Paul de Kock
Chipolata
Paul de Kock

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Ein Herr, der Maire werden will

Denkt euch ein beliebiges Dorf in der Nähe von Paris; nur muß es ein ziemlich beträchtliches sein, das neben vielen armseligen Bauernhütten auch hübsche Bürgershäuser zählt, wo man im Sommer sehr warm, im Winter sehr kalt hat, in dessen Nähe sich ferner einige angenehme Spazierwege, ein Wäldchen, mehr oder weniger malerische Aussichten, einige Steinbrüche, Erdschliffe, Chausseen und ein Rasen befinden, auf dem ich euch aber nicht rathen wollte, euch zu lagern, ehe ihr den Platz gehörig untersucht habt, kurz Alles, was den Reiz eines in der Nähe von Paris befindlichen Landsitzes ausmacht.

Nun denkt euch die Mehrzahl dieser Bürgershäuser von Personen bewohnt, die wirklich das Land lieben; von Kaufleuten, die hier von dem Wirbel ihrer Geschäfte ausruhen wollen; von Künstlern, die nöthig haben, manchmal die lärmenden Vergnügungen der Hauptstadt zu vergessen; die in den Feldern neue Gedanken finden und sich schmeicheln, da arbeiten zu können, ohne besucht und unterbrochen zu werden; dann noch von einigen Liebespärchen, welche die Einsamkeit, Ruhe und Stille suchen, weil das Glück und die Liebe nie lebhafter, als wenn sie verborgen sind.

Jetzt, wenn ihr euch das Alles vorgestellt habt, habe ich nicht nöthig, euch zu sagen, wie man die Zeit in diesem Dorfe zubringt.

Die Woche über arbeiten die Bauern, ackern, säen, eggen.

Wenn der Sonntag kommt, gehen die Alten in's Wirthshaus, die Jungen tanzen mit den Mädchen, indem sie auf einem kleinen Platze zusammen kommen, den man den Ballsaal heißt, weil er mit einigen Dutzend Stühlen und einer Hecke versehen ist, und bei schönem Wetter ein blinder Geiger dort mit mehr oder weniger Virtuosität die Tänze aufspielt, nach denen bereits in der Hauptstadt Alles gehüpft hat.

Was die Bewohner der Bürgershäuser anbelangt, so könnt ihr sie in der Woche manchmal sehen, wie sie ihre Schritte nach den einsamsten Spaziergängen lenken. Die Männer tragen ein einfaches Reisehemd und eine Mütze, die Frauen den großen ungeheuren Strohhut in seiner ursprünglichen Form, selbst ohne Band, um ihn unter dem Kinn zu befestigen.

Die Leute haben Paris verlassen, um ungenirt zu sein, um zu thun, als hätten sie einen Begriff von jener Sache, von der Jedermann spricht und die so wenige kennen – von der Freiheit.

Aus diesem könnt ihr schließen, daß die Bürger dieses Dorfes sich wenig besuchen; Gesellschaft zieht immer tausend Abhängigkeiten nach sich.

Wenn ihr auf dem Lande euch mit allen euren Nachbarn einlaßt, so seid ihr weniger frei als in der Stadt: man besucht euch Morgens, Mittags und Abends.

Um euern Garten zu bewundern, zwingt man euch, in demselben zu sein, wenn ihr euer Zimmer nicht verlassen möchtet; um die Einrichtung eures Hauses zu sehen, nöthigt man euch, hineinzugehen, wenn ihr lieber in eurem Garten arbeiten wolltet.

Es ist daher gerathener, sich auf die einfachsten, gebräuchlichsten Höflichkeiten zu beschränken, auf jene gemüthlichen Grüße, die man sich auf dem Lande macht, und auf jene kleinen Fragen über den Zustand der Gesundheit und die Unbeständigkeit des Wetters, die euch nie compromitiren können.

So macht es der größte Theil der Stadtbewohner, die auf's Land gezogen sind.

Lesen, Arbeiten, Spazierengehen, etwas Geplauder, wobei man einige unschuldige Scherze über seinen Nachbar macht, das sind die Vergnügungen, die man auf diesem Dorfe hatte, wo Jeder, Bauer, Kaufmann und Bürger, zufrieden mit seinem Loose schien.

