Paul de Kock
Chipolata
Paul de Kock

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Die Kaffeehäuser

Paris ist die Stadt der tausend und ein Kaffeehäuser. In den volkreichen Vierteln gibt es Straßen, worin gegen zwanzig sich befinden; in der St. Honore-Straße sind noch mehr.

An jeder Ecke sieht man einen Boulevard, und manchmal sind auf einem einzigen Boulevard mehr als ein Dutzend (z. B. auf dem Boulevard du Temple).

Ja, kaum hat man ein neues Haus gebaut, eine neue Straße eröffnet, so entsteht ein Kaffeehaus, und nun gilt es, die Concurrenten durch Luxus und Pracht zu überbieten.

Sonst genügten einige Spiegel, acht bis zehn Lampen, um ein Kaffeehaus comfortable zu machen. Aber jetzt müssen überall Spiegel, mit eleganten Gemälden verzierte Plafonds, vergoldete Pilaster und Gasbeleuchtung im Ueberfluß sein; so sehr, daß wenn man Abends in eines der hübschen Kaffeehäuser tritt, von denen Paris gegenwärtig besäet ist, man geblendet, ja fast blind wird, und viele Leute sich scheuen, nur ein Gläschen zu verlangen.

Und wir sprechen hier nicht von den Kaffeehäusern, die zugleich Speisewirthschaft treiben und die auf prächtigem Fuße eingerichtet sind: wir bleiben bei den eigentlichen Kaffeehäusern stehen.

Aus der Zahl dieser Etablissements läßt sich natürlich schließen, daß die Pariser sie sehr häufig besuchen, und wirklich, die Zahl der Leute, die ohne Kaffeehäuser gar nicht leben können, ist groß in dieser großen Stadt!

Was soll der Krämer thun, wenn er Abends, nachdem er seine Papiere geordnet, seinen Kaffenbestand gezählt, seinen Hund geliebkost und mit seiner Frau gezankt hat, nicht in ein in der Nähe liegendes Kaffeehaus gehen könnte, um mit einigen Freunden zusammenzutreffen, mit denen er eine Partie Domino, Damenziehen oder Piquet spielt und nebenbei die Welt reformirt?

Wohin geht der Commis, wenn er während des Tags oder Abends einen Augenblick aus seinem Magazin sich fortschleichen kann? ... In's Kaffeehaus! Er geht dahin ohne Hut, läuft ein Journal durch, plaudert mit der Dame des Büffets, sagt ihr Süßigkeiten, wenn sie hübsch ist, und entfernt sich mit den Worten: »Stellen Sie meine Flasche Bier auf die Seite, ich werde sie später vollends austrinken.«

Es muß Kaffeehäuser geben für die Strolche, die nicht wissen, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen; für die Neuigkeitsschnapper, die nach allen Blättern fahren und keines lesen, die drei oder vier Mal den Tisch wechseln, ehe sie einen Platz finden, der ihnen zusagt, und die sich Mühe geben, zu hören, was man neben ihnen spricht.

Es muß Kaffeehäuser geben für die Leute, die Geschäfte machen. Hieher bestellen sie oft ihre Clienten: ein Kauf wird abgeschlossen, ein Verkauf kommt zwischen einer Tasse und einem Gläschen in's Reine, und zuweilen zerschneidet eine Bowle Punsch ein Hinderniß und gleicht eine Differenz aus.

Die Schriftsteller gehen ziemlich regelmäßig in das Kaffeehaus des Theaters, dem sie ihre Stücke geben; da lesen sie die Critiken der Blätter und erzählen den täglichen Gästen alle Hindernisse, die sich der Aufführung ihrer Stücke in den Weg gelegt haben; sie geben zu verstehen, daß ihr Stück, um alle diese Hindernisse zu überwinden, nothwendig großes Verdienst haben muß.

Dann kommt auch der Schauspieler; der Schauspieler, der Jedermann kennt und den Jedermann kennt, der überall mit Kopfnicken und Händedrücken begrüßt wird, der nicht oft das Blatt liest, weil er fürchtet, ein schlechtes Compliment über seine Leistungen darin zu entdecken, der sich aber genau erkundigt, ob Jemand gut von ihm gesprochen habe. Dann die Billardspieler; denen ist es nicht um das Kaffeehaus als solches zu thun, sie fragen nur: »Ist es frei?« Und wenn eine bejahende Antwort erfolgt, so eilen sie die Treppe hinauf, die zum Billard führt, ohne sich auch nur weiter umzusehen.

