Paul Keller
Stille Straßen
Paul Keller

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Die Wiese.

Im schlesischen Gebirgsdialekt.

Ach Gott, war das schien! Die Wiese finkelte eim Sunnascheine, der mollige Murgawind striech im die Bluma. 's war Juni.

Und 's kleene Wiesawasserla machte immerfurt:

»Knullerlullu! Glack, glack! Knullerlullu!«

Drei Meabluma (Maiblume, Löwenzahn) stonda nabernander: ane ale, ane mittelmäßige und ane junge.

Die kleene perschte (brüstete) sich: »Eegentlich,« sate sie, eegentlich heeß ich Leewenzahn.« Und sie rackte die storka, gesunda Zähne vo ihra Blättern kraftstrutznig ei de Luft.

»Sei nich stulz, Töchterla, sei nich stulz,« sate die zweete Meablume, »Jugend und Schienheet vergieht. Ich war ooch jung und schien. Do kam anne gruße, dicke Hummel, sotzte sich uff miech und trompelte mir uff'm Kuppe rim. Was ies possiert? 's Been ies mir ufgeplotzt; a Aderbeen ha ich jitzt. Das konn dir ooch possiern. Und das sa ich dir, Madla, a Fräulein mit eem Aderbeene, mit dar is nich viel lus.«

»Jajaja – jajaja,« nickte der ale Herr dernaba. »Jugend und Schienheet! Wenn ma alt werd, do muß ma fruh sein, wenn ma no a paar schiene weiße Hoore hot.«

Und a wiegte senn Kupp, 's war werklich a prachtvuller Silberkupp, und der ale Herr war noch siehr stulz druff. Wie a aber asu nickt und a Kupp dräht, fällt 'm pletzlich uff'm Wärbel a ganzer Packs Hoore aus, und a kriegt 'n grußmächtige Glotze.

Ane Kamille lachte dodriber. Do fiel'n ihr drei Zähne aus, und sie sah jitzt viel meschanter aus wie der ale Herr. »Sihste, was hälste ni die Frasse! Stupp ni ale Leute aus!«

Ane dicke Ohmße aber nahm sich a Hoor vum Herrn Leewenzahn und schleppt's uff ihre Burg zu. Se braucht's fer ihre Puppenstube. Wie ihr aber a dicker Stengel Sauerlumpe ei de Quare kam, wurd' sie su verbust driber, doß se sich benahm wie a Hund om Laternefohle. Die Sauerlumpe wullde gerade die Ohmße 'n ala Schweinigel schimpfa, do kam a kleenes Madel, rupfte die Sauerlumpe ob und verspachtelt se mit a Blättern, mit'm Stiele und mit ollem, was drum und dronn war.

»Knullerlullu! Glack, glack! Knullerlullu« machte 's Wiesawasserla.

A Stickla wetter driba ging's der Schoofgorbe schlecht. Se hotte a Hahnenfuß »Putterblume« geheeßa. Der Hahnenfuß resenierte lus. A spricht städtsch. »Du bist 'ne tumme Gans, Schafgarbe! Ich bin keine Putterblume nich, ich bin ein Ranunkel und heiß Hahnenfuß.«

»Jeses, a Halunkel ies a gewurn, nee, hier ock Quorkblume, a Halunkel, und macht sich ooch noch gruß, Quorkblume!«

Mit Quorkblume meente die Schoofgorbe 's Wiesenschaumkraut.

Das fuhr ihr nu erst recht über's Maul, und die eefeltige Schoofgorbe mußte erkenn', doß uff eener Pauerwiese vo Quork und Putter nimmeh die Rede sein darf.

Bluß der Kimmel stond der Schoofgorbe bei, denn a hot ane gruße Vurliebe fer Quork und gab seine Onhänglichkeet zu erkenn. Pletzlich aber wurd' a ganz bloß und zitterte.

»A Ärdbäben,« jat a, »a Motwulf!

Richtig, a Ärdbäben! Olla Bluma zitterta, ooch der stütze Hahnenfuß; aber dar wullde sich beim Ärdbäben einschmeicheln und sate deshalb ganz laut:

»Der Mautwulf is ein sehr nitzliches Tier!«

Pardauz, stieß der Motwulf us, und der Hahnenfuß war entwurzelt und kullerte iber a frischa Vulkan nunder.

»Knullerlullu! Glack, glack! Knullerlullu!« machte 's kleene Wiesawasserla.

Satt ock, satt ock, die Lichtnelke! Is die aber fein! 'n Schleier hot se, 'n weißa, herrlicha Schleier. Ane ganz kleene geschickte Spinne hot a gemacht, und nu flottert a eim Murgawinde im das hübsche Kind. Rusig rut sein die Bäckla und kee Jimferla eim ganza Lande hot su 'ne schlanke Figur.

A klenner, dicker Kerl stieht vur der Lichtnelke und plinzt se aus senn bloa Ooga verliebt an. 's is der Gundermonn. A möchte se fer's Läben gerne und macht nu enn Diener iber a andern und stuttert seine Liebeserklärung.

Die Lichtnelke zuckt die feina Achseln. Der Gundermonn is ja a solider Monn und ooch gutt fundiert, aber a ies ihr nich schien genug. Su a kleener dicker Knullrich is nischt fer ane Lichtnelke. A reecht ihr ja kaum bis on de Achseln. Do lachte ju de ganze Wiese, wenn se dan nähm.