Allein da geschieht es eines Tages, daß ein sehr hübsches Bürgerhaus von seinem Eigenthümer an einen gewissen Herrn Gerngroß verkauft wird.

Und der Herr Gerngroß zieht ein mit einer unermeßlichen Familie: mit einer Frau, drei Töchtern, zwei Tanten und einer Unzahl Vettern, ohne eine Kutsche zu rechnen, die eigentlich für einen Charabanc gelten kann.

Urplötzlich und wie durch Bezauberung geht eine Veränderung im Dorfe vor: Lärmen tritt an die Stelle der Stille, Bewegung folgt auf die Ruhe.

Zuerst sieht man neue Personen gehen, kommen, laufen; dann sieht man den Schreiner, Schlosser, Maurer mit geschäftiger, eiliger Miene; die Wirthe des Dorfes lassen die Vorderseite ihres Hauses reinigen.

Endlich können die minder Neugierigen nicht umhin, sich zu fragen: »Was gibt's denn im Dorfe?«

»Was geht denn vor?«

»Warum alle diese Unruhe?«

»Sie wissen es also nicht? Das Haus der Wittwe Pricot ist verkauft; der neue Besitzer ist angekommen, es zu bewohnen. Er schreibt sich Gerngroß, hat eine große Familie, drei Mamsellen, von denen zwei nicht übel sind, eine noch sehr frische Frau und modische Vettern ...«

»Nun, was geht das Alles uns an?«

»Der Herr Gerngroß ist reich, wie es scheint; er läßt schon Alles in seinem Eigenthum umkehren; er läßt bauen, einreißen, pflanzen, ausjäten ... o, er will viele Verschönerungen an seinem Hause anbringen; er beschäftigt bereits den Maurer, den Schreiner ... ja, er beschäftigt auch den Bäcker, denn man läßt Spritzkuchen und Backwerk bei ihm machen. Das sind Leute, die sehr gut leben.«

Der, welcher diese Fragen gestellt hat, geht nach Hause und denkt bei sich: »Ein neuer Besitzer ist allerdings Herr in seinem Hause; er kann thun, was er will. Aber ich sehe nicht ein, warum dadurch das ganze Dorf so in Bewegung gesetzt wird!«

Indessen bleibt am andern Morgen der berühmteste Gastwirth des Orts vor dem Hause eines seiner Gevattern stehen; der Flurschütz, zwei oder drei Herren und einige Bauern sammeln sich um sie, und die Unterhaltung beginnt: »Wissen Sie, daß unser Ort hübsch werden wird?«

»Hübsch, wie verstehen Sie das?«

»Das heißt, unser Ort soll sich verschönern; der neue Besitzer, Herr Gerngroß, hat es gesagt; das ist ein Genie!«

»Die Leute sind reich, nicht wahr?«

»Ich denke wohl! er läßt zwei prächtige Taubenschläge in seinem Garten machen.«

»Er hat mir gesagt, die Gegend müsse sich verändern, hat mich veranlaßt, meine Speisekarte zu vergrößern und Rossbif auf englische Art zu machen, weil dann viel mehr Leute hier durchkommen würden. Aber er findet, daß die Hauptstraße schmutzig ist und schlecht unterhalten wird. Er sagt, wenn Jeder vor seiner Thüre Sand streuen würde, wäre es viel hübscher.«

»Wahrlich, er hat Recht; nun, das ist ein Mann, der sich der Gegend annimmt, das gäbe einen famosen Maire, ganz gewiß! Ich will gehen und Sand streuen.«

»Ich, ich will Herrn Hartreich, dessen Haus ebenfalls an der Straße steht, veranlassen, daß er auch Sand streuen läßt.«

*

Der Flurschütz geht auf ein kleines Haus von ziemlich bescheidenem Aussehen zu. Hier wohnt Herr Hartreich, ein alter Kaufmann, ein kalter phlegmatischer, methodischer Mann, der zur bestimmten Zeit aufsteht und zu Bette geht, ißt, liest, arbeitet oder schläft, und nie an seinen Gewohnheiten Etwas ändern will.

