Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

III. Bleiben die Frauen ihren Männern auch immer, was sie ihnen während der Flitterwochen waren?

Das ist eine ernste Frage.

Ich will mich nicht bemühen, dieselbe hier zu erörtern, weil ich mich eigentlich nur mit den Ehemännern und nicht mit ihren Hälften zu beschäftigen habe. Aber ganz im Vorbeigehen bemerke ich bloß, daß die Frauen der Freude und des Vergnügens nicht so bald müde sind wie wir Männer, und es deßhalb auch nicht die Schuld der Frau ist, wenn sich die Flitterwochen in Zwitterwochen verwandeln.

Der Herr, der so gern recht lang im Bett blieb, fängt an früher aufzustehen; dann steht er wieder um die Stunde auf, in welcher er vor der Verehelichung aufgestanden war; endlich steht er sogar noch früher auf, als er es während seines Junggesellenstandes gethan.

Jetzt ist es die Frau, welche ihn mit umstrickenden Liebesarmen zurückzuhalten sucht: unser Ehemann aber macht sich los, indem er sagt: »Und mein Bureau? Zum Henker! ich habe keine Lust, meinem Vorstand ungünstige Berichte über mich zugehen zu lassen, und dadurch meinen Platz zu verlieren.«

Oder etwa: »Die Commis drunten thun nichts, wenn ich nicht gegenwärtig bin! ... Meine theure Freundin, wenn man ein Geschäft treibt, hat Morgenstunde Gold im Munde, sonst geht nichts vorwärts! Das Auge des Hausherrn fördert allein.«

Oder allenfalls: »Ich habe diesen Morgen eine Zusammenkunft in aller Frühe; es handelt sich um eine wichtige Angelegenheit; ich möchte meinen Mann nicht verfehlen. Wenn man gute Aufträge erhalten will, darf man nicht faul sein.«

»Aber Du hast nicht gefrühstückt,« sagt zuweilen die Frau mit einem Seufzer; »man könnte Dir das Morgenbrod an's Bett bringen ... dies würde Dich nicht länger aufhalten ...«

»Ei, was da! ... Im Bett frühstücken ... das wäre mir eine schöne Bequemlichkeit zum Essen! ... Man stößt seinen Kaffee um, man läßt seinen Löffel fallen, man verliert das Brod ... ein Frühstück im Bett ist etwas Erbarmungswürdiges! Das kommt mir vor, wie wenn die Leute im Grase zu Mittag essen wollen und sich dann das Schulterblatt verrenken, indem sie sich einschenken. Ein Tisch, meine Theure, ein gut bedienter Tisch ist die Hauptsache zu einem bequemen Essen.«

Die Frau murmelt mit einer halb schmollenden, halb anreizenden Miene: »Ich erinnere mich doch, daß Du sonst recht gerne mit mir im Bett frühstücktest ... damals fandest Du es nicht so unbehaglich.«

Statt aller Antwort ist der Herr schon aus dem Bette gesprungen; er zieht sich in Eile an, frühstückt sehr schnell und geht aus, bevor noch seine Frau ihre Morgentoilette vollendet hat.

Madame findet, daß ihr Ehegemahl nicht mehr so beredt ist wie sonst. Sie stellt die nämlichen Betrachtungen an wie Gil Blas mit dem Erzbischof von Granada ... vielleicht auch mit demselben Erfolge.

*

Wenn der Herr den Tag über heimkommt und seine Frau sich ihm nähert, um kleine Späßchen mit ihm zu machen, wenn sie Scherze treibt, lacht, um ihn herumflattert wie in den ersten Tagen ihrer Verheirathung, so entgegnet ihr unser Ehemann ziemlich barsch: »Laß mich doch in Ruhe, meine Beste, ich habe keine Zeit zum Spielen! ... Du bist allerliebst; aber wenn Du mir eine große Freude machen willst, so gehe: Du hinderst mich an der Arbeit.«

Und der Herr denkt nicht mehr daran, sein Weibchen um die Hüfte zu fassen; er drückt ihr weder Kniee noch Händchen mehr; er bleibt nicht mehr ganze Minuten in Anschauung ihrer Augen versunken.

Beim Mittagessen nimmt er sie nicht mehr auf seinen Schooß. Wenn seine Frau Etwas anbeißt und es ihm dann hinreicht, so stellt er sich, als bemerke er es nicht und fährt fort zu essen, was er auf dem Teller hat, oder sagt sogar achselzuckend: »Höre doch auf mit Deinen Dummheiten ... ich mag diesen Bissen nicht, er ist mir ohnehin zu fett,« oder »er ist mir zu mager.«

Wenn die Frau eine neue Haube oder einen neuen Hut aufsetzt und sich vor ihren Mann mit den Worten aufpflanzt: »Wie findest Du mich? Steht mir das gut?« so antwortet unser Ehemann: »Sehr gut, sehr gut, Du bist entzückend!«

Aber er hat kein Auge auf seine Frau geworfen.