*

In Paris gibt es Leute, die ihr Leben im Kaffeehause zubringen. Morgens gehen sie dahin und bemächtigen sich aller Blätter, ehe sie noch an dem Kreuzband genommen werden; wenn man deren nur sechs ganz lesen will, hat man einige Stunden zu thun.

Diese Leute frühstücken im Kaffeehaus, dann plaudern sie und schwatzen von Geschäften oder Politik; manchmal machen sie Miene, als ob sie fortgehen wollten, allein sie gehen nicht.

Manchmal kommt ein Kaffeehausjunge und sagt zu ihnen: »Mein Herr, Sie sollen nach Hause kommen ... Ihre Frau Gemahlin läßt Sie bitten, zu ihr zu kommen ... sie hat mit Ihnen zu sprechen.«

Dann macht der Kaffeehausgast eine ungeduldige Bewegung und murmelt: »Das ist nicht zum Aushalten; man hat keinen Augenblick für sich.«

Endlich entschließt er sich fortzugehen; doch sagt er noch fürsorglich: »Wenn man nach mir fragt, ich werde nicht lange aus sein.«

In der That kommt der Herr auch in kurzer Zeit wieder, wie Jemand, der sich eine Last vom Halse gewälzt hat.

Sobald er wieder im Kaffeehaus ist, athmet er von Neuem auf, es ist ihm wohl, er ist glücklich, er ist daheim ... denn hier ist seine eigentliche Wohnung; das Haus, wo er Zimmer hat, ist für ihn nur eine Art Niederlage, wo er seine Frau, seine Kinder und seine Möbeln untergebracht hat.

Er bleibt im Kaffeehaus bis zur Zeit des Mittagessens; die Leute, die mit ihm sprechen müssen, suchen ihn hier auf.

Manchmal begegnet es ihm, daß er in der Anstalt sein Mittagessen einnimmt; es ist zwar keine Gastwirthschaft, allein er ist zufrieden mit der bürgerlichen Küche des Inhabers.

Abends kommen die Bekannten; die Dominopartien bilden sich. Der Herr spielt, trinkt, plaudert, wird warm und verläßt den Tisch nicht, bis endlich die Gasflamme erlischt.

Das ist das Zeichen zum Rückzug; die Jungen schließen das Kaffeehaus.

Unser Alltagsgast kann sich nur schwer zum Fortgehen entschließen; manchmal läßt er sich eine Kerze geben, um sein Spiel fortzusetzen oder das Abendblatt zu lesen.

Endlich sagt er dem Wirthe gute Nacht; die Dame an dem Büffet hat sich schon längst zurückgezogen; die Jungen sind im besten Geschäft, ihr Bett in dem Saal aufzuschlagen; er sieht nach der Uhr und sagt: »Ihr schließt heute Abend bald.« – Aber es ist ja schon Mitternacht vorüber ... Sie sehen wohl, daß die Gasflamme erloschen ist, und dies geschieht erst nach Mitternacht. – »Eure Uhr geht eben um eine Viertelstunde vor. Nun, auf Wiedersehen ... morgen.«

Und manchmal sagt der Herr noch, wenn er fortgeht, um sich schlafen zu legen, aus Gewohnheit: »Wenn man nach mir fragt, ich komme gleich wieder.«

*

Wenn die Boulevards, das Viertel des Palais-Royal, die Vorstadt St. Germain durch ihre Kaffeehäuser sich auszeichnen, so findet ihr in den weniger besuchten Straßen der Hauptstadt bescheidenere, die nicht mit Gas beleuchtet sind, weder Gemälde noch Vergoldungen haben, und sich mit einigen Spiegeln, die aus mehreren Stücken bestehen und mit Pappdeckel-Rahmen eingefaßt sind, begnügen.

In diesen Kaffeehäusern befindet sich nie ein Billard.

Die Dame an dem Büffet ist gewöhnlich vierzig bis fünfzig Jahre alt; sie sieht im Gesicht und am Leibe wohl genährt aus, trägt unter der Haube, eine dicke Tour mit falschen krausen Locken, näht oder stickt fast in Einem fort, und unter Tags kommt eine fast eben so reife Nachbarin wie sie selbst zu ihr, die neben ihr Platz nimmt und Strümpfe strickt oder flickt.

Das Comptoir, das aus alten Mahagoni- und mit Marmor eingelegten Möbeln besteht, ist außerordentlich einfach.

Auf einer Seite stehen ein halbes Dutzend Likör-Flaschen in einem alten Wortteil unleserlich. Re.chenfutter aus lakirtem Eisenblech; der Likör selbst, der um die Mehrzahl der gläsernen Pfröpfe candirt und vertrocknet ist, zeigt an, daß nicht viele Vanille noch Parfait d'Amour verlangt wird.