Die Frau Hartreich ist ein kleines Weibchen von ungeheurer Dicke, aber viel zu faul, um einen Willen zu haben und ihren Mann zu belästigen. Ihr größtes Glück besteht darin, den ganzen Tag im Schlafrocke zu bleiben, und keinen Schnürleib anlegen zu müssen.

Der Flurschütz tritt in den Garten.
Herr Hartreich beschnitt seine Bäume.

Er hatte eine Baumsäge gekauft und mit dieser hantirte er nun; er hatte gesagt, er werde von Mittag bis ein Uhr in seinem Garten beschneiden; was lag ihm daran, ob das den Bäumen gut war oder schadete; von Mittag bis ein Uhr sägte Herr Hartreich Aeste ab.

Der Flurschütz kommt näher; er hat die Hand am Hute, da er diesen nicht abnimmt, weil ein Flurschütz eine amtliche Person ist und die Beamten das Recht haben, unhöflich zu sein.

Herr Hartreich läßt sich nicht aus der Fassung bringen; er fährt fort, mit seiner Säge alle Aeste abzusägen, die das Unglück haben, ihm in den Weg zu kommen, während der Flurschütz die Unterhaltung einfädelt.

»Meinen Gruß, Herr Hartreich, Madame und Pamphilie, mit Verlaub.«

»Guten Tag, Herr Feldhas.«

»Geht es gut heute Morgen; ist die ganze Pamphilie wohl, mit Verlaub?«

»Ganz gut; was führt Sie zu mir?«

»Sogleich ... ach, geben Sie Acht, Herr Hartreich, Sie sägen da einen Ast ab, der noch ganz grün ist.«

»Was geht das Sie an? Kann ich meine Bäume nicht beschneiden, wie ich will?«

»Gewiß, aber drum, ja, ich meine, es ist jetzt nicht die Zeit zum Beschneiden, mit Verlaub.«

»Herr Feldhas, machen Sie mir das Vergnügen und kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten, ich sehe auch nicht nach den Stachelbeerstauden, die man in Ihren Feldern abschneidet, ich!«

»Das war nur so gesagt; um zur Sache zu kommen, so bin ich da wegen der neuen Idee, die Herr Gerngroß uns gegeben hat.«

»Herr Gerngroß! Seit einigen Tagen schlägt mir unaufhörlich dieser Name an die Ohren.«

»Nicht wahr, jener große blonde Herr mit einer Brille, der Jedermann anspricht und die Wirthe seine Kinder nennt?« fragt Frau Hartreich, sich auf einer Rasenbank niederlassend.

»Der ist es, mit Verlaub, ein schöner Mann, der hübsch spricht; er spricht eine ganze Stunde lang, ohne stecken zu bleiben. Dieser Mann hat den Kopf ganz mit Ideen vollgespickt; er ist noch nicht lange auf dem Lande und bereits hat er Alles in Bewegung gesetzt ... er ist für den Fortschritt, mit Verlaub, und dann ist er ein gemeiner und niederträchtiger Herr gegen Alt und Jung ... kurz, ein Mann, der als Ortsobrigkeit ganz an seinem Platze wäre!«

»Haben Sie nicht schon einen Maire?«

»Ach ja; aber nächstes Jahr wird wieder gewählt, und da bespricht man sich schon zum Voraus.«

»Nun, machen Sie es kurz, was soll es eigentlich mit Ihrem Gerngroß?«

»Es ist ihm die Idee gekommen, daß zur Verschönerung des Orts Jeder vor seiner Thüre Sand streuen soll, das wird der Straße ein enjales Aussehen geben.«

»Gehen Sie mir zum Henker! er soll vor seiner eigenen Thüre kehren und meinethalben streuen so viel er will, ich lasse keinen Sand streuen; der Raum vor meinem Hause ist gut genug, wie er ist. Zudem, was geht das den Herrn an?«

»Ach! es ist von wegen der Verschönerung ... Sie sägen wiederum einen guten Ast ab ...«

Herr Hartreich wirft einen Blick des Unwillens auf den Flurschützen und sägt weiter.