»Herr Gundermonn,« sat se, »'s tutt mer leed, aber ich konn ihren Antrag nich annähm. Wärden Se recht glicklich, Herr Gundermonn!«

Gundermonn schittelt betribt senn Kupp, und helle Treppla foll'n aus senn Ooga. Do stißt'n ees ei a Rücka.

»Looß doch die tumme Gake, niem mich doch!«

's ies die fette Henne.

Do dräht sich Gundermonn witend im und streckt der dicka Schachtel aus senner Lippenblite die Zunge raus.

»Knullerlullu! Glack, glack! Knullerlullu!« machte 's kleene Wiesawasserla.

Naber der Wosserfurche ies a Nastla. Fimf kleene Veegerla sein drinne, schmucke, putzige Dinger. Die Mutter wacht bein a. Der Vater ies furt uff der Jad. Die kleene Vogelwöchnern wär fruh, wenn se mit ihra Kinderlan alleene wär. Aber immerfurt kriegt se Besuch. A ganza Tag gieht's. A Hase war do und sprach a kluges Wurt vum Jäger und vum Fuchse. Eenzig gutt, doß de Kinderla nischt dervo verstieh'n. Denn die Angst sunst! Su a aler Tapermichel vu Hase braucht doch ei eener Wuchastube nich sittes entersches Zeug zu quotscha. Konn a nich Ricksicht nahma uff a Weib ei sitter Zeit? Nee, a mahrt halt druf lus! Dann die Nuppern olle. Na, die Weiber sein nich schlecht. Se brenga doch was miet. Su was zu Assa, was Zartes, Guttbekemmliches. Die Monne dagegen, die macha bluß ihre tumma Witze. Gestern kam gar der Herr Paster Wachtel. Dar stellte sich fer's Nast und schrie immerfurt uff die Kinderla nei: »Fürchte Gott, fürchte Gott!« Ja, gefercht' han se sich, aber nich ferm Herrgott, nee, ferm Herrn Paster. Do hot se sich a Herze gefoßt und gesat: »Herr Paster, nischt fer ungutt und ei ollem Respekt, aber die Kinderla sein fer a Religionsunterricht noch zu kleen.« Eenzig gutt, doß de Uxazunge do is und doß se gerade uff der Mittigseite stieht. Do hot ma doch fer die Kinderla Schutz gegen die Sunne und o an Scherm, wenn's rahnt.

»Knullerlullu! Glack, glack! Knullerlullu!« macht immerfurt 's Wiesawasserla.

Die Vergißmeinnichte treemern eis Wosser nei. A Jahr is har, do ging a junges Paar über de Wiese. A junger Pursche zug furt ei de Welt. A macht's wie olle, die denka, 's Glicke wohnt weit weg ei der Fremde. Derbeine hielt a sei Glicke on der Hand, a schmuckes, liebes Madel, die gor bitterlich flennte, doß ihr Liebster furtzug. A fluckte a paar Vergißmeinnichte ob, gob se ihr, nohm se no amol lange im a Hols, und dann ging a, und uff'm Hibel schwenkt a no amol a Hutt. 's Madel aber stond alleene mit ihra bloa Blümlan. Und sie stieht heute no alleene, und wenn se amol' on de ale Stelle kimmt, sitt se a Weg lang und flennt wie domols.

»Knullerlullu, glack, glack!«

Su rinnt's Wasserla, su rinnt's Laba eefermig, immer ei der gleicha Melodie, eb Freede ringsim ies oder Herzeleed, Lust oder Angst.

Uff em weecha Moosbettla liegt a guldner Kafer. A schläft ni, a bäht sich bluß ei der Sunne. A ies wie der terksche Sultan, immer ei enner finkliga Uniform und immer faul. Im a rim sein ane ganze Menge wunderschine Tanzmadel. Tausendschönchen sein's. Schien sein se und tumm. A su braucht se der Sultan. Weil se tumm sein, heeßa se ooch Gänseblimla. Aber tanza kinn se wunderlieblich. Und se schlinga enn Ringelreih'n und singa:

»Tanzt ihr Schwestern holde
Um den Prinz von Golde,
Tanzt ihr Schwestern schmuck und fein
Um den Prinz von Edelstein!«

»Knullerlu! Glack, glack! Knullerlullu!« summt 's Wiesawasserla derzwischa. War kimmt a Barg runder? War schleicht im die Ecke?

A häßlicher Man is es! A aler, derrer, häßlicher Man! Sei Gesichte ies derre, seine Haut ies gelb, die Knucha stieh'n ihm im de Ooga raus, im die fiebriga, biesa Ooga.

Uff der Achsel hot a ane Sanze.

Mit em biesa, hiehnscha Blicke guckt a uff die grüne, lustige, finklige Wiese.

Und dann setzt a sich on a Rand und tengelt die Sanze.

Die schorfa Schläge gieh'n über de Wiese.

Do stieh'n olle Bluma und Grasholme tief derschrocka. Bis eis Harze schlät an die Angst.

Itzt, mitta eim grüna Summerlaba, kimmt der Tud.

Wie a stummer qualvuller Angsthauch steigt a heeßer Duft zum Himmel. Olles ies storr.

Bluß 's Wiesawasserla macht eefermig:

»Knullerlullu! Glack, glack!«


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