Auf der andern Seite des Comptoirs sieht man neben einem Trichter, der ebenfalls, aus Eisenblech besteht, einen Topf mit Reseden oder Levkojen; manchmal, am Namensfest der Madame, enthält der Topf eine Dahlie; dann sieht man die Thüre des Kaffeehauses sperrweit offen stehen.

Der Herr des Kaffeehauses, der Gemahl der Dame auf dem Comptoir, ist ein Mann von etwa fünfzig Jahren, Besitzer eines hübschen Anzuges und eines großen Bauches. Gewöhnlich ist er ohne Halstuch, um anzuzeigen, daß er zu Hause ist; er geht in seinem Kaffeesaale mit sehr zufriedener Miene auf und ab, kommt und geht und untersucht seine Tabaksdose, bleibt stehen, wie wenn er sehr beschäftigt wäre, thut aber weiter nichts als hie und da eine Prise nehmen, sich schnäuzen, husten und die Blätter von einem Tische auf einen andern tragen.

Wenn wir sagen die Blätter, so muß man nicht glauben, daß man in einem solchen Kaffeehause viele trifft. Gewöhnlich begegnet man nur zwei bis drei; der Gerichtszeitung, dem Constitutionnel und den allgemeinen Anzeigen; sehr oft findet man nur das Tagblatt.

Das Personal der Einrichtung besteht neben dem Mann und der Frau und einem mit Pflastern bedeckten alten Hunde, der immer auf einem der Tische schläft, aus einem Kellner, der seine sechzig Jahre auf dem Rücken hat, der sich aber alle mögliche Mühe gibt, noch jung und gewandt zu erscheinen.

Dieser Kellner hat eine blonde Perrücke mit viel zu kurzen Haaren über den Ohren, so daß man seine eigenen grauen hervorschimmern sieht.

Sommers wie Winters und immer trägt er, um sich ein jugendliches Ansehen zu geben, zu seiner Tuchjacke Nankinbeinkleider und blaue Strümpfe. Die Hose geht in Folge des Waschens nur noch bis auf die Mitte der Waden, und der alte Kellner bringt einen guten Theil seiner Zeit damit zu, sie hinunter zu ziehen, damit sie sich nicht vollends in eine Halbhose verwandle; die wenige Zeit, die ihm sein Dienst wegnimmt, erlaubt ihm, sich häufig dieser Art Uebung zu überlassen.

Dieser Kellner läßt sich Alexander rufen, weil es immer Alexanders unter den jungen Kellnern gibt, die im Kaffeehaus zur Stadt Paris, im Kaffeehaus zur Rotunde, im Café Anglais, kurz in den schönen Kaffeehäusern von Paris aufwarten.

Alexander ist mehr Hausfreund als Kellner. Der Herr gibt ihm Tabak, macht sein Spiel mit ihm und fragt ihn um seine Meinung, wenn er eine Lampe kaufen oder auf ein Blatt abonniren will.

Die Frau wagt nicht, ihm zu klingeln, wenn er auf einem Tische eingeschlafen ist, oder wenn sie ihn zu sehr damit beschäftigt sieht, seine Nankinbeinkleider nach unten zu ziehen.

Endlich speist er mit seiner Herrschaft und grollt, wenn der Braten angebrannt oder nicht genug Butter an der Sauce ist.

Abends spielt er seine Partie Lotto mit seinen Bürgern und vier bis fünf Alltagsgästen, ordentlichen Leuten, die um sechs Uhr kommen und regelmäßig um halb elf Uhr gehen, so daß ein solches Kaffeehaus um elf Uhr geschlossen wird.

Alles dieses macht den Eindruck einer sehr einigen Familie und sieht durchaus nicht einem Kaffeehaus gleich. Man findet da weder Eis noch Sorbet, und statt der Limonade trägt man euch Etwas auf, das sehr viel jenem Getränke ähnlich sieht, welches die Verkäuferinnen auf dem Boulevard in Karaffen verkaufen, und mit dem bescheidenen Namen Zuckerwasser beehren.

Manchmal, gegen neun bis zehn Uhr Abends führt der Zufall einige junge Leute, die den Weg verloren oder etwas unregelmäßige Gewohnheiten haben, in ein solches Kaffeehaus.

Zu dieser Zeit sitzen die vier Stammgäste, die Bürger und der Kellner, um einen Tisch in einem Winkel des Saales herum und sind sehr in eine Partie Lotto versunken.

Sie spielen den Stein um einen Sou, und da schon sehr viele Steine gezogen sind, so ist die Spannung allgemein.