Herr Feldhas entschließt sich zum Rückzuge und denkt bei sich: »Das ist all eins; wenn er sieht, daß Jedermann streut, wird er es schon auch nachmachen.«

*

Einige Tage später geht der Schütze in ein hübsches Haus des Dorfes, in dem ein Künstler mit seiner Frau wohnt.

Der Ton eines Pianos mischt sich mit den Klängen einer metallreichen Stimme.

Der Schütze, der die Musik liebt, bleibt vor dem offenen Fenster eines Parterrezimmers stehen und fängt an, den Takt falsch dazu zu schlagen, indem er versucht, den Schritt der Marseillaise mit der Opernmelodie, die er hört, in Einklang zu bringen.

Der Künstler dreht sich um, sieht den vor dem Fenster stehenden Schützen und sagt: »Kommen Sie herein, Vater Feldhas. Sie haben uns etwas zu sagen?«

»Meinen Gruß, Herr, Madame und Pamphilie. Mit Verlaub, die Melotterie, die Sie da spielen, ist sehr hübsch.«

»Finden Sie das? Sie sind Musikliebhaber?«

»Ein großer! ein Bruder von mir hätte sollen sogar Haubenist bei der Gardmussich werden, und meine Muhme sagte, ich hätte stolze Anlagen, nur seien sie nicht aufgewickelt

»So scheint es, und das ist Jammerschade.«

»Ich hätte auch das Flaschenett gespielt, wenn man mich's gelehrt hätte. So bleibt's nur bei der Flasche.«

»Was, zum Henker! es scheint, Sie haben zu vielen Dingen Anlage!«

»Gewiß; und ich würde auch die Trommel geschlagen haben, mit Verlaub, wenn man mir's gezeigt hätte.«

»Seht einmal! Und so viel Anlagen sind unbekannt geblieben!«

»Aber, ich bin gekommen, um ... ach ja, richtig: Herr Gerngroß hat nämlich wieder eine Idee gehabt.«

»Herr Gerngroß ... ach, das ist der Herr mit den Ideen; er hat solche für das ganze Dorf ... er muß einen großen Kopf haben, der Mann. Welcher Art ist seine neueste Idee?«

»Man sollte am Ende des Dorfes eine große Grube graben, in der sich das Regenwasser ansammeln würde; nach einiger Zeit würde das einen Teich bilden, den man als Waschplatz gebrauchen könnte.«

»Das ist nicht unwahrscheinlich.«

»Wollen Sie auf den Waschplatz unterzeichnen?«

»Schickt Sie vielleicht der Maire?«

»Nein ... aber das ist all eins, man unterzeichnet so wieso.«

»Wenn es einmal stark geregnet hat, will ich unterzeichnen ... für den Augenblick ist mir's zu trocken.«

»Ach, hören Sie doch, mit Verlaub, Sie wissen, daß man nicht mehr durch's Dorf galoppiren darf, weder zu Pferd noch zu Esel?«

»Wer verbietet das?«

»Es ist eine Idee des Herrn Gerngroß, um Unglück und Schaden zu verhüten; neulich wäre beinahe dem Hunde von Doppelhannes ein Bein abgetreten worden...«

»Schon gut, Vater Feldhas; ich glaube, daß das Verbot ziemlich unnöthig ist, da die Pferde und Esel hiesigen Ortes nicht gewohnt sind, so viele dumme Streiche zu machen wie fremde. Uebrigens, wenn ich einmal spazieren reite, so werde ich dabei meinen Ideen folgen.«

Der Flurschütz fährt in der Zerstreuung an's Ohr, statt an den Hut, und entfernt sich, indem er ganz leise spricht: »Das ist all' eins; ich wette doch, daß er sich nicht mehr zu galoppiren getraut.«

*

Aber einige Tage nachher erscheint Herr Gerngroß selbst in Begleitung des Flurschützen, der diesmal, um sich ein größeres Ansehen zu geben, seinen Dienstschild angelegt hat, bei dem Künstler.

Herr Gerngroß ist ein Mann in den mittleren Jahren, der sehr gute Manieren hat und namentlich das Talent besitzt, Jeden dahin zu bringen, seinen Willen zu erfüllen.

