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IV. Der Ehemann als Kindsmagd

Ihr seid verheirathet und habt Kinder; ganz recht. Die Schrift sagt: »Wachset und mehret euch.«

Genau gesagt: Wenn ihr verheirathet seid, wachset ihr nicht mehr, aber ihr mehret euch.

Indeß gibt es auch einige Haushaltungen, wo man sich nicht mehrt.

In diesem Fall macht der Herr, wenn er Kinder wünscht, seiner Frau ein Verbrechen daraus, daß sie ihm keine schenkt; er gibt ihr in dieser Beziehung spitzige, bösartige, bisweilen sogar niederträchtige Reden.

Die arme Frau! Als ob sie nicht ohnehin schon bekümmert genug wäre, daß sie nicht Mutter wird!

Zudem wer beweist euch denn, daß eure Frau an dieser Unfruchtbarkeit Schuld ist? Warum kann es nicht eben so gut an euch selbst liegen?

Ihr habt ein ärztliches Gutachten eingeholt!

Aber die Aerzte sind keine Götter: sie täuschen sich wie andere Menschenkinder! Errare humanum est. (Irrthum ist menschlich).

Gelegentlich bemerkt, glaubet mir und machet eurer Frau, wenn sie nicht Mutter wird, keine so häufigen Vorwürfe darüber: es könnte ihr sonst einfallen, sich versichern zu wollen, ob es euer oder ihr Fehler ist.

Doch wir wollten ja von dem Ehemann reden, der Kinder hat und sie herzinnig liebt, der sich ihnen mit Leib und Seele weiht, der mit Entzücken an ihrer Wiege steht, der ihnen den Brei gibt, der ihnen denselben vorkostet, der Nachts aufsteht, um sie trinken und sonst was zu lassen, und der sie den Tag über auf den Boulevards oder anderswo spazieren führt.

Gehen wir nun auch auf den Boulevards spazieren, und es wird nicht lange anstehen, bis uns ein Ehemann begegnet, der Kindsmagd ist.

Dieser Typus väterlicher Liebe, der allen andern Mannsrechten entsagt hat, um sich einzig seinen Kleinen zu weihen, läßt sich keinen Augenblick verkennen.

*

Betrachtet diesen Herrn, dessen feinbürgerlicher und anständiger Anzug nicht die geringste Eitelkeit verräth; er käme recht sauber daher, wenn seine Kinder nicht die Gewohnheit hätten, ihre Hände an seinem Rock, seinen Beinkleidern, kurz an dem nächsten Besten, was er auf dem Leibe hat, abzuputzen; da aber seinen Kleidern fast immer einige Rudera von Confekt, Butter, Honig und Eingemachtem aller Art ankleben, so begreift ihr, daß es ihm bei solchen Anhängseln schwer wird, sauber und wohlgeputzt auszusehen.

Oft auch trägt dieser Herr da und dort ein Loch in dem Anzug, selten wird ihm das Glück zu Theil, daß er nicht mehrere Knöpfe zu wenig und sein Hut einige Buckel und Beulen zu viel hat. Das Alles stammt von den Schelmereien seiner Aeffchen her, aber es hindert ihn nicht, den ganzen Tag zu singen: »Ach, wie glücklich ist ein Vater!«

Dieser Herr hat zwei Söhne und seine Hälfte trägt einen dritten Ableger unter dem Herzen. Der Aelteste der Beiden ist sechs Jahre, der Zweite bald vier Jahre alt. Von seinem Erwachen, bis er sich niederlegt, steht dieser Herr im Dienste der zwei kleinen Jungen; Madame leidet nicht, daß man Dodolphchen und Polytchen im Geringsten zuwider sei; sie behauptet, um den Charakter der Kinder zu bilden, müsse man ihnen beharrlich den Willen thun. So sei sie auch erzogen worden.

Der Herr ist ein zu guter Vater, um der Frau zu widersprechen, und statt den kleinen Maulaffen Gehorsam beizubringen, steht er unaufhörlich unter dem Befehl der beiden Rangen.

Wenn Dodolph und Polyt spazieren gehen wollen, so schlüpft unser Mann geschwind in seinen Ueberrock, nimmt seinen Hut und fort ist er mit seinen Söhnchen.

Madame schreit ihm die Treppe herab nach: »Schau' Dich fein vor mit den Gefährten; lasse die Kinder nicht zu schnell laufen, lasse sie nicht im Koth waten! ... Wenn sie ihre Kleider zerreißen, so gebe ich Dir die Schuld ...«

Das ist ganz die commandirende Sprache, die man gegen eine Kindsmagd führt; auf all das antwortet aber der Herr mit unterwürfiger Miene: »Sei ruhig, theure Freundin, ich werde sie keinen Augenblick verlassen ... ich werde sorgfältig Acht geben, bekümmere Dich nicht.«

Der Herr nimmt die Richtung nach den Boulevards, an der einen Hand Polyt, an der andern Dodolph haltend.

