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VI. Der Ehemann, welcher seiner Frau kleine Aufmerksamkeiten erweist

Ihr erkennt ihn auf der Stelle; auf dem Spaziergang reicht er dem Kinde, wenn er eines hat, die Hand; er richtet seinen Schritt nach dem seiner Frau; er schwenkt und bewegt sich beinahe wie sie; er hält ihr den Sonnenschirm oder den Sack, wenn sie einen bei sich hat. Keine zwei Minuten kann er warten, ohne sie besorgt und beinahe liebevoll anzusehen und ihr zuzuflüstern: »Wenn Du ermüdet bist, meine Theure! ... Wenn Du heimkehren willst, mein Engel! ... Willst Du einen Wagen nehmen, Bichette? ... Wenn wir einen Querweg einschlügen, Herzchen? ... ich fürchte, die Sonne scheint Dir in die Augen, meine Holde.«

»Nimm Dich in Acht, süße Freundin, tritt nicht in den Kothhaufen.« »Wir wollen langsamer gehen, meine Einzige, wenn es Dir beliebt.«

Und allerlei dergleichen kleine Redensarten, worauf gewöhnlich statt der Antwort ein Zeichen der Ungeduld nebst einem leichten Achselzucken folgt.

Wenn dieser Herr seine Frau in das Theater führt, so läßt er sie fünf bis sechs Plätze probiren, ehe sie Posto fassen darf.

»Meine Gute, hier wärest Du schlimm daran, es sind große Hüte vor Dir; komm', dorthin, Du wirst mehr sehen.«

»Hier ist die Bank so hart. Gehen wir auf die andere Seite.«

»Da sollst Du nicht bleiben, es kommt ein Zug von hinten, Du würdest Dich erkälten; das ist sehr gefährlich. Wir wollen uns anderswo umsehen.«

»Ach! in unserer Nähe befindet sich eine Dame, welche Moschus ... allerlei Gerüche an sich hat: das würde Dir die Nerven angreifen; in solcher Nähe kannst Du nicht verweilen.«

Die arme, von den Wanderungen im Saal umher ermattete Frau klammert sich endlich an einen Platz an und rührt sich nicht mehr, indem sie sagt: »Ich habe jetzt genug; hier bleibe ich, ich bin es müde, auf allen Plätzen herum zu rennen.« – Es geschieht ja nur, um es Dir behaglich zu machen. Willst Du ein Schemelchen? – »Nein.« – Schließerin, bringen Sie für Madame einen Fußschemel. Willst Du ein Sitzkissen? – »Aber wozu das? Bin ich denn ein Kind?« – Schließerin, besorgen Sie doch ein Sitzkissen für meine Frau; soll ich das Bogenfenster schließen? – »Nach Belieben.« – Hast Du zu heiß? – »Nein.« – »Ich mache es gleich zu.«

Das Stück hat begonnen. Madame würde recht gerne auf die Schauspieler hören, aber mitten in einer interessanten Scene sagt ihr Mann zu ihr: »Du bist blaß, Du wirst doch nicht krank sein?« – Ich? ... Nicht im Mindesten! – »Thut es Dir irgendwo weh?« – Ach! mein Gott, nein; es thut mir nirgends weh! Welcher Gedanke, mich krank finden zu wollen! – »Ich will es nicht, Liebchen, ganz im Gegentheil; aber wenn Du irgend einen Schmerz hättest, so wäre es besser, Du sagtest es mir frei heraus, und wir gingen nach Hause ... Du könntest dann daheim ein kleines Vorbeugungsmittel nehmen ... Jedenfalls wäre es sehr unrecht von Dir, wenn Du Dich aus Rücksicht für mich zum Dableiben zwängest.« – Was ich allein wünschte, was mir großes Vergnügen machte, das wäre, wenn Du mich auf das Stück aufmerken ließest. – »Ich will doch nicht hoffen, daß ich Dich daran hindere! Doch immerhin schmerzt es mich, Dich so blaß zu sehen.«

