Heinrich von Kleist
Gedichte und Fabeln
Heinrich von Kleist

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Der Schrecken im Bade.

Eine Idylle.

Johanna. Klug doch, von List durchtrieben ist die Grete,
Wie kein' im Dorf mehr! »Mütterchen,« so spricht sie.
Und gleich, als scheute sie den Duft der Nacht,
Knüpft sie ein Tuch geschäftig sich ums Kinn:
»Laß doch die Pforte mir, die hintre, offen;
Denn in der Hürd' ein Lamm erkrankte mir,
Dem ich Lavendelöl noch reichen muß.«
Und, husch! statt nach der Hürde, die Verrätrin,
Drückt sie zum Seegestade sich hinab. –
Nun, heiß, fürwahr, als sollt' er Ernten reifen,
War dieser Tag des Mais, und Blumen gleich
Fühlt jedes Glied des Menschen sich erschlafft. –
Wie schön die Nacht ist! Wie die Landschaft rings
Im milden Schein des Mondes still erglänzt!
Wie sich der Alpen Gipfel umgekehrt
In den kristallnen See danieder tauchen!
Wenn das die Gletscher tun, ihr guten Götter,
Was soll der arme herzdurchglühte Mensch?
Ach! wenn es nur die Sitte mir erlaubte,
Vom Ufer sank' ich selbst herab und wälzte
Wollüstig wie ein Hecht, mich in der Flut!

Margarete. Fritz! – Faßt nicht Schrecken, wie des Todes, mich!
– Fritz, sag' ich, noch einmal: Maria – Joseph!
Wer schwatzt dort in der Fliederhecke mir?
– Seltsam, wie hier die Silberpappel flüstert!
»Husch« und »Lavendelöl« und »Hecht« und »Sitte«,
Als ob's von seinen roten Lippen käme!
Fern im Gebirge steht der Fritz und lauert
Dem Hirsch auf, der uns jüngst den Mais zerwühlte:
Doch hätt' ich nicht die Büchs' ihn greifen sehen,
Ich hätte schwören mögen, daß er's war.

Johanna. Gewiß! Diana, die mir unterm Spiegel,
Der Keuschheit Göttin, prangt im goldnen Rahm;
Die Hunde liegen lechzend ihr zur Seite,
Und Pfeil und Bogen gibt sie, jagdermüdet,
Den jungen Nymphen hin, die sie umstehn:
Sie wählte sich, der Glieder Duft zu frischen,
Verständiger den Grottenquell nicht aus.
Hier hätt' Aktäon sie, der Menschen ärmster,
Niemals entdeckt, und seine junge Stirn
War' ungehörnt bis auf den heut'gen Tag.
Wie einsam hier der See den Felsen klatscht!
Und wie die Ulme, hoch vom Felsen her,
Sich niederbeugt, von Schleh umrangt und Flieder,
Als hätt' ein Eifersücht'ger sie verwebt,
Daß selbst der Mond mein Gretchen nicht und nicht,
Wie schön sie Gott der Herr erschuf, kann sehn!

Margarete. Fritz!

Johanna.             Was begehrt mein Schatz?

Margarete.                                                       Abscheulicher!

Johanna. O Himmel, wie die Ente taucht! O, seht doch,
Wie das Gewässer heftig, mit Gestrudel,
Sich über ihren Kopf zusammenschließt!
Nichts als das Haar, vom seidnen Band umwunden,
Schwimmt, mit den Spitzen glänzend, oben hin!
In Halle sah ich drei Halloren tauchen;
Doch das ist nichts, seit ich die Ratz' erblickt!
Ei, Mädel! Du erstickst ja, Margarete!

Margarete. Hilf! Rette! Gott, mein Vater!

Johanna.                                                   Nun? was gibt's? –
Ward, seit die Welt steht, so etwas erlebt!
Fritz ist's, so schau doch her, der junge Jäger,
Der morgen dich, du weißt, zur Kirche führet! –
Umsonst! Sie geht schon wieder in den Grund!
Wenn wiederum die Nacht sinkt, kenn' ich sie
Auswendig, bis zur Sohl' herab, daß ich's
Ihr mit geschloßnem Aug' beschreiben werde;
Und heut, von ungefähr belauscht im Bade,
Tut sie, als wollte sie den Schleier nehmen
Und nie erschaut von Männeraugen sein!