Der Spaziergang fängt zuerst ziemlich friedlich an; die Kinder sind froh, aus dem Hause zu kommen, und begnügen sich, ihre Augen rund herum laufen zu lassen, indem sie den Vater zwingen, vor jeder Bude zu halten, was dieser mit unvergleichlicher Gefälligkeit thut.

Aber auf dem Boulevard du Temple angelangt, will Dodolph rechts gehen, um die Wachsfiguren zu betrachten, Polyt links umwenden, um das Wasserschloß zu besehen.

Als sich unser kindsmägdlicher Ehemann nach entgegengesetzten Seiten hingezerrt fühlt, geräth er in schwere Verlegenheit, zum erstenmal kann er seinen beiden Söhnen nicht gleichzeitig willfährig sein, doch thut er, um sie in Einklang zu bringen, das Möglichste, indem er sagt: »Meine Freunde, wir können nicht auf einmal rechts und links gehen; könnte man das, so wäre es mir gewiß herzlich lieb ... ihr wisset ja wohl, daß ich eure Wünsche stets erfülle.«

»Ich will aber die Wachsfiguren sehen!« ruft der Größte.

»Und ich will zu dem Wasser-Schlo... Schlo... Schloß!« schreit der Kleinere, der jähzornig ist und mit den Füßen stampft wie ein Mann, worüber ihn sein Vater höchlich bewundert.

»Nein ... wir gehen dahin ... nicht wahr, Papa?«

»Nein ... dorthin ... liebes Papapapachen ...«

Und damit ziehen die beiden Rangen den Urheber ihrer Tage auf's Neue hin und her, indem sich Jeder an einen seiner Rockschöße anklammert.

Unserem Mann stehen die Thränen in den Augen, da er aber endlich bemerkt, daß er, wenn er nicht Ordnung stifte, bald in der Weste herumlaufen müßte, so faßt er einen muthigen Entschluß und perorirt mit voller Stimme: »Ha, alle Wetter, ihr Herren, wenn ihr nicht aufhört, so gehe ich weiter und lasse euch alle Beide hier in der Patsche ... Sapperlot! ... und die Polizei wird euch abfassen ... Sapperlot! ... und man wird euch verhaften als Landstreicher ... ei! ei! das wird dann eine schöne Geschichte geben.«

Diese Drohung wirkte: die Kinder schwiegen einen Augenblick.

Entzückt, sich einigen Gehorsam verschafft zu haben, führt unser Mann seine Jungen mit einem gewissen Stolze im Blick weiter, indem er um sich schaut, um die Wirkung zu genießen, welche seine väterliche Autorität auf die Vorübergehenden gemacht hat.

Man geht und stellt sich vor die Wachsfiguren; das befriedigt aber die zwei Knirpse nicht, welche hineingehen und das Schauspiel sehen wollen. Der Papa willigt seufzend ein. Man tritt in's Innere der Baracke.

Zum fünfzehnten Male sieht unser Mann das Wachsfigurenschauspiel und hört die Erklärung der Bilder an.

Nachdem man den großen Kaiser Napoleon und den kleinen General Tom Pouce bewundert, haben die Kinder Durst.

Der Papa führt sie in ein Kaffeehaus und verlangt Bier. Man bringt welches; die beiden Knaben kosten es, verzerren den Mund und speien es aus, indem sie schreien: »O! pfui, wie schlecht! Das ist nicht zuckerig!«

Jetzt verlangt der gute Mann Limonade oder Zuckerwasser für seine Söhne, und obgleich er keinen Durst hat, verschlingt er doch den ganzen Inhalt der Bierflasche, um das bezahlte Getränke nicht stehen zu lassen; die väterliche Zärtlichkeit macht zu Allem fähig.

Aus dem Kaffeehaus heraus wollen die Kinder den Hanswurst sehen. Man hält vor dem Vorhang einer Bretterbude.

Diesmal verlangen die beiden Schelme nicht in das Innere hineinzugehen ... sie haben schon bemerkt, daß das Ergötzlichste an der Thüre vorgeht.

