Egon Erwin Kisch
China geheim
Egon Erwin Kisch

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III. Kupfer

Gold und Silber lieb' ich sehr . . .
                (Deutsches Studentenlied)

. . . aber ich habe nur Kupfer.
                (Chinesische Tatsache)

An jeder Ecke jeder Straße haben Wechsler ihren gut vergitterten Stand. Sie sind – wie übrigens alle chinesischen Kaufleute in ihren Läden – von Söhnen, Enkeln, Großneffen und Schwiegersöhnen umgeben.

Die Inhaber dieser Geld-Käfige behaupten auf ihren Firmentafeln, daß sie amerikanische Dollar, japanische Yen, englische Pfunde einwechseln, sie schreiben Tageskurse an, und während der Boykottbewegung haben sie die japanische Währung auf der Tafel ostentativ durchgestrichen.

Trotz dieser Kurstabelle befassen sich die Shanghaier Wechsler ebensowenig mit Devisengeschäften wie ihre Kollegen, die der Knabe Jesus Christus aus dem Tempel jagte. Die Wechsler von Jerusalem tauschten Großgeld in Kleingeld um, das man für den Markt und Almosen brauchte, die von Shanghai tauschen Taler in Cents und Kupfer um.

Ein Chinesendollar ist gegenwärtig ungefähr einer deutschen Mark gleich. Aber er besteht keineswegs bloß aus hundert pfenniggleichen Münzen, vielmehr aus viel mehr, aus 290, in Worten: zweihundertneunzig talergroßen, talerschweren Kupferstücken.

In der Mandschurei gibt es sogar halbe Kupfer, – wer's nicht glaubt, zahlt einen Taler für fünfhundertachtzig von ihnen. Dagegen kursieren in Peking 35 durchlochte Doppelkupfer, die jedoch nicht das Doppelte, sondern nur die Hälfte des einfachen wert sind. Unter so schweren Verhältnissen ist es leicht begreiflich, daß man eintauscht, wenn man gerade Kleingeld braucht, oder wenn man kein Kleingeld braucht und die ganze Tasche voll davon hat. Wer wird sich einerseits den ganzen Tag mit Kupfergewicht schleppen wollen, wer kann anderseits vom Schaffner, vom Zeitungshändler oder vom Rikschakuli verlangen, soviel Münzen bei sich zu haben, als er auf eine chinesische Mark herausgeben müßte? Befürchte nicht, der Wechsler werde dir für deinen Dollar den ganzen Gegenwert in Kupfern durch die Gitterstäbe schieben, ein Schwergewicht, das dich schnell erledigen würde. Nein, die Wechsler nehmen Rücksicht auf die menschliche Tragkraft, geben dir fünf Zwanzig- oder zehn Zehncentstücke. Nur den Rest bekommst du in Kupfern – etwa zwanzig bis dreißig – das hängt von Devisenschwankungen und Kupferpreisen ab, von geheimnisvollen unverständlichen Dingen, bei denen der kupferverdienende Kuli täglich draufzahlt.

Es gibt Big-Money und Small-Money, Großgeld und Kleingeld, das aber beides Kleingeld sein kann. Big-Money sind sowohl Bruchteile als auch Vielfache des chinesischen Dollars. Immer gehen bei Big-Money zehn Zehncentscheine auf einen Dollar oder ein Zehndollarschein auf zehn Dollar. Nicht so einfach ist es bei Small-Money, den silbernen Zehn- und Zwanzigcentstücken, – die schaukeln längs der Wertskala unausgesetzt auf und nieder.

Zweitausendfünfhundert Jahre lang war Chinas Münze der Kwei, von den Europäern Käsch genannt. Tausend 36 Käsch gingen auf einen Tael, sie waren durchlöcherte Bronzestücke und galten vom frühesten Altertum bis zum Weltkrieg. 1915 kauften die Japaner schiffsladungsweise den Kwei auf, – die Kanonenindustrie verschmähte Kupfer und Zinn auch in der kleinsten Form nicht. Japan bezog die Käsch von den chinesischen Provinzgeneralen, die sie ihrerseits dem chinesischen Volk entzogen. Jetzt sieht man keine Käsch mehr, obwohl auf jedem Kupfer großmächtig steht, daß er zehn Käsch wert ist.

Fast jede Provinz Chinas prägt ihre Münzen selbst, in jeder Stadt hat der Cent einen andern Wert, überall blüht und wuchert die Gilde der Wechsler. Der Kuli bekommt seinen Lohn in Kupfer, die Straßenbahn läßt sich die Fahrkarte in Kupfer bezahlen, der Schaffner preßt die Münzenmassen in Säcke und die Säcke unter die Sitze der Passagiere, der Chinese entlohnt den Rikschakuli in Kupfer, der Arbeiter, der mit Frau und kleinen und kleinsten Kindern auf dem Einradkarren aus der Fabrik heimfährt, entrichtet den Fahrpreis in Kupfer, der Straßenhändler, der Straßenschauspieler, der Straßenbettler erzielt nur Kupfer, – es ist das schwerste und am schwersten verdiente Geld.

Da fiel es der Liebe ein, Papierscheine auf Kupfer auszustellen. Die Liebe vermochte das, denn nur aus der Hand der Liebe nimmt man Papier für bare Münze. Vor mir liegt ein Paket solchen Liebesgeldes, lautend auf die Wechselstube Kai Tai, die Wechselstube Wan Fong Tai usw. usw.

Diese Zehn-, Zwanzig- oder Vierzig-Kupferscheine überreicht das Mädchen in den chinesischen 37 Liebeshäusern dem Gast zum Abschied, um sich für seinen Besuch dankbar zu zeigen, und um ihm, der müde ward an ihrer Seite, die Strapazen des Zufußgehens zu ersparen. Sie setzt von seiner Galanterie voraus, daß er ihr seine ganze Barschaft geschenkt und nichts mehr bei sich behalten habe.

Jeder Rikschakuli nimmt diese Scheine an, als wären sie öffentliche Währung, jeder kennt dieses Papiergeld und . . .

»Papiergeld! Schreiben Sie doch keinen Unsinn, Kisch,« unterbricht der Währungsfachmann. »Das ist doch kein Papiergeld. Das sind doch Schatzscheine!«

Schatz-Scheine? Schön! 38

 


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