Die jungen Leute treten in das halberleuchtete Kaffeehaus; alle Tische, sind leer, mit Ausnahme des, an dem die Lottospieler sitzen, und eines andern, auf dem der alte Hund schläft.

»Eine Bowle Punsch!« ruft einer der neuen Ankömmlinge, während seine Freunde sich an einen Tisch setzen, der in der Nähe des von dem Thiere besetzten steht.

Die Ankunft dreier Personen auf einmal hat bereits Unruhe im Kaffeehaus verbreitet, da man nicht gewohnt ist, so viele Gäste zu empfangen; der alte Alexander ist böse, daß er sein Lotto verlassen muß, weil er mehrere Quaternen hat; er läßt seinen Herrn zuerst aufstehen und, die Serviette in der Hand, graciös auf die neuen Ankömmlinge zugehen.

Aber als sie hören, daß man eine Bowle Punsch verlangt, malt sich eine sehr sichtbare Verlegenheit auf den Gesichtern der Herrschaft und ihres Kellners.

Der Herr läuft gegen den Lottotisch und sagt mit halblauter Stimme und mir bestürzter Miene: »Diese Herren wollen Punsch!«

»Punsch!« entgegnet die Frau und reißt die Augen auf, wie Jemand, der eine unbekannte Stimme hört; »Punsch! ... aber ich meine, wir haben keinen!«

»Man macht, meine Liebe ... das geschieht mit Thee, Citronen, Weingeist oder Rum und Zucker! ... Wie, Alexander! man muß diesen Herren Punsch machen ...«

»Das ist lustig ... ich hatte drei Quaternen ... ich hätte das Spiel gewonnen.«

»Man wird für Sie setzen.«

»Es ist mir lieber, wenn man wartet.«

Alexander entschließt sich endlich, das Lotto zu verlassen, und nachdem er seine Beinkleider heruntergezogen hat, gibt er dem Tische, an dem die jungen Leute sitzen, einen Wischer mit der Serviette und sagt: »Was wünschen die Herren?«

»Wir haben Punsch verlangt.«

»Ah! ... gut. Würden Sie nicht Bier vorziehen ... wir haben köstliches.«

»Wenn wir Bier wollten, hätten wir nicht Punsch verlangt.«

»Gehen Sie doch, alter Bursche, und bringen Sie uns eine Bowle mit Rum, aber mit einem feinen.«

Alexander geht, sehr zornig darüber, daß man ihn einen alten Burschen geheißen hat, zu seinen Bürgern hin und murmelt: »Und das Feuer ist ausgegangen ... das wird lustig werden! ... Ziehen Sie nicht ohne mich ... sie wollen ihn mit Rum ... ist noch welcher da?«

»Ja, ja,« entgegnet der Herr mit zufriedener Miene, »wenigstens noch eine Drittelsflasche ... das ist zwar nicht sehr viel ... aber man muß doch damit ausreichen.«

»Aber wie,« sagt die Dame, »ich habe weder Thee noch Citronen ... man kann jedoch beim Kaufmann und der Obsthändlerin holen lassen ... wenn sie noch nicht zu Bette gegangen ist.«

»Das ist nicht der Mühe werth, man macht ihn ohne das Zeug ... braucht man denn diese Dinge so notwendig, um Punsch zu machen?«

»Warten Sie mit dem Ziehen, bis ich komme!«

»Richten Sie den Punschnapf und die Glaser ... und dann Teller ...«

In einem solchen bescheidenen Kaffeehaus ist ein silberner Punschnapf ein unbekannter Luxus.

Und die Dame sucht ein Geschirr, und entschließt sich endlich zur Suppenschüssel. Während sie solche reinigt, wirft der Wirth Alles durcheinander, um einen Teller zu suchen, und die vier Stammgäste reiben mit den Sacktüchern die Gläser, die mit edlem Staube bedeckt waren; es ist dies ein sehr belebtes Gemälde.

Indessen jagt einer der jungen Leute, indem er seinen Hut auf den nebenstehenden Tisch legen will, den darauf liegenden Hund ziemlich unsanft hinunter, indem er sagt: »Das ist einmal ein ungezogenes Thier.«

Die Frau des Hauses stößt einen Schrei aus, als sie ihren Hund fallen sieht und ruft aus: »Ach, Herr, sehen Sie denn nicht, daß er drei Pflaster hat?«

»Ein Grund mehr, Madame, daß seine Nachbarschaft unangenehm ist.«

Em Bürger hebt den Hund auf und trägt ihn auf dem Arme fort, während er sagt: »Es ist nichts, liebe Freundin ... er hat sich nicht verwundet ... er ist auf den Schwanz gefallen.«

Indessen wartet man auf den alten Alexander, der das Feuer im Laboratorium anbläst.