Da sie sich aber hinter Rekruten, Kindsmägden und Pflastertretern aller Art in Jacken, Blousen und sogar Röcken befinden, welche gleichfalls den Purzelmann sehen wollen, so heulen sie: »Papa ... nimm mich ... Papa ... auf den Arm, auf den Arm!«

Unser Ehemann beugt sich, faßt jeden seiner Söhne um die Hüfte, hebt sie zur Höhe seiner Schultern und befindet sich so in der Lage, den Hosenhintertheil seiner Rangen, welche noch an keine Zurückhaltung in Gesellschaft gewöhnt sind, just vor der Nase zu haben. Nicht Alles riecht nach Rosen in den Verhältnissen der Väterlichkeit!

Und dieser gute Mann, der nichts mehr sieht, als die beiden hintern Hosenschlitze seiner Söhne, muß ihnen noch das Schauspiel erklären und ihre unaufhörlichen Fragen beantworten: »Papa, wer ist denn der schnöde Bursch da, welcher den Kopf schüttelt und das Hanswurstchen prügeln will?« – Lieber Sohn, das ist der Commissär. – »Ei! sieh' doch, der Commissär hat zwei große Hörner auf dem Kopf ... und einen rothen Schwanz ...« – Wenn er einen Fuchsschwanz hat, so ist es nicht der Commissär ... sondern der Teufel, meine lieben Kinder. – »Papa, warum will denn der Teufel das Hanswurstchen schlagen?« – Mein Freund, wahrscheinlich, weil Hanswurst nicht artig gewesen ist, weil er seine Suppe nicht hat essen und die Fabel von dem Fuchs und dem Raben nicht hat auswendig lernen wollen. – »Papa, ist denn der Teufel ein Schulmeister, weil er den Hanswurst Fabeln lehrt?«

Der von der Tiefe dieser Reflexion überraschte Vater wirft seine Blicke auf die Personen rings um ihn, um in ihren Gesichtern einen Ausdruck von Bewunderung zu lesen, welche derjenigen entspreche, die er selbst in diesem Augenblick für seinen sechsjährigen Sohn Dodolph hegt. Als er sieht, daß Niemand auf ihn Acht gibt, so entschließt sich unser Mann zu antworten, aber sehr laut, um damit die Aufmerksamkeit des Publikums zu fesseln: »Mein lieber Dodolph, der Teufel ist kein Schulmeister; gewiß, es wäre Unrecht, ihm ein solches Amt anzuvertrauen ... ein solches Amt ... und zwar um so weniger ... als ein solches Amt ...«

Hier beginnt der Papa, der keine Worte mehr zu finden weiß, zu husten, als hätte er eine Gräte verschluckt, und antwortet dann: »Aber zu allen Zeiten hat sich der Teufel darein gelegt ... hat intervenirt, um die kleinen Tagdiebe, die unartigen Jungen zu züchtigen ... das wollte ich euch so eben sinnbildlich zu verstehen geben ... hum! hum!« – Papa, wer ist denn dieser Mann in schwarzer Kutte mit Mehl in den Haaren, der kommt, wenn der Teufel geht, und sich mit dem Hanswurst herumstreitet? – »O! diesmal, mein Sohn, ist es der Commissär.« – Was ist denn ein Commissär, Papa? – »Mein Sohn, das ist ein Mann, der Frieden und Ordnung wieder herzustellen hat.« – Warum streitet und prügelt er sich aber selbst mit dem Hanswurst herum?« Neues Zeichen der Bewunderung von Seiten des Papa's, der zu ahnen beginnt, daß er einen jungen Voltaire auf seiner Schulter trägt, und endlich antwortet: »Mein Sohn, wahrscheinlich wird Hanswurst sich geweigert haben, seine Steuer zu zahlen, oder hat er vielleicht Blumentöpfe vor das Fenster gestellt, den Polizeiverordnungen zum Trotze.« – Ach! ach! da liegt der Hanswurst erschlagen vor dem Commissär! – »Das, mein Sohn, ist ein Beweis der göttlichen Gerechtigkeit, welche fordert, daß schlechte Subjekte früher oder später die Strafe ihrer Unarten erleiden.« – Aber nein ... Hanswurst steht wieder auf ... und schlägt den Commissär todt! – »Vielleicht, daß dieser Commissär zweierlei Maß und Gewicht führte und die Vorsehung ihn mittelst des Hanswursts strafen wollte.« – Papa! Papa! Der Commissär ist nicht todt, er nimmt den Stock wieder, er bringt den Hanswurst um! – »Dann, mein Sohn, ist Hanswurst ohne allen Zweifel ein schlechtes Subjekt: er wird sich gegen irgend einen Stadtsoldaten vergangen haben.« – Papa! Papa! Hanswurst ist nicht todt ... da schau'! er nimmt den Stock wieder und schlägt den Commissär todt! ... O! wie er darauf los paukt!«

Dem Papa fängt an, die Auffindung der Moral, in den vom Hanswurst aufgeführten Scenen ziemlich schwer zu werden; doch in diesem Augenblick befällt ihn ein Nießen, das ihn aus einer Verlegenheit zieht, um ihn sofort in eine andere zu werfen; denn wenn man genießt hat, so fühlt man bekanntlich das Bedürfniß, sich zu schnäuzen, was bei Personen, die Tabak schnupfen, ohnehin unvermeidlich ist.