Nach den gebräuchlichen Artigkeiten, während welcher der Schütz die Marseillaise nach der Melodie »›es kann ja nicht immer so bleiben‹« summt, kommt der neue Besitzer auf den Zweck seines Besuches.

»Mein Herr, ich will Ihnen einen Plan mittheilen, der mir eingefallen ist, um in diese Gegend, die etwas abgelegen ist, Leben und Bewegung zu bringen, um Leute herbeizuziehen ...«

»Sie finden also, daß viele Leute auf dem Lande notwendig sind?«

»Vielleicht nicht für uns ... allein man muß an die Kaufleute, an die Handwerker denken ... kurz, mein Herr, was unserer Landgegend fehlt, ist ein Fest, ein hübsches Fest, das ganz Paris in den Ort zieht.«

»Ich glaube nicht, daß ganz Paris hereingehen wird, mein Herr.«

»Sie verstehen, daß das so eine Redensart ist; aber ein hübsches Fest wird dem Orte sehr wohl thun, und ich nehme die Anordnung desselben auf mich. Die Schenkwirthe sind von meiner Idee ganz bezaubert.«

»Die Schenkwirthe, das begreife ich; aber die andern Leute ...«

»Mein Herr, ich versichere Sie, daß unser Fest herrlich sein wird ... Jedermann unterzeichnet; wir haben auch auf Sie gerechnet.«

»Wenn Jedermann unterzeichnet, so will ich mich nicht ausschließen. Aber worin soll Ihr Fest bestehen?«

»Aus Spielen ohne Ende; aus Scheibenschießen ... aus Preisen, die man gewinnen kann ... aus moskowitischen Douschen; es ist dies ein Spielchen, wo man mit einer Binde vor den Augen an einem auf einem Baume angebrachten mit Wasser gefüllten Topf mittelst einer Schnur zieht ... wenn sich der Topf gut hält, bekommt man einen Preis; wenn nicht, so bekommt man dessen wäßrigen Inhalt auf den Kopf.«

»Das ist bei jetziger heißen Witterung keine so große Strafe. Weiter?«

»Dann kommen Wagenrennen ... das heißt eigentlich Lanzenrennen, wo man mit eingelegtem Pfahle auf einem Besenstiel durch das Dickicht eines Gehölzes zu reiten sucht ... kommt man nicht durch, so schüttet man Einem ebenfalls einen Kübel voll Wasser auf den Kopf.«

»Da wird einem also abermals der Kopf gewaschen. Dann weiter?«

»Dann kommt noch das Kübellaufen ... man füllt nämlich Kübel voll mit Wasser an; kommen die Personen, die sie tragen müssen, an's Ziel, ohne einen Tropfen zu verschütten, was sehr schwer ist, so erhalten sie einen Preis, wogegen sich diejenigen, die verloren haben, ein Vergnügen dadurch machen, daß sie ihre Kübel, so weit der Vorrath noch reicht, über das Publikum ausgießen!«

»Alle diese Spiele scheinen mir sehr erfrischender Natur zu sein!«

»Dann kommt ein Luftballon ... ein Feuerwerk ...«

»Sie setzen ja alle Elemente in Bewegung!«

»Jawohl, alsdann kommen Seiltänzer, Fischerstecher, Fremde, Handelsleute, Gaukler, und endlich ein reizender Ball, auf dem sich die beste Gesellschaft von Paris einfinden wird. Sie unterzeichnen, nicht wahr?«

»Man kann nicht wohl allein zurückbleiben.«

Der Künstler würde die Ruhe dem Lärmen der ländlichen Feste vorziehen.

Herr Hartreich war überzeugt, daß alle Spiele, zu denen man Zurüstungen traf, seinen Gewohnheiten schnurstracks zuwiderlaufen würden; trotzdem gibt er nach und unterschreibt, hingerissen von der Beredsamkeit des Herrn Gerngroß, die Hämmel des Panurgus nachahmend, indem er bei sich denkt: »Dieser verdammte Mensch ist schrecklich mit seinen Neuerungen.«

Und das bis dahin so stille Dorf bietet in Kurzem den belebtesten Anblick dar; man setzt Maste ein, errichtet Bühnen für die Musikanten, stellt ein Gerüst für's Feuerwerk auf, macht einen Luftballon, haut grüne Zweige ab, windet Guirlanden und errichtet Triumphbögen.