Diese, welche wohl bemerkte, daß ihr Mann sie nicht einmal angesehen, entfernt sich hocherzürnt über solche Gleichgültigkeit und schwört im Stillen, sich künftig nicht mehr den Kopf darüber zu zerbrechen, wie sie sich nach seinem Geschmacks kleiden wolle.

Führt der Herr die Frau in eine Abendgesellschaft, so setzt er sie in einer Ecke des Salons ab, wo sie sich so gut, als es gehen kann, ergötzen mag.

Was ihn betrifft, so bekümmert er sich darum nicht mehr: er geht in ein anderes Zimmer, um den Liebenswürdigen, den Galanten bei einer andern Frau, sogar bei vielen andern Frauen zu spielen. Nur die seinige darf es nicht sein: wenn er tanzt, so tanzt er gewiß nie mit seiner Frau; das wäre nach der allgemeinen Annahme abgeschmackt.

Hernach setzt er sich an einen Spieltisch; dort vergißt er die Stunde: er unterhält sich und denkt nicht daran, daß seine Frau vielleicht Langeweile hat. Diese indeß tritt an den Spieltisch, nähert sich ihrem Ehemanne und sagt in sanftem Tone zu ihm: »Mein Freund, denken wir nicht bald an die Heimkehr?«

»Doch ... doch ... sogleich ... bald ... geh', tanze noch ein klein wenig ... dann wollen wir aufbrechen.«

»Ich will nicht mehr tanzen, ich bin müde.«

»Wohlan, so ruhe aus.«

Die Frau antwortet nichts mehr, sie geht weg; aber nach einer halben Stunde kehrt sie zu ihrem immer noch spielenden Manne zurück und sagt: »Mein Freund, es ist sehr spät. Wirst Du bald kommen?«

»Ja, ja ... in fünf Minuten ... nur noch fünf Minuten ... und ich stehe Dir zu Diensten.«

Aber die fünf Minuten dauern nochmals eine halbe Stunde; endlich verläßt unser Ehemann den Spieltisch, indem er vor sich hinmurrt: »Wie widerwärtig, nicht thun zu können, was man will ... ohne Unterlaß Jemand hinter sich her zu haben, der Einen zum Weggehen zwingt, wenn man da bleiben will ... die Weiber haben doch nicht die geringste Gefälligkeit! ... Ach, da ich noch Junggeselle war, that ich, was mir einfiel! Schwachköpfe, die wir sind, daß wir uns Ketten anlegen lassen! In Gottes Namen denn!«

Und der Herr nimmt den Arm der Frau. Er führt sie zu Fuß heim, und wenn sie sagt: »Nehmen wir denn keinen Wagen?« so antwortet er: »Wozu das? Es ist ja nicht weit. Ueberdies ist es der Gesundheit zuträglich, wenn man sich ein wenig Bewegung macht.«

Madame seufzt abermals: sie findet ihren Mann sehr verändert. Er ist weder ein Mirabeau, noch ein Simson mehr! In der That, das Blättchen hat sich schon sehr gewendet.

Aber konnten denn die Thorheiten der Flitterwochen auf Dauer Anspruch machen?

Nein, gewiß nicht.

Aber warum solche Thorheiten überhaupt machen? Warum, ihr Herren, gewöhnet ihr eure Frauen beim Beginne der Haushaltung an eine Lebensweise, deren Fortsetzung euch schwer, ja unmöglich wird?

Warum sie mit Vergnügen übersättigen, um sie sofort auf halbe Ration zu setzen?

Warum sie mit Schmeicheleien erdrücken, mit den Augen fast auffressen und gleich darauf die Augen nicht einmal mehr aufthun, um zu sehen, wie ihnen die anprobirte Haube steht?

Warum das Wörterbuch eurer Liebe, in den ersten Tagen erschöpfen und nachher kein Sterbenswörtchen mehr wissen, das artig klingt?

Warum? Weil es in der Natur des Mannes liegt, daß er sich nicht zu mäßigen versteht.

Und meine ganze Redekunst wird hier vergeblich verschwendet sein, sie wird nichts an dem Betragen eines Ehemanns in den ersten Tagen seiner Verheirathung ändern.


 << zurück weiter >>