Unser Mann, nachdem er genießt, gäbe Alles in der Welt darum, wenn er sein Schnupftuch aus der Tasche nehmen könnte. Aber wie kann man in seiner Tasche suchen, wenn man auf jedem Arm einen kleinen Jungen hat?

Der Papa von Adolph und Hippolyt faßte nach einiger Ueberlegung den Entschluß, sich nicht zu schnäuzen, was übrigens in seiner Lage auch der einzig mögliche war.

*

Bald erhebt sich ein Streit auf den Schultern unseres Ehemannes: die Herren Dodolph und Polyt reißen einander einen Zuckerstengel aus den Händen; Schreien und Schlagen begleiten das Wortgefecht.

Umsonst ruft der Papa: »Nun, ihr Herren, seid ihr bald fertig da oben? Halte ich euch empor, damit ihr euch prügeln sollt?«

»Papa, er hat mir mein Bonbon genommen!« – Er ist ein Leckermaul. – »Er verschlingt Alles!« – Höre ihn nicht an, Papa; ich habe die Stange entzwei gebrochen und ihm die Hälfte davon gegeben. – »Papa, er hat die längere für sich behalten!« – Das ist erlogen ... er sagt das nur, weil er schon mit der Hälfte der seinigen fertig ist.«

Um den Streit zu beendigen, hat unser Mann den gescheidten Einfall, seine beiden Söhne auf den Boden zu stellen.

Jetzt schreien diese noch stärker und wollen den Hanswurst auf's Neue sehen, der sich so eben mit einer Katze balgt, welche an die Stelle des Teufels und des Commissärs getreten ist.

Aber der ermüdete Papa fühlt sich nicht mehr stark genug, seine beiden Söhne empor zu halten. Er führt sie hinweg, und um sie zu beschwichtigen, kauft er ihnen Zuckerbrod, dann Rahmkuchen, dann Obst, dann Chokolatetäfelchen und gibt ihnen Kokossaft zu trinken.

Herr Dodolph, der ältere, bleibt nicht immer ruhig bei seinem Vater. Jeden Augenblick läßt er dessen Hand los, um irgend ein Bild oder Unterhaltungsspiel zu betrachten.

Bisweilen will der kleine Polyt auch weglaufen und gleich seinem Bruder allein gehen.

Alsdann schwebt der unglückliche Vater in tiefster Verlegenheit; genöthigt, zu gleicher Zeit seinen beiden Söhnen nachzuspringen, welche doch nicht den gleichen Weg eingeschlagen haben, stößt und rennt er an die Vorübergehenden, muß Grobheiten von dem Einen, Rippenstöße von dem Andern einnehmen, aber das Alles bemerkt er kaum, immer noch glücklich, wenn er schweißtriefend seine beiden Flüchtlinge wieder einholen und mit sich weiter führen kann!

Bald bemerkt er, daß sein älterer Sohn eine aufgeschürfte Nase und beinahe ein schwarzes Auge hat, obwohl dasselbe gewöhnlich blau ist; daß Herr Polyt, der jüngere, ein Stück von seiner Weste verloren und ein Loch in dem Knie seiner Hose hat. »Was soll das heißen?« schilt der Papa; »nur einen Augenblick verlor ich euch aus dem Gesichte, und gleich erscheint ihr vor mir mit Löchern und Beulen!« – Papa, der große Junge dort, welcher mit Steinkugeln spielte, hat mir eine Ohrfeige auf das Auge gegeben, weil er sagte, ich sei in sein Spiel hineingelaufen und habe ihm den Gewinn verderbt. – »Papa, jenes alte Weib hatte einen Hund: ich wollte ihn streicheln, da ist er auf mich zugesprungen und hat mir ein Stück von meiner Weste mitgenommen, und ich bin im Fliehen auf meine Kniee gefallen. – »Ei, ei, das sind saubere Dinge! Daheim wird man uns schön empfangen. Was wird die Mutter zu mir sagen! ... Teufelskinder ihr, die ich niemals in gutem Stande wieder nach Hause bringen kann!« – Papa trage uns! – »Papa, trage mich!«