Wenn dieser Herr in Gesellschaft mit seiner Frau auswärts speist, so verliert er sie nicht aus den Augen, und säße er am entgegengesetzten Ende der Tafel, dennoch ermangelt er nicht, ihr zuzurufen: »Meine Theure, iß nicht von dem und dem ... das taugt Dir nicht! Du weißt, daß Dir die Sardellen schlecht bekommen ... nimm Dich vor den Hummern in Acht, sie sind zu schwer für Dich ... wenn Du Salmen issest, so thust Du Unrecht.« – Ach! mein Herr! ich bitte Sie, schenken Sie meiner Frau keinen Madera ein, das bekäme ihr übel, ich kenne ihren Magen ganz genau ... Meine Theure, wenn Du welchen trinkst, so machst Du mir Sorgen. Reines Wasser ist für Frauen das Zuträglichste.

Und im höchsten Grad ärgerlich über die schlecht angebrachte Sorgfalt des Ehemannes für ihre Gesundheit, schneidet Madame ein auffallend schiefes Gesicht und ißt gar nichts mehr, weil der Aerger ihr den Appetit verderbt hat.

Inzwischen ißt aber der Herr Gemahl für Vier und trinkt für noch Mehrere ... aber als Mann natürlich kein Wasser.

Geht man auf den Ball, so ist das wieder eine andere Geschichte.

Zuerst inspicirt der Herr den Anzug der Frau.

»Dieses Kleid ist zu stark ausgeschnitten, Du würdest frieren ... dieses ist zu eng, es genirt Dich, es muß Dich geniren.« – Aber ich versichere Dich, mein Freund, daß mich mein Kleid durchaus nicht beengt. – »O! die Frauen wollen das niemals gestehen; sie thun sich sehr viel Schaden, indem sie sich zu stark einzwängen, und dann kommen die Krankheiten und nicht selten der Tod. Wie oft hört man nicht sagen: Wißt ihr auch, daß Fräulein N. N. auf dem Balle vom Schlage gerührt wurde oder Madame X. Y. an der Schwindsucht gestorben ist? Sonderbar! Fräulein N. N. war doch schlank und Madame X. Y. so voll, so wohl gebaut, so frisch ... wer hätte ahnen können, daß Fräulein N. N. eine apoplektische Anlage habe oder Madame X. Y. an der Lunge litte? Aber man vergißt dabei, daß diese Damen, um eine Wespentaille zu zeigen, sich den Magen zusammenschnürten und die Thätigkeit der Lunge unterdrückten.« – Lieber Freund, Du siehst ja doch, daß man in meinen Gürtel bequem einen Finger stecken kann ... das beweist Dir, daß ich nicht genirt bin. – »O! Du kommst gleich mit dem Finger hineinstecken! ... Wenn man Dich hört, kann man ihn immer hineinstecken. Aber das ist nur möglich, weil Du den Athem hältst. Meine Theure, es wäre recht brav von Dir, wenn Du ein anderes Kleid anlegtest ... ich würde mich den ganzen Abend unglücklich fühlen, wenn ich Dich in diesem Kleide auf dem Balle sähe.«

Um ein Ende zu machen, willigt die Frau ein, ein anderes, ihr weniger gefallendes Kleid anzuziehen, und schon diese Widerwärtigkeit wird ihr einen Theil des Ballvergnügens, das sie sich versprach, rauben, denn die ganze Nacht muß sie an das Kleid denken, das ihr so gut stand und das der Mann ihr ausredete.

Befindet man sich auf dem Ball, so verliert unser Ehemann, statt seine Gattin dem Vergnügen des Tanzes frei zu überlassen, und seinerseits die bestmöglichste Unterhaltung zu suchen, das arme Weib niemals aus den Augen; man glaube nicht, daß dies aus Eifersucht geschehe ... nein, der kleinlich besorgte Ehemann ist nicht eifersüchtig; er schwört darauf, daß seine Frau ihn anbete, weil sie überzeugt sein müsse, nicht noch Einen finden zu können, der so zuvorkommend und aufmerksam wie er sei.

Aber hier wie überall übt er seine rührende Sorgfältelei.

Er ergeht sich die Kreuz und die Quere in dem Saal, wo seine Frau sitzt. Kaum hat sie einen Contretanz gemacht, so läuft er gleich herbei: »Bist Du sehr erhitzt, Liebchen?« – Nicht doch ... kaum ein wenig. – »Wenn ... ach, wenn Du sehr erhitzt bist ... wirst Du doch nicht auch die andere Quadrille tanzen?« – Gewiß, denn ich habe zugesagt. – »Das thut mir sehr leid ... Du hättest ein wenig ausruhen sollen.«

Kaum ist nach dem folgenden Contretanz Madame von ihrem Tänzer an ihren Platz zurückgeführt worden, so bekommt sie wieder das Gesicht ihres Ehemannes zu sehen, der sich neben ihr aufpflanzt, gleich jenen Schatten, welche man, vermöge einer phantasmagorischen Zauberei, plötzlich vor sich aufsteigen sieht.

»Du bist feuerroth, meine Gute!« sagt unser kleinlich sorgfältiger Ehemann mit der unruhigen Miene einer Mutter, welche ihrem Kinde den Puls befühlt und ein Fieber findet.

Madame, welcher die Bemerkung mindestens überflüssig scheint, zwingt sich zu einem Lächeln und antwortet: »Was ist denn Erstaunliches daran, wenn man nach dem Tanze roth aussieht?« – Roth, mag sein ... aber so krebsroth habe ich Dich noch nie gesehen.«

Madame wendet sich zu einer jungen Frau, die neben ihr sitzt, und fragt sie ganz leise: »Sollte ich wirklich eine außerordentliche Farbe haben? Sehe ich denn wie ein Krebs aus?« – Nicht doch, Ihre Farbe ist ganz normal; Ihr Mann weiß nicht, was er sagt.«

Bald darauf bringt ein junger Mann, der einiges Gefrorenes sich zu verschaffen gewußt, der Gattin des kleinlich besorgten Ehemannes diese Erfrischung.

Sie nimmt das Dargebotene und schickt sich eben an, davon zu essen, als der Ehemann es ihr aus den Händen reißt mit den Worten: »Wo denkst Du hin, meine Theure? Du wirst doch das nicht zu Dir nehmen?« – Aber warum denn nicht? Es ist Gefrorenes! – »Das sehe ich wohl, und gerade deßhalb will ich nicht, daß Du das Mindeste davon verschluckst ... Du bist zu sehr erhitzt, es würde Dir schaden.« – Aber alle diese Damen tanzten eben erst wie ich und essen dennoch Gefrorenes. – »Diese Damen mögen thun, was sie wollen, ich bin nicht ihr Hofmeister! Aber bei Dir ist es etwas Anderes ... ich kenne Dein Temperament ... Gefrorenes essen! O, nicht doch! ... Das wäre eine unverzeihliche Unvorsichtigkeit! ... Begehrst Du Punsch?« – Du weißt wohl, daß ich niemals Punsch trinke, daß ich ihn nicht ausstehen kann, während ich dagegen eine große Freundin von Gefrorenem bin. – »Es taugt Dir aber nicht.«

Und der Herr beginnt das für seine Frau bestimmte Gefrorene zu verschlingen; er geht vor ihr auf und ab, indem er davon kostet, wobei er sogar mit Rücksichtslosigkeit ausruft: »Es ist ausgezeichnet, ganz vortrefflich zubereitet!«

Ein wenig später präludirt das Orchester einen köstlichen Walzer von Strauß.

Madame liebt den Walzer außerordentlich und tanzt ihn mit eben so viel Anmuth als Takt. Sie hat den Arm eines jungen Mannes angenommen, der für einen sehr guten Walzertänzer gilt.

Beide schwingen sich in den Reihen. Sie haben schon einmal die Runde in dem Saal gemacht und beifällige Blicke der Zuschauer gewonnen, als unser Ehemann, der seine Frau im besten Drehen erblickt, ihr auf die Gefahr hin nachspringt, von allen Walzenden Rippenstöße zu erhalten, sie am Arme packt, ihren Tänzer und sie zum Einhalten zwingt und ihr mit der liebenswürdigsten Miene zuraunt: »Was treiben wir denn da? Ist's gedenkbar? ... Du walzest? ... Ach, mein Gott! Zum Glück bin ich hier, um Dich an tollen Streichen zu hindern!« – Aber, mein Herr, Sie wissen ja, daß ich den Walzer sehr liebe ... daß er mir gar keinen Schwindel verursacht ... – »Mag sein, daß Dir dabei nicht schwindelt; aber mir schwindelt bei dem Gedanken, daß er Dir außerordentlich schaden kann ... Du morgen vielleicht das Bett hüten mußt. Ich habe mich mit mehreren Aerzten berathen: diese haben mich versichert, daß das Walzen für Frauenzimmer mit reizbaren Nerven durchaus nicht zuträglich sei, und Du bist wesentlich nervös, meine Theure.«

»Nur einige Touren, mein Herr, dann hören wir auf,« bat der junge Tänzer den Ehemann.

»Ja, bloß einige Touren, lieber Freund!« fügte die Frau mit flehender Miene bei.

»Nicht eine!« erwiderte der unerbittliche Gemahl: er faßt seine Frau am Arm, führt sie auf ihren Platz zurück und wirft ihr wider ihren Willen einen Pelz, einen Mantel, einen Burnus, kurz Alles, was ihm in die Hände kommt, über den Nacken.

Madame bebt vor Zorn, wagt aber nicht, etwas zu sagen. Man streitet sich nicht vor den Leuten herum, und zudem steht ihr Mann in dem Rufe eines so artigen, für seine Frau so rücksichtsvollen Gatten, daß man sie für überschwänglich glücklich hält. Sie verbeißt ihren Aerger.

Die Stunde des Abendessens naht; sie weiß von der Gebieterin des Hauses, daß die Damen allein zu Tisch sitzen werden: so wird sie wenigstens essen können, was ihr beliebt, ohne die Bemerkungen ihres Ehemannes fürchten zu müssen.

Das Abendessen, hofft sie, soll ihr eine Entschädigung für die sonstigen Widerwärtigkeiten bieten, und sie liebt ohnehin die Abendessen. Es gibt Damen, welche diese Art von Beschäftigung nie ausschlagen.

Ich meinerseits sehe nichts Arges darin; im Gegentheil, ich achte die Damen, welche Appetit haben, unendlich.

Aber eine Viertelstunde vor dem Abendessen kommt unser Ehemann mit dem Pelz seiner Frau im Arm und wirft ihr denselben über die Schultern, sagend: »Herzchen, drunten wartet unser Wagen.« – Wie! Du willst schon weggehen? – »Schon! ich denke, es ist spät genug.« – Aber man wird jetzt gleich zu Nacht speisen. – »Just deßwegen: Du könntest Dich zu Etwas verleiten lassen ... und das Essen am späten Abend taugt nach einstimmigem Urtheil aller Aerzte nichts ... zumal bei Dir, Du zart Organisirte ... Du weißt ja wohl, daß Du nie zu Nacht speisest, und ich auch nicht.« – Aber, mein Freund, wenn man sehr lange aufgeblieben ist, so ist das etwas Anderes, als wenn man um elf Uhr zu Bett geht. – »O! das ist einerlei ... Du sollst nicht zu Nacht essen; wie würde es um Deine schwächliche Gesundheit stehen! Komm, meine Holde, der Wagen wartet auf uns.«

Der Herr schleppt die Frau weg, welcher die Thränen in den Augen stehen und welche im Heimfahren einen stillen Eid schwört, daß sie künftighin Promenaden, Theater, Bälle und gesellschaftliche Abendessen meiden werde.

Glaubet ihr wohl, daß eine Frau mit einem kleinlich besorgten Ehemann glücklich sei?

Doch zum guten Glück ist diese Gattung selten.


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