Margarete. Unsittlicher! Pfui, Häßlicher!

Johanna.                                                 Nun endlich!
In dein Geschick doch endlich fügst du dich.
Du setzest dich, wo rein der Kiesgrund dir
Dem Golde gleich erglänzt, und hältst mir still.
Wovor, mein Herzenskind, auch bebtest du?
Der See ist dir, der weite, strahlende,
Ein Mantel in der Tat, so züchtiglich
Als jener samtene, verbrämt mit Gold,
Mit dem du Sonntags in der Kirch' erscheinst.

Margarete. Fritz, liebster aller Menschen, hör' mich an:
Willst du mich morgen noch zur Kirche führen?

Johanna. Ob ich das will?

Margarete.                         Gewiß? begehrst du das?

Johanna. Ei, allerdings! Die Glock' ist ja bestellt.

Margarete. Nun sieh, so fleh' ich, kehr' dein Antlitz weg!
Geh gleich vom Ufer, schleunig, augenblicklich!
Laß mich allein!

Johanna.                   Ach, wie die Schultern glänzen!
Ach, Wie die Knie', als säh' ich sie im Traum,
Hervorgehn schimmernd, wenn die Welle flieht!
Ach, wie das Paar der Händchen, festverschränkt,
Das ganze Kind, als wär's aus Wachs gegossen,
Mir auf dem Kiesgrund schwebend aufrecht halten!

Margarete. Nun denn, so mag die Jungfrau mir verzeihn!

Johanna. Du steigst heraus? Ach, Gretchen! Du erschreckst mich!
Hier an den Erlstamm drück' ich das Gesicht
Und obendrein noch fest die Augen zu.
Denn alles, traun, auf Erden möcht' ich lieber,
Als mein geliebtes Herzenskind erzürnen.
Geschwind, geschwind! Das Hemdchen – hier! da liegt es!
Das Röckchen jetzt, das blaugekantete!
Die Strümpfe auch, die seidnen, und die Bänder,
Worin ein flammend Herz verzeichnet ist!
– Auch noch das Tuch? Nun, Gretchen, bist du fertig?
Kann ich mich wenden, Kind?

Margarete.                                     Schamloser, du!
Geh hin und suche für dein Bett dir morgen,
Welch eine Dirn' im Orte dir gefällt!
Mich, wahrlich, wirst du nicht zur Kirche führen!
Denn wisse: wessen Aug' mich nackt gesehn,
Sieht weder nackt mich noch bekleidet wieder!

Johanna. Gott, Herr, mein Vater, in so großer Not
Bleibt auf der Welt zum Trost mir nichts als eines;
Denn in das Brautbett morgen möcht' ich wohl,
Was leugnet' ich's! doch, Herzchen, wiß' auch du:
In Sigismunds, des Großknechts, nicht in deins.

Margarete. Was sagst du?

Johanna.                             Was?

Margarete.                                     Sieh da, die Schäkerin!
Johanna ist's, die Magd, in Fritzens Röcken!
Und äfft, in eines Flieders Busch gesteckt,
Mit Fritzens rauher Männerstimme mich!

Johanna. Ha, ha, ha, ha!

Margarete.                         Das hätt' ich wissen sollen!
Das hätte mir, als ich im Wasser lag,
Der kleine Finger jückend sagen sollen!
So hätt' ich, als du sprachst: »Ei sieh, die Nixe!
Wie sie sich wälzet!« Und: »Was meinst du, Kind,
Soll ich herab zu dir vom Ufer sinken?«
Gesagt: »Komm her, mein lieber Fritz, warum nicht?
Der Tag war heiß, erfrischend ist das Bad,
Und auch an Platz für beide fehlt es nicht;«
Daß du zu schanden wärst, du Unverschämte,
An mir, die dreimal Aergere, geworden!

Johanna. So! das wär' schön gewesen! Ein züchtig Mädchen, wisse,
Soll über solche Dinge niemals scherzen;
So lehrt es irgendwo ein schwarzes Buch. –
Doch jetzt das Mieder her! ich will's dir senkeln,
Daß er im Ernst uns nicht, indes wir scherzen,
Fritz hier, der Jäger, lauschend überrasche.
Denn auf dem Rückweg schleicht er hier vorbei;
Und schade wär' es doch – nicht wahr, mein Gretchen? –
Müßt er dich auch geschnürt nie wieder sehn.


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