»Ei, alle Wetter! nein doch: ihr müßt laufen, meine Jungen, ich habe euch lange genug bei dem Hanswurst auf den Armen gehabt. Das wäre schon der Mühe werth, daß man euch spazieren trüge, wie die jungen Hunde.« – Papa, ist es noch sehr weit heim? – »Nein, dreihundert Meter ungefähr.« – Was ist Meter, Papa? – »Meiner Treu'! ... das bedeutet ... sehet, liebe Kinder, es ist ein griechisches Wort, und wenn ihr einmal griechisch könnt, so werdet ihr das eben so gut verstehen wie ich und die Mutter.« – Ich bin müde ... au weh! – »Meine Füße schmerzen mich!«

»Vorwärts, Polyt, vorwärts, Dodolph, zeiget, daß ihr kleine Männer seid, lasset euch nicht schleppen wie Kinder.« – Ja nun, so sing' uns ein Lied. – »Ach ja, Papa! ... Marlbrough ... Du hast versprochen, es uns zu lehren.«

»Je nun! ich thus es ja ... ich werde euch jetzt die Romanze von Marlbrough singen; aber ihr müsset in den Refrain einstimmen. Aufgepaßt, ihr singet sie hernach vor eurer Mama ... das wird sie freuen!« – Ja, Papa! – »Ja, ja, Väterchen!«

Der Papa intonirt mit ernster Stimme, indem er im Takt der Melodie zu laufen versucht und die in dieser Todtenklage gebräuchliche Aussprachsweise annimmt:

»Marlbrough zieht aus zu kriegen ...
Mironton, tonton, mirontaine ...«

»Vorwärts, ihr Herren!«

Herr Dodolph brüllt, was er gehört, ohrzerreißend nach.

Der kleine Polyt begnügt sich zwischen den Zähnen zu murmeln:

»Tonton ... tonton ... tontaine ... tonton!«

Der Papa fährt monoton zu brummen fort:

»Weiß nicht, wann er wieder kommt! ...
Weiß nicht, wann er wieder kommt!«

»Voran doch, ihr Herren.«

»O weh, ich habe Knurren im Bauch!«

»Und ich habe noch Durst!«

»Nein, ihr habt keinen Durst mehr ... ihr habt genug zu euch genommen! ... Fortgefahren, taktfest!«

»Weiß nicht, wann er wieder kommt!«

»Weiß nicht, wann ... o! Papa, Mandeltorte, Mandeltorte!«

»Schweige, Leckermaul ... vorwärts, Herr Polyt!«

Der kleine Polyt verzieht das Gesicht, hält sich den Bauch und murmelt bloß: »Mironton, mirontaine ... tonton ... es zwickt mich im Bauch ... miron mirontaine ... tonton!«

Bald weigern sich die Kinder, weiter zu gehen.

Unser Ehemann ist einen Augenblick in Verzweiflung; endlich faßt er beide Söhne mit convulsivischer Nervenanstrengung, setzt sie auf seine Arme und schleppt sie weiter mit dem Ausruf: »Ha, Sapperlot! welcher Spaziergang! ... O! über euch Taugenichtse!« – Papa,« murrt Dodolph, »Du singst nicht mehr. Singe uns doch Marlbrough!« – »Laßt mich in Ruhe, ihr abscheulichen Rangen!« – Ei! Papa, Du hast nicht gesagt: Mironton, mirontaine! ... Böser häßlicher Papa! ... Ich weine, wenn Du nicht gleich singst! – »Ha! der Spitzbube! Nun, so schweige doch ... heule nicht ... Du ziehst mir ja den Hals zu ... nun in Gottes Namen!« und er keucht mit halberstickter Stimme heraus:

»Er kommt an Ostern wieder ...
Mironton, tonton, mirontaine! ...
Er kommt an Ostern wieder.
Vielleicht an Trinitat.«

Endlich gewinnt dieser Herr den Eingang seines Hauses und dort empfängt ihn sein Hausdrache mit den Worten: »Da thäte ich besser, ein Kindsmädchen zu halten, wenn Du mir die Kinder so zugerichtet heimbringst.«

Daß man seine Kinder liebt, ist ganz natürlich, daß man mit ihnen spazieren geht, verschlägt nichts; aber wenn ein Ehemann just das Geschäft einer Kindsmagd übernimmt, so macht er sich sogar in den Augen seiner Frau lächerlich, und das ist sehr gefährlich.

Denn die meisten Frauen lieben ihren Mann nur so lange, als sie seine Ueberlegenheit anerkennen, und in der Lächerlichkeit geht jede Ueberlegenheit unter.


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