn für das Muster aller Ehemänner, für den zärtlichsten Gemahl, der sich nur mit seiner Frau zu schaffen macht, kurz für einen Phönix ausgebe.

Liebte er seine Frau wirklich, so liefe er ihr nicht immer auf dem Fuße nach, wie die Polizei einem Landstreicher.

Ich rechne solche Ehemänner unter die Klasse der Heuchler.

Jetzt gehen wir zu derjenigen über, welche vor aller Welt ihre Frauen abschlecken und beinahe auffressen, welche nicht neben ihrer Hälfte sein können, ohne sie um die Hüfte zu fassen und zärtlich zu umschlingen.

Darunter gibt es welche, die sich bis zum Küssen versteigen; sie drücken ihre Lippen auf den Hals, die Brust, die Wangen der Frau; zuweilen schnäbeln sie sogar mit ihrem Mund.

Dabei gibt es Entzückungen, inbrünstige Gesichter, als ob sie ihre Frau zum erstenmal umarmten.

Aber habt ihr auch die Gesichter gesehen, welche ein Dritter oder mehrere anwesende Personen dabei machen? Man ist immer versucht, zu einem solchen Ehemann zu sagen: »Um Verzeihung! ich störe Sie; ich gehe schon.«

Ginge man aber und ließe ihn allein mit seiner Frau, so würde es diesen Herrn, der eine Miene machte, als wolle er seine süße Frau unter lauter Liebkosungen aufzehren, sehr incommodiren; denn trotzdem er durch eine solche Aufführung vor den Leuten die Schicklichkeit, die Wohlanständigkeit und die einfachste Rücksicht auf Andere verletzt, so lehrt die Erfahrung noch weiter, daß der vor Zeugen so zärtlich gegen seine Frau thuende Ehemann in der Regel innerhalb seiner vier Wände ein sehr mürrisches und zuweilen rohes Betragen annimmt.

Das ist ein Wechsel wie der mit den Dekorationen im Theater.


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