»Wo steckt denn der Punsch!« rufen die jungen Leute, die merken, daß sie sich verirrt haben.

»Im Augenblick, meine Herren ... er ist sogleich fertig.«

Eine Viertelstunde vergeht.

Der Wirth ist mehrere Male in das Laboratorium gegangen, und jedes Mal sagt er bei der Rückkunft: »Im Augenblick, meine Herren, werden Sie bedient werden.«

Und die jungen Leute lärmen: »Ach! was ist das für ein Kaffeehaus, wo man so ungeheuer lange warten muß, bis man ein so einfaches Getränke bekommt!«

Endlich kommt der alte Alexander aus dem Laboratorium, das Gesicht voll Kohlenstaub, die Perrücke fast umgekehrt und Schweiß auf der Stirne; er nimmt das Gefäß, den Teller, kehrt an seinen Ofen zurück und trägt mit stolzer Miene die verlangte Bowle Punsch auf.

Als die jungen Leute die Suppenschüssel erblicken, rufen sie: »Was ist das? ... eine Suppe?«

»Das ist Ihr Punsch, meine Herren,« entgegnet der Kellner, seinen Teller auf den Tisch setzend.

»Der sieht komisch genug aus!«

»Ich hätte es für Bouillon gehalten!«

»Ich glaube wirklich, er hat Augen!«

»Zünden Sie ihn uns wenigstens an.«

»Diese Herren wollen ihn anzünden?«

»Ja, bringen Sie Feuer!«

Alexander geht an den Lottotisch und sagt mit Mitleid erregender Miene: »Sie wollen, daß man ihn anzünde.«

»Wie, wie!« ruft die Frau vom Hause ganz erschrocken, »man will bei mir anzünden? ... Ich dulde es nicht!«

»Ach nein, liebe Frau,« entgegnet der Herr lächelnd, »nur den Punsch anzünden ... das geht ... das ist erlaubt.«

»Ach! das ist etwas Anderes; aber lieber Freund, gewiß hält das mein hübscher Fayencetopf nicht aus ... er zerspringt.«

»Nein ... nein ... wie, Alexander! nehmen Sie doch ein Zündholz und zünden Sie ihn an.«

Der alte Kellner nimmt ein Licht und versucht es, den Punsch anzuzünden: umsonst verbraucht er ein halbes Schächtelchen Zündhölzchen, umsonst verbrennen die jungen Leute alles Papier, das sie bei sich haben, der Likör will nicht brennen.

Und die Wirthin sagt ganz leise: »Ich bin froh, daß sie ihn nicht anzünden können ... meine Schüssel wäre zerbrochen.«

Man muß sich entschließen, den Punsch ohne daß er brennt zu trinken; allein er riecht nach Rauch, Kohlen und Wasser.

Die jungen Leute, die ihn abscheulich finden und nicht trinken können, zahlen eilends und gehen fort, während sie ausrufen: »Welch' ein Kaffeehaus! Großer Gott! ... das ist eine wahre Spelunke!«

Der alte Alexander läuft nach der Bowle und ruft, den stehen gelassenen Punsch trinkend: »Sie sind nicht zufrieden! ... Und ich versichere Sie, er ist köstlich.«

Der Herr kommt, versucht ihn seinerseits und ruft »Er ist sehr gut ... zwar nicht sehr stark ... aber sehr gut.«

»Im Ganzen,« sagt die Dame, »ist es mir lieber, wenn die Herren nicht wieder kommen. Ich bin überzeugt, daß es leichtsinnige Bursche sind ... sie würden Scenen hier aufführen und ich liebe die Ruhe.«

Die Gesellschaft, die noch ganz bewegt ist über die Wirkung, die das Verlangen einer Bowle Punsch in dem Kaffeehaus hervorgebracht hat, geht nun wieder an ihr Lottospiel.

Man wird vielleicht schwerlich glauben, daß es in einer Stadt wie Paris noch solche Kaffeehäuser gibt; aber es ist dies ein Gemälde, in welchem bloß Wahrheit aufgetragen ist.

Indessen müssen wir sagen, daß viele Art Kaffeehäuser von Tag zu Tag seltener werden; in einigen Jahren wird man ohne Zweifel keine solche mehr in der großen Stadt finden, und wahrlich, diejenigen, die das Unglück hatten, dort etwas zu sich zu nehmen, werden nicht in Versuchung kommen, diesen Verlust zu bedauern.


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