Alles ist auf den Beinen und Herr Gerngroß leitet die Arbeit.

Und Herr Hartreich sagt zu seiner Frau: »Ich begreife nicht, wie dieser Herr ein Vergnügen daran findet, sich so viel zu schaffen zu machen.«

Und einer der Honoratioren des Dorfes flüstert ihm in's Ohr: »Wie! Sie begreifen nicht, daß dieser Herr, der Vermögen hat, nun Maire werden will? Deßwegen macht er sich so viel mit uns zu schaffen. Aber, im Ganzen betrachtet, ist das ein Ehrgeiz wie ein anderer. Ein Maire erhält ein Kreuz, dann wird er Abgeordneter, dann Pair ... zum Henker ... ich muß auf's Jahr auch etwas Neues erfinden.«

*

Der Festtag ist da.

Die fremden Kaufleute, die der Mehrzahl nach aus Lebkuchenhändlern bestehen, nehmen ihre Stände auf der Straße ein, die dadurch eine Art Jahrmarkts-Anstrich bekommt; Marktschreier kündigen dem Publikum an, daß sie Ungeheuer sehen lassen; die Bauern gehen in Masse hinein, und man zeigt ihnen eine Frau, die einen Bart hat. Man läßt einige Raketen steigen; die Spiele fangen an.

Dem Sohne des ersten Schenkwirths im Dorfs reißt seine Flinte fast die Nase weg; er kehrt weinend nach Hause zurück, und seine Mutter sagt zu ihm: »Wärest Du bei Deinem Herde geblieben, so hättest Du Deine Nase noch.«

»Ich wollte aber eine Uhr gewinnen!«

»Esel! wie wenn man sie je bekommen könnte! Man hängt sie expreß so hoch hinauf.«

Bei den moskowitischen Wasserbädern ziehen die Bäuerinnen zu stark an den Schnüren und bekommen das Wasser mitsammt den Töpfen auf den Kopf. Zwei haben Löcher im Schädel, drei andere Beulen.

Das Spiel schließt mit einer Prügelei zwischen diversen Bauernjungen, die sich die Preise streitig machen.

Herr Hartreich ist mit seiner Frau spazieren gegangen und hat gegen seine Gewohnheit Zuckerbrod gegessen; er hat deßhalb für den Rest des Tages Magenbeschwerden.

Abends geht das Feuerwerk ebenfalls schief los; die Schwärmer und Frösche fahren unter die Bäuerinnen, verbrennen ihnen die Kleider, Schürzen, Unterröcke und sonst noch verschiedene Dinge.

Der Luftballon, den man um acht Uhr zu füllen angefangen, zerplatzte in demselben Augenblicke, wo er steigen sollte.

Der Ball, auf dem die beste Gesellschaft von Paris sich einfinden sollte, ist voll von Herren in blauen Blousen, die einen sehr tollen Cancan mit Frauenzimmern tanzen, welche bei allen Figuren sehr herausfordernde Bewegungen machen.

Die Bürger vom Orte sehnen sich nach ihrem kleinen, einfachen, ruhigen Sonntagsballe, nach ihren Spaziergängen ohne fremde Kaufleute, nach ihrem Dorfe ohne Bänkelsänger, und sagen zu einander: »Wir waren viel glücklicher, als man uns nicht mit Teufelsgewalt belustigen wollte.«

Aber Herr Gerngroß läßt den Muth nicht sinken; er geht einher wie ein General auf dem Schlachtfelde und ruft: »Nächstes Jahr muß es noch viel hübscher werden! ... Ich will, daß man viel von dem Feste in diesem Dorfe sprechen soll.«

Und der Flurschütz, der bei allen Weinwirthen eingekehrt ist und kaum noch stehen kann, stammelt: »Es scheint mir, daß es jetzt schon hübsch genug ist ... mit Verlaub.«


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