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VIII. Häusliches Benehmen eines Mannes, der seine Frau vor aller Welt liebkost

»Warum ist das Frühstück nicht fertig?«

Erste Frage dieses Herrn nach dem Aufstehen, welche bereits im Ton eines sehr schlechten Humors ausgesprochen wird.

»Aber, lieber Mann, es ist noch nicht spät.« – Nicht spät, nicht spät! Wenn ich nun aber bälder frühstücken will, wenn ich Hunger habe! ... Aber man ist hier so träge! Warum hat man Kaffee gemacht? Ich möchte Chokolate. – »Du hättest es mir sagen sollen, lieber Mann.« – Man hätte mich fragen sollen. – »Du trinkst ja gewöhnlich Kaffee.« – Eben darum wollte ich heute eine Abwechslung haben ... es würde Dir doch gar nicht viel Mühe gemacht haben, nach meinem Begehren zu fragen ... Wer hat eingeheizt? ... Wie übertrieben! Wie unsinnig! Man kann hier nicht einmal Feuer anschüren ... Was ist das für ein Brod? – »Es ist Milchbrod.« – Ich habe Dir bereits gesagt, daß ich die Milchbrode nicht liebe ... Du kaufst sie also ausdrücklich, um widerspänstig zu sein! ... Man hat diesen Morgen an der Thüre geläutet: Wer war es? – »Der blonde junge Mann, der schon zweimal kam, Dich um Rath zu fragen, ob er heirathen soll. Du hast gesagt, er langweile Dich, darum habe ich diesen Morgen den Herrn wieder abziehen lassen, indem ich vorgab, Du seiest schon ausgegangen.«

Der Ehemann fährt von seinem Sessel auf und schlägt sich zornig auf die Kniee, indem er ausruft: »Aber wer hat Dich denn geheißen, diesen jungen Mann fortzuschicken? Du machst lauter Dummheiten! ... Just heute wollte ich mit ihm sprechen ... ich hatte ihm eine Mittheilung zu machen ... und man sagt ihm, ich sei nicht zu Hause! Ich glaube wohl, man möchte mich durch fortwährendes Cujonieren gerne ganz aus dem Hause treiben.«

Und in seinem Grimm sieht der Herr nicht, daß er mit seinem Ellbogen an die Kaffeetasse stößt; die Tasse fällt, der Kaffee läuft ihm über den Schlafrock herab; das verdoppelt die Entrüstung unseres Ehemannes, welcher schreit: »Nun ist auch mein Schlafrock hin! ... Ihre Schuld, Madame!« – Wie! meine Schuld? ... Du hättest Deine Tasse nicht umwerfen sollen. – »Man hätte mich nicht den ganzen Morgen ärgern sollen.« – Man braucht Dich nicht erst zu ärgern. Du haderst schon beim Aufwachen. – »Sind Sie mit Ihren Unverschämtheiten bald zu Ende, Madame? Nehmen Sie sich in Acht ... bringen Sie mich nicht auf's Aeußerste!« – Ach! mein Gott! was Sie für wüthende Gesichter machen! man sieht wohl, daß wir nicht in Gesellschaft sind. – »Willst Du schweigen?« – »Vor den Leuten thust Du überzärtlich mit mir, damit man mich für sehr glücklich halte ... ach! wüßte man, wie Du mich behandelst, wenn wir allein sind!«

(Der Ehemann zähneknirschend:) »Willst Du schweigen?« – Darum machen mir auch die Küsse, die Du mir vor der Welt aufdringst, eine so erstaunliche Freude! – »Wenn Du jetzt nicht das Maul hältst, so werfe ich Dir die Tasse in's Gesicht!« – Du wärest fähig dazu, gemeines Ungethüm! – »Ha! Du schimpfst mich Ungethüm? ... Da hast Du's!«

Und die Tasse fliegt auf die Frau zu, welche ihr durch eine schnelle Wendung ausweicht, aber sich der Ohrfeige, die der Tasse folgt, nicht entziehen kann.

*

Während die Frau weint, klingelt es; das Stubenmädchen meldet Jemand.

Schnell sagt der Mann zu seiner Frau mit drohender Miene: »Ich will nicht hoffen, daß Du Dein Geheul an die große Glocke hängst! ... Geschwind wische die Augen ... wo nicht, so folgt die Fortsetzung, wenn der Besuch weggegangen ist.«

Jemand tritt ein. Augenblicklich hat der Herr eine lachende liebenswürdige Miene, eine sanfte und flötende Stimme angenommen.

Der Besuch sagt zu der Frau: »Ich finde Sie blaß ... mit rothen Augen ... Sind Sie krank gewesen?«

Der Herr läßt seine Frau nicht zu Wort kommen; er beeilt sich, dasselbe zu ergreifen und ruft aus: »O! es hat nichts zu bedeuten ... sie hat gestern Nacht zu lange im Bette gelesen ... das greift ihr die Augen an ... Schon hundertmal habe ich sie ermahnt: Liebes Herzchen, Du verdirbst Dir die Augen mit dem langen Nachtlesen, aber man schenkt mir kein Gehör. Und da sieht man dann die Folgen ... am andern Morgen hat man ein fahles Gesicht, rothe Augen ... aber sie wird ordentlicher werden, sie hat es mir heilig versprochen.«

So redend geht unser Mann auf seine Frau zu und streichelt ihr zärtlich die Wangen.

Das ekelhafteste aller Laster ist die Heuchelei, denn sie strebt nach der Ehre von Tugenden, die man nicht besitzt.

Der Räuber, der euch auf der Landstraße anfällt, bekennt euch offen, daß er ein Räuber ist.

Der Ehemann, der seine Frau vor den Leuten liebkost und sie zu Hause prügelt, ist lasterhafter als dieser Räuber.

Die Frau, welche mit einem solchen Ehemann gestraft ist und dennoch ihren Pflichten treu bleibt, verdiente, daß man ihr Statuen, einen Altar, einen Obelisk, einen Triumphbogen, eine Jubiläumssäule